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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Mariátegui, Intellektueller*

Osmar González | | Artikel drucken
Lesedauer: 15 Minuten

Es besteht kein Zweifel, daß die Figur Mariáteguis eine zentrale Rolle sowohl im politischen Diskurs als auch in der Kultur Lateinamerikas spielt. Die Originalität seines Denkens und die politische Aktivität, die er in seinen letzten Lebensjahren entfaltete, plazieren ihn als unumgängliches Wegzeichen auf dem geistigen und politischen Pfad unserer Länder. Aber wie bei jedem schöpferischen Menschen handelt es sich um eine umstrittene Persönlichkeit. Der argentinische Politologe José Aricó und der peruanische Historiker Alberto Flores Galindo (2) meinen, die tiefste Spur, die Mariátegui hinterlassen habe, sei seine Rolle als Begründer des lateinamerikanischen Marxismus gewesen, und sie haben recht. Trotzdem ist es nötig, sein Wirken einer umfassenden Betrachtung zu unterziehen und dabei auch seine kaum beachtete Rolle als Intellektueller zu untersuchen. […] Auf jeden Fall muß man von einem politischen Intellektuellen bzw. einem intellektuellen Politiker sprechen – je nach Betrachtungsweise. Wie nur wenige verband er die organisatorischen Aktivitäten mit einer tiefen intellektuellen Analyse. […] Einer der Sätze, die am besten seine Ziele wiedergeben, ist derjenige, in dem er bekennt: Eine sozialistische Revolution muß ganzheitlich sein und das Brot mit der Schönheit vereinen.

Die „Steinzeit“ Mariäteguis – Die Berufung

Mariátegui, geboren am 14. Juni 1894 in Moquegua, einer kleinen Stadt im Süden Perus, ging in die Hauptstadt Lima, ebenso wie andere peruanische Intellektuelle, z.B. Haya de la Torre, Jorge Basadre, César Vallejo, Hermilio Valdizán und Emilio Romero – alles Angehörige einer neuen Klasse von Intellektuellen, die aus den Provinzen den neuen Wind herüberwehen ließen, der das anscheinend feste oligarchische kulturelle Gebäude erzittern ließ.

Der Werdegang Mariáteguis ist mehr oder weniger bekannt. In Lima (anschließend in Huacho, einem Ort im Norden Limas) beginnt er, als Reisereporter für die Tageszeitung „La Prensa“ zu arbeiten. Wegen seiner Intelligenz, seiner Sensibilität und seines literarischen Talents wird er bald zu einem herausragenden Chronisten; seine Artikel signiert er mit verschiedenen Pseudonymen, von denen Jüan Croniqueur ohne Zweifel das bekannteste ist. Es handelt sich um Notizen zu verschiedenen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens, besonders Limas, die in gewissem Sinne den dekadenten Geist des jungen Mariátegui widerspiegeln. Darin machte er sich z.B. lustig über einen Senator, eine stolze Persönlichkeit der peruanischen Oligarchie oder über eine feine Dame der alteingesessenen guten Gesellschaft. Aber gelegentlich flackert in seinen Artikeln wie ein Funken seine Unruhe über die sozialen Zustände auf, wie in jenen Chroniken über die von dem mythischen Rumi Maqui geführte Indianerrebellion in der Sierra. […]

Erinnern wir daran, daß Mariátegui seine Jugend am Scheitelpunkt dessen erlebte, was die Historiker die „Aristokratische Republik“ genannt haben, eröffnet 1895 vom exzellenten Caudillo des 19. Jahrhunderts Nicolás de Piérola. Es war eine Atmosphäre der Dekadenz und der Langeweile. Der Geist der Zeit war angesteckt vom Virus des Fortschrittsglaubens. Man dachte, daß der eingeschlagene Weg geradewegs zum Wohlstand führen würde und daß die wissenschaftlichen und technischen Neuerungen im Dienste der Menschheit stehen würden, für immer und ewig Bequemlichkeit garantierend. […]

