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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Peru 1968: Eine Geschichte von Chaos, Fröschen und Prinzessinnen

Alfonso Jaramillo | | Artikel drucken
Lesedauer: 15 Minuten

Kommt man auf Peru zu sprechen, so besteht die Gefahr, daß man sich völlig von Begriffen wie Machu Picchu, Cuzco, Titicaca oder Amazonas vereinnahmen läßt. Unmittelbar taucht man in Anden- oder Urwaldlandschaften ein, kann gar das Gefühl haben, die Steine eines alten Imperiums zu berühren. In einem solchen Moment eröffnen sich zwei Möglichkeiten. Die eine besteht darin, einen Seufzer auszustoßen, zu schwärmen: „Wie wundervoll!“ und ganz langsam wie aus einem Traum zu erwachen: Bei der anderen hingegen beginnt man, ohne dabei gezwungenermaßen jenen Traum verlassen zu müssen, Peru mit seinen Menschen und seinem Wesen in Verbindung zu bringen, und sich in Erinnerung zu rufen, daß dieses Land Teil einer Region der Erde ist, die vieles gemeinsam hat: Invasionen, Kriege, Eroberungen, Unabhängigkeit, neue Abhängigkeit, Diktaturen und schlechtgemeinte Scherze unter dem Deckmantel der Demokratie.

Chaos

Gehen wir den zweiten Weg, so schließt dies notwendigerweise eine Auseinandersetzung mit der Geschichte sowie eine Gegenüberstellung von Personen, bestimmten Begebenheiten und Daten ein. Schließlich stoßen wir dabei auf ein Ereignis, das bereits dreißig Jahre zurückliegt: Der Militärputsch des Generals Juan Velasco Alvarado von 1968. Der für Peru in jenem Jahr bezeichnende Zustand war das CHAOS. Um uns jenem Datum zu nahem, müssen wir zunächst die Kalenderblätter wieder ankleben und ins Jahr 1956 zurückgehen, als Peru mit der Wahl Manuel Prados zum Präsidenten der Republik in den Genuß von etwas kam, was man eine „demokratische Atempause“ nennen könnte. Unter jener Regierung lief ein Wirtschaftsmodell namens „Importsubstitution“ an, das durch die CEPAL [1] („Comisión Economica para América Latina“) inspiriert worden war, und dessen grundlegendes Ziel darin lag, dem industriellen Wachstum, das vor allem auf der vorwiegenden Verwendung einheimischer Ressourcen beruhte, einen Anstoß zu geben.

So leitete der Staat Ende der fünfziger Jahre eine massive Industrieförderungspolitik in Form von Steuer- und Kreditanreizen sowie eines Zollschutzes für industrielle Investoren ein. Als 1963 Fernando Belaunde Terry an die Macht kam, konnte sich das Projekt der Importsubstitution dank der Verbesserung der Infrastruktur sowie dem Bau großer Industrieparks, die den Industrialisierungsprozeß in Peru erleichtern sollten, endgültig durchsetzen. Anfangs war der industrielle Produktionskomplex vorwiegend auf die exportorientierten Industrien ausgerichtet, im speziellen auf die Gewinnung und Verarbeitung von Grundrohstoffen wie Fisch, Zucker, Baumwolle und Kupfer. Später wurde dann die Herstellung dauerhafter Konsumgüter, unter den wichtigsten elektrische Haushaltsgeräte, gefördert. Jedoch mußten Kapitalgüter und auch die meisten industriellen Güter aufgrund eines fehlenden Produktionsmittelsektors ebenso wie die dazugehörige Technologie verstärkt importiert werden. Die industrielle Expansion war vom Fluß von Devisen abhängig, was zum Teil für einen negativen Rechnungsabschluß sowohl im öffentlichen Haushalt als auch in der Zahlungsbilanz verantwortlich war. Letztgenanntes Defizit war seinerseits Grund für die Verzögerung der anstehenden Rückzahlung der Auslandsschuld, weshalb man in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfond über eine Refinanzierung derselben durch ein New Yorker Bankenkonsortium trat. Ergebnis war eine Erhöhung des Verschuldungsvolumens.

Diese hoffnungslose Finanzsituation zwang die Regierung Belaunde zu strengen Sparmaßnahmen, Steuererhöhungen, einer strikten Kontrolle der Lohnerhöhungen sowie der Abwertung des peruanischen Sol am 25. September 1967 um 40%. Dieser Verlauf des Industrialisierungsprozesses schuf eine Abhängigkeit Perus vom Fluß ausländischen Kapitals und von ausländischen Unternehmen, die 90% der Erdölproduktion, die sich in Peru bis zum Jahre 1968 auf täglich 75.000 Barrel belief, unter ihre Kontrolle nahmen, von denen 50% an die International Petroleum Company, Tochterunternehmen der heutigen EXXON, fielen. Ebenso verhielt es sich bei einem Großteil der Fisch-, Zucker- und Baumwollindustrie. Der ausländische Anteil am Produktionswert betrug 60% in der Milchproduktion, 58% in der Nahrungsmittelindustrie, 88% in der Tabakindustrie, 80% in der Papierindustrie, 88% in der Gummiindustrie, 60% in der Chemie- und Pharmaindustrie, 87% in der Zementindustrie, 95% in der Automobilindustrie und 98% in der Nichteisenmetallurgie. Bis 1968 wurden die Exporterlöse zwischen 40 und 50% durch die drei ausländisch beherrschten Bergbauunternehmen Cerro de Pasco Corp., Southern Peru Copper Corp, und Marcona kontrolliert. Das Modell der Importsubstitution sprach auch nicht auf die Bedürfnisse nach Arbeitsplatzbeschaffung an, denn rund 45% der arbeitsfähigen Bevölkerung waren unterbeschäftigt, 5% arbeitslos. Nur 50% konnten sich ihre Vollzeitbeschäftigung erhalten. Die Vernachlässigung des Agrarbereiches durch den Staat zugunsten des in der Entstehung befindlichen Industriesektors wird augenscheinlich durch die Tatsache belegt, daß zu jener Zeit zwar die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitete, diese jedoch gerade 15% des Bruttoinlandsproduktes erwirtschaftete, was teilweise auch darauf zurückzuführen war, daß die Eigentumsformen von Grund und Boden sowie Art und Weise der Produktion im Agrarbereich zumeist archaisch, wenn nicht gar feudalistisch waren.

Wie man sich denken kann, sammelten sich während jener „demokratischen Atempause“ bis ins Jahr 1968 ausreichend Gründe an, aufgrund derer das Land in den folgenden Monaten ein Klima wachsenden Protestes durchlebte. Dieser fand seinen Höhepunkt im Marsch der Bergleute auf die Hauptstadt Lima und in den blutigen Demonstrationen von Arequipa, die dem Aufruf des Gewerkschaftsbundes zum Generalstreik folgten. Zur gleichen Zeit wurde ein großer Schmugglerring aufgedeckt, in den Politiker, Beamte und sogar Militärs verwickelt waren. Der Tropfen, der das Faß schließlich zum Überlaufen brachte, war das mysteriöse Verschwinden des zweiten Teils des Dokumentes, das von der International Petroleum Company zur Vertragserneuerung unterzeichnet worden war und das die Bestimmungen über die Art der Nutzung der Erdölquellen von La Brea y Pariñas mit den Klauseln zugunsten Perus enthielt. Auf diese Weise dichtete man sich alle erdenklichen Vorwände zusammen, damit die peruanische Streitkräfte unter Führung von General Juan Velasco Alvarado am 3. Oktober 1968 nach einem erfolgreichen Militärputsch die Zügel der Macht ergreifen konnten.

Frösche und Prinzessinnen

In der Zeit vor 1968 sah die Bevölkerung im allgemeinen in den Streitkräften allenfalls grüne Wesen, deren Augen immens groß waren, um sich auf alles zu richten, was vor sich ging, und deren lange Beine niemals müde wurden, auf dem Exerzierplatz oder auf dem Kopf eines Widerspenstigen herumzutrampeln. Möglicherweise wäre die Beurteilung der von Velasco Alvarado angeführten Militärregierung nicht anders ausgefallen, hätte sie sich nicht durch die Küsse nicht nur einer, sondern mehrerer Prinzessinnen in einen adretten Prinzen verwandelt: Als die wichtigsten dieser Prinzessinnen sind die Verstaatlichung der Erdölvorkommen, das Agrarreformgesetz und das Industriegesetz zu nennen. Diese Verwandlung ist bis heute für viele Leute Anlaß, jene Regierung als revolutionär zu bezeichnen, weil sie als einzige dem Volk seine wahren Recht verschafft hätte. [2]

Woraus aber ging diese Gruppe von Militärs mit den reformerischen Ideen stark nationalistischen Gehalts hervor? Um diese Frage zu beantworten, muß man sich in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurückbegeben. Damals wurde das Band nordamerikanischer Militärhilfe in Lateinamerika unter dem Vorwand enger geknüpft, die Professionalität sowie den technischen und bürokratischen Apparat der Streitkräfte zu verbessern.

Im Verlauf jener Jahre wurden in Peru vier Militärische Sekundärschulen (Colegios Militares) zur Ausbildung künftiger Offiziere und das Zentrum für höhere Militärstudien (Centro de Altos Estudios Militares – CAEM), eine ausgesprochene Eliteschule für spätere Admirale und Generäle Perus, gegründet. Die Studienpläne dieser Zentren legten ihren Schwerpunkt nicht nur auf militärische, sondern auch auf politische, wirtschaftliche und soziale Fragen. Nach der kubanischen Revolution bemühten sich die USA noch intensiver um die Modernisierung der Streitkräfte in Lateinamerika, weshalb Offiziere ihre Kenntnisse unter US-amerikanischer Betreuung in Panama und den USA selbst vertieften. Das peruanische Heer sollte so nicht nur auf die Verteidigung des Landes gegen äußere, sondern auch gegen innere Feinde wie aufständische Campesinos und bewaffnete linke Gruppierungen vorbereitet werden, die sich im Laufe der sechziger Jahre stark vermehrt hatten. Es formte sich so das Bild, daß die 1968 an die Macht gekommenen Militärs nicht mehr einer Generation von fügsamen, sondern selbständig denkenden Soldaten angehörten, die wirtschaftliche und soziale Reformen nationalistischen Inhalts anboten, die sich scheinbar dazu eigneten, dem Land aus Unterentwicklung und Abhängigkeit zu helfen. Vielleicht sind in der Modernisierung des Militärsektors und zudem im argentinischen Peronismus, der zur gleichen Zeit hoch in der Gunst des Volkes stand, die Gründe für das explosionsartige Auftreten von Militärdiktaturen in Lateinamerika zu suchen, die sich zum Beispiel auch in Ecuador unter General Guillermo Rodriguez Lara, in Bolivien unter General Alfredo Ovando, in Honduras unter General López Arellano und in Panama unter Torrijos ergaben.

Der erste Kuß

Zweifellos erfolgte der erste Kuß der Prinzessinnen am 9. Oktober 1968, als die Militärregierung die Ölfelder von La Brea y Pariñas an den Staat zurückführte. Danach beschloß man die Abschaffung der zugunsten ausländischer Unternehmen bestehenden Erdölkonzessionen, die nach und nach an das staatliche Unternehmen PETROPERU fallen sollten. Um die Verstaatlichung des Erdöls zu rechtfertigen, veranschlagte die Regierung den Wert der ausländischen Investitionen in diesem Sektor auf 102 Millionen US-Dollar und hielt diesen Betrag einer ihr zustehenden Gegenforderung von 690 Millionen US-Dollar für unbezahlte Steuern gegenüber. [3]

Inmitten dieser Bemühungen um die Verstaatlichung brach ein Fieber nach dem schwarzen Gold aus, als Erdölvorkommen im nordöstlichen Amazonasurwald entdeckt wurden. Die Regierung erträumte sich eine Erdölproduktion von täglich 250.000 Barrel bis zum Jahr 1976 und eine Erhöhung dieser Menge auf eine Million Barrel bis zum Jahr 1980 [4]. Für solche Unternehmungen wäre PETROPERU jedoch viel zu klein gewesen, so daß 1971 mit der Occidental Petroleum ein Vertrag über die Erschließung und Ausbeutung des Amazonasurwald geschlossen wurde. Bis 1973 wurden mit siebzehn anderen Ölgesellschaften ähnliche Verträge abgeschlossen, wovon fünfzehn Verträge Gebiete im Amazonasgebiet und zwei Gebiete im submarinen Kontinentalsockel im Nordwesten des Landes betrafen. Laut Vertragsbestimmungen mußten zwischen 50 und 54% des gewonnenen Erdöls an PETROPERU abgeliefert werden, der Rest sollte als Kompensation für die Erschließung und Ausbeutung in Händen der Ölgesellschaften verbleiben. Obgleich noch keine seriösen Schätzungen über zu erwartenden Erdölvorräte vorlagen, beschloß die Regierung in ihrer Öleuphorie den Bau einer 800 Kilometer langen Pipeline, die das Öl vom Amazonasgebiet zur Pazifikküste transportieren sollte, und Kosten in Höhe von ca. einer Milliarde US-Dollar verursachte. Leider brachen die Erwartungen rasch zusammen, da doch keine größeren Vorkommen im Urwald vorhanden waren, so daß die meisten Gesellschaften ihre Zelte abbrechen mußten, um die Erde in anderen Ländern zu durchlöchern. Der Kummer steigerte sich noch, als PETROPERU aufgrund der langjährigen Subventionierung des Benzins und der Steuerzugeständnisse, die den Erdölgesellschaften gemacht worden waren, jährlich immense Verluste einfuhr, die sich unmittelbar in einem Defizit im Staatshaushalt widerspiegelten. Die Tatsache, daß der Export generell, darunter auch der von Erdöl, zurückging, war Grund genug, daß der ursprüngliche Traum alsbald zum wirtschaftlichen Alptraum wurde.

Die indianische Prinzessin

Den zweiten Kuß zur Metamorphose gab am 24. Juli 1969 eine indianische Prinzessin namens Agrarreformgesetz, welches auf Druck der Campesinobewegung erlassen worden war, die seit Mitte der fünfziger Jahre mehrere Haziendas besetzt und in Parzellen aufgeteilt hatte. Dieselbe Bewegung hatte bereits im Jahr 1964 die Regierung Belaunde Terry zur Durchführung einer Agrarreform gezwungen. Bedauerlicherweise steckte hinter jener eher zögerlichen Maßnahme nicht mehr als der Versuch, die Gemüter der Campesinos zu beruhigen, denn bis zum Jahr 1966 wurden nur ungefähr 147.500 ha Ackerland an organisierte Campesinogemeinschaften verteilt. Folgeerscheinung der Entwicklungsförderung im landwirtschaftlichen Export- und Industriebereich war zudem die völlige Vernachlässigung des restlichen Agrarbereiches, der es zuzuschreiben ist, daß, während es an der Küste Perus modernisierte Großhaziendas mit einen hohen Grad an Produktivität gab, der Besitz von Grund und Boden in der Sierra in Händen einiger weniger Familien verblieb, die nur über unzulängliche Produktionsformen verfügten. Da dieses Problem des Agrarsektors auf der Hand lag, stellte die Regierung Velasco Alvarado innerhalb ihrer Agrarreform den Grundsatz auf: „La tierra para el que la trabaja“ („Das Land soll dem gehören, der es bearbeitet“). Es wurden rund 15.000 Güter mit einer Gesamtfläche von 10 Millionen ha enteignet, wodurch mehr als 400.000 Campesinosfamilien begünstigt wurden. Großgrundbesitze wurden in Genossenschaften umgewandelt, die an der Küste Produktionsgenossenschaften und in der Sierra Sozialinteressengesellschaften (SAIS) hießen. Überdies wurden Felder, die den Campesinos in der Vergangenheit zu Unrecht weggenommen worden waren, an diese zurückgegeben oder in die SAIS integriert.

