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Feiger Mord an Berta Cáceres
Wie lange soll die honduranische Tragödie noch dauern?

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 8 Minuten

Honduras: Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres - Foto: Nina Kreuzinger, Honduras JournalistInnen Delagation 2012Am 3. März 2016, in der Nacht zum Donnerstag, wurde die honduranische Umweltschützerin und Indígena-Aktivistin Berta Cáceres von Unbekannten in ihrem Haus in der Stadt La Esperanza ermordet. Sie hatte sich seit Jahren für die Rechte des indigenen Volkes der Lenca, von denen 400.000 in Honduras leben, eingesetzt und kämpfte gegen den Bau von Staudämmen und Bergwerken in deren Siedlungsgebiet. Die für ihren Mut und ihre Entschlossenheit bekannte Honduranerin gehörte bereits 1993 zu den Gründungsmitgliedern der indigenen Dachorganisation COPINH (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras). Im April 2015 war sie mit dem renommierten Goldman-Umweltpreis ausgezeichnet worden.

Wegen ihres politischen Engagements war sie zahlreichen Repressalien und Drohungen ausgesetzt, was sie jedoch nicht einschüchtern konnte. Nach Einschätzung von Amnesty International wäre das Attentat zu verhindern gewesen. „Der feige Mord an Berta war eine angekündigte Tragödie“, sagte die AI-Regionaldirektorin Erika Guevara Rosas. Selbst der Präsident des zentralamerikanischen Landes, Juan Orlando Hernández, sah sich veranlasst, den Mord mit den Worten zu verurteilen, dass die Tat ein Angriff auf Honduras sei. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, nannte die Tat ein fürchterliches Verbrechen und einen Schlag gegen die Menschenrechte. Die Nichtregierungsorganisation Global Witness forderte die zuständigen Behörden zum Handeln auf. „Indigene werden häufig getötet, weil sie einfach nur ihr Land verteidigen. Der honduranische Staat muss Bertas Mörder finden und ihre Familie und Kollegen schützen“, sagte deren Sprecher Billy Kyte.

Der Widerstand gegen Agua Zarca formiert sich

Berta Cáceres galt vielen als das bekannteste Gesicht des indigenen Widerstandes gegen den Bau des Wasserkraftwerks Agua Zarca. Bereits bei ersten Aktivitäten des honduranischen Unternehmens Desarrollos Energéticos SA (DESA) hatte sich Lenca-Gemeinde von Río Blanco 2006 an die Aktivistin gewandt. Schon kurz nach dem Putsch gegen Präsident Zelaya im Juni 2009, in dessen Gefolge zahlreiche illegale Konzessionen für Bergbau-, Staudamm- und andere Megaprojekte vergeben wurden, erhielt auch DESA mit der Ausschreibung Nº 100-1293/2009 die Genehmigung für den Bau von Agua Zarca. Dies geschah, obwohl sich die Gemeinschaften der Lenca in mehr als 150 Versammlungen gegen derartige Vorhaben ausgesprochen hatten. Die Vorgehensweise des honduranischen Staates und der DESA verstießen außerdem gegen zahlreiche internationale Abkommen. Eines der gravierendsten juristischen Probleme besteht darin, dass es keine freie, frühzeitige und informierte Konsultation der betroffenen indigenen Gruppen am Río Gualcarque zu dem Projekt gab, wie es die ILO-Konvention 169 vorsieht. Diese rechtlich verbindliche internationale Übereinkunft war von Honduras im Jahr 1995 ratifiziert worden.

2010 reichten die betroffenen Gemeinschaften bei den staatlichen Behörden Klage gegen die DESA ein, auf die jedoch keinerlei Reaktion erfolgte. Daraufhin organisierte Berta Cáceres Proteste in der Hauptstadt Tegucigalpa, um den Kongress zu veranlassen, das Staudammprojekt rückgängig zu machen. Als offensichtlich wurde, dass mit juristischen Mitteln allein die unrechtmäßige Aneignung des Lenca-Landes durch die DESA nicht zu verhindern war, begannen die betroffenen Gemeinden am 1. April 2013 mit einer Straßenblockade, die länger als ein Jahr dauern sollte. Ende April 2013 zogen die Behörden Polizei- und Armeeeinheiten zusammen, um den Widerstand zu brechen. Für die Lenca und Berta Cáceres begann eine schwere Zeit. „Es gab eine starke Präsenz des Militärs, der Polizei, von privaten Sicherheitsleuten und bezahlten Killern, die brutal vorgingen. Selbst die Polizei richtete in Rio Blanco die Gewehrläufe auf die Köpfe der Kinder und Alten,“ erinnerte sie sich später.

Am 24. Mai 2013 wurde Berta Cáceres von honduranischen Militärs auf ihrer Fahrt nach Rio Blanco wegen angeblichen „illegalen Waffenbesitzes“ festgenommen. DESA und die Staatsanwaltschaft erstatteten weitere Anzeigen gegen sie und zwei andere Lenca-Führer.

Als am 20. September 2013 Haftbefehl gegen Berta Cáceres ausgestellt und allen Beschuldigten verboten wurde, die Region um Rio Blanco zu betreten, erklärte Amnesty International, dass die Aktivistin im Falle ihrer Inhaftierung als politische Gefangene betrachtet würde. Nachdem eine Vielzahl von internationalen Menschenrechtsorganisationen ihre Sorge über die ungerechtfertigten Anschuldigungen kundgetan hatten, ließ der honduranische Staat die erste Anklage gegen Berta Cáceres fallen und entschuldigte sich. Man gab zu, dass sie wegen ihrer Arbeit als Verteidigerin indigener Rechte verhaftet worden war. Die zweite Anklage blieb jedoch weiterhin bei einem Berufungsgericht anhängig.

Eskalation und erste Erfolge

Honduras: Militär am Wasserkraftwerk Agua Zarca, Foto: Magdalena HeuwieserAm 15. Juli 2013 eröffnete einer der Soldaten, die in den Bauten der DESA stationiert waren, das Feuer auf einen Protestzug der Lenca-Gemeinden gegen den Staudamm. Er erschoss den gewählten Gemeindevorstand Tomas Garcia mit drei gezielten Schüssen und verletzte dessen 17jährigen Sohn schwer. Etwa 200 Menschen waren Zeugen des Geschehens. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission verurteilte die Erschießung von Tomas Garcia und forderte den honduranischen Staat auf, „die physische Integrität und die Sicherheit der Anführer und Mitglieder der Lenca-Gemeinden zu gewährleisten, die gegen den Bau von Projekten auf ihrem angestammten Territorium protestieren.“ Nach sechsmonatiger Arbeit am Projekt in Rio Blanco stellte das chinesische Unternehmen SINOHYDRO, der weltgrößte Staudammbauer, die Bauarbeiten ein, zog sein Personal ab und beendete am 24. August offiziell seinen Vertrag mit DESA. Die öffentliche Begründung von SINOHYDRO lautete: „Von Beginn unserer Arbeiten an haben wir festgestellt, dass es schwerwiegende Interessenskonflikte zwischen dem Betreiber des Projektes, d.h. der DESA, und den lokalen Gemeinden gab.“ Auch der Central American Mezzanine Infrastructure Fund (CAMIF) strich ein Darlehen, das er bereits zugesagt hatte. Ausschlaggebend war die Klage von COPINH beim Compliance Advisor Ombudsmann (CAO) der Weltbank wegen der Verletzung der ILO-Konvention 169. Im Januar 2014 gab dieser ein Gutachten heraus und erklärte, dass das Projekt weder nach den Kriterien des CAMIF noch sonst einer Institution der Weltbank förderfähig sei.

Derzeit unternimmt DESA den zweiten Versuch, das Wasserkraftwerk Agua Zarca am Gualcarque-Fluss zu bauen. In einer Botschaft vom 20. Februar 2016 erklärt COPINH dazu folgendes:

„Der Rio Gualcarque ist Lebensader, Natur- und Kulturerbe der Lenca und unerlässlich für ihr wirtschaftliches und spirituelles Überleben. … Wir verurteilen das Vorgehen derjenigen, die mit diesem Todesprojekt erneut die historischen, kollektiven und individuellen Rechte der