Mariátegui muß man in dieser Zeit verstehen als einen Journalisten mit sozialen Skrupeln. […] Er hatte noch zu keiner politischen Richtung gefunden. Wir sprechen also über die Jahre, die Mariátegui selbst, nicht ohne gewisse Scham, als die „Steinzeit“ seiner geistigen und politischen Entwicklung bezeichnete. Es erscheint mir wichtig, zu unterstreichen, […], daß es, obwohl Mariätegui selbst diese Jahre als verloren ansah, diese Zeit war, in der sich seine Begeisterung für die Literatur formte.

Das politische Leben begann bald darauf, seinen Einfluß auf den jungen Journalisten auszuüben, und zwar in einer Zeit, in der das Land tiefe Veränderungen durchmachte. Seine erste Annäherung an die junge Arbeiterklasse erfolgte in den ersten Monaten des Jahres 1919, als er mit der Zeitung „El Tiempo“ („Die Zeit“) den Kampf für den 8-Stunden-Tag unterstützte. Es ist dieselbe Bewegung, die Haya de la Torre zu einem Arbeiterführer werden ließ. In den folgenden Monaten wurde Mariätegui mit Hilfe einer anderen Zeitung, „La Razón“ („Die Vernunft“), zum entschiedenen Unterstützer der Studentenbewegung für eine Universitätsreform. Von neuem entpuppten sich Mariátegui und Haya de la Torre als für das alte System gefährliche Personen.

Im selben Jahr kommt durch einen Putsch (unter dem Vorwand, daß man seinen Wahlsieg nicht anerkennen würde) Augusto B. Leguía an die Macht, der lange elf Jahre regieren sollte (3). Die „Fax Oligarchica“, am Leben gehalten durch ein traditionelles Regime feudaler Kräfte, wurde durch diesen Führer aus dem Gleichgewicht gebracht, der mit den Wirtschaftsmächten Nordamerikas verbunden war. Das britische Imperium wurde als Hegemonialmacht verdrängt. In Peru beginnt eine Etappe der schwindelerregenden Modernisierung. Ein anderer wichtiger Faktor muß hinzugefugt werden – das Ende der Herrschaft der Großgrundbesitzer. Als sie 1932 an die Macht zurückkehrten, konnten sie das nur mit Hilfe der Säbel des Militärs. Ihr „Goldenes Zeitalter“, in dem sie sich mit einem gewissen Maß an Legalität an der Macht gehalten hatten, war beendet.

Während Haya de la Torre einige Jahre später (1923) des Landes verwiesen wurde, reiste Mariátegui 1919 nach Italien, um die peruanische Agitationsarbeit in diesem Land zu koordinieren. Wenn er auch in dieser Zeit zu einer unbequemen Figur für das Publikum geworden war, das inzwischen immer seine kritische Meinung vernehmen mußte, so war er doch nicht im Wortsinne politisch aktiv; so wurde er auch nicht von Leguía des Landes verwiesen. Anders bei Haya de la Torre – er hatte sehr wohl die Fähigkeit, die Massen zu führen und verwandelte sich schließlich in einen politischen Gegner für Leguía. In diesen Jahren, Anfang der Zwanziger, kann man die Keime dessen entdecken, was später zu einer bedingungslosen Auseinandersetzung zwischen beiden, Mariátegui und Haya de la Torre, führte. Es wird sich um zwei Formen der Beteiligung am nationalen Leben, um unterschiedliche Auffassungen von Politik handeln, wie wir noch sehen werden.

Die europäische Erfahrung

Das Europa, das Mariátegui kennenlernt, ist in Wallung: die Arbeiterräte, die ersten Jahre des Faschismus, die Nachkriegsatmosphäre usw. Hier entdeckt er den Marxismus, nähert sich dem italienischen Idealismus, liest Nietzsche, Bergson, aber vor allem Sorel, von dem er eine Idee aufnimmt, die entscheidend für seine Gedanken über die Revolution werden soll: die Rolle des Mythischen. Später wird er sagen: „Die Kraft der Revolutionäre steckt nicht in ihrer Wissenschaft; sie liegt in ihrem Glauben, in ihrer Leidenschaft, in ihrem Willen. Es ist eine religiöse Kraft, mystisch, spirituell. Das revolutionäre Gefühl […] ist ein religiöses Gefühl. Die religiösen Motive haben sich vom Himmel auf die Erde herabbegeben. Sie sind nicht göttlich; sie sind menschlich, sozial.“ (4)

Das Wichtigste am geistigen Wandel Mariáteguis ist wohl das universelle Bewußtsein, das er sich erwirbt, sich so über die charakteristische engstirnige kulturelle Atmosphäre hinwegsetzend, die er in seiner Kindheit und Jugend erlebte. Deshalb wird er später sagen: „Auf den universellen ökumenischen Wegen… gehen wir immer weiter auf uns selber zu.“ (5) Das heißt, die beste Form, unsere spezifische Realität kennen- und verstehenzulernen, ist, den Platz zu entdecken, den wir in der Welt einnehmen. Es geht weder um Entfremdung noch um Exotismus, sondern um Universalismus.

In Europa, das zeigt Michael Löwy, verband Mariátegui den Marxismus mit dem Romantizismus, in einer Tradition mit Intellektuellen verschiedener Epochen, wie Lukácz, Bloch, Marcuse und den Anhängern der Frankfurter Schule. Der „enttäuschten Seele“ Ortega y Gassets setzt er die „entzückte Seele“ Romain Rollands entgegen (6). […]

Mariátegui vermählt sich in Europa nach seinen eigenen Worten mit einer Frau und einigen Ideen. 1923 kehrt er nach Peru zurück, das sich inmitten einer politischen und öffentlichen Aufwallung befindet. Zu dieser Zeit unterstützt Leguía, nach einer Allianz mit der offiziellen Kirchenhierarchie strebend, die Weihung Perus auf das Heilige Herz Jesu. Wer sich kompromißlos widersetzt ist Haya de la Torre. Mariátegui zog es vor, am Rande zu bleiben. Jahre später wirft ihm dies der APRA-Führer in bitteren Briefen vor. Aber in diesen frühen zwanziger Jahren waren sie noch Freunde und Verbündete. Das erklärt, warum Mariátegui während der Abwesenheit Haya de la Torres die Führung der „Universidades Populäres Manuel González Prada“ (so benannt im Gedenken an diesen unermüdlichen anarchistischen geistigen Führer) und seiner Publikation „Claridad“ („Klarheit“) übernimmt, die von Haya de la Torre geschaffen wurden, um die Kultur ins Volk zu tragen. So organisiert Mariátegui seine Arbeit rund um seine Tätigkeit als Journalist und intellektueller Multiplikator. In diesen Universitäten wird Mariätegui Vorträge über die Weltlage halten, dieselben, die die Grundlage für seinen Band „La escena contemporánea“ („Der zeitgenössische Schauplatz“) bilden werden. Es ist nicht zufällig, daß Haya de la Torre 1925 in einem Brief an eine Gruppe von Universitätsstudenten in Buenos Aires schreibt: Mariátegui sei das vollkommenste Beispiel des neuen lateinamerikanischen Menschen.

1926 gründet er „Amauta“, die exzellente Zeitschrift des intellektuellen Lebens Perus. Ihr Anliegen war es, die sozialistischen Ideen zu verbreiten, und zwar in einer charakteristischen Form, durch die sie sich von anderen abhob. Es war ein auch für andere geistige Strömungen offener Ort, immer den Dialog mit diesen suchend, wie etwa mit der Psychoanalyse. Überdies wurde „Amauta“ zu einer kulturellen Rebellin; sie griff die Probleme Perus auf und wurde zur Heimstätte unzähliger Intellektueller der neuen Generation. Auf ihren Seiten führt Mariátegui einen Teil jener denkwürdigen Polemik über den Indigenismus mit einem anderen Prominenten seiner Generation: Luis Alberto Sánchez.

Die europäische Erfahrung Mariáteguis widerspiegelt sich in der Zeitschrift. Die wichtigste Absicht, die Mariátegui mit der Gründung von „Amauta“ verfolgte, war […] der Dialog mit der intellektuellen Bewegung der Welt. Und genau dies sagt er in der „Präsentation“ der Nummer l von „Amauta“: „Diese Zeitschrift wird die neuen Menschen Perus zuerst mit den anderen Völkern Amerikas und dann mit den anderen Völkern der Welt verbinden.“ (7)

Mariátegui ist nach wie vor das, was wir einen Ideologen nennen können, ein Agitator neuer Ideen, einer der Bewußtsein schafft, aber kein Politiker. […] Ein Beispiel für seine tiefe intellektuelle Bindung finden wir in dem Mittel, mit dessen Hilfe er, neben dem Journalismus, mit der Gesellschaft seiner Zeit kommuniziert: dem Essay. Niemand in Peru verkörpert die Möglichkeiten dieses Genres mehr als Mariátegui. Was uns außerdem seinen Stil schätzen läßt: kurze, scharfsinnige, genaue Sätze ohne Schnörkel. Jeder Satz drückt eine Idee aus, ohne deshalb die leidenschaftliche Kommunikation mit dem Leser zu vernachlässigen. Haya de la Torre bevorzugte dagegen die Rede und die Agitation, die Propaganda, den kurzen Artikel mit starkem politischen Inhalt. Die Essays Mariáteguis repräsentieren eine Zwischenstation zwischen der von den Intellektuellen Anfang des Jahrhunderts bevorzugten Form der Aufsätze und Bücher und dem Flugblatt, das der revolutionären politischen Agitation dient. So lautet der Titel seines bekanntesten Buches nicht zufällig: „Sieben Essays zur Interpretation der peruanischen Wirklichkeit“ [„Siete ensayos de interpretación de la realidad peruana“ (1928)] und kein Zufall ist es auch, daß er den längsten Essay darin dem Problem der Literatur widmet.

Der Eintritt Mariäteguis in die Politik erfolgte wegen unvorhergesehener Ereignisse, vor allem der Entscheidung Haya de la Torres, die Alianza Popular Revolucionaria Antiimperialista (APRA), ursprünglich als breites Bündnis gedacht, in eine Partei umzuwandeln. Mariätegui betrachtete dies als voreilig, darauf verweisend, daß das Wichtigste in dieser Etappe sei, politisches Bewußtsein als eine solide Grundlagen für eine spätere Verwirklichung des Sozialismus in Peru zu schaffen. Die Gründung einer Partei erschien ihm als eine dieser kreolischen Spinnereien, die er gerade überwinden wollte. Es ging nicht nur darum, Wahlen zu gewinnen, sondern an eine tiefgreifende Umwandlung der peruanischen Gesellschaft zu denken. Haya de la Torre antwortet ihm, es ginge darum zu handeln. Er beschimpft ihn als Intellektuellen und erinnert ihn daran, daß er sich 1923 nicht mit der Diktatur Leguías anlegen wollte. Es handelt sich nicht um eine offene Polemik; sie erfolgt vor allem über jene unterirdischen Nerven, die die sensiblen Empfindungen der Intellektuellen widerspiegeln – die persönlichen Briefe.

Sinesio López hat recht, wenn er sagt, das Verhältnis zwischen Mariátegui und Haya de la Torre sei letztlich unter einem kulturellen Aspekt zu verstehen; nicht nur innerhalb der enggefaßten Koordinaten des politischen Streits. […] Beide stimmten überein im Kampf gegen die Oligarchie und den Imperialismus und benutzten dieselben Aussichtstürme, von denen sie Peru betrachteten: die mexikanische und die russische Revolution.

