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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Vom Erdgipfel ins ökölogische Desaster

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 13 Minuten

Daß die Wahl des Austragungsortes für die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Juni 1992 ausgerechnet auf die brasilianische Metropole Rio de Janeiro gefallen war, mag Zufall gewesen sein oder auch nicht. Auf alle Fälle aber symbolisieren sowohl die Stadt selbst als auch der lateinamerikanische Riese Brasilien die Relevanz der Region südlich des Rio Grande für die dort debattierten Probleme. Die tropischen Regenwälder des Amazonasbeckens – in der Kontroverse um die Vereinbarkeit von Entwicklung und Umwelt oft als exemplarischer Beleg für die jeweilige Argumentation angeführt – beherbergen immerhin fast ein Drittel der Artenvielfalt unseres Planeten und produzieren den größten Teil des globalen Sauerstoffvolumens (siehe Kasten 1). Zugleich werden Brasilien und andere lateinamerikanische Staaten verschiedentlich für ein umfangreiches ökologisches Sündenregister verantwortlich gemacht, das von der Regenwaldzerstörung über den Einsatz umweltfeindlicher Verfahren in der Landwirtschaft bis zum ökologischen Desaster in den urbanen Ballungsräumen von Säo Paulo, Mexiko-City, Lima, Santiago de Chile und anderen Großstädten reicht (siehe Kasten 2 und 3). Die ökologische Situation Lateinamerikas besitzt zumindest in zweifacher Hinsicht exemplarischen Charakter:

Kasten 1

Bedeutung Lateinamerikas für die Sicherung der globalen Lebens­grundlagen:

Tropenwälder

= 885,5 Mio. ha

= 46% des welt­weiten Bestandes

Artenvielfalt

= 40% des weltweiten Bestandes

Deckung des globalen Sauerstoffbe­darfs

= 60%

Das Umweltproblem ist hier erstens eindeutig als ein sozial verursachtes und sozial zu lösendes Problem erkennbar, an dem sich zweitens schon sehr bald zeigen wird, wie tragfähig das Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ tatsächlich ist.

Eine der Hauptursachen der ökologischen Krise des Kontinents ist die Armut, in der die Hälfte der 400 Millionen Einwohner leben muß. Armut ist verantwortlich dafür,

  • daß immer mehr Menschen auf dem Land in Existenznot geraten und ihr Glück in den ausufernden Großstädten suchen, wo sie sich als neue Rekruten in das Heer der Arbeitslosen, Gelegenheitsarbeiter, Slumbewohner und Entwurzelten eingliedern,
  • daß die Städte im Müll versinken und die meisten ihrer Bewohner unter unvorstellbaren hygienischen Bedingungen dahinvegetieren müssen,
  • daß landlose Bauern im Überlebenskampf gezwungen sind, mit primitivsten Mitteln den Bergen und dem Urwald Boden abzuringen und damit der Zerstörung ihrer natürlichen Umwelt Vorschub leisten.

Die Bekämpfung der Armut als Ursache und Folge von Umweltzerstörung besitzt für die Durchsetzung einer umweltgerechten, die natürlichen Lebensgrundlagen erhaltenden Entwicklung, seit der Veröffentlichung des Brundtland – Berichts 1987 als „nachhaltige Entwicklung“ bezeichnet, oberste Priorität. „Es wird keine nachhaltige Entwicklung in Lateinamerika und der Karibik geben, solange fast die Hälfte seiner Bevölkerung unter den Bedingungen extremer Armut lebt. Die ökologische Tragfähigkeit unserer Entwicklung muß der menschlichen Entwicklung klare Priorität einräumen. Dies ist zusammen mit der rationellen Nutzung der natürlichen Ressourcen eine zentrale strategische Linie, der jedes weitere Engagement untergeordnet werden muß.“ Diese von der Lateinamerikanischen und Karibischen Kommission für Entwicklung und Umwelt formulierte Einsicht ist zumindst in Lateinamerika allgemein anerkannter Konsens. Der Dissens beginnt dort, wo es um die Benennung der Ursachen und um Strategien der Bekämpfung von Armut geht.

Von Vertretern der Staaten der Dritten Welt werden die ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die 500jährige Kolonialisierung ihrer Länder und die erzwungenen Fixierung auf die Verwertungsbedürfnisse der Industrieländer mit ihren auf ungehemmten Ressourcenverbrauch und expansives Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystemen als Hauptursache der weltweiten Umweltzerstörung und der wachsenden Verarmung der unterentwickelten Länder benannt. Das den lateinamerikanischen Ländern durch den „Sachzwang Weltmarkt“ auferlegte Entwicklungsmodell hat eine Kette von ökologisch verhängnisvollen Prozessen ausgelöst, so die ökologische und ökonomische Marginalisierung des kiembäuerlichen Subsistenzsektors, die Erzeugung einer volkswirtschaftlich nicht integrierbaren Überbevölkerung, beschleunigte Entwaldung und Bodenerosion sowie eine an die eigene Substanz gehende Ausbeutung der nationalen Naturressourcen und die extreme Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

Der Versuch einer nachholenden Entwicklung hat für die Dritte Welt nicht nur nicht den erhofften Anschluß an das Niveau der Industrieländer gebracht, sondern den westlichen Industrienationen ist es sogar gelungen, einen erheblichen Teil der eigenen sozialen und ökologischen Entwicklungskosten in die Dritte Welt zu exportieren.

Die Brisanz der Umweltproblematik im Süden resultiert aus der explosiven Verbindung von eigener umweltzerstörender Armut mit der ressourcenverschlingenden und naturvernichtenden Akkumulation von Reichtum, an der auch die Eliten des Südens beteiligt sind.

Die Industrieländer, in denen nur ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt, produzieren allein 75% der Treibhausgas-Emissionen und haben einen Anteil von 80% am weltweiten Ressourcenverbrauch. Als Hauptverursacher der globalen Umweltverschmutzung und Hauptnutznießer des Verbrauchs der natürlichen Ressourcen unseres Planeten sind die Industrieländer zugleich in die Pflicht genommen, bei der Abwendung der drohenden ökologischen Kathastrophe die größten Lasten zu tragen und ihr zur Gefahr für Natur und Mensch mutiertes Wirtschaftsmodell radikal zu verändern. Das war der Rubikon in Rio … und der Norden weigerte sich, ihn zu überschreiten. Hier wird die Arroganz der Reichen und Mächtigen sichtbar, die in der Überzeugung leben und handeln, daß die Armen und Ohnmächtigen am meisten unter den kommenden Klimaveränderungen zu leiden und in den folgenden Verteilungs- und Überlebenskämpfen die geringsten Chancen haben werden. Der sich in Rio als Göttervater des ökOlymps aufspielende US-Präsident Bush (heute schon Ex-…), der im Vorfeld gar mit Fernbleiben drohte, schmetterte die Forderungen nach konkreten Zeit- und Mengenzielvorgaben bei der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen mit den Worten „Der amerikanische Lebensstil steht nicht zur Debatte!“ ab. Demzufolge hatte auch die von lateinamerikanischen Teilnehmern vorgetragene Forderung, die finanziellen Schulden ihrer Länder gegen die „deuda ambiental“, die ökologische Schuld der westlichen Industrieländer, zu verrechnen, keine Chance, diskutiert zu werden.

Überhaupt fällt eine Bilanz der Verhandlungen und Resultate des Erdgipfels in Rio für die Lateinamerikaner, die nicht einmal mit dem Pfund des Heinivorteils wuchern konnten, ziemlich dürftig aus. Die höchsten Erwartungen setzen die Lateinamerikaner in die Klimakonvention. Ursprünglich sollten dort konkrete Festlegungen über die Reduktion der Emission von Treibhausgasen (v.a. Kohlendioxyd) enthalten sein. Die lateinamerikanischen Verhandlungsteilnehmer verbanden damit die Hoffnung, daß sich die Industrieländer auf diese Weise zu einschneidenden Veränderungen ihrer Produktions- und Lebensweise veranlaßt sähen und die Gefahr einer Klimakatastrophe, unter der die Entwicklungsländer wegen ihrer geographischen Lage und mangelnder Mittel und Ressourcen am stärksten zu leiden hätten, gemindert würde. Dieses Ansinnen wurde dadurch unterlaufen, daß auf Druck der USA, die allein für 25% des weltweiten Kohlendioxyd-Ausstoßes verantwortlich sind, keinerlei konkrete Festlegungen über Fristen und Umfang der Reduzierung in die Konvention aufgenommen wurden.

