Quetzal Vogel
News Icon
Quetzal

Politik und Kultur in Lateinamerika

Template: single_normal
Printausgaben

Indianer-Lexika

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Uff, sprach Winnetou…

Mit dieser Überschrift dürfte es keine Zweifel mehr darüber geben, worum es im folgenden gehen soll – um Indianer. Oder, um genauer zu sein: um Indianerbücher. Um am genauesten zu sein: um Indianer-Lexika. Jedenfalls sollte es ursprünglich nur um Lexika gehen, aber es ist in Deutschland nicht eben einfach, Nachschlagewerke dieser Thematik zu erwerben, die obendrein auch noch neueren Datums sind. Von der Qualität ganz zu schweigen. Aber, ich will nicht vorgreifen…

Von den sechs Büchern, die mir nun zur Rezension vorliegen, sind nur zwei Lexika im strengen Sinne des Wortes. Bei den restlichen handelt es sich um Sammelbände, Lesebücher (wie auch immer) bzw. einen Roman. Der Roman ist ein Mißverständnis; Frederik Hetman hatte vor Jahren einmal ein Nachschlagewerk „Indianer“ herausgebracht (für Kinder). Der Verlag schickte uns stattdessen sein Buch „Charlotte und die Indianer“ zu, ein Roman über eine Jüdin, die sich am Ende ihres Leben ihren Jugendtraum erfüllt und in die USA zu den Indianern fährt und dort deren Kampf gegen die Umweltzerstörung miterlebt. Die Geschichte behandelt gleichnishaft die Verfolgung der Juden im faschistischen Deutschland und die Unterdrückung der US-amerikanischen Ureinwohner. Bei diesem Buch will ich es bei der Inhaltsangabe belassen; wie gesagt, es war ein Irrtum

Hartmut Lutz schreibt in seinem Beitrag in dem Lesebuch „Die Indianer“, in Deutschland vertriebene Kinderbücher zum vorliegenden Thema, angefangen bei Karl Mays (Mach)Werken, zeichneten sich durch eine Idyllisierung der Realität ,.., die Deklassierung ethnisch Andersartiger zu folkloristischen Statisten …sowie durch die rassistische, imperialistische Darstellung rassischer Minderheiten aus. Ich kann dem nur hinzufügen, daß solches nicht nur bei Kinderbüchern der Fall ist. Das fängt schon bei den einfachsten Dingen an. Ich verlange von einem Buch mit populärwissenschaftlichem Anspruch ja wirklich nicht, daß dort von indigenen Völkern die Rede ist – die Leute sollen das Ergebnis schließlich kaufen. Ein Hinweis darauf, daß Indianer keine Indianer und mit dieser Bezeichnung wohl auch nicht so ganz glücklich sind, wäre aber doch angebracht. Dieser Meinung waren die verschiedenen Autoren allerdings nicht. Die Darstellung indigener Völker folgt offensichtlich nach wie vor der kolonialistischen Diktion. Schließlich haben sich die Leute daran gewöhnt. Eine solche Haltung mag unbewußt sein (was das Ganze nicht besser macht), wirft aber ein bezeichnendes Licht auf europäische Ignoranz.

So ist es z.B. allgemein üblich, historische indianische Persönlichkeiten zuerst unter ihrer englischen Namensvariante zu fuhren; und man hält es z.T. nicht einmal für nötig, die stammessprachliche auch nur zu erwähnen (vgl. Lindig, Stammel). Dabei muß gesagt werden, daß die von Lindig herausgegebenen Bände ein recht umfassendes Bild über die Vielfalt indigener Lebensweisen in Amerika geben, und – das ist die Ausnahme – mit dem Begriff Indianer auch die südamerikanischen Ureinwohner einschließen. Schon deshalb sei interessierten QUETZAL-Lesern besonders der 2. Band zur Lektüre empfohlen. Wobei mir aber generell nicht ganz klar ist, an wen sich diese Bücher eigentlich wenden. An Fachleute sicherlich nicht; für die dürfte manche Darstellung zu oberflächlich sein und das Niveau der Beiträge zu unterschiedlich (die Artikel von Beyer und Bolz, beide zur AIM, trennen in Anspruch und Sachlichkeit Welten). Der Laie dürfte in der Regel von den gehäuften ethnologischen Fachbegriffen überfordert sein; wobei die Sichtweise von Lindig mitunter auch etwas antiquiert erscheint, was zweifellos nicht unbedingt dem Ersterscheinungsdatum der ersten beiden Bände anzulasten ist (1978).

