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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Coras und Huicholes

Wofgang Nieklasen | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Coras und Huicholes leben heute sehr abgelegen im zentralen Gebirge der Sierra Madre Occidental (Westliche Kordillere Mexikos), die Coras im äußersten Nordosten des Bundesstaates Nayarit, die Huicholes in den unzugänglichsten Zipfeln von Jalisco, im Süden von Zacatecas und Durango, und auch im nordöstlichen Streifen von Nayarit, wo sie sich mit den Coras das Land teilen und sogar im Cora-Hauptort Jesus Maria den Bürgermeister stellen.

Von den Coras gibt es etwa noch 11.000, von den Huicholes 50.000. Sie gehören gemeinsam der Sprachfamilie der Yuto-azteken an, zu der auch die Nahuatl-Sprache der Azteken gehört.

Trotz der sprachlichen und kulturellen Verwandtschaft haben sie sehr eigenständige und unterschiedliche Riten und teils noch Zeremonien heidnischen Ursprungs bewahrt. Beide Völker pflegen z.B. den Kult um den Peyote-Kaktus, in dem sie ihren Hirschgott, ihr zentrales Gottgestirn, verkörpert sehen, und mit dessen halluzinogener Wirkung sie sich berauschen, hypnotisieren und Magie betreiben.

Aber die Coras machen nicht mehr die heilige Pilgerwanderung in den über 400 km entfernten Staat San Luis Potosi, um dort sprichwörtlich und rituell den Hirsch im Kaktus mit Pfeil und Bogen zu jagen. Die Coras haben sich stärker an die christlichen Zeremonien angepasst und viel vom christlichen Glauben der Form nach übernommen wie z.B. die Passionsspiele der Kreuzigung Christi.

Die Huicholes haben in einigen ihrer Orte keine Kirchen, sondern eigene Weihestätten, die kalihuey, wo sie noch heidnische Gottheiten anbeten, aber auch Marienbilder und Figuren bewahren, die eine gewisse Ähnlichkeit mit dem gekreuzigten Jesus haben. Die Huicholes pflegen viel offener ihre heidnischen Kultformen wie z.B. die Opferung von Tieren. Die geschlachteten Stiere verbinden sie durch bunte Bänder mit ihren Heiligenfiguren und mit deren Blut weihen sie Kerzen und andere Kultgegenstände, ein Ausdruck der Fruchtbarkeitsweihe und des Übergangs des Toten in ein neues Leben. Sehr verbreitet ist der Maiskult, und ihre Erntefeste haben einen eigenen rituellen Charakter. Ihr Grund und Boden, ist ihnen so heilig, dass sie es nicht einmal verkaufen können oder Geschäfte damit betreiben. Dahinter steckt keine Blut- und Boden-Ideologie, sondern es ist schlicht ihre von den Vätern ererbte Existenzgrundlage, die sie im harten Kampf gegen neuerliche Eroberungsgelüste verteidigen, so z.B. gegen eindringende mestizische Viehzüchter, die das Huichole-Land kostenlos und ungestraft ausbeuten wollen.

Inzwischen haben die Huicholes in dieser Frage sogar vor Zivilgerichten Recht bekommen, doch ihre Organisation und ihre Rechtsanwälte werden verunglimpft und verdächtigt, von der Guerilla-Armee der EZLN gesteuert und aufgewiegelt zu sein, also von fremden Aufrührern. Das ist ein Vorwurf, den man in Mexiko jeder eigenständigen Opposition zu machen pflegt. Doch ein Gespräch beim Ältestenrat verseutlicht schnell das Gegenteil.

Die Huicholes haben zwar eine gewisse Scheu und Verschlossenheit gegenüber Besuchern, aber wenn man freundlich, mit Verständnis und Respekt mit ihnen ins Gespräch kommt, kann man an all ihren Zeremonien teilnehmen und auch alles fotografieren. Und wer möchte, darf sogar in ihrem Heiligtum tanzen.

Die Osterfeierlichkeiten der Coras sind fast schon zu einer Touristenattraktion geworden, zumindest in Jesus Maria. Jedoch herrscht bei ihnen fast überall – öffentlich bekannt gemacht – ein strenges Fotografierverbot. Die Missachtung des Verbots wird sofort mit (zumindest zeitweiligem) Entzug der Kamera geahndet. In dem Ort Mesa de Nayar werden dagegen ausländische Besucher während der Passion nicht einmal an den Ort der Zeremonien gelassen.

Auch in der Gemeinschaft herrschen strenge Strafregeln: Gründonnerstag und Karfreitag ist es verboten, sich im Fluss zu waschen; während der Prozessionen dürfen Paare sich nicht an den Händen fassen oder sich umarmen. Wer gegen die Verbote verstößt oder auch nach der Prozession im Dorfladen beim Einkaufen statt in der Kirche erwischt wird, der wird sofort von den „Juden“ -die in diesen Tagen den Ort mit allen Verwaltungsvollmachten beherrschen – umzingelt und z.B. zum Mahlen des Maises für das gemeinsame Dorfessen „verurteilt“. Solche Strafen treffen Fremde ebenso wie Einheimische. Diese Gerichtsbarkeit in den Osterwochen hat eher belustigende und ironische Züge, denn in ihren Zeremonien machen sich die Coras auch über die christliche Passion und sogar über die Kreuzigung und den toten Christus lustig.

Aber sie pflegen auch heidnische Fruchtbarkeitsrituale und Tänze, die dem Fremden zunächst unverständlich bleiben, in welchen sie Koitus-Szenen imitieren, sich sogar die Hosen herunterlassen und Masturbations-Spiele betreiben. Für diese Spiele, die sexuelle Verklemmtheit karikieren, enthemmen sie sich durch den Genuss von Peyote.

Einen eher karnevalistischen Charakter haben hingegen die Festlichkeiten der Ostertage in der Öffentlichkeit des Dorfplatzes. Die „Juden“, das sind fast alle Jugendlichen des Dorfes, sind maskiert und veranstalten ihre Prozessionen mit bemalten Körpern und (zumeist) in Unterhosen. Hinter der Maske genießen sie die Narrenfreiheit, sich über alles und jedes lustig zu machen, selbst über die heiligen Werte der Gesellschaft, der sie unterworfen sind.

So autoritär zeigt sich die Gemeindeverwaltung von Jesus Maria üblicherweise nicht, besonders nicht bei sozialen Maßnahmen. In den Schulen erhalten die Kinder z.B. zweisprachigen Unterricht, in Cora und Spanisch, dergleichen ist in Mexiko nicht eben normal. Das staatliche Krankenhaus hat eine öffentliche Abteilung für traditionelle indígena-Medizin. Diese Abteilung arbeitet vor allem auf Heilkräuterbasis, aber auch mit Hilfe von Medizinmännern und schwarzer Magie. Diese Abteilung arbeitet vor allem auf Heilkräuterbasis, aber auch mit Hilfe von Medizinmännern und schwarzer Magie.

 

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