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Der Panamakanal im verflixten 7. Jahr – Teil 3: Kritik am Ausbau des Panamakanals

Enrico Caldas Meyer | | Artikel drucken
Lesedauer: 9 Minuten

Der Fokus in diesem Teil liegt in der kritischen Auseinandersetzung mit den Argumenten der Befürworter des Projektes. Es soll untersucht werden, ob der Kanal tatsächlich zu wirtschaftlicher Prosperität führen und zur Steigerung des Wohlstandes in der Bevölkerung beitragen kann. Auch umweltpolitische Aspekte sollen nicht außer Acht gelassen werden.

Die Kalkulation der Kosten des Ausbaus und die Argumentation, warum der Ausbau nötig sei, wurden nicht immer glaubhaft vermittelt. Trotzdem hat das Paket zumindest die Bevölkerung (allerdings bei einer Wahlbeteiligung von 43% auch nicht die gesamte) und die Finanzmärkte überzeugt. Dies ist umso erstaunlicher, als dass es nach wie vor eine Reihe von offenen Fragen zu Problemen und Gefahren gibt.

Bei kritischer Betrachtung der Faktoren kann das Gesamtprojekt zwar offenbar nicht durch ein einziges Problem gefährdet werden. Doch unter Einbezug der Gesamtheit aller Faktoren besteht durchaus die Möglichkeit, dass die einzelnen Risiken letztendlich eine explosive Mischung darstellen. Aus diesem Grund soll der Leser dazu aufgefordert werden, die im Folgenden genannten Aspekte als ein Bündel zu sehen, bei dem ein Zusammenspiel stattfindet bzw. Abhängigkeiten existieren.

1 . Wirtschaft

Größtes Problem ist sicherlich, wenn sich die Umsätze aus den Durchfahrtsgebühren nicht in dem Maße entwickeln, wie sie kalkuliert worden sind. Sollte dies geschehen, müssten nicht nur vermehrt externe Kredite aufgenommen werden, sondern auch die Dauer der Abzahlung verlängert sich von 8 auf zum Beispiel 10 oder 11 Jahre. Das gleiche Problem besteht auf der Kostenseite. Selbst wenn sich die Einnahmen wie gewünscht entwickeln, können die geplanten Kosten noch um ein Vielfaches steigen. Die Kanalbehörde hat zwar für jedes Teilprojekt bereits einen finanziellen Puffer eingebaut. Es wird sich aber zeigen, ob dieser ausreichend ist.

Zudem ist der Kanal sehr stark von der Weltkonjunktur abhängig. Sollte es infolge einer Krise zu einem Rückgang des privaten Konsums oder zu Verringerungen von Unternehmensinvestitionen kommen, hätte das negative Auswirkungen auf die Handelsströme im Allgemeinen und Importe aus Südostasien im Speziellen. Betroffen wäre davon natürlich auch die Auslastung des Panamakanals.

Problematisch ist zudem, dass die Kanaleinnahmen prinzipiell fest im Staatshaushalt eingeplant sind. Es wird schwer werden, den Haushalt der einzelnen Ministerien von heute auf morgen zu beschneiden, wenn es wirklich notwendig werden würde. Es ist zwar wichtig, dass der Kanalausbau im Hinblick auf die Generationengerechtigkeit nicht allein zu Lasten der jetzigen Bevölkerung geht, aber ein Staatshaushalt welcher mit Einnahmen plant, die noch nicht feststehen, ist keine solide Grundlage für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass ca. 75% der Aufträge an ausländische Unternehmen vergeben werden und somit keinen direkten und dauerhaften Einfluss auf die eigene Wirtschaft haben. Es wird nur einige wenige lokale Unternehmen, wie das von Kanalchef Alemán Zubieta und seiner Familie geben, die direkt profitieren. Am Ende steht dahinter nicht die Bevölkerung, welche die Gewinne einstreicht, sondern ein Mitglied der gesellschaftlichen Elite und ausländische Konsortien.

Kritiker des Kanals äußern zudem die Meinung, dass es vielfältige, vor allem günstigere Alternativen zum jetzigen Projekt gibt. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel der Bau eines weiteren Hafens, an dem die Fracht einfach umgeschifft werden würde, wodurch nur ein Zehntel der Kosten anfiele. Zur Ehrenrettung der Kanalbehörde sind diese Argumente jedoch nicht unbedingt durchsetzbar. Hierzu bedarf es vor allem der Wirtschaft, welche ihr Geschäftmodell an den Kanal anpassen müsste. Daraus würden sich jedoch erhebliche Risiken ergeben, da dies wohl nur sehr wenige Unternehmen machen würden.