Die Bestimmungen im Kapitel der Agenda 21 über den Schutz der Atmosphäre, dessen Empfehlungen sich teilweise mit dem Inhalt der Klimakonvention decken und in dem es besonders um alternative Energiekonzepte geht, liegen ebenfalls weit unter den lateinamerikanischen Erwartungen. So hatten sich beispielsweise Argentinien und Brasilien für die Schaffung eines „Sustainable Development Fund“ eingesetzt, in den alle Länder entsprechend ihrem jeweiligen Energiever- brauch Einzahlungen leisten sollten. Dieser Vorschlag scheiterte jedoch am Widerstand der arabischen OPEC-Staaten und Venezuelas. Alle Maßnahmen zur Dämpfung des Erdölkonsums wurden als unannehmbar abgelehnt. Gerade im Energiebereich hätten die lateinamerikanischen Länder eine große Chance, unter Nutzung ihrer Standort und Klimavorteile die Entwicklung neuer regenerierbarer Energieträger wie der Solarenergie voranzutreiben. Auch die Bemühungen der lateinamerikanischen Länder, die Bestimmungen der „Baseler Konvention zur Einschränkung der internationalen Müllhandels“ dahingend zu ergänzen, daß ein Exportverbot für giftige und radioaktive Abfalle ergeht und die Länder des Nordens sich veranlaßt sehen, ihre Atom- und Giftmüllentsorgung selbst zu bewältigen, scheiterten am Widerstand der Industrieländer. Ferner wurde das in der „Plataforma de Tlatelolco“ geforderte Kontrollsystem zur Bekämpfung der marinen Umweltverschmutzung durch Anlagen auf dem Festland, die nach wissenschaftlichen Schätzungen zu 75 bis 80% die Verschmutzung des Meeres verursachen, zurückgewiesen.

Kasten 2

Entwaldung und Bodenerosion in Lateinamerika:

jährliche Entwaldungsrate

= 50.000 km2 (entspricht der Größe Costa Ricas)

jährliche Entwaldungsrate Amazoniens 1978-1989

=22.000 km2 (1991 infolge der Wirtschaftsrezes­sion halbiert)

jährliche Entwaldungsrate Brasiliens

= 17.000 km2 (davon 65% durch Regierungsaktivitä­ten)

Bodenerosion in Lateinamerika:

2.000.000 km2 (= 10% der Gesamt­fläche) in Mexiko 85% der Böden betroffen

Große Hoffnungen setzten die Lateinamerikaner in die Artenschutzkonvention, die einerseits den Zugang zu den biologischen Ressourcen, die sich größtenteils in der Dritten Welt befinden, und andererseits den Einsatz und die Verbreitung der Gentechnologien sowie entsprechender Patente, über die fast ausschließlich die Industrieländer verfügen, regeln soll. Im Grunde wurde ein Tausch vereinbart: Kostenloser Zugang der Entwicklungsländer zu Bio- und Gentechnologien, ein angemessener Anteil aus den Gewinnen dieser Technologien als Gegenleistung für die zur Verfügung gestellten biologischen Ressourcen und Hilfe der Industrieländer bei der Entwicklung einer eigenen regional angepaßten Biotechnologie; und im Gegenzug für die Industrieländer freier Zugriff auf die biologischen Ressourcen, die ausdrücklich unter der nationalen Souveränität der jeweiligen Staaten standen. Zentrales Anliegen ist dabei die nachhaltige Nutzung der Artenvielfalt, die sich zum überwiegenden Teil in den Tropen konzentriert. Da jedoch die USA die Unterschrift verweigerten, ist dieses Ziel in weite Ferne gerückt. Als führendes Land auf dem Gebiet der Gen- und Biotechnologie fürchteten sie um ihre Vormachtstellung, zu hohe Kosten durch Zahlungen an die Dritte Welt und die Durchsetzung strikter Sicherheitsbestimmungen im Ergebnis der Realisierung der Konvention. Zur Begründung machten die USA den Schutz der geistigen Eigentumsrechte (Patente) geltend.

Quasi als Revanche bildete sich eine gemeinsame Front der Entwicklungsländer in der Tropenwaldfrage, an der sich v.a. die Industrieländer interessiert zeigten. Ursprünglich bestand die Absicht, in Rio eine Tropenwaldkonvention zu verabschieden, die aber schon in den Vorverhandlungen fallengelassen werden mußte. Auch eine von der Industrieländern erhoffte Erklärung zum Waldschutz mit der Verpflichtung, in möglichst kurzer Zeit eine völkerrechtlich verbindliche Tropenwaldkonventiou zu verabschieden, scheiterte. Es kamen lediglich Grundsätze für den Schutz der Wälder zustande. Unter den lateinamerikanischen Tropenwaldländern warf besonders Kolumbien dem Norden vor, die Wälder nur zur Absorption und als Speicher für die von ihnen produzierten Treibhausgase bewahren zu wollen, anstatt durch eine entsprechende Energiepolitik für eine Reduzierung dieser Gase zu sorgen. Dieser Verdacht wird durch ein Angebot Bushs, die internationale Hilfe zum Waldschutz auf 2,7 Mrd. Dollar zu verdoppeln, nicht gerade entkräftet. Wie aus einem offiziellen Papier des Weißen Hauses hervorgeht, könnte mit der Beendigung der Waldzerstörung bis zum Jahr 2000 eine doppelt so hohe Reduzierung der Kohlenstoffdioxid-Emissionen erreicht werden, wie sie durch eine Stabilisierung auf dem Stand von 1990 möglich wäre. Die USA brauchten dann also nicht die eigenen Emissionen zu reduzieren und alles könnten im reichen Norden so weiterlaufen wie bisher.

Spätestens an dieser Stelle erhebt sich die Frage, was Rio nun für die Durchsetzung einer „nachhaltigen“ (exakter wäre „durchhaltbaren“) Entwicklung gebracht hat. Festzuhalten wäre zunächst eines: Während der Norden, v.a. die USA, darunter vorrangig eine ökologische Modernisierung des bestehenden Wachstumsmodells durch umweltfreundliche Technik, höhere Produktivität und eine veränderte Preispolitik versteht, haben gerade die lateinamerikanischen Staaten ein Entwicklungsverständnis, das dem Konzept einer „nachhaltigen Entwicklung“ näher kommt. Sie setzen den Schwerpunkt auf menschliche Entwicklung -mehr Lebensqualität, soziale Gerechtigkeit, Armutbekämpfung – und betonen zugleich das Recht aller Staaten auf eine eigene Entwicklung bei Wahrung der nationalen Souveränität über die natürlichen Ressourcen. Aber genau dieses – vollauf berechtigte und verständliche – Streben nach Anschluß an das Entwicklungsniveau der Industrieländer (nachholende Entwicklung) unter Berufung auf die nationale Souveränität kollidiert unter den gegenwärtigen Weltmarkzwängen (Export von landwirtschaftlichen und mineralischen Rohstoffen, hohe externe Verschuldung, nachholende Industrialisierung) mit den Erfordernissen des Erhalts der natürlichen Umwelt auch für die nachfolgenden Generationen (nachhaltige Entwicklung). In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß von allen lateinamerikanischen Staaten allein Uruguay für das Primat des Umweltschutzes gegenüber dem Prinzip der nationalen Souveränität plädiert. Abgesehen davon, wie gering die Chance des Anschlusses an das Niveau der Industrieländer auch sein mag, werden die Länder der Dritten Welt jedoch solange der nachholenden Entwicklung den Vorrang vor nachhaltiger Entwicklung einräumen (müssen), solange die Industrieländer an ihrem Wachstumsmodell und Entwicklungsverständnis festhalten und Umweltschutz nur zur Absicherung und Fortführung ihrer eigenen Expansion und Vormachstellung einfordern.

Bei der globalen Durchsetzung einer umweltgerechten Entwicklung sind die westlichen Industrieländer des Nordens zur „Dominanz verurteilt“, allerdings nicht im Sinne der Vormachtstellung gegenüber dem Süden, sondern als Vorreiter und Vorbild beim „ökologischen Umbau“ im eigenen Haus und im Weltwirtschaftssystem.

Ob, wann und wie sie dieser Aufgabe nachkommen werden, bleibt gerade nach Rio völlig ungewiß. Dort hat sich wieder einmal die Vorstellung durchgesetzt, daß sich mit Geld und Technologie die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme lösen ließen. Die Position der Regierungsvertreter des Südens hat von einer anderen Flanke aus die Durchsetzung der globalen Menschheitsinteressen in Sachen Ökologie blockiert. Mit dem an und für sich richtigen Argument, daß die Hauptverantwortung für die wachsende Gefährdung der natürlichen Umwelt beim Norden liegt, werden die dringend notwendigen Strukturveränderungen im Süden entweder generell verneint oder nach dem Motto „Erst der Norden, dann wir“ auf die lange Bank geschoben. Gegenüber dem Norden wird mit Verweis auf die nationale Souveränität die „eigene“ Umwelt mit ihren Ressourcen als Faustpfand, im Extremfall auch als Waffe, angesehen und eingesetzt, um den eigenen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Bei diesem zynischen Feilschen „natürliche Ressourcen aus dem Süden gegen Technik und Geld aus dem Norden“ bleiben die Interessen der zumeist armen Bevölkerungsmehrheit des Südens auf der Strecke. Rio hat deutlich gemacht, daß es zwischen den Eliten des Nordens und des Südens eine faktische Allianz dergestalt gibt, daß die jeweils eigenen wirtschaftlichen Interessen gegenüber den globalen ökologischen Erfordernissen Priorität besitzen und letztere im Konflikt zwischen beiden Seiten außen vor bleiben. Nach innen – für den jeweils eigenen Machtbereich – besteht der gemeinsame anti-reformerische Nenner darin, daß die im Sinne nachhaltiger Entwicklung notwendigen Strukturveränderungen abgeblockt werden.

Kasten 3

Umweltbelastungen in lateinamerikanischen Großstädten:

  • 90% der Abwasser werden ungeklärt abgeleitet
  • 3% des Mülls werden richtig entsorgt
  • Schadstoffe aus Autoabgasen liegen mehr als das vierfache über den von der Weltgesundheitsorganisation fest­gelegten Toleranzwerten

Umweltbelastungen in Mexiko-City:

  • 6.000 t Staub und Schadstoffe pro Tag (85% durch Kraftfahrzeuge)
  • 36.000 Fabriken im Stadtgebiet (= 50% der Industriekapazität des Lan­des)
  • 70% dieser Fabriken ohne entspre­chende Umwelttechnik

Den zentralen Bezugspunkt für die anti-reformerische und anti-globale Interessenallianz beider Eliten bildet der kapitalistische Weltmarkt.

Über ihn gewinnen beide ihren Reichtum und ihre Macht: die Eliten des Südens durch die unwiderbringliche Vernutzung und die Vermarktung der natürlichen Ressourcen und indem sie dem internationalen Kapital die erforderlichen Arbeitkräfte, Ressourcen und Infrastrukturen zu günstigen Konditionen zur Verfügung stellen; die Eliten des Nordens durch die überlegene Produktivität ihrer Ökonomien, mit der sie den Weltmarkt und damit auch den Süden beherrschen.

Nachhältige Entwicklung hat nur dann eine Chance, wenn im Norden und im Süden ein Wirtschafts- und Gesellschaftsumbau stattfindet, der die Diktatur des Marktes über die Natur bricht und umfassender menschlicher Entwicklung Raum gibt. Für Lateinamerika wie für die Dritte Welt insgesamt heißt dies vor allem: umfassende Partizipation der Bevölkerung, insbesondere auch des indigenen Teils, an den gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen auf der Grundlage ihrer Selbstorganisation – Durchführung einer Agrarreform, die die einheimische Landwirtschaft durch die Stärkung des kleinbäuerlichen Sektors und die Brechung des Macht- und Bodenmonopols der Großeigentümer in die Lage versetzt, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu sichern, gleichberechtigte Teilnahme an den internationalen Entscheidungsprozessen über die Durchsetzung einer umweltgerechten Entwicklung und Demokratisierung der internationalen Finanzinstitutionen (Weltbank, Internationaler Währungsfond).Statt Konfrontation zwischen Nord und Süd, bei der Mensch und Natur die Verlierer sein werden, ist Kooperation auf der Grundlage eines neuen Entwicklungsverständnisses.


Literaturhinweise:

  • CEPAL: El desarrollo sustentable – transformacion productiva, equidad y medio ambiente, Santiago de Chile 1991.
  • Latin American and Caribbean Commission on Development and Environment – Our Own Agenda, New York 1990.
  • Nachhaltige Entwicklung in Amazonien – Konzept und Wirklichkeit. Lateinamerika – Analysen, Daten, Dokumentation, Heft 19, Hamburg 1992.
  • Nachtigäller, Jutta: Die Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung. Ergebnisse und Bedeutung für Lateinamerika. Lateinamerika – Analysen, Daten, Dokumentation. Beiheft 12, Hamburg 1992.

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