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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Kein Ende der Krise in Sicht (3. Teil)

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Lesedauer: 15 Minuten

Das honduranische Militär stürzt Präsident Zelaya - Foto: Gilberto RiosNachdem der gestürzte Präsident Mel Zelaya sich während seiner Amtszeit mit dem Schreckgespenst aller Neoliberalen, mit Venezuelas sozialistischem Präsidenten Hugo Chávez, verbündet hatte, ist der traditionellen Elite die Kontrolle über das Land entglitten. Dies führte nach Ansicht der Widerstandsbewegung letztendlich zum Putsch gegen Mel Zelaya, der am 28. Juni nachts im Pyjama von den Militärs kurzerhand außer Landes befördert wurde.

Für Reina Rivera sind die wirklichen Gründe des Putsches auf die Angst der politisch-wirtschaftlichen Klasse vor einer neuen Verfassung zurückzuführen. Die Forderung nach einer neuen Verfassung beunruhigt die Unternehmer in Honduras, deren Kapital auf der Grundlage von Staatsgeldern errichtet wurde. Die reichsten honduranischen Unternehmer haben ihr Kapital mit Staatsgeschäften akkumuliert. Rentable Staatsgeschäfte sind beispielsweise die Stromversorgung, die Telekommunikation, der Bergbau, der Treibstoff oder Verträge mit Bauunternehmen. Während der Amtszeit der Regierung Zelaya gab es vor allem drei Themen, die zur Konfrontation mit der politischen Unternehmerklasse führten: Erstens Zelayas Versuch, das Telekommunikationsgesetz zu reformieren. Dieser Versuch hat beharrlichen Widerstand der Besitzer der großen Medien hervorgerufen, da damit öffentliche Verträge mit dem Staat publik gemacht werden müssten und dies folglich ein Hindernis für die bislang sehr lukrativen Telekommunikationsgeschäfte dargestellt hätte. Zweitens hat Zelaya versucht, zu Ungunsten der transnationalen und nationalen Petroleumunternehmen, die Treibstoffversorgung im Land anderweitig sicherzustellen, um niedrige Preise beibehalten zu können. Ein weiteres Gesetz, das Zelaya verabschiedet und das zu hohem Konfliktpotential zwischen den Unternehmern und seiner Regierung geführt hat, war die Erhöhung des Mindestgehaltes um rund 67 Prozent. Diese Maßnahmen, die die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmer beschneiden, und die Forderung nach einer Änderung der Verfassung, die sich in großen Teilen des Volkes durchgesetzt hat, sind aus der Sichtweise der Menschenrechtsorganisation CIPRODEH die Motive, die hinter dem Staatsstreich stehen.

Außerdem verweist Reina Rivera darauf, dass die honduranischen Streitkräfte einen Tag nach dem Putsch öffentlich bekannt gaben, zwei Monate vor dem Staatsstreich in Washington an einer Versammlung im US State Department teilgenommen zu haben, bei der die Risiken der ‘cuarta urna’ (Volksbefragung) sowie der Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung diskutiert worden sind. Insofern ist es höchst wahrscheinlich, dass der Staatsstreich im US State Department vorbereitet wurde.“ Hintergrund sei laut Reina Rivera, „dass die rechten Kreise der Vereinigten Staaten den Putsch geplant haben, weil Honduras das schwächste Glied in der Kette der ALBA-Staaten ist“. In diesem Sinne sei „die Rolle der Vereinigten Staaten ambivalent, da wir eine andere Position des Präsidenten Obama erwartet haben. Aber offensichtlich scheint es nicht Obama zu sein, der die Entscheidungen in der US-amerikanischen Außenpolitik trifft, sondern diese Entscheidungsbefugnis liegt weiterhin in den Händen der rechten Kreise. Leider betreffen die Folgen der aggressiven US-amerikanischen Außenpolitik nicht nur Honduras, sondern auch viele andere Länder, deren Völkern eine autonome Selbstbestimmung verwehrt wird. Im Sinne einer Selbstbestimmung des honduranischen Volkes, das eine verfassungsgebende Versammlung fordert, ist Honduras leider dieser US-amerikanischen Politik zum Opfer gefallen.

Alfonso Lacayo ist der Ansicht, dass Honduras keine wichtigen Entscheidungen ohne das Einverständnis der Vereinigten Staaten treffen kann. Die Putschregierung konnte und kann sich so lange an der Macht halten, weil sie Unterstützung aus den Vereinigten Staaten erhält. Ein General der honduranischen Streitkräfte meinte in einem Interview, dass die Militärwissenschaften stets exakt seien und alles vorsichtig geplant werde. Der Staatsstreich wurde gut geplant, aber die Reaktion, die Antwort auf den Putsch die aus der Bevölkerung kam, konnte nicht geplant werden und macht einen Strich durch die Rechnung der Putschisten.

Fiktive Wahlen in Honduras - Karikatur: David SotoGilberto Ríos verweist darauf, dass der Fund von zahlreichen Bomben und Waffen im Land eine der vielen Provokationen gegen uns darstellt. Die Zivilbevölkerung soll damit zur militärischen Konfrontation bewegt werden, mit dem langfristigen Ziel, die lateinamerikanische Region geopolitisch zu destabilisieren. Die vor kurzem in Kolumbien stationierten US-amerikanischen Militärs sollen sich mit hiesigen US-amerikanischen Militärs verbünden, um eine direkte Front gegen Nicaragua zu bilden. Wir wussten bereits vor dem 28. Juni, dass die Vereinigten Staaten den Staatsstreich befürworten. Der ehemalige US-amerikanische Botschafter Charles Ford wurde vor über zwei Jahren durch den derzeitigen Botschafter Hugo Llorens ausgewechselt. Hugo Llorens ist ein Experte in psychologischer und militärischer Kriegsführung sowie in Geopolitik. Der Putsch wurde mit seiner Hilfe und Unterstützung von bestimmten Kreisen des US State Departments geschmiedet. Nach Aussage einiger unserer Kollegen, die in Washington vorgesprochen haben, wird dies öffentlich in den Gängen des US-amerikanischen Parlaments diskutiert. Dieser Staatsstreich ist ein hausgemachter Putsch der Vereinigten Staaten, der von der honduranischen Oligarchie unterstützt wird. Die Bush-Politik wird mit Hilfe der großen Mehrheit des Establishments der US-amerikanischen Regierung fortgesetzt. Und der Hauptgrund für den Putsch in unserem Land liegt im Beitritt von Honduras zum ALBA-Bündnis. Damit soll dem Anwachsen der linken Regierungen in Lateinamerika, die für die lateinamerikanischen Völker eine wahrhaftige Hoffnung zur Transformation unserer Gesellschaften darstellen, entgegen gesteuert werden.

Gilberto Rios betont, dass die Putschregierung bislang noch von keinem einzigen Land offiziell anerkannt wurde, aber nach unseren Informationen sollen Israel und Taiwan den Staatsstreich zum Teil mitfinanziert haben. Israel hat Spezialeinheiten nach Honduras entsandt, die die honduranische Polizei hinsichtlich verschiedener Typen und Formen der Repression sowie Verfolgung von Führern der Volksbewegung anleiten.

Nach Ansicht der Befürworter einer Verfassungsänderung sei die Verfassung ein überholter Rechtsrahmen, der zudem auf die Interessen der Putschisten zugeschnitten sei. Gilberto Rios meint, dass die wohlhabende Oberschicht unseres Landes, den Staat mittels der Erlassung von Gesetzen und Legalisierung dieser Verfassung ihren Interessen untergeordnet hat. Und dieselben Unternehmer, die damals die Verfassung verabschiedet haben, sitzen heute teilweise immer noch im Parlament oder sind anderweitig politisch aktiv. Selbstverständlich halten diese Personen am Status quo fest und setzen sich jeder Veränderung vehement entgegen, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen zu wahren.

Facetten der Krise und mögliche Perspektiven

Der honduranische Präsident Manuel Zelaya ruft zum Boykott der Wahlen auf - Foto: Jose Cruz/AgenciaBrasilDer entmachtete Präsident Mel Zelaya, der seit fast drei Monaten in der Brasilianischen Botschaft residiert, erklärt, dass er die Wahl seines Nachfolgers anfechten wird. Wir werden diese Wahl nicht anerkennen und fordern, dass der gesamte Wahlprozess wiederholt wird. Die Wahl wurde von einem unrechtmäßigen Präsidenten durchgeführt, ist verfassungswidrig und soll den Militärputsch legitimieren. Dies wirft einen sehr großen Schatten auf die Demokratie Lateinamerikas” Unterdessen verbreiten die honduranischen Massenmedien, dass Mel Zelaya um politisches Asyl im Ausland nachsuchen würde, während Mel Zelaya gegenüber Radio Globo und Canal 36 versichert, dass er nicht daran denkt, das Land dauerhaft zu verlassen, da dies bedeuten würde, das Volk sich selbst zu überlassen.

  • Gespaltene Gesellschaft

Der zukünftige Präsident tritt laut Verfassung am 27. Januar kommenden Jahres sein Amt an. Pepe Lobo kündigte eine “Regierung der nationalen Einheit” an. Während seiner Amtszeit will er eine Regierung der “nationalen Versöhnung” bilden, um die durch den Putsch entstandene Krise im Land zu überwinden. Dabei übersieht Pepe Lobo jedoch, dass der Putsch und die Wahlen zu einer fest in der honduranischen Gesellschaft verankerten Polarisierung geführt haben. Nach Ansicht der Widerstandsfront wird diese Polarisierung durch die Wahlen noch weiter vertieft, so dass für die Zukunft eine sehr hohe soziale Konfliktgeladenheit in der gespaltenen Gesellschaft zu erwarten ist. Gilberto Rios meint, dass es keine Versöhnung ohne Gerechtigkeit geben kann. Vor rund 30 Jahren, in der Dekade der 1980er, haben dieselben Personen, die jetzt Protagonisten des Putsches sind, unser Volk mit der Doktrin der nationalen Sicherheit terrorisiert. Eine nationale Versöhnung mit diesen Personen, die Verbrecher, Mörder und Folterer sind, die die Menschenrechte mit Füßen treten, ist unmöglich.

  • Die Widerstandsbewegung gibt nicht auf

Die Präsidentschaftswahlen werden die politische Krise in Honduras nach Ansicht der Widerstandsbewegung nicht beenden. Gilberto Ríos betont, dass die Widerstandsfront die aus den Putschwahlen hervorgegangene Regierung nicht anerkennt. Die niedrige Wahlbeteiligung weist auf eine sehr schwache künftige Regierung hin, die unserer Ansicht nach versuchen wird, ihre Schwäche durch Repressionen zu kompensieren.” Alfonso Lacayo bekräftigt, dass “die Widerstandsbewegung eine Bewegung ist, die aus tiefstem Herzen, Glauben und Überzeugung entstanden ist. Das vorrangige Ziel dieser Bewegung ist klar definiert – und wir werden solange kämpfen, bis wir soziale Gerechtigkeit mittels der Einberufung einer Verfassunggebenden Versammlung durchgesetzt haben, da unsere Verfassung nicht in der Lage ist, die aktuellen Bedürfnisse des Volkes zu befriedigen. In der Bevölkerung hat sich ein politisches und soziales kollektives Bewusstsein entwickelt, das Land wurde durchgeschüttelt und wird niemals mehr dasselbe wie vor dem Putsch sein.

Auf die Frage nach dem weiteren Vorgehen der Widerstandsbewegung nach den Wahlen antwortet Gilberto Ríos: Die Widerstandsbewegung strukturiert sich derzeit auf nationaler Ebene mittels der lokalen Organisation der AktivistInnen in den verschiedenen Stadtteilvierteln und ländlichen Gemeinden. In den Nationalversammlungen der Widerstandsfront wird die landesweite Mobilisierung der AktivistInnen koordiniert, die künftig nur noch an bestimmten Tagen stattfinden wird. Das Selbstverständnis, das die Widerstandsfront entwickelt hat, zielt auf die Rolle eines Anwärters der politischen und sozialen Volksbewegungen ab, die für die Durchsetzung ihrer Rechte kämpfen. Eine Machtübernahme wird dabei nicht ausgeschlossen. Hervorzuheben ist, dass die Reichweite und der Bedeutungsumfang unserer Volksbewegung nicht unterschätzt werden sollten. Die Völker Lateinamerikas haben ein politisches Bewusstsein entwickelt und identifizieren sich mit dem Kampf in Honduras, der aus unserer Sichtweise den Kampf um den Beginn der Niederlage des Imperialismus in der Region darstellt. Dieser Kampf ist ein lateinamerikanischer Kampf. Und dass es möglich ist, durch das Engagement sozialer Bewegungen Regierungen zu stürzen, haben uns bereits Ecuador, Bolivien und Argentinien demonstriert. Wir glauben, dass wir diesen Weg einschlagen können und lassen uns nicht von der imperialistischen Strategie irritieren, die auf einen Bürgerkrieg abzielt.

Aus der Sicht von Reina Riveras stellt diese Koalition der Bürgerinnen und Bürger eine in der Geschichte Honduras einzigartige Chance dar, um die soziale Bewegung voranzutreiben und gegenüber dem Staat eine gerechtere Politik zugunsten des Volkes sowie gegenüber der politischen Klasse mehr Identifizierung mit den sozialen Interessen zu fordern. Die Widerstandsbewegung sollte ihrer Ansicht nach zwar keine politische Partei bilden, jedoch die Möglichkeit eröffnen, dass sich die verschiedenen politischen Gruppen in einem Pakt zu einer großen nationalen Koalition zusammenschließen, um zur nächsten Wahl anzutreten, so wie dies auch in Chile nach der Diktatur von Pinochet der Fall gewesen sei.

  • Die interne politische Krise schlägt Wurzeln

Fiktive Wahlen in Honduras - Karikatur: David SotoAuf der anderen Seite meint Reina Rivera, dass die Durchführung der Wahlen ohne die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung zur Stärkung derjenigen Sektoren führt, die den Putsch finanziert, unterstützt und ausgeführt haben. Diese Sektoren bleiben bestehen und werden weiterhin aktiv sein, so dass jede Regierung, die die Wahlen gewinnen wird, bei deren Missbilligung abgesetzt werden kann. Die Regierbarkeit und Demokratie des Landes stehen insofern auf äußerst schwachen Beinen. Die Putschisten könnten mit der internationalen Anerkennung der Wahlen derart gestärkt hervorgehen, dass die Repressionen gegen das Volk und insbesondere gegen die Widerstandsbewegung mit Hilfe der Polizei und Militärs und den außergerichtlichen Hinrichtungen durch bezahlte Söldner weiterhin zunehmen werden. Auf diese Art und Weise läuft Honduras Gefahr, dass die interne Krise auf lange Sicht die Geschicke des Landes bestimmen wird.

Das Vorgehen der Putschisten hat gezeigt, dass sie in enger Abstimmung und mit Rückendeckung innerer wie äußerer Kräfte agieren. Die ‘Grupo de Sociedad Civil’ (GSC) stellt in einem Bericht fest, dass es der Oligarchie gelungen ist, die staatlichen Institutionen in allen Dimensionen zu durchdringen. Die Unterstützung aus den republikanischen Kreisen in den USA stärkt der honduranischen Oligarchie den Rücken. Unterdessen wird unter der Bevölkerung Angst vor einer möglichen Expansion des Chavismus in Lateinamerika verbreitet, was insbesondere bei den rechtsorientierten Kreisen Gehör findet. Die politische Krise hat dazu geführt, dass sich in der honduranischen Gesellschaft eine Polarisierung zwischen Befürwortern und Gegnern des Putsches herausgebildet hat. Dieselbe Polarisierung scheint sich auch in der internationalen Gemeinschaft im Hinblick auf die politische Krise in Honduras abzuzeichnen. Dies ist insofern von zentraler Bedeutung, als dass keine für beide Seiten akzeptable Lösung des Konflikts in Sicht ist. Während die Durchführung der Wahlen aus der Sichtweise der De-facto-Regierung und ihren Anhängern mit der Beendigung der Krise gleichgesetzt wird, beharrt die Widerstandsbewegung auf dem Gegenteil. Die innenpolitischen Fronten werden sich also weiterhin verhärten.

  • Wahlen nicht anerkennen!

Die politische Krise in Honduras sollte jedoch nicht auf einen Kampf zwischen dem linken und rechten Lager reduziert werden. Die internationale Gemeinschaft hat sich mit der Ratifizierung von diversen Menschenrechtsabkommen für den weltweiten Schutz der Menschenrechte und die Wahrung von demokratischen Bedingungen eingesetzt. Vor dem Hintergrund der zahlreichen Verletzungen von Menschen- und Bürgerrechten sollten nicht nur der Putsch einstimmig verurteilt, sondern konsequenterweise auch die Wahlen keinesfalls anerkannt werden. Ansonsten laufen wir in Lateinamerika Gefahr, in die Zeit der Militärputsche und Diktaturen der 1980er Jahre zurückzufallen. Die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN schreibt, dass ein Klima der Angst, Einschüchterung und politischen Verfolgung den Wahlprozess beherrscht hat. Die deutsche Regierung darf dies nicht ignorieren. FIAN fordert die Bundesregierung daher auf, die Wahlen nicht anzuerkennen. Nach Ansicht vieler Beobachter sollten die Wahlen den Putschisten dazu dienen, den Putsch im Nachhinein zu legitimieren und sich für die Zukunft faktisch Straffreiheit zu sichern. Der Putsch in Honduras ist ein Präzedenzfall für Rechtstaatlichkeit und Demokratie in der Region. In ihrem Bericht über die Situation der Menschenrechte vor den Wahlen weist die Delegation der zentralamerikanischen Menschenrechtsorganisationen besorgt darauf hin, dass die Strategie der Putschisten aufzugehen droht, da es dem De-facto-Regime gelungen sei, Zeit bis zur Abhaltung der Scheinwahlen zu gewinnen. Mit der schrittweisen Anerkennung der Wahlen durch die internationale Gemeinschaft werde der Militärputsch in den Hintergrund gerückt und schließlich in vermeintliche Vergessenheit geraten. Dabei ist die Gefahr groß, dass dieses Beispiel Schule macht und andere unliebsame Präsidenten jederzeit abserviert werden können.

  • Prekäre Sicherheitslage: Kriminalität floriert

Behörden und Gerichte in Honduras stehen still - Karikatur: QuinoHinzu kommt, dass Honduras seit dem Konflikt paralysiert ist. Der gesamte Betrieb des Verwaltungsapparates, der öffentlichen Behörden und Ministerien steht so gut wie still. Die Bearbeitung von allgemeinen Behördenangelegenheiten wird zugunsten der Beschäftigung mit der internen politischen Krise im Land zurückgestellt. Großen Nutzen aus dieser prekären Situation zieht vor allem das organisierte und allgemeine Verbrechen, das sich frei entfalten kann, da die Sicherheitskräfte zum Schutz der Putschisten und zur Repression bzw. Beobachtung der Bevölkerung eingesetzt werden. Dies hat unter anderem zur Folge, dass so manche kleine und mittlere Unternehmer der unmittelbaren Gefahr ausgesetzt sind, entführt und dann entweder freigepresst oder ermordet zu werden. Bewaffnete Überfälle sind seit einiger Zeit inhärenter Bestandteil des Alltags geworden. Die Tageszeitungen sind gefüllt mit Meldungen von Verletzten und Toten, die auf Racheakte, Raubüberfalle, politische Motive, Drogenhandel oder Autounfälle zurückzuführen sind. Es gibt derzeit Wochenenden, an denen bis zu 40 Tote aufgefunden werden. Nach Angaben der Polizei floriert auch der landesweite Drogenhandel. Kurzum, in Honduras haben sich Zustände wie im Wilden Westen ausgebreitet. Die Kriminalitätsrate, insbesondere die Anzahl der Entführungen ist seit dem Staatsstreich sprunghaft angestiegen. Das Justizsystem und die Sicherheitskräfte sind mit der politischen Krise derart beschäftigt und ausgelastet, dass sowohl das organisierte Verbrechen als auch die Alltagskriminalität fast völlig freie Hand haben. Die vorherrschende Straflosigkeit erstreckt sich nicht nur auf die von Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen, sondern auch auf die Alltagskriminalität. Die Sicherheitslage der honduranischen Bevölkerung ist als alarmierend und besorgniserregend zu werten.

  • Interne Krise führt zur weiteren Verarmung der Bevölkerung

Fast 80 Prozent der Bevölkerung in Honduras leben in Armut. Die extreme soziale Ungleichheit weist auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit von tief greifenden strukturellen Reformen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft hin. Die internationale Isolierung des De-facto-Regimes hat zum Einfrieren und Wegfall von Geldmitteln wie Entwicklungshilfegeldern und Krediten geführt. Im verarmten Honduras steigt nicht nur aus diesem Grunde weiterhin die Armut, sondern auch weil die Prioritäten der Agenda der De-facto-Regierung andere sind als die Armutsbekämpfung im Land. Seit dem 28. Juni befinden sich die Polizei- und Militärkräfte im permanenten Einsatz und auch die Finanzierung der Wahlpropaganda verschlingt Unsummen von Geld, über die das Putschregime eigentlich nicht verfügt. Die Ergebnisse einer Studie, die von der ‘Grupo de Sociedad Civil’ durchgeführt wurde, zeigen auf, dass sich die Ausgaben für die politische Krise alleine während der ersten drei Monate nach dem Staatsstreich auf rund sechs Prozent des Volkseinkommens beläuft. Laut dem von CIPRODEH herausgegebenen Bericht ‘Especial Demokratia’ vom November 2009 wurden den Ministerien für Verteidigung und Sicherheit für das Jahr 2009 fast fünf tausend Millionen Lempiras (rd. 190 Millionen Euro) zugewiesen. Allein für die Durchführung der Wahlen wurden die Streitkräfte mit zwischen 28 und 30 Millionen Lempira (über eine Million Euro) dotiert. Der Putsch und dessen Folgen werden auf diese Art und Weise auf dem Rücken der sowieso schon geschwächten und verarmten Zivilbevölkerung ausgetragen.

Bildquellen: [1] Gilberto Ríos_; [2] Karikatur von David Soto; [3] Jose Cruz, Agencia Brasil; [4] Karikatur von David Soto; [5] Karikatur von Quino

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