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Kubas Ökonomie zwischen Blockade, Hurrikan und Weltwirtschaftskrise

Jörg Rückmann | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten
Kuba - Kubas Ökonomie zwischen Blockade, Hurrikan und Weltwirtschaftskrise (175 Downloads )

Hurrican Ike bedeutete 2008 einen großen Rückschlag für Kubas Wirtschaft - Foto: US Hurrican Center1990 verlor Kuba nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers zum zweiten Mal innerhalb von 30 Jahren fast alle Wirtschaftsbeziehungen. Um das Land endgültig in die Knie zu zwingen, verschärften die USA die Blockade in jener Situation: 1992 mit dem „Toricelli Act“, 1996 durch das „Helms-Burton-Gesetz“. Die entbehrungsreiche Zeit zu Beginn der Neunziger ist vielen noch in Erinnerung – stundenlange Stromabschaltungen, kaum Transportmöglichkeiten, eine katastrophale Versorgungslage.

Wie geht es der kubanischen Wirtschaft heute, nach den schweren Hurrikanen des vergangenen Jahres und inmitten der weltweiten Wirtschaftskrise? Wer jetzt das Land besucht, gewinnt zuallererst den Eindruck: Kuba ist bunter geworden, lebendiger. Stadtzentren wurden saniert, Busse und Autos fahren wieder auf den Straßen, es gibt Märkte, Händlerbuden, Restaurants.

Die Wachstumsraten des BIP der letzten Jahre können sich sehen lassen (2005:  11,2%;  2006:  12,1%; 2007:  7,3%). Die geplanten 8 Prozent für das Hurrikanjahr 2008 konnten jedoch nicht erreicht werden (4,3%). Trotzdem konnten einige Bereiche an die guten Zahlen der vergangenen Jahre anknüpfen: der Kommunikationssektor (9%), der Dienstleistungssektor (8%) und das Transportwesen (7,4%). Für den Tourismus war 2008 ein Rekordjahr (12%) und das fünfte Jahr in Folge mit mehr als 2 Millionen Besuchern. Der Beitrag aus diesem Bereich zur nationalen Ökonomie beträgt 16,3 Prozent.

Die Industrieproduktion dagegen stieg im vergangenen Jahr nur um 1,2 Prozent (2007:  9,9%). Die Landwirtschaft konnte trotz der Sturmschäden immerhin noch eine Steigerung von 1,2 Prozent erwirtschaften (2007: 18,8%). Viel Geld musste Kuba aufwenden, um die Hurrikanschäden des vergangenen Jahres zu kompensieren: die Reparatur von Wohnungen, von Stromnetzen u. a. – Geld, das in anderen Bereichen fehlte. Spenden und Finanzierungshilfen aus dem Ausland konnten diese Lücke nur teilweise schließen. Die zusätzliche Versorgung mit Lebensmitteln für die Territorien, die am meisten von den Hurrikanen beroffen waren, kostete allein über 26 Millionen US-Dollar.

Kubas Landwirtschaft erreicht noch nicht die Selbstversorgung - Foto: SubLaLunoKuba muss auch heute noch einen Großteil der benötigten Lebensmittel importieren. Wegen der hohen Weltmarktpreise kletterten die Ausgaben dafür im Jahr 2008 auf 2,55 Milliarden US-Dollar (839,6 Millionen US-$ mehr als 2007). Trotzdem ist Kuba laut Welternährungsprogramm der UNO das einzige Land Lateinamerikas und der Karibik ohne unterernährte Kinder.

Probleme bereitet auch der gefallene Preis für Rohstoffe: Der Nickelpreis brach 2008 um 41 Prozent ein. Für 2009 erwartet man 250 Millionen US-Dollar weniger Einnahmen aus diesem Bereich. Gegenwärtig erschrecken uns Meldungen über Stromabschaltungen, die seit der Energierevolution 2006 fast schon in Vergessenheit geraten waren. Für das Jahr 2009 wird eine Steigerung des BIP um nur noch 2,4 Prozent erwartet.

Aber trotz aller Schwierigkeiten, trotz Blockade und trotz der Ungeduld vieler Kubaner, kann das sozialistische Land Ergebnisse vorweisen, die vor 15 Jahren niemand für möglich gehalten hat. Kuba konnte sogar in der „Periodo especial“ sein vorbildliches Sozialsystem aufrechterhalten.

Das Land durchbricht mehr und mehr die internationale Isolation und entwickelt sich zu einem interessanten Partner für die Wirtschaftswelt. Handelsbeziehungen unterhält Kuba derzeit mit 160 Ländern. Heute arbeiten über 230 Joint Ventures auf der Insel, ca. 90.000 Kubaner haben eigene kleine Unternehmen gegründet. Mit Venezuela, China, Brasilien, Russland und Kanada unterhält das Land enge Wirtschaftsbeziehungen. Die Säulen der kubanischen Ökonomie sind weiterhin die Nickel- und Kobaltproduktion, der Export von medizinischen Leistungen und seit den Neunzigern der Tourismus.

Eine Zahl überrascht besonders: Kuba deckt etwa 50 Prozent seines Erdölbedarfs selbst. Noch bis 1990 war das Land fast vollständig abhängig von den Lieferungen aus der Sowjetunion. Auch ist dieser Industriezweig heute nicht mehr hundertprozentig auf ausländische Technologie angewiesen. Mittlerweile verfügt das Land über 12 eigene Förderanlagen. Mit kanadischen und chinesischen Firmen erschließt Kuba neue Lagerstätten u. a. im Golf von Mexiko – Konzessionen wurden auch an Unternehmen aus Spanien, Norwegen, Indien, Malaysia, Vietnam und Venezuela erteilt. Die ausländischen Investitionen belaufen sich auf ca. 1,5 Mrd. US-Dollar. Venezuela half auch, die 1995 stillgelegte Raffinerie „Camilo Cienfuegos“ wieder in Betrieb zu nehmen (Investitionsumfang 136 Millionen US-Dollar). Sie soll das Zentrum eines Industrieparks werden, das nicht nur Kuba, sondern auch andere Länder der Karibik mit Chemieerzeugnissen versorgen wird.

Viel Kraft steckt Kuba in die Energiegewinnung aus alternativen Quellen. Auf der ganzen Insel wurden über mehrere Jahre Windstärken analysiert, um geeignete Standorte für Windparks zu finden. Zirka 100 Windkraftstationen sind derzeit schon in Betrieb. In 7 Jahren sollen 20 Prozent des benötigten Stroms mit Windanlagen produziert werden.

Einen exzellenten Ruf genießt Kuba weltweit in der Biotechnologie und Pharmazie. Es hat als erstes Land der Welt Impfstoffe gegen Meningitis B und C sowie Hepatitis B entwickelt. Ein deutsches Pharmaunternehmen hat die Lizenz für den Vertrieb eines Krebspräparates in 46 europäische Länder erworben. Kuba produziert außerdem biologische Düngemittel und Impfstoffe gegen Tierseuchen. Beim Export von Biotechnologie erwartet man für 2009 eine Steigerungsrate von zirka 20 Prozent.

Das Dauerproblem in Kuba: der Transportsektor - Foto: SubLaLunoFortschritte macht Kuba auch bei seinen „Dauerproblemen“ Transport und Wohnraum. 2007 wurden 5000 Busse aus chinesischer Produktion importiert, 2008 noch einmal über 900. 42000 neue Wohnungen wurden im vergangenen Jahr fertiggestellt; obwohl ein Teil der Baukapazitäten in die Beseitigung der Hurrikanschäden gesteckt werden musste.

In Kooperation mit ALBA nimmt in diesem Jahr ein Fischereiunternehmen seinen Betrieb auf. Und bis 2010 sollen die Häfen des Landes modernisiert werden, neue Umschlagtechnik angeschafft, Kaianlagen, Silos und Lastenaufzüge gebaut werden.

Die vielen positiven Beispiele dürfen aber nicht vergessen machen: Die Blockade durch die USA besteht weiter. Viele dringend benötigte Dinge – ob für das Gesundheitswesen, den Telekommunikationssektor oder die Industrieproduktion – kann Kuba nicht oder nur zu überhöhten Preisen auf dem Weltmarkt kaufen. Für eine Normalisierung der Beziehungen zum großen Nachbarn im Norden muss der erste Schritt die vollständige und bedingungslose Aufhebung der Blockade sein.

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Bildquellen: [1] US Hurricane Center; [2], [3] SubLaLuno

Original-Beitrag aus: Cuba Sí Revista 02/2009, S. 2. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Zeitschrift.

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