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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Testimonio: „Ich bin so, weil ich mich auf den Weg in die USA gemacht habe”

José Luis Hernández | | Artikel drucken
Lesedauer: 11 Minuten

Einwanderung USA (Foto: Daniel Lobo)

Dies ist das Zeugnis eines honduranischen Migranten, dessen Leben eine dramatische Wende nahm, als ihm durch den Zug, der ihn in die USA bringen sollte, mehrere Gliedmaßen abgetrennt wurden. Es zeigt das wahre Gesicht der irregulären Migration, die voller Tragödien ist und uns beweist, dass das Auswandern in die USA nicht immer die beste Lösung ist.

Als ich mich zum ersten Mal auf den Weg in die Vereinigten Staaten machte, war ich 16 Jahre alt. Ich hatte keine Ahnung, welches der Weg war. Sie hatten mir nur davon berichtet, und ich wollte herausfinden, ob all das stimmte, was man sich erzählte. Sobald ich die Grenze von Honduras nach Guatemala überschritten hatte, war ich illegal, denn sie lassen dort niemanden hinein. Von dort an begann mein Weg. Wir mussten die Grenze von Aguascalientes umgehen, da ich meinen Ausweis nicht bei mir trug. Ich durchquerte ohne Probleme ganz Guatemala. Dann kam ich in Tapachula, Mexiko, an, wo ich überfallen wurde. Sie stahlen mir mein ganzes Geld. Danach fuhr ich mit dem Zug bis Ixtepec, Oaxaca. Dort griffen sie mich ein weiteres Mal auf und schickten mich zurück nach Honduras.

Ihnen beweisen, dass ich es kann

Auf dieser ersten Reise hatte ich viele traurige Dinge gesehen, trotzdem wollte ich es noch einmal versuchen. Ich weiß nicht, warum es die anderen tun, wo sie doch wissen, was auf dem Weg alles passiert. In meinem Fall war es so: Als ich in mein Land zurückkehrte, sagten meine Freunde: „Und du bist nicht in den USA angekommen? Du wusstest nicht wie und hast es nicht geschafft? Sieh doch, wo du jetzt wieder bist, ohne einen Peso, ohne alles!“ Da sagte ich zu ihnen: Damit ihr seht, dass ich es schaffe, gehe ich noch einmal. Und dieses Mal wird es mir gelingen, denn ich kenne den Weg ja schon. Das war es, was mich dazu brachte, ein weiteres Mal aufzubrechen; ich wollte zeigen, dass ich es konnte.

Im nächsten Jahr beschloss ich also, es wieder zu versuchen. Ich war 17 Jahre alt, als ich an der Grenze bei Aguascalientes ankam. Wie beim ersten Mal musste ich sie umgehen, da ich meinen Ausweis nicht dabeihatte. Ich kam an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko an, und dort begann mein Leidensweg. Dieses Mal war nicht ich derjenige, der überfallen wurde, sondern ein Freund, der das ganze Geld bei sich trug. Jedenfalls mussten wir ab Tapachula den ganzen Weg mit dem Zug fahren.

Bevor wir in Tapachula ankamen, hatten wir viel Hunger aushalten müssen. Ich erinnere mich, dass wir einmal sahen, wie ein Mädchen aus Honduras vergewaltigt wurde. So etwas ist schlimm, denn man möchte etwas tun. Man möchte Superman sein und Superkräfte haben. Aber diese Gruppen sind immer bewaffnet, und es ist sinnlos, es mit ihnen aufnehmen zu wollen, denn sie bringen dich um. An einem Ort, ich weiß nicht mehr wo, hatte eine Bande einen Jungen getötet. Das ist alles sehr hart.

Und dieser Hunger, den man aushalten muss… Manchmal legt man zwei Tage ohne Essen zurück, denn die Strecke mit dem Zug zwischen einer Stadt und der nächsten ist oft sehr lang. Deshalb hungert und friert man so sehr. Ich setzte meinen Weg fort, frierend, und sah, wie Leute vom Zug fielen und der Zug ihnen ein Bein abtrennte. Wir kamen in Torreón an, wo man uns Essen gab, und ich konnte die Nacht dort schlafen. Am nächsten Tag nahmen wir morgens den Zug nach Juárez.

Wer schläft, fällt herunter – ich habe nicht geschlafen, ich wurde ohnmächtig!

Nord und Zentralamerika (Foto: University of Texas)

Kurz bevor wir in Chihuahua ankamen, zog ich mir die Schuhe aus, dort, wo die Waggons aneinander gekoppelt sind, denn meine Füße schmerzten so vom vielen Laufen. Manchmal, wenn sie sagen, dass in diesem Teil des Zuges Migranten mitfahren, dann springt man vom Zug und geht zu Fuß weiter, um der Immigrationspolizei zu entkommen. Wenn dir das passiert, läufst du einen oder zwei Tage lang. Deshalb waren meine Füße völlig wund. Ich zog einen Schuh aus, und als ich den anderen ausziehen wollte, fiel ich – aber nicht, weil ich eingeschlafen bin, sondern weil ich das Bewusstsein verlor! Denn man passt auf, nicht einzuschlafen und herunterzufallen, aber ich habe nicht aufgepasst.

