Quetzal Vogel
News Icon
Quetzal

Politik und Kultur in Lateinamerika

Template: single_normal
Artikel

Monsantos Schreckensszenario

Alfredo Acedo | | Artikel drucken
Lesedauer: 11 Minuten

Mexiko: Gegrillter Mais. Foto: Jesus PerezMonsanto benutzt den Rückgang der internationalen Maisvorräte und die katastrophalen Auswirkungen, die der Kälteeinbruch auf die Maisfelder im Norden des Landes hatte, als schlagkräftiges Argument dafür, den kommerziellen Anbau von genmanipuliertem Mais in Mexiko voranzutreiben. Zu diesem Zweck stellt das Unternehmen sein genmanipuliertes Saatgut als Wundermittel gegen die Knappheit und Verteuerung dieser Nutzpflanze dar.

Monsanto geht sogar noch einen Schritt weiter: In einer Pressekonferenz wagte der Präsident des Konzerns in Lateinamerika, José Manuel Maduro, sogar die Behauptung, „die Entscheidung Mexikos gegen gentechnisch verändertes Saatgut habe dazu geführt, dass 10 Millionen Tonnen Mais importiert werden mussten, und daher sei eine schnelle Entscheidung in dieser Hinsicht nötig.“ Monsanto versucht es mit dem Entwurf eines Schreckensszenarios.

Der Zynismus von Monsanto scheint keine Grenzen zu kennen. Die Tatsache, dass Mexiko seine Fähigkeit zur Selbstversorgung mit Mais verloren hat und nun jährlich Millionen Tonnen Mais importiert, ist also nicht einer Agrarpolitik geschuldet, die multinationale Konzerne und ein unfaires Freihandelsmodell begünstigt, Einkäufe im Ausland vorzieht und den Großteil der nationalen Produzenten im Stich gelassen hat, sondern erklärt sich durch den bisherigen Verzicht des Landes auf den kommerziellen Anbau von genmanipuliertem Mais.

Die unablässige Überzeugungsarbeit des Konzerns hat Wirkung gezeigt. Nachdem die Regierung Ende letzten Jahres eine Genehmigung für die Pilotphase des Anbaus von genmanipuliertem Mais in Sinaloa verweigert hatte, hat das mexikanische Ministerium für Landwirtschaft, Viehzucht, ländliche Entwicklung, Fischfang und Ernährung (SAGARPA) Monsanto nun die Erlaubnis für den Anbau von gentechnisch verändertem gelben Mais erteilt, der gegen das Pflanzenschutzmittel Glyphosat resistent ist und im Rahmen eines Pilotprogramms für das laufende Landwirtschaftsjahr in Tamaulipas verwendet werden soll.

Die wahre Gefahr, die den Tod für die Ernährung, die Gesundheit und die Kultur des Landes bedeutet, besteht jedoch darin, eine Entscheidung zugunsten Monsantos zu treffen, anstatt die nationale Landwirtschaft zu stärken. Die Aussaat von genmanipuliertem Mais verdeutlicht den Verlust der Ernährungssouveränität des Landes und verunreinigt darüber hinaus die einheimischen Sorten.

Laut der Nationalen Kommission für die Nutzung und Registrierung der Artenvielfalt (CONABIO) wachsen in Tamaulipas 16 der 59 in Mexiko heimischen Maissorten. Eine vor kurzem durchgeführte Studie der CONABIO kommt zu dem Schluss, dass gentechnisch veränderter Mais „nur von öffentlichen Institutionen, die im Hinblick auf Sicherheit ausreichend befähigt sind, und nur in Zonen mit geringem Risiko“ freigesetzt werden darf. Die Studie wurde vom SAGARPA finanziert und entgegen seiner eigenen Empfehlungen zu dem Zeitpunkt veröffentlicht, zu dem Monsanto die Erlaubnis für die Pilotphase des Anbaus von Genmais in Tamaulipas erhielt – einem Staat, der wie der restliche Norden und das gesamte Staatsgebiet Mexikos das Mutterland des Maises ist.

Überzeugungskampagne

In Mexiko findet eine intensive Werbekampagne für genmanipuliertes Saatgut statt: Die großen Landwirtschaftsbetriebe im Norden üben Druck auf die Regierung aus, damit sie den kommerziellen Anbau von genmanipuliertem Mais beschleunigt, und auch in der Presse und im Fernsehen fehlt es nicht an Stimmen, die Monsantos Argumente unterstützen. Die mit wissenschaftlichen Positionen gespickte Propaganda drang sogar bis zur Buchmesse im Palacio de Minería vor. Auf dem Programm der traditionellen Buchmesse, die von der Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM) gefördert wird, stand eine Konferenzreihe mit dem Titel „Das gentechnisch veränderte Saatgut ist angekommen“, angeführt von dem großen Förderer der Biotechnologie, Luis Herrera-Estrella, der im Dienste der multinationalen Konzerne steht. Der mexikanische Wissenschaftler, der als Miterfinder des genmanipulierten Saatguts gilt, hat sich zu einem Befürworter der Argumente Monsantos entwickelt, obwohl das Unternehmen ihm seinen Worten zufolge das Patent für diese Technologie streitig gemacht hat.

Dass CINVESTAV, der Arbeitgeber des Forschers, Beziehungen zu dem Multikonzern unterhält, ist jedoch kein Geheimnis. Herrera-Estrella ist sogar schon beschuldigt worden, die „Schmutzarbeit“ für Monsanto zu erledigen. Nachdem Ignacio Chapela, Professor an der Berkeley-Universität, im Oktober 2001 nachgewiesen hatte, dass in Calpulapan (Oaxaca) Mais durch genmanipulierte Organismen verunreinigt worden war, startete Monsanto eine Hetzkampagne gegen ihn, die auch Herrera-Estrella bekannt sein dürfte. Nach jahrelanger Verunglimpfung und als zwei externe internationale Prüfer für die Berkeley-Universität schließlich in die Vergabe einer unbefristeten Vollzeit-Professur und Forscherstelle an Chapela eingewilligt hatten, wurde sein Vertrag nach Erhalt eines Briefes, in dem ein Fachmann sich gegen ihn aussprach, annulliert – der Absender war Luis Herrera-Estrella.

In der Gesprächsreihe der Buchmesse wurden nur Argumente für den Einsatz genmanipulierter Organismen vorgestellt. Dies wurde vom Publikum auf der Konferenz von Luis Herrera-Estrella beklagt.

Unter den Zuhörern befand sich die Präsidentin der Vereinigung der Wissenschaftler für das Wohl der Gesellschaft (UCCS), Elena Álvarez-Buylla, die sich gleich zu Beginn kritisch zur Gentechnik äußerte und von einem französischen Wissenschaftler erzählte, der durch seine unabhängige Forschung zu den Gefahren genmanipulierter Organismen bekannt geworden war und kürzlich einen Prozess gegen Biotechnologie-Unternehmen gewonnen hatte, die eine Verleumdungskampagne gegen ihn geführt hatten. Aufgrund der extremen Unhöflichkeit Herrera-Estrellas und seiner Anhänger, die ihr ins Wort fielen, weil ihnen die Kommentare unangenehm waren, konnte sie ihre Erzählung nicht weiter ausführen. Auffällig war auch, dass der Redner nicht auf die durch das Pflanzenschutzmittel Glyphosat verursachten Gesundheitsschäden einging. Glyphosat wird von Monsanto produziert und mit einer der genmanipulierten Maissorten des Unternehmens in Verbindung gebracht.

Nachdem im letzten Jahr bekannt wurde, dass sowohl die Gewinne des Konzerns als auch der Wert seiner Aktien aufgrund der abnehmenden Verkaufszahlen für das Unkrautvernichtungsmittel Roundup und für genmanipuliertes Mais- und Sojasaatgut in Südamerika und Europa sinken, nimmt Monsanto nun aggressiv Einfluss auf die öffentliche Meinung, um in Mexiko genmanipulierten Mais einführen zu können.

Der mexikanische Markt könnte Monsanto potenzielle Gewinne in Höhe von 400 Millionen Dollar jährlich einbringen. Einige Regierungsmitglieder sind der Meinung, dass dies Grund genug ist, sämtliche Risiken für die einheimischen Maissorten, die Wirtschaft oder die Gesundheit der Mexikaner klein zu reden.

In der Europäischen Union hat der Einsatz von genmanipuliertem Saatgut laut einem vor einigen Wochen veröffentlichten Bericht von Friends of the Earth International inzwischen rasant abgenommen, und die Zahl der Länder, die diese Art des Anbaus verbieten, ist gestiegen.

Derselben Quelle zufolge haben sieben EU-Mitgliedstaaten den Anbau von genmanipuliertem Monsanto-Mais untersagt. Grund dafür ist der nachgewiesene schädliche Einfluss auf Umwelt und Wirtschaft sowie die Anwendung des Vorsorgeprinzips in Bezug auf die Gesundheit. Fast 61 Prozent der Bevölkerung sprechen sich inzwischen gegen genmanipulierte Organismen aus.

Im Dezember verweigerte die mexikanische Bundesregierung Monsanto unerwartet – und nicht ohne Widersprüche – die Genehmigung für die Pilotphase des Anbaus von genmanipuliertem Mais auf 100 Hektar in Sinaloa, einem Staat im Nordwesten des Landes. Von den drei im Gesetz über die biologische Sicherheit von genmanipulierten Organismen festgelegten Phasen ist die Pilotphase die zweite Phase, die auf die experimentelle Phase folgt und der freien Produktion bzw. dem kommerziellen Anbau vorausgeht.

Seit Oktober 2009 – ein Treffen zwischen Felipe Calderón und Hugh Grant, dem Präsidenten von Monsanto, lag erst wenige Monate zurück – hat die Bundesregierung 29 Anträge auf die experimentelle Freisetzung von gentechnisch verändertem Mais genehmigt und damit ein Moratorium aufgehoben, das seit über einem Jahrzehnt bestand. Der Großteil der Lizenzen wurde an Monsanto und an Dow Agro Science vergeben, um auf über einem Dutzend Hektar Maissorten zu „testen“, die resistent gegen Pflanzenschutzmittel und Schädlinge sind.

Die Regierung hielt geheim, wo der Mais für die experimentelle Phase angebaut wurde, und versäumte es, die Öffentlichkeit angemessen über die Ergebnisse dieses Vorgehens zu informieren, womit sie gegen das Gesetz über die biologische Sicherheit verstieß. Im letzten Jahr nahm sie schließlich 20 weitere Anträge der zuvor erwähnten Unternehmen an, denen sich außerdem Syngenta anschloss. Nach Vergabe der Genehmigungen erstreckt sich die für genmanipulierten Mais vorgesehene Anbaufläche auf über tausend Hektar.

Die Widersprüche und Schwankungen in der Haltung der Regierung, die sich bei der Verweigerung der ersten Genehmigungen für die Pilotphase in Sinaloa zeigten, und die anschließende Zusage für die Aussaat auf einem Viertel Hektar in Tamaulipas sind wahrscheinlich auf folgende Faktoren zurückzuführen: den Beginn des Wahljahres (ein wichtiger Zeitpunkt für die Regierung, die politische Kosten ihrer Entscheidungen vermeiden möchte), die Aktionen der Bauern- und Umweltverbände und die bedeutende Arbeit von Organisationen wie der UCCS.

Ende 2009 rief die Nationale Vereinigung der unabhängigen regionalen Bauernverbände (UNORCA) mit Hilfe von Foren und Informationsveranstaltungen eine Kampagne unter dem Motto: „Nein zu genmanipuliertem Mais, weg mit Monsanto!“ ins Leben. Es fanden Foren in Chilpancingo, Zacatecas und Navojoa statt, das nur wenige Kilometer von einem der Zentren entfernt liegt, in denen mit genmanipulierten Organismen experimentiert wird. Im vergangenen Jahr wurden in Guadalajara und Morelia Experimente mit gentechnisch verändertem Mais als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Inzwischen haben sich viele Stimmen gegen dieses Vergehen erhoben: von der UCCS bis hin zur Stadtverwaltung von Tepoztlán im südlichen Bundesstaat Morelos, die Verfassungsklage gegen den Anbau von genmanipuliertem Mais im Land erhoben hat.

Ernährungssouveränität oder Abhängigkeit?

Mexiko: Mais auf einem Markt in Puebla. Foto: Jesus PerezVor einigen Tagen mahnte der Nationaldirektor der UNORCA, Olegario Carrillo, dass Mexiko es nicht nötig habe, sich in die Arme von Monsanto zu werfen, um sich wieder selbst mit Mais versorgen zu können. Würde Mexiko dem Druck des Multikonzerns, der nur das Ziel verfolgt, sich an der agrogenetischen Vielfalt Mexikos zu bereichern, nachgeben, würde die starke Abhängigkeit von Nahrungsmitteln, die durch den Freihandelsvertrag mit Nordamerika geschaffen wurde, tatsächlich noch verstärkt, und das in einer Zeit, in der die Importe laut Informationen des Obersten Rechnungshofes bereits 40 Prozent des mexikanischen Konsums überschreiten.

Das grundsätzliche Problem ist nicht technologischer Art, sondern liegt darin, dass die mexikanische Regierung keine für die Landwirtschaft günstige Politik verfolgt und es keine Ziele für die Nahrungsmittelproduktion gibt. Der neoliberale Ansatz zieht Importe vor und begünstigt die multinationalen Konzerne, die sich den gesamten Produktionsprozess zueigen gemacht haben.

Der Multikonzern lügt also, wenn er behauptet, dass seine Biotechnologie Mexikos Ernährungsproblem lösen kann: Es ist bereits ausführlich dokumentiert, dass gentechnisch veränderte Organismen die Produktion nicht erhöhen. Genmanipulierter Mais wurde nicht dafür konzipiert, die Erträge zu steigern. Der Großteil der gentechnisch veränderten Organismen wurde entwickelt, um dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, die von Monsanto selbst hergestellt werden, standzuhalten. Stattdessen wird die Abhängigkeit durch die Notwendigkeit, Saatgut zu kaufen, und die Verunreinigung einheimischer Maissorten vergrößert, und es entstehen Schäden für die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesundheit der Menschen.

Die jährliche Maisproduktion Mexikos könnte sogar verdoppelt werden (24 Millionen Tonnen), wenn Mexiko seine Agrarpolitik zu Gunsten der Bauern ausrichten würde und mehr Mais im Süden und Südosten des Landes angebaut würde, wo genügend Wasser vorhanden ist. Dank der genetischen Vielfalt der mexikanischen Maissorten könnte die Produktion gesteigert werden, ohne Monsanto Geldgeschenke machen zu müssen: In Mexiko gibt es nämlich ca. 60 einheimische Sorten und Tausende Variationen davon, die an sämtliche Klima- und Bodenarten angepasst sind.

Der Konzern leugnet, dass mexikanischer Mais Gefahr läuft, durch den von ihm patentierten Genmais verunreinigt zu werden, obwohl nachgewiesen ist, dass Gentechnik und Artenvielfalt nicht im Einklang miteinander bestehen können. Monsanto lügt, da dies Teil der Strategie des Unternehmens ist, seine Gewinne über die Gesundheit der Menschen, den Schutz der Umwelt und das allgemeine Wohlergehen zu stellen, wie im Laufe der Jahre in mehreren Untersuchungen gezeigt wurde.

Die UCCS bestätigt unter Berufung auf Berichte der FAO, UNESCO und anderen, dass genmanipulierte Organismen nicht nur keine Ertragssteigerung herbeiführen, sondern auch den Einsatz von Giftstoffen erhöhen, die Böden zerstören und weder armen Bauern noch den Verbrauchern Vorteile bringen. Darüber hinaus tragen sie zum Klimawandel bei, da sie ein Landwirtschaftsmodell fördern, dass von der Verwendung von Öl für Betriebsmittel und Transporte abhängt. Bauernverbände und engagierte Wissenschaftler schlagen ein alternatives nachhaltiges Modell vor, das sich auf die Wahrung der Artenvielfalt, die Wiederverwertung von Nährstoffen, die Nutzung von Synergien zwischen Pflanzenkulturen, den Erhalt der Böden und den Schutz strategischer Rohstoffe wie etwa Wasser sowie auf die Integration neuer Biotechnologien in nachhaltige Systeme stützt.

Wissenschaftler sind zu dem Schluss gekommen, dass die mexikanische Landwirtschaft über die notwendigen Ressourcen verfügt, um sich selbst ohne den Einsatz von Gentechnik mit Nahrungsmitteln versorgen zu können. Laut dem Forscher Antonio Turrent Fernández können Kleinbauern, Mitglieder landwirtschaftlicher Genossenschaften und Miteigentümer von Gemeindeland eine Schlüsselrolle in der Produktion von Grundnahrungsmitteln und der Bewirtschaftung pflanzengenetischer Ressourcen spielen, die ihren Ursprung in Mexiko haben und dort besonders vielfältig sind. Dafür sind jedoch öffentliche Investitionen in Infrastruktur, Forschung, Technologietransfer und Dienstleistungen nötig. Das heißt, dass das vorherrschende Modell und die Ausrichtung des öffentlichen Haushalts grundlegend geändert werden müssen und das Moratorium zum Anbau von genmanipuliertem Mais wieder eingesetzt werden muss.

Alfredo Acedo ist Direktor für soziale Kommunikation und Berater der Nationalen Vereinigung der unabhängigen regionalen Bauernverbände Mexikos.

———————

Der Beitrag erschien im Original am 24.03.2011 www.cipamericas.org. Mit freundlicher Genehmigung des Americas Program.

Übersetzung aus dem Spanischen: Sandra Zick

Bildquelle: Jesus Perez_

1 Kommentar

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert