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Der Tod des cura Pérez

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Am 14. Februar 1998 starb in den Bergen von Santander (Kolumbien) an den Folgen einer chronischen Hepatitis im Alter von 55 Jahren Manuel Pérez Martinez, in Kolumbien bekannt unter der Bezeichnung el cura Perez oder auch unter seinem Kriegsnamen „Poliárco“. 51 Tage waren seit seinem Tod vergangen, ehe Nicolas Rodriguez Bautista („Gabino“), der Perez im „Amt“ später ersetzen sollte, die 81 regionalen Chefs seiner Guerrilla vom Ableben des Comandante maximo der zweitstärksten kolumbianischen Guerrilla, dem ELN informierte. Damit gelangte die Nachricht dann schließlich auch an die kolumbianische Öffentlichkeit. Die lange Geheimhaltung des Todes von Pérez war wohl auch der Befürchtung der Guerrilla-Führung geschuldet, die Nachricht könne ihre Kämpfer demoralisieren. Doch der eigentliche Grund für die Geheimhaltung der Meldung ist ein politisch tieferliegender: Am 9. Februar 1998, also nur 6 Tage vor dem Tode des cura Perez, war in Madrid im Sitz des spanischen Außenministeriums mit Hilfe der „guten Dienste“ Spaniens ein geheimer Vertrag zwischen der Regierung und dem ELN unterzeichnet worden, der auch als ein Friedensvorvertrag bezeichnet werden kann. Fünf Tage hatten in Madrid Milton Hernandez, Juan Vasquez (beide ELN), José Noé Rios und Daniel Garcia (beide für die kolumbianische Regierung) und Augusto Ramírez Ocampo sowie Ana Mercedes Gomez (beide für die Nationale Versöhnungskommission) miteinander verhandelt. Diese Namen finden sich auch – neben denen der spanischen Zeugen, die den Verhandlungen selbst allerdings nicht beiwohnten – unter dem Vertragstext. Manuel Perez hatte dem Vertrag seinen „Segen“ noch geben können. Sein Ableben schwächt nun den vertragsbereiten „Teil“ des ELN. Das Zurückhalten der Todesnachricht könnte darauf hindeuten, daß die Führung des ELN verhindern wollte, daß interne Positionskämpfe die äußere Linie des ELN in irgendeiner Weise beeinflussen. In der Übereinkunft ging es zunächst um nichts anderes als um die Einberufung einer Nationalen Konvention für Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit bzw. um das dafür nötige Vorbereitungstreffen, einschließlich der Bestimmung der Teilnehmer und Festlegungen der nötigen Sicherheitsvorkehrungen. Das Vorbereitungstreffen sollte vom 5. bis 9. Juni 1998 stattfinden. Das hätte bedeutet, daß in Kolumbien erstmals nach sechs Jahren wieder mit einer Guerrilla verhandelt worden wäre. Doch wird es dazu nicht mehr kommen. Denn der Vertrag wurde – lange vor dem vorgesehenen Ende der Geheimhaltung – über die spanische Tageszeitung ABC publik. Der ELN lehnte es nach der „Lüftung“ des Geheimnisses ab, den Vorvertrag zu ratifizieren und suspendierte alle Verhandlungen. Was das Ableben des cura Pérez für die künftige Politik des ELN bedeuten könnte, ist schwierig vorauszusagen. Einerseits gibt es zwischen den beiden Persönlichkeiten des verstorbenen und des gegenwärtigen Jefe maximo durchaus beträchtliche Kontraste, die sich auch politisch niederschlagen könnten. Andererseits unterschied sich der „föderal“ organisierte ELN von den zentralistisch geführten FARC (der stärksten kolumbianischen Guerrilla) bisher gerade dadurch, daß hier die Konfrontationslinie zwischen „Militaristen“ und „Politikern“ weniger zwischen Personen in der Führungspitze gezogen war als zwischen den verschiedenen regionalen „Frentes“. Die „Frente Domingo Lain“, die Friedensverhandlungen grundsätzlich ablehnt, gilt dabei als die militaristischste im ELN. Doch der neue Comandante maximo Nicolas Rodriguez („Gabino“), der schon mit 13 Jahren vom ELN rekrutiert wurde, ist eben auch der Begründer dieser Frente „Domingo Lain“, und er wird in ihm nie jene integrative Rolle spielen können wie Manuel Pérez. Perez, ein von Papst Paul VI. geweihter und von der „Theologie der Befreiung“ inspirierter spanischer Priester, war 1969 in den ELN eingetreten. Er soll – im Gegensatz zu „Gabino“ – kein guter Kämpfer und auch undiszipliniert gewesen sein, wofür er 1974 sogar vor den Kriegsrat des ELN gestellt wurde. Daraufhin hatte Perez – ironischerweise gerade an seinen heutigen Nachfolger „Gabino“ – einen Brief mit der Bitte geschrieben, ihn – wenn man ihn für schuldig halte – doch zu erschießen. Worauf „Gabino“ geantwortet haben soll, daß der ELN keine Priester erschießen könne.

Auf dieser Basis hatte sich eine „komplementäre“ Freundschaft zwischen dem „Kämpfer“ Gabino und dem Intellektuellen „Poliarco“ entwickelt, die aber nicht frei von Konflikten war. Nun allerdings wird das intellektuelle Gegengewicht in der Führungsspitze des ELN fehlen, wo Legitimität noch immer in erster Linie durch militärischen Mut errungen wird, etwas, was Manuel Perez als Spanier und Priester nie nötig hatte. Das Ableben des cura Manuel Perez bedeutet schließlich auch, daß es in der Führung des ELN nun niemanden mehr gibt, der Manuel Marulanda („Tirofijo“), den Comandante maximo der FARC und ältesten Guerrillero der Welt, persönlich kennt. Die ohnehin geringe Wahrscheinlichkeit, daß es je wieder zu gemeinsamen Friedensverhandlungen von ELN und FARC oder wenigstens zu Absprachen zwischen beiden kommen wird, schwindet nun noch mehr. Es ist auch nicht auszuschließen, daß die FARC, die sich gegenwärtig in einem enormen militärischen Aufwind befinden, Friedensinitiativen von Seiten des militärisch dagegen vergleichsweise schwachen ELN zur Legitimierung ihrer vornehmlich von militärischen Parametern ausgehenden Strategie nutzen könnte. Alles in allem, so paradox es für den Einen oder Anderen klingen mag, der Tod des Comandante Manuel Pérez, der einst das Kreuz gegen das Gewehr getauscht hatte und der von der kolumbianischen Öffentlichkeit immer wieder als „Terrorist“ beschimpft wurde, verringert die ohnedies mageren Hoffnungen auf einen Friedensprozeß in Kolumbien noch mehr.

cura: leicht abwertend für „Geistlicher“
ELN: Ejército de Liberación Nacional

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