Ich hätte nie gedacht, dass ich ohnmächtig werden würde, aber es passierte, weil ich so lange nichts gegessen und getrunken hatte. Mein Körper war ganz schwach. Ich erinnere mich, dass ich den zweiten Schuh ausziehen wollte und mir schwarz vor Augen wurde, und so fiel ich zu Boden. Die Räder des Zuges schleiften mich mit. Der Zug trennte mir das Bein ab, das rechte. Dann, ich weiß nicht wie, erfasste der Zug auch meinen Arm. Und dann hat er mir auch die Hand zertrümmert. Ich lag zwischen den Gleisen, und alle Waggons fuhren über mich hinweg.

Meine Freunde auf dem Zug konnten nicht abspringen, weil er so schnell fuhr. Sie schrien, einer sei heruntergefallen, das war ich. Zum Glück kam ein Mann vorbei. Er kam zu mir, aber er wusste nicht, was er tun sollte. Er war völlig entsetzt, weil er hier ein Bein und da einen Arm liegen sah, und fragte vor Verzweiflung mich, was er tun sollte. Ich schrie nur „Hilfe, Hilfe!“, denn ich konnte nicht reden. Schließlich reagierte er und rief das Rote Kreuz. Ansonsten wäre ich verblutet. Gott sei Dank waren wir bereits in Belice, als das passierte.

Ich sah keinen Sinn mehr im Leben

Anderen passiert dasselbe wie mir, und sie sterben, weil sie verbluten. Manchmal trennt ihnen der Zug nur ein Bein oder eine Hand ab, aber sie sterben, weil es niemanden gibt, der sich um sie kümmert. Mich brachten sie ins Krankenhaus. Ich erinnere mich, dass die Ärzte sagten: „Was soll er noch in dieser Welt, warum hat ihn dieser Zug nicht umgebracht…“ Und auch ich frage mich immer noch, wie ich das überlebt habe, eingeklemmt zwischen den Gleisen. Und über mich fuhren so viele Waggons hinweg, aber sie schleiften mich nicht mit. Das ist wirklich ein Wunder, nicht wahr?

Eine Hand hatte ich noch, aber offenbar behandelten sie sie nicht rechtzeitig, und so verlor ich sie. Noch ein schwerer Schlag. Ich erinnere mich, dass ich am nächsten Tag erwachte und glaubte, nur ein Bein verloren zu haben. Denn es fühlt sich an, als könnte man Arme und Beine ganz normal bewegen. Aber als ich mich so sah… Ich erinnere mich nur, dass ich an meine Eltern dachte, an meine Familie. Denn man geht ja in die USA, um ihnen zu helfen, und dann ist man eine Belastung für sie, das ist sehr hart.

Ich tat nichts mehr, als zu weinen. Ich sah keinen Sinn mehr in meinem Leben. Die Ärzte gaben mir Spritzen, damit ich weiterschlafen konnte. Am dritten Tag konnte ich mich nicht bewegen, weil ich überall Schmerzen hatte. Wenn man sein Land verlässt, weiß man, dass dieses Risiko besteht, aber in dem Zustand, in dem ich jetzt war, dachte ich mehr an meine Eltern, an die Familie… Verdammt! Meine Eltern hatten immer auf mich aufgepasst. Sie waren es, die einen immer gemahnt hatten, nicht zu gehen, aber man hört nicht auf sie. An all das denkt man. Mein Ziel war es gewesen, ein Haus und ein Auto zu kaufen und vor allem, ihnen zu helfen. Der Gedanke, dass man nicht mehr der Segen der Familie sein wird, sondern eine Belastung, ist unerträglich.

Zwei Jahre, um Kräfte zu sammeln

Eisenbahnwagons (Foto: Ever Daniel Barreto Rojas)

Von Belice brachten sie mich nach Juárez und von dort nach Mexiko-Stadt. Zum Glück gaben sie mir dort eine Prothese, das Bein, mit dem ich heute noch gehe. Ich hatte Glück, denn bei anderen in dieser Situation leisten sie in Mexiko nur erste Hilfe, und dann schicken sie sie in ihr Herkunftsland zurück. Mich behielten sie dagegen fast zwei Jahre dort. Diese Prothese hier hätte ich in meinem Land nicht kaufen können, und in Mexiko schenkten sie sie mir, sie ist etwa 50.000 mexikanische Pesos wert.

Und was danach kam… Ich wollte nicht in mein Land zurückkehren, denn ich wollte nicht, dass sie sehen, was aus mir geworden ist. Aber ich kehrte dann doch nach Honduras zurück, denn die Familie steht dir immer bei, in guten und in schlechten Zeiten. Sie pflegten mich, sie zeigten mir ihre Liebe, und ich sammelte ein bisschen Kraft und fühlte mich schon besser.

Doch in meinem Land sind die Leute sehr, sehr hart, vielleicht, weil es ihnen an Kultur fehlt. Ich bin wieder in Honduras, aber ich bin nichts mehr wert. Das ist alles so schwer. Die Freunde, die, die sich Freunde nannten, haben sich von mir abgewendet.

Und man kann es sich zum Beispiel nicht mehr erlauben, essen zu gehen, denn die Leute sehen dich an, als wollten sie sagen: „Da kommt der wieder, der verschreckt mir die Kunden“. Und auch wenn sie dich so sehen, musst du für das Taxi bezahlen. Das ist traurig.

Meine Gitarre singt nicht mehr

Seit dem sechsten Lebensjahr spielte ich Gitarre und wurde von meinen Freunden und den Erwachsenen bewundert. Es gefiel ihnen, mich Kleinen spielen zu sehen… Als ich in mein Land zurückkehrte, wusste ich, ich kann nicht mehr spielen. Das ist hart. Meine Gitarre in meinem Zimmer stehen zu sehen und zu denken, dass ich sie nie mehr spielen würde. Meine Familie beschloss, die Gitarre zu verkaufen, damit ich sie nicht mehr ansehen musste. Manchmal träume ich, dass ich auf ihr spiele, denn wenn ich träume, ist mein Körper unversehrt. Wenn ich aufwache, sieht es anders aus.

Es ist unglaublich: In El Progreso, wo ich wohne, sind wir 26 Männer mit amputierten Gliedmaßen. Alle wegen desselben Zuges! Die Situation ist schlimm. Es wäre mir lieber, wenn ich der einzige wäre, wenn ich die anderen nicht sehen müsste, denn ich weiß, wie man leidet. Und ich frage mich: Was wird aus uns werden? So viele gibt es von uns, allein hier in El Progreso! Man sollte das den Leuten bewusst machen, etwas tun, um der Jugend zu helfen, und ihnen verständlich machen, dass es nicht das Beste ist, in die USA zu gehen.

Meine Geschichte ist eine traurige Lektion

Das ist meine Geschichte. Man glaubt, was sie einem erzählen, bis man so endet wie ich. Es gibt Leute vom Dorf, Bauern, die in die USA aufbrechen. Sie glauben, dass sie hier nicht weiterkommen. Wenn die Ernte verloren ist, werfen sie hin, und denken nur noch daran, in die USA zu gehen. Die Wirklichkeit sieht anders aus, man braucht nur seinen Kopf zu benutzen.

Ich hoffe also, dass Sie die Nachricht verstehen, die ich übermitteln will. Es ist die Mentalität unserer Länder, die Mentalität der Mittelamerikaner, zu glauben, wir kämen nicht weiter, wir könnten unser Haus nicht in unserem Land bauen, in unserem Land nicht zu Geld kommen. Deshalb gehen wir lieber in die USA. Ich hoffe, meine Geschichte hat Ihnen genützt; ich hoffe, sie regt uns zum Nachdenken an, und vor allem dazu, die Menschen aufzurütteln. Damit wir uns die Frage stellen, warum so viele Menschen in die USA gehen, und was getan werden kann, damit sie nicht gehen.

Die meisten von uns gehen, weil sie keine Arbeit finden. Ich habe viele Träume und vertraue auf Gott, dass sie in Erfüllung gehen. Und ich habe wenigstens die Gabe zu reden, die Gabe, vor Leuten stehen und sprechen zu können. Die Mehrheit von denen, die es so getroffen hat wie mich, sind auch seelisch verkrüppelt. Sie verlassen nicht einmal ihre Häuser, weil sie Angst davor haben, dass die Leute sie so sehen. Ich habe wenigstens diese Gabe und möchte etwas tun.

Auf einem anderen Kongress ist mir diese Idee gekommen. Ich weiß nicht viel von Migration, aber ich will mich in das Thema vertiefen, denn wer könnte besser als ich von den Risiken erzählen, die der Weg in die USA birgt. Ich will mit einer Sondergenehmigung an die Universität gehen und dort davon erzählen. Und auch an den Schulen. Und am Ende meines Vortrags will ich sagen: Ich bin so, weil ich mich auf den Weg in die USA gemacht habe.

Der Bericht wurde auf einem im November 2008 vom Jesuitendienst für Migranten (SJM) in Guatemala veranstalteten Kongress vorgetragen.

Original-Beitrag aus Revista Envío Nr. 338, Mai 2010. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.

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Übersetzung aus dem Spanischen: Anja Kanbach

Bildquelle: [1] Daniel Lobo; [2] University of Texas at Austin; [3] Ever Daniel Barreto Rojas

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