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Printausgaben

Castellanos, Rosario: Das Dunkle Lächeln der Catalina Diaz

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Aufstände in den Jahren 1712, 1862, 1917. Warum also nicht jetzt?

Das vorliegende Buch der Mexikanerin Rosario Castellanos erzählt von einem Indigena-Aufstand in der Provinz Chiapas – irgendwann in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Das Buch könnte aber auch vor 200 Jahren spielen oder in unseren Tagen. Die Zeiten haben sich offenbar nicht sehr geändert in Chiapas, bis heute nicht, wie jüngste Ereignisse belegen. Der beschriebene Aufstand hat keinerlei politische Motive und auch keine vordergründig sozialen. Er entsteht aus den Karfreitags-Feiern heraus, die Motive der Catalina Diaz, die faktisch zur Initiatorin der Revolte wird, sind eher persönlicher Natur. Doch die angestaute Unzufriedenheit mit der langen Unterdrückung und Diskriminierung der Indigenas gibt dem Motiv der „Seherin“ Catalina eine andere Dimension, die Wut macht sich in Brandschatzungen, Plünderungen und Morden Luft, letzten Endes ohne Ziel. Am Schluß des Buches ist alles wie es an seinem Anfang war, jeder ist wieder an „seinem“ Platz, nur die indianischen Ammen haben neue Geschichten zur Erbauung ihrer weißen Zöglinge. Dieser Ausgang des Buches überrascht nicht. Was überrascht ist die farblose Darstellung der Protagonisten, zumindest eines Teils derselben.

Rosario Castellanos entstammte selbst einer der „ganz alten“ Familien von Chiapas und aus dieser Erfahrung heraus vermochte sie es hervorragend, ein detailliertes Bild der alten spanischen Oberschicht zu zeichnen. Die Caxlanes, d.h. die Großgrundbesitzer, in besonderem Maße die Coletos, die „Alteingesessenen“ von San Cristobal de las Casas, versuchen mit allen ihnen zu Verfügung stehenden Mitteln, und das schließt ungesetzliche ausdrücklich mit ein, Macht und Besitz zu erhalten und auszubauen. Die Handlungsmotive mögen bei dem reich gewordenen Emporkömmlung und dem alteingesessenen, aber z.T. verarmten Coleto unterschiedlich sein, einig sind sie sich in ihrer Überzeugung von der eigenen Auserwähltheit und von der Unterlegenheit der Chamulas. Für sie ist ein Indigena eine Art Tier, das einen Hirten braucht, da es zu keiner selbständigen Handlung fähig ist. Diese „Übereinstimmung“ vermag die verschiedenen Gruppen, bei allen Unterschieden in Denk- und Lebensweise zusammenzuschweißen, wenn es gegen die Indigenas und für die eigenen Privilegien geht. Doch so detailgetreu wie die Caxlanes dargestellt sind, so blaß erscheinen die Indios. Die noch zu Beginn der Lektüre gehegte Hoffnung, im Buch etwas von ihrem Alltagsleben zu erfahren – schließlich spielt das Buch auch in einer Chamula-Gemeinde – erfüllt sich nicht. Dabei macht Castellanos von ihrer Sympathie für die Chamulas keinen Hehl, auch nicht von ihrem Wunsch, ihnen möge endlich Gerechtigkeit widerfahren. Jedoch sind „ihre“ Indios genau so, wie sie von den Caxlanes geschildert werden: ewig betrunken, in hohem Maße unselbständig und, soweit sie bei den Weißen angestellt sind, denselben hündisch ergeben. Es ist durchaus nachvollziehbar, daß es Castellanos kaum möglich gewesen sein dürfte, das Leben der Indigenas anders als oberflächlich zu schildern. Ihr Blick auf die Chamulas ist ein Blick von außen und das macht m.E. die große Schwäche des Buches aus. Offensichtlich spielt da trotz aller Sympathie für die unterdrückten Chamulas die Vorstellung mit, daß man den armen Indios helfen, ihnen von außen zeigen muß, wie sie frei leben können. Fernande Ulloa scheint ein Spiegelbild der Autorin zu sein. Der Ingenieur, der im Auftrag der Regierung Land vermessen soll, um den Indigenas ihr Land zurückzugeben, ist in jeder Hinsicht ein Außenseiter. Mitseiner Aufgabe, die er sehr ernst nimmt, ist er so etwas wie ein „natürlicher“ Feind der Caxlanes. Den Chamulas steht er weitgehend verständnislos gegenüber und das nicht nur, weil man ihm, aus gutem Grund, keinen Einblick in das Leben der Gemeinschaft gewährt. Vor allem an dem wieder auflebenden religiösen Kult um die steinernen Götzen macht Castellanos das Anderssein der Chamulas fest. So gesehen muß das Leben der Indigenas einem Fernando Ulloa (und mit ihm den Leserinnen) nur fremd und bizarr erscheinen. Von einer anderen sozialen Organisation und andere Lebensprinzipien, wie sie bei den Indigena-Gemeinschaften trotz allem immer noch zu finden sind, kann da (fast) keine Rede sein. Ulloa ist ein wohlmeinender Weißer/Ladino, der keinen Gedanken daran verschwendet, daß die Gesellschaft der Chamulas eine ganz andere sein könnte – das Recht, das er ihnen verspricht und verschaffen will, ist das der Ladinos. Ein solches Konzept kann nicht aufgehen, weil es letztendlich von keiner Seite akzeptiert werden kann: von den Ladinos wegen des befürchteten Machtverlustes nicht und von den Chamulas nicht, weil es mit ihrem Leben herzlich wenig zu tun hat.

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Castellanos beschreibt die Caxlanes als extrem rassistisch. Sie steigen in einen Bus und wenn ein Chamula einen Sitzplatz hat, zwingen sie ihn aufzustehen, um seinen Platz einzunehmen. Wenn ein lndio zu Fuß oder mit dem Fahhrad unterwegs ist, versuchen die Autofahrer, ihn zu rammen. … Vor allem in San Cristobal, die „coletos“ sind gegenüber den Indios im alltäglichen Leben sehr beleidigend und diskriminierend.

* Dieses Zitat stammt nicht aus dem Buch sondern aus einem sehr zeitgenössischen Interview mit EZLN-Subcomandante Marcos.

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Rosario Castellanos: Das dunkle Lächeln der Catalina Diaz. Europaverlag Wien-Zürich 1993

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