Welches sind Gefahren nach der Fertigstellung der neuen Schleusenanlagen? Ein großes Problem stellt der Zeithorizont von circa 20 Jahren dar, da sich erst 2025 die Kosten amortisiert haben werden. Nicht nur eine unter den Erwartungen verlaufende Entwicklung des Schifffahrtsverkehrs, sondern Alternativen wie z.B. so genannte Trockenkanäle (d.h. die Verlagerung der Fracht auf die Schiene) können zusätzliche negative externe Effekte bewirken. Besonders in den letzten Monaten haben die größten Finanzinvestoren der USA Milliardensummen in die Übernahme von Bahngesellschaften gesteckt um diesem Sektor zu neuem Glanz zu führen.

Sollte es im Zuge des Klimawandels zur weiteren Erwärmung und Abschmelzung der Pole kommen, wäre sogar rein hypothetisch eine Umschiffung der Nordküste Kanadas möglich. Der Seeweg zwischen Brest und Tokio wäre auf dieser Route etwa 6000 Km kürzer als die Strecke durch den Panama-Kanal.

Ein anderes Argument, was gerne von der Kanalbehörde genannt wurde, war das stetige Wachstum an Schiffen der „Post-panamax“-Klasse. Hierbei wird jedoch vergessen das solche Supertanker oder Riesencontainerschiffe eine reine Auftragsproduktion darstellen. Somit sind Einsatzort, Wegstrecke, transportierte Waren schon so geplant, dass eine entsprechende Rendite erwirtschaftet wird. Ob das Schiff dann letztendlich über Kap Horn fährt oder durch den Panamakanal, spielt absolut keine Rolle. Es ist nur dann für die Rederei interessant, wenn Kosten gespart werden können. Jedoch besitzt der Panamakanal in diesem Fall kein Monopol, sondern hat es mit geballter Verhandlungsmacht der Reedereien zu tun, welche zwar durch den Kanal fahren können, aber nicht müssen.

Ein ähnlicher Preiskampf würde im Fall einer weltweiten Rezession erfolgen, denn zu dieser Zeit ist der Kanal Teil von Überkapazitäten. Überkapazitäten sind erkennbar, wenn durch eine geringere Auslastung beispielsweise weniger Expressdurchfahrten versteigert werden können. Überkapazitäten sind zudem eng mit Rabatten (in diesem Fall Verringerung der Durchfahrtsgebühren) verbunden, da die Kanalbehörde durch niedrigere Preise stärkere Anreize zur Nutzung des Kanals setzen kann.

Selbst wenn der Kanal wirtschaftlich erfolgreich ist, kann es nachteilig sein, die Abhängigkeit der Volkswirtschaft noch weiter zu verstärken, anstatt sie abzubauen. Eine durchdachte Diversifikation der Einnahmen, wie es beispielsweise die arabischen Ölstaaten um Dubai vormachen, wäre eine durchaus ernstzunehmende Alternative.

2 . Sozio-Demographisch

Gesellschaftlich wäre das Versagen beim Ausbau des Kanals ein Fiasko, denn das Risiko von Fehlinvestitionen wird einzig von der Bevölkerung getragen und muss auch von dieser finanziert werden. Wohingegen die Gewinne so oder so garantiert sind, denn ob der Kanal nach dem Bau letztendlich profitabel ist, interessiert die ausländischen Konsortien, die direkt aus den Krediten der Internationen Finanzinstitutionen bezahlt werden, und die Oberschicht, welche ihr Schäfchen bereits ins Trockene gebracht hat, nicht.

Aber was bleibt der Bevölkerung letztendlich übrig? Aufgrund der großen Armut in der Bevölkerung (siehe Teil 1 dieses Artikels) haben die Bürger trotz zahlreicher Bedenkung nur aufgrund der Hoffnung auf ein besseres Leben dem Referendum mit „Si“ zugestimmt. Um den Staat fit für Verhandlungen mit Kapitalgebern zu machen, wurden bereits wichtige Sozialreformen durchgesetzt. Neben einer Steuerreform wurde vor allem die Reform der Sozialversicherung (2004/2005) mit der Durchsetzung eines höheren Rentenalters und eines kleiner gewordenen Leistungskataloges zum Nachteil der Bevölkerung verabschiedet. Und das trotz des unzureichenden Bildungs- und Gesundheitssystems.

Nicht nur Reformen im Vorfeld des Baus sind aus gesellschaftspolitischer Sicht fragwürdig, sondern gleichzeitig werden auch Investitionen während des Baus und nach der Fertigstellung mit Sicherheit zurückgefahren. Einzig der Schuldendienst wird in den Vordergrund rücken. Darin liegt jedoch eine falsche Fokussierung der Politik, denn der Kanal bildet im Gegensatz zu Schulen und Universitäten keine neue Generation mit einem höheren Bildungsniveau aus. Auch die Infrastruktur zum Bau des Kanals wird wenig helfen, wenn nicht auch die ländlichen Gebiete in angemessenen Maße Investitionen erfahren.

Durch den Ausbau des Kanals wird es auch zur Vertreibung von Bauern kommen, welche ihr Land in und um den Kanal den Bauarbeiten zur Verfügung stellen müssen. Sollten sie nicht vertrieben werden, so müssen sie akzeptieren, dass ihre Anbaufläche durch Erhöhung des Wasserspiegels des Gatun-Stausees geflutet wird.

Einzig positiver Effekt für die Bevölkerung könnte die stärkere Nachfrage nach Arbeitskräften darstellen. Insgesamt sollen während der Bauphase 35.000 bis 40.000 neue Jobs entstehen. Nach Berechnungen der Kanalbehörde werden von 2015 bis 2025 nochmals circa 250.000 Arbeitsplätze in Sektoren und Unternehmen geschaffen, die direkt oder indirekt mit dem Panamakanal verbunden sind. Zwar helfen diese Arbeitsplätze einer Reihe von Menschen den Wohlstand ihrer Familien zu erhöhen, jedoch ist dies der falsche Ansatz. Die Regierung freut sich Jobs in Niedriglohnsektoren zu schaffen, anstelle jungen Menschen eine Perspektive im Dienstleistungssektor bei einem der zahlreichen Finanzunternehmen zu bieten. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Familien den Wohlstand erwirtschaften, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

3 . Umwelt [1]

Auch umweltpolitisch steht das Projekt unter keinen guten Stern. In Panama befindet sich das größte zusammenhängende Urwaldgebiet Zentralamerikas. Durch den Neubau der Schleusen würde somit ein Teil des artenreichen Regenwaldes vernichtet oder in Gefahr gebracht. Verantwortlich dafür ist nicht nur der Neubau auf bisher ungenutztem Gebiet, sondern vor allem die Größe der Baustelle (Lagerplatz, Zufahrtsstraßen). Auch wird es im Zuge der Vertiefung und Ausweitung der Fahrrinnen zu anderen Umweltschäden kommen, die das natürliche Gleichgewicht des Gatun-Stausees erheblich stören werden. Hinzu kommt, dass durch die zusätzlichen Schleusen noch mehr Süßwasser ins Meer gespült wird. Dies schadet nicht nur den Korallenriffen vor den Einfahrten in den Kanal, welche nur im Salzwasser überleben können, sondern vernichtet gleichzeitig kostbares Trinkwasser der panamaischen Bevölkerung.

Auch andersherum entsteht ein Problem, denn sollte vermehrt Salzwasser in den Kanal und die kleinen Seen eindringen, würde sich die Zusammensetzung der Arten vollkommen ändern. Durch die weitere Stauung des Gatun-Sees (siehe oberes Bild) werden auch die Indio-Dörfer der Emberá überschwemmt werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie wegen des Kanals umsiedeln müssen. Welche tatsächlichen Auswirkungen der Ausbau haben wird, kann jedoch nicht endgültig abgeschätzt werden, denn bisher beruhen die Pläne nur auf Berechnungen oder Modellen. Am Ende können alle Beteiligten nur hoffen, dass sich der Schaden in Grenzen hält.

Fazit

Ganz klar ist der Ausbau des Panamakanals ein gigantisches Projekt. Wie immer ist viel Prestige dabei, aber auch verbunden mit Lügen und Korruption. Trotz der heftigen Kritik ist es natürlich möglich, dass die Vorhersagen über steigende Kanaleinnahmen und Wirtschaftswachstum eintreffen. Wichtig ist nur, dass die zusätzlichen Einnahmen gerechter verteilt und im Sinne der Volkswirtschaft effizient re-investiert werden, denn dann kann man Panama diesen Erfolg auch von Herzen wünschen.

[1] Lueg, A. (2007).

Quellen:

  • Autoridad del Canal de Panamá: Website – http://www.pancanal.com .
  • Autoridad del Canal de Panamá (2006): Proposal of the Expansion of the Panama Canal, http://www.pancanal.com/eng/plan/documentos/propuesta/acp-expansion-proposal.pdf (aufgerufen am 01.03.2007).
  • Hoffmann, D. (2004): Der Panama-Kanal soll wettbewerbsfähiger werden, In: KAS Auslandsinformationen (KAS-AI 12/05, S. 31–64), http://www.kas.de/db_files/dokumente/auslandsinformationen/7_dokument_dok_pdf_7823_1.pdf (aufgerufen am 01.03.2007).
  • Lueg, A. (2007): Wenn der Gatunsee weiter aufgestaut wird, _http://www.daserste.de/wwiewissen/beitrag_dyn~uid,whe568v1wzw543m1~cm.asp (aufgerufen am 01.09.2007. Der Link konnte am 11.03.2013 nicht mehr aufgerufen werden.).

Bilder: http://www.pancanal.com


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Der Panamakanal im verflixten 7. Jahr – Teil 2: Politischer Weg und Ausgestaltung der Pläne

1 Kommentar

  1. Kreiseler sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    mir ist bekannt geworden, dass der Auftrag für den Umbau vergeben wurde.
    Können sie mir die Anschrift des Generalauftragnehmers zusenden.
    Vielen Dank für die Hilfe.
    Mit freunlichen Grüßen
    Dipl.- Ing. Horst Kreiseler

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