In dem in der Beck’sehen Reihe herausgegebenen Lesebuch finden sich historische Darstellungen (Königin Isabella, Las Casas etc.) ebenso wie zeitgenössische Betrachtungen, auch aus indianischer Feder. Selbst Karl May fehlt nicht, als besonders verschrobenes Beispiel vom Bild des Indianers in den Köpfen der Weißen. Das Buch ist unbedingt lesenswert!! Fast zeitgleich brachten Dietz Berlin und Orbis ihre Indianerlexika heraus. Während Stammel noch eine allgemeine Einführung gibt, beschränkt sich van der Heyden auf das Lexikon.

Die Autoren des Dietz-Bandes sind bemüht, dem Indianerfreund eine sachliche und möglichst umfassende Darstellung der Indianer zu geben, der nordamerikanischen wohlgemerkt. Dabei ist die Stichwortauswahl m.E. manchmal zu sehr am Klischee der Indianerfilme und -literatur orientiert (was sollen Abilene, Billy The Kid etc.?), aber das mögen Freaks anders sehen. Sehr anerkennenswert ist, daß die Darstellung indianischer Lebensweise nicht irgendwann in der Vergangenheit aufhört, sondern z.B. auch zeitgenössische Kultur stichwortartig recht breit vertreten ist. In den biographischen Angaben sind überhaupt die Stärken des Bandes zu sehen.

Also – Ungenauigkeiten/Nachlässigkeiten finden sich in allen vorliegenden Büchern. In besonders erschreckendem Umfang ist das bei Stammel der Fall, der sich laut Untertitel seines Buches die Aufgabe gesetzt hat, über Legende und Wirklichkeit der Indianer aufzuklären. Geschafft hat er m.E. lediglich die Legende: das Buch ist ein Konglomerat aus sich betont wissenschaftlich gebenden Aussagen (Angaben über Radiokarbonmessungen zur Bestimmung des Alters von archäologischen Funden in Amerika etc.) und z.T. hanebüchenem Unsinn. Seiner etwas verqueren Logik zu folgen, ist dabei nicht immer einfach. Stammels Buch ist auch ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Ignoranz sich in quasi rassistischen Aussagen Gehör verschafft; so waren bei ihm die Apachen halt blutrünstig und grausam -wahrscheinlich kam das mit der Muttermilch.

Ein Meisterstück aufklärerischen Wirkens ist sein Fazit: Aus der Schilderung der Lebensweise nordamerikanischer Indianer und ihrem Untergang sind ganz sicherlich keine auch nur annähernd brauchbare Nutzanwendungen für unsere Gegenwart zu entnehmen … Ich habe gesprochen! Wough!
___________________________________

Literatur:

Die Indianer. Ein Lesebuch. C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung München 1993.

Frederik Hetman: Charlotte und die Indianer. Ravensburger Buch Verlag, 1994.

Ulrich van der Heyden (Hrsg.): Indianerlexikon. Dietz Verlag Berlin 1992.

Wolfram Lindig/Mark Münzel: Die Indianer Bd. 1: Nordamerika; Bd. 2: Mittel- und Südamerika. Deutscher Taschenbuchverlag München 1992 (5. Auflage)

Wolfram Lindig (Hrsg.): Indianische Realität. Nordamerikanische Indianer in der Gegenwart. Deutscher Taschenbuchverlag München 1994.

H. J. Stammel: Indianer. Legende und Wirklichkeit. Orbis Verlag für Publizistik München 1992.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert