Guatemala: Gesuchter Ex-Polizeichef in der Schweiz aufgetaucht
|Erwin Sperisen, von 2004 bis 2007 Oberster Polizeichef Guatemalas, gehört zu den 19 Funktionären der früheren Regierung Berger, gegen die Anfang August in Guatemala Haftbefehle ausgestellt wurden. Die UN-Kommission gegen die Straflosigkeit (CICIG) beschuldigt Sperisen, gemeinsam mit dem ehemaligen Chef der Gefängnisse, Alejandro Giammattei, und Ex-Innenminister Carlos Vielman, der sich angeblich in Spanien aufhält, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, die u.a. für Mord, Erpressung, Raub, Drogenhandel und Geldwäsche verantwortlich war. Seit einigen Tagen sorgt das für Aufregung in den Schweizer Medien: Erwin Sperisen ist nämlich nicht nur guatemaltekischer, sondern auch Schweizer Staatsbürger. Sein Vater, Eduardo Ernesto Sperisen Yurt, vertritt Guatemala bei der Welthandelsorganisation in Genf. Sperisen junior, der offenbar zur El Shaddai-Kirche des guatemaltekischen Präsidentschaftskandidaten Harold Caballeros gehört, ist Mitglied im Genfer Vorstand der Evangelischen Volkspartei. Im Sitz der EVP in Bern hat er sich nun zu Wort gemeldet und gab der Nachrichtenagentur SDA ein Interview. Der 40jährige hält sich für unschuldig. Er sei Opfer einer Diffamierungskampagne, sagte er den Schweizer Journalisten. Die CICIG hingegen konstatiert, Sperisen sei verantwortlich für außergerichtliche Hinrichtungen u.a. von sieben Häftlingen in guatemaltekischen Gefängnis Pavón 2006. Während der ehemalige Polizeichef argumentiert, es habe sich um die Niederschlagung einer Meuterei und das Ergebnis eines Schusswechsels von Gefangenen mit staatlichen Sicherheitskräften gehandelt, wird die CICIG mit dem Ermittlungsergebnis zitiert, dass bei der Operation Mitglieder einer konkurrierenden Mafia gezielt beseitigt worden seien. Sperisen und Vielman waren 2007 zurückgetreten, nachdem drei salvadorianische Abgeordnete und ihr Fahrer auf dem Weg zum Zentralamerikanischen Parlament (Parlacen) in Guatemala-Stadt ermordet worden waren. Sie hatten mutmaßlich große Mengen Drogen in ihrem Auto transportiert. Menschenrechtsverteidiger weisen darauf hin, dass in Sperisens Verantwortung auch der Tod von sieben Bauern und drei Polizisten einer Spezialeinheit bei der gewaltsamen Räumung der besetzten Plantage „Nueva Linda“ im August 2004 fällt. Als Schweizer Staatsbürger kann Sperisen nicht an Guatemala ausgeliefert werden. Allerdings könnte in der Schweiz ein Verfahren gegen ihn eingeleitet werden. Ein dazu nötiges Rechtshilfegesuch oder einen internationalen Haftbefehl gebe es jedoch nicht, sagte der Sprecher des Schweizer Bundesamtes für Justiz, Folco Galli, auf Anfrage des „Tagesanzeigers“ aus Zürich.