In diesem Jahr, 1928, verwandelt sich „Amauta“ in die Stimme des peruanischen Sozialismus. Die vorher geübte Pluralität wurde verengt zur Polemik gegen die Apristen. Der nächste Schritt Mariáteguis wird die Gründung der Sozialistischen Partei sein. Die Umstände brachten ihn dazu, eine Entscheidung zu treffen, die er lieber verschoben hätte. Unmittelbar darauf gründet er die „Central General de Trabajadores del Perú“, verbündet sich mit der Gewerkschaftsvereinigung, beginnt die Zusammenarbeit mit den Minenarbeitern und bringt „Labor“ („Arbeit“) zur Welt, ein Blatt, das sich an die Arbeiter richtet.

Auch Alberto Flores Galindo hat sich mit dem Charakter der Auseinandersetzung zwischen Mariátegui und Haya de la Torre beschäftigt. Er zeigt, daß es sich im Grunde genommen um einen Zusammenprall zweier Arten, Politik und Revolution zu betrachten, handelt (8). Auf der einen Seite Haya de la Torre, der in der Partei, der Avantgarde, das Zentrum der politischen Aktivität sieht; er betrachtet sie als wichtigsten Raum für die Transformation des Staates. Auf der anderen Seite Mariätegui, der davon ausging, daß die politische Arbeit ein Prozeß der langsamen Reifung der Arbeiter sein mußte, die langfristige Arbeit über die Konjunkturen stellte und der die Gesellschaft selbst als den wichtigsten Platz der Politik erkannte. Während sich für den ersten die Revolution, bildlich gesprochen, von oben nach unten realisieren sollte, mußte dies für den zweiten in umgekehrter Richtung erfolgen. Der eine ordnete die Rolle der Massen der Führung unter, der andere negierte das Problem der Schaffung einer Avantgarde. […]

Die programmatische Beschäftigung Mariäte-guis führt uns zu der Frage, wie er das Problem der Zeit auffaßte. Er überträgt seine Natur des Intellektuellen, der die Prozesse auf lange Sicht betrachtet, auf die Politik. Wenn die intellektuellen Ideen und Vorschläge nur in langfristigen Prozessen zur Reife gelangen, dann sollte die Politik auf gleiche Weise dieser Regel gehorchen. Das erklärt sein Eintreten für die langsame Organisierung der Massen, für die Bildungsarbeit, für einen Prozeß der Bewußtseinsformierung bei den Arbeitern. Mit anderen Worten für die Formierung einer soliden Basis, auf deren Grundlage man später die Machtfrage lösen kann.

Obwohl Mariátegui manches Mal harte Sätze über die Intellektuellen äußerte, war er doch einer von ihnen. Wenn wir seinen Lebensweg betrachten, wird klar, daß er nur in den letzten Jahren seines Lebens ein politischer Organisator war. Wenn wir seine Art, die Dinge zu sehen, verstehen wollen, müssen wir seinen Überlegungen folgen. Er kommt über den Geist zur Politik. Vielleicht hilft der folgende Satz Mariáteguis, besser zu verstehen, was ich meine: „Die wirklichen intellektuellen ‚Eliten‘ – bekennt er – schaffen Geschichte, indem sie das Bewußtsein einer Epoche revolutionieren. Das Wort muß zum Fleische werden. Den historischen Wert der Ideen mißt man an ihrer Macht, Veränderungen herbeizuführen oder anzuregen.“ (9)

Epilog

Mariátegui starb am 16. April 1930, kurze Zeit bevor Peru sich in eine der tragischsten Episoden seiner Geschichte verstrickte. Ich beziehe mich auf den Aufstand der APRA von 1932, der die Gesellschaft in zwei Gruppen spaltete: Anhänger der APRA und ihre Gegner. Von diesem Jahr an bis 1980 bestimmte das Veto der Militärs gegen die APRA die peruanische Politik. Dennoch überlebte die APRA und wußte sich mit einer Symbologie zu versehen, die einen entscheidenden Einfluß auf die Volkskultur hatte. Ich wiederhole, Mariátegui konnte diesen Teil der Geschichte nicht erleben, aber deswegen und mit dem Wissen um sein politischen Verständnis, ist es berechtigt zu fragen: wäre er in der Lage gewesen, mit Erfolg der schwindelerregenden Konjunktur von 1932 zu begegnen?

Aus: La Jornada Semanal, Nr. 295, 05.02.95

Übers, aus dem Spanischen: Anka Schmoll

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* Der hier veröffentlichte Artikel ist eine gekürzte Fassung.

„Die Vermutung, die indianische Frage sei ein ethnisches Problem, nährt sich aus dem rückständigsten Repertoire imperialistischer Ideen. Die Auffassung der rassischen Minderwertigkeit war dem weißen Okzident für sein Werk der Expansion und der Eroberung nützlich. Die Emanzipation des Indios von einer gezielten Kreuzung der Ureinwohner mit weißen Einwanderern zu erwarten, ist eine gegen jede soziologische Erkenntnis sprechende Dummheit, die nur dem rudimentären Verstand eines Importeurs von Merinoschafen entspringen kann.“ (S.39)

„Das Votum der Studenten – auch wenn es nur ein moralisches Gegengewicht zur Politik der Professoren darstellt – ist der einzige lebendige Impuls, das einzige fortschrittliche Element an der Universität, an der anderenfalls die Kräfte der Stagnation und des Rückschritts die Oberhand gewinnen würden.“ (S.115)

„Ich glaube, daß ohne die Wissenschaft und das Denken Europas bzw. des Abendlandes Indo-Amerika rettungslos verloren ist.“ (S. 16)

„Keiner der vorliegenden Essays ist in sich abgeschlossen: Das wird auch nie so sein, solange ich lebe und denke und etwas von mir Geschriebenes, Gelebtes und Gedachtes hinzugefügt werden muß.“ (S. 16)

„Wir sind ein Volk, das von der Manie der alten und dekadenten Nationen ergriffen wurde, von der Krankheit zu reden und zu schreiben, statt zu arbeiten, »Worte und nicht Dinge zu bewegen« – eine bedauerliche Schwäche, die ein Zeichen der Verweichlichung und Faulheit darstellt. Fast alle sehen mit Entsetzen auf die aktiven Berufe, die Energie und Kampfgeist verlangen; aber wir wollen nicht kämpfen, nicht leiden, nichts riskieren….“ (S.96)

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(1)  José Aricó, Mariáteguiy los orígenes del marxismo latinoamericano, Siglo XXI, México, 1978; Alberto Flores Galindo, La agonía de Mariátegui, DESCO, Lima, 1980.

(2) Para un recuento detallado veáse Pedro Planas, „La república autocrática (de Leguía a Fujimori)“, en Perú-Tercer Milenio, núms. 4-5, IPADE, Lima, enero-junio de 1993.

(3) José Carlos Mariátegui, El alma matinal y otras estaciones del hombre de hoy. Obras Completas, vol. 3, Biblioteca Amauta, Lima, 1959, pp.18-22.

(4) Citado en Manuel Miguel de Priego, „Mariátegui y Riva Agüero. Aproximaciones“, en Anuario Mariateguiano, vol. V, núm. 5, Lima, 1993, p. 142.

(5) Michael Löwi, „Marxismo romántico“, en el número de Anuario Mariateguiano ya citado.

(6) Un análisis de la revista se puede encontrar en María del Carmen Piazaa, „Amauta y la cuestión nacional„, en Los Caminos del Laberinto, núm. 3, Lima, abril de 1986.

(7) Alberto Flores Galindo, „Un viejo debate: el poder“, en Tiempo de plagas, El Caballo Rojo Ediciones, Lima, 1988.

(8) José Carlos Mariátegui, El alma matinal…, p. 42.

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