Die Entschädigung für die Enteignungen wurde auf der Grundlage des Steuerwertes der Güter durchgeführt, der stets auf möglichst niedrigem Niveau gehalten wurde. 10% der Entschädigung wurde in Geld, 90% in langfristigen Staatsobligationen realisiert, die durch die Eigentümer eingelöst werden konnten, falls sie dieselbe Geldsumme in bar aufbrachten und die gesamte Summe in ein vom Staat genehmigtes Industrieprojekt investierten. Die geringfügigen Entschädigungsleistungen führten zu einer Dekapitalisierung vieler Güter vor einer Enteignung und dem eiligen Verkauf von landwirtschaftlichen Maschinen und Viehherden. Die Besitzungen wurden durch weitere Verkäufe, die notwendig wurden, um Gewinnanteile ausbezahlen zu können, weiter leer geräumt. So schwand allmählich die zur Verbesserung der Produktivität erforderliche Ausrüstung dahin. Eine rentable Bewirtschaftung war daneben auch durch häufige Spannungen zwischen Genossenschaftsmitgliedern, schlechte Verwaltung, Korruption und der allzu häufigen Weigerung der Campesinos, das erforderliche technische Personal zu bezahlen, in erheblichem Maße gestört. Aufgrund der schlechten Erträge und der Tatsache, daß die Preise für einige Grundnahrungsmittel von der Regierung künstlich tief gehalten wurden, stellten schließlich scharenweise Campesinos ihre landwirtschaftliche Aktivität ein und versuchten ihr Glück in den Großstädten. Die Agrarreform krempelte so lediglich die Eigentumsverhältnisse auf dem Land um, konnte jedoch hinsichtlich der Bedürfnisse des Landes nach landwirtschaftlicher Entwicklung keine effektiven Lösungen bieten.

Die eiserne Prinzessin

1970 wurden das Industriegesetz sowie das Gesetz über die Betriebsarbeitergemeinschaft (Comunidad Industrial) verkündet, die im wesentlichen die Verringerung der Auslandsabhängigkeit und ein selektives, auf nationale Prioritäten ausgerichtetes Wachstum verfolgten. Zur Erreichung dieser Ziele wurden einige Unternehmen vor allem aus der Zement-, Papier und der chemischen Grundindustrie vom Staat übernommen. Mit Hilfe abgestufter steuerlicher Anreize sollten private wie öffentliche Investitionen auf wesentliche Bereiche der nationalen Industrie, ausgenommen der Industrie von Luxusgütern, gelenkt werden. Man bemühte sich um die schrittweise „Peruanisierung“ der ausländisch beherrschten Betriebe, bis der nationale Kapitalanteil mindestens 51% betragen sollte. Das Gesetz über die Betriebsarbeitergemeinschaft sollte eine Einkommens- und Vermögensumverteilung mittels zunehmender Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital eines Unternehmens bis zu maximal 50% bewirken. Zur Erreichung der paritätischen Beteiligung wurden jährlich 15% des Gewinnes eines Betriebes im Namen der gesamten Arbeitnehmerschaft, also auch der Geschäftsführung, reinvestiert.

Ein wichtiger Erfolg war die verstärkte Mitwirkung von Arbeitnehmern in den Verwaltungsräten der Betriebe. Man hoffte, durch diese Maßnahmen die Spannungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beilegen und die Kräfte auf die Reaktivierung der Produktion konzentrieren zu können, da die Arbeitnehmer eine unternehmerähnliche Position einnähmen. Am Ende jedoch trat die gegenteilige Wirkung ein, da die Investitionen gering und die Wirtschaftsmobilität generell schlecht war. Um eine zunehmende Beteiligung der Arbeitnehmer am Kapital hinauszuzögern, wurden die Gewinne gering gehalten, und wenn immer möglich, spaltete man Unternehmen in Produktions- und Vertriebsgesellschaften auf, da letztere dem Anwendungsbereich des Gesetzes hinsichtlich der Reinvestition der Gewinne entzogen waren. Wieder einmal wurden gesteckte Ziele nicht erreicht. Dem Land war eine Medizin verabreicht worden, die sich als schlimmer als die Krankheit selbst herausstellte.

