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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Neues vom Klima – Prognosen für Lateinamerika

Florian Quitzsch | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Der IPCC-Bericht zu den Zusammenhängen von globaler Erwärmung und Wasserressourcen (Juni 2008)

Um es vorwegzunehmen, die Prognosen sind durchwachsen, variieren nach Region und basieren auf unterschiedlichen Szenarien. Die wichtigsten Auswirkungen sind sicherlich vor allem im Bereich der Ressourcen und des Zugangs zu Wasser, der Energiesicherheit, der Verbreitung von Krankheiten und zum Teil auch in der Landwirtschaft bzw. Ernährungssicherheit zu verorten. Obwohl Lateinamerika mit Amazonas, Parana-Plata und Orinoco zirka 30 Prozent der weltweiten Frischwasserressourcen besitzt, sind diese im kontinentalen Maßstab sehr ungleich verteilt. Das gilt ebenso für die Auswirkungen des Klimaphänomens El Niño, in dessen Folge Trockenheiten bzw. Dürreperioden etliche Gebiete der Hemisphäre heimsuchen (werden). Der Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bezieht sich im Wesentlichen auf die Folgen der globalen Erwärmung für die Bereiche Wasser, Energie, Gesundheit, Landwirtschaft und Biodiversität und unterteilt sich in Beobachtungen der Vergangenheit/Gegenwart, Prognosen für die nächsten Jahrzehnte sowie (wenn auch gering und beispielhaft) mögliche Adaptionsstrategien. (1)

Im Bereich der Wasserressourcen wurden in den letzten 30 Jahren v.a. folgende Phänomene beobachtet:

  • Klimatische Extreme wie Überschwemmungen, Trockenheiten, Erdrutsche nach heftigen Niederschlägen, heftige Hagelstürme und die Zunahme von Hurrikans in der Karibik. Klimabezogene Katastrophen haben seit 1970 um das 2,4fache zugenommen;
  • Wasserknappheit im Zuge von La Niña verursachten Dürren in West-Argentinien und Zentralchile;
  • Niederschlagszunahmen in Süd-Brasilien, Paraguay, Uruguay, Nord-Ost-Argentinien und Teilen von Bolivien, Nord-West-Peru, Ecuador und Nord-West-Mexiko mit partiellen Überschwemmungen;
  • Niederschlagsabnahmen dagegen in Chile, Süd-West-Argentinien, Nord-Ost-Brasilien, Süd-Peru und dem westlichen Zentralamerika (z.B. Nikaragua);
  • Anstieg des Meerwasserspiegels um jährlich 2-3 mm in den letzten 10-20 Jahren im südöstlichen Südamerika;
  • Schrumpfen oder Verschwinden von Gletschern in den tropischen Anden von Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru (IPCC 2008, S. 96ff.).

Da Wasserkraft für viele Länder Lateinamerikas die Hauptquelle der Energiegewinnung ist, sind die durch El Niño und La Niña verursachten Niederschlagsanomalien besonders schwerwiegend für Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Peru, Uruguay und Venezuela. Die Kombination von gestiegenem Energiebedarf und Trockenperioden führte in fast ganz Brasilien im Jahr 2001 zu einem faktischen Zusammenbruch der mittels Wasser gewonnenen Energie.

Im Gesundheitsbereich sind vor allem in Folge von Überschwemmungen, vereinzelt auch durch Trockenheit, Krankheiten ausgebrochen bzw. Epidemien aufgetreten, so z.B.:

  • Epidemien in Kolumbien und Guyana in Folge von Dürren sowie in der nördlichen Küstenregion von Peru aufgrund von Überschwemmungen;
  • scheinen jährliche Schwankungen von Dengue/ Dengue-Hämorrhagischem Fieber in Honduras und Nikaragua mit klimatischen Veränderungen verbunden zu sein;
  • Ausbruch von Leptospirosis in Brasilien nach Überschwemmungen (Ebd., S. 96f.).

Auswirkungen im Bereich der Landwirtschaft wurden besonders in Peru beobachtet, wo durch El Niño hervorgerufene (zunehmende) Niederschläge und Feuchtigkeit Pilzerkrankungen an Mais, Kartoffeln, Getreide und Bohnen verursacht haben. Die Zunahme von Niederschlägen hat sich andererseits positiv für das Gebiet der argentinischen Pampa ausgewirkt, wo sich die Erträge von Sojabohnen, Mais, Getreide und Sonnenblumen steigerten. Selbige Folge gab es auch für Weideerträge in Argentinien und Uruguay.

Die Folgen für die Biodiversität sind bisher kaum untersucht worden und Korrelationen mit anderen Ursachen als der globalen Erwärmung bis jetzt so gut wie unbekannt. Logischerweise wird aber angenommen, dass verschiedene vom Wasser abhängige Populationen (Kröten, Frösche etc.) in von Trockenheiten betroffenen Gebieten gefährdet sind. Die Abnahme karibischer Korallenriffe in einem auf einen Hurrikan folgenden Jahr konnte bisher (nach achtjähriger Beobachtung) noch nicht durch einen gegenläufigen Trend der Erholung widerlegt werden.

Soweit zu den beobachteten Veränderungen. Die prognostizierten Auswirkungen werden wie folgt dargestellt:

  • die Zahl der von Wassermangel bzw. -knappheit betroffenen Menschen könnte sich (unter Annahme verschiedener Emissionsszenarien (2)) auf 12-81 Mio. im Jahr 2020 und auf 79-178 Mio. im Jahr 2050 erhöhen, alles in allem scheint eine Nettozunahme betroffener Menschen stattzufinden;
  • der Rückzug von Gletschern wird die Energiegewinnung von Wasserkraft in Ländern wie Peru und Kolumbien beeinträchtigen;
  • wiederum basierend auf verschiedenen Emissions- und sozioökonomischen Szenarien wird angenommen, dass sich in Gebieten mit rückläufigen Niederschlagsmengen wie im Amazonasgebiet oder in Zentralamerika die zeitlichen Übertragungsfenster von Malaria verlängern, während andere Modelle den Anstieg von Dengue bzw. eine Veränderung in der räumlichen Ausdehnung von Krankheiten wie Leishmaniose oder Dengue voraussagen;
  • die Szenarien für die kommerzielle Landwirtschaft fallen nach den zugrunde gelegten Modellen langfristig gesehen (bis 2080) positiv aus (d.h. Stagnation bzw. Rückgang der hungernden Bevölkerung), allerdings wird im Falle eines bestimmten Szenarios der Anstieg um eine Mio. hungernde Menschen bis 2020 prognostiziert;
  • Biodiversität: die Verdrängung von Regenwald durch Savannen im Osten Amazoniens sowie in Zentral- und Südmexiko, neben der Verdrängung semiarider durch aride Vegetation im Nordosten Brasiliens und dem Großteil von Zentral- und Nordmexiko aufgrund des Zusammenspiels von Klimawandel und Landnutzung;
  • bis zum Jahr 2050 werden sehr wahrscheinlich etwa 50 Prozent der landwirtschaftlichen Böden einer Desertifikation und einer Versalzung zum Opfer fallen (Ebd., S. 98ff.).

Der Bericht weist darüber hinaus auf das Gefährdungspotential und mögliche Anpassungsstrategien hin. Dem Report der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik zur Wasserverwaltung von Solanes und Jouravlev (2006) folgend, wird kritisiert, dass aufgrund eines niedrigen BSP, einer Zunahme der Bevölkerung in von Überschwemmungen, Erdrutschen und Trockenheiten gefährdeten Gebieten sowie der Abwesenheit von geeigneten politischen, institutionellen und technischen Rahmenbedingungen bisher keine adäquaten Anpassungsstrategien entwickelt wurden. Adaptionen erfolgten bisher vor allem in lokalen oder regionalen Räumen, wo die Bewohner aus Eigeninitiative, Notwendigkeit oder mit sanftem Druck über kreditfinanzierte Maßnahmen (z.B. Weltbank) ein Katastrophenmanagement oder neue Produktionsweisen eingeführt haben, umgesiedelt wurden oder die Selbstorganisation bzw. -verwaltung der Wasserressourcen übernahmen (z.B. La Paz und El Alto in Bolivien). Dazu gehören auch verschiedene dezentrale Projekte zur Speicherung von Regenwasser wie in Brasilien und Argentinien. Notwendige Maßnahmen, die nicht nur in Lateinamerika diskutiert und anderenorts bereits implementiert wurden, sind im Rahmen der Einführung von so genannten water management policies, die Investition in Wasserversorgungssysteme sowie Praktiken zur Qualitätssicherung des Wassers (Wasserkonservierung), Wasserrecycling und Maßnahmen zur Optimierung des Wasserverbrauchs (3). Dies scheint aber nur sinnvoll zu sein, wenn gleichzeitig in Bildung und öffentliche Gesundheitssysteme investiert wird, da Probleme in beiden Bereichen „fundamentale Barrieren“ für die Implementierung der vorgenannten Maßnahmen darstellen – in Katastrophenfällen vor allem in den ärmeren Stadtvierteln.

(1) Das Technische Papier des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) über Klimaänderung und Wasser ergänzt den 2007 veröffentlichten 4. Sachstandsbericht des IPCC zur Klimaänderung und stellt dessen Aussagen zur Vulnerabilität der Frischwasserressourcen als Folge der Klimaveränderung zusammen. Gemäß den Regeln des IPCC beruht der Bericht auf denjenigen wissenschaftlichen Grundlagen, die bereits im 4. Sachstandsbericht ausgewertet worden sind.

(2) Siehe dazu http://www.grida.no/climate/ipcc/emission/089.htm

(3) Siehe beispielhaft das Projekt „Nachhaltiges Management von Wasser und Abwasser in urbanen Wachstumszentren unter Bewältigung des Klimawandels – Konzepte für Lima Metropolitana (Perú)“, http://www.lima-water.de/index.html

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