Das Ende des Froschkönigs

Die Militärregierung Juan Velasco Alvarados hatte von Anfang an ein edles Anliegen (wie jeder Märchenprinz), nämlich Peru aus den Klauen der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu befreien. Die Verstaatlichungen sowie die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zur sozialistischen Welt gingen auf Kosten einer Verhärtung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und der daraufhin folgenden Sanktionen gegen Peru, die in einer Wirtschaftsblockade, die sich in einem rasanten Fall des Exportniveaus niederschlug, der Einstellung der Waffenlieferungen sowie dem Bewilligungsverbot der üblichen Darlehen durch die Weltbank bis ins Jahr 1974 bestanden. Doch weder der Absturz des Exportniveaus noch die unbestreitbare Abhängigkeit von den ausbleibenden Darlehen waren für die Regierung von größerer Bedeutung. Was sie jedoch schmerzte, war die Blockierung des Waffenverkaufs. Die Situation war so unerträglich, daß man sich an den Feind des derzeitigen übermächtigen Feindes wandte, um die Rüstungskäufe bei ihnen zu tätigen. Aber nicht allen ging es während der Diktatur schlecht, denn die peruanischen Streitkräfte konnten sich vergrößern, die Einkünfte der Soldaten verbesserten sich, die Ausrüstung und Kriegsbewaffnung wurde modernisiert, und einige Kriegsutensilien konnten sogar intern produziert werden. Das Märchen wäre wohl in dem Moment unglücklich zu Ende gegangen, in dem die Prinzessinnen mit einem Schlag alterten. Doch bevor die Küsse ihre Wirkung verloren und sich der Prinz erneut in einen Frosch verwandelte, geschah ein Wunder, als im August 1975 eine neue Militärjunta unter der Führung von General Francisco Morales Bermudez an die Regierung kam, denn der Generalisimo Juan Velasco Alvarado verlor zwar die Macht, hinterließ jedoch das Bild eines Märtyrers, der den Umständen zum Opfer gefallen war, und das von ihm begonnene Werk nicht vollenden konnte. Er starb im Dezember des Jahres 1977. Alle Errungenschaften der abgesetzten Regierung wurden von General Morales Bermudez teilweise oder ganz rückgängig gemacht. Dieser selbst mußte zugunsten einer verfassunggebenden Versammlung von der Süße der Macht ablassen, die den Weg dafür bereitete, daß im Jahre 1980 erneut Fernande Belaunde Terry an die Regierung kam.

Übersetzung a. d. Span.: Anja Jaramillo

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[1] Der UNO unterstellter Organismus mit Sitz in Santiago de Chile, der 1948 mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der lateinamerikanischen Länder zu unterstützen.

[2] Als die peruanischen Zeitschrift Caretas 1997 Vorschläge für die Nominierung der „Persönlichkeit des Jahrhunderts in Peru“ machte, erhielt sie zahlreiche Reaktionen von Lesern, die Velasco Alvarado als einen der hoffnungsvollsten Anwärter nominiert sehen wollten.

[3] Laut Schätzungen betrafen die Verstaatlichungsmaßnahmen innerhalb von dreizehn Monaten jedoch nordamerikanische Gelder in einer Höhe von 600 Millionen US-Dollar.

[4] Tatsächlich brachte es Peru Anfang der achtziger Jahre jedoch nur auf eine Produktion von 250.000 Barrel.

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Literatur:

Córdova, Armando: Lateinamerika: Faschismus oder Revolution. (Hrsg. und übersetzt von Heinz Rudolf Sonntag) Berlin 1974.

Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Cambios Estructurales en el Peru: 1968-1975. Bonn 1976.

Iquiniz E., Javier: Desarrollo Industrial, Pautas de Crecimiento y Opciones: Analisis Comparativo 1969-1973. Bonn 1983.

Kraege, Reinhart: Peru im Umbruch? Möglichkeiten und Grenzen der sozialen Mobilisierung als Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung Perus. Bochum 1995.

Mansilla, Hugo D.F.: Der südamerikanische Reformismus: Nationalistische Modernisierungsversuche in Argentinien, Bolivien und Peru. Rheinstetten 1977.

Moeller, Allois: Städtische Marginalität und Militärregierung in Peru. Göttingen 1977.

Müller, Katharina: Peru 1985-1990: Wirtschaftspolitik im Kontext von Heterodoxie und Populismus. Münster, Hamburg 1993

UNESCO-Komm. (Hrsg.): Schlußbericht des Seminars „Probleme Lateinamerikas am Beispiel Peru“, Gwatt bei Thun, 5.-7. November 1979. Bern 1980.

Wyss, Othmar: Wandel im Ordnungsgefüge der peruanischen Wirtschaft unter der Revolutionsregierung 1968-1974. Bern, Stuttgart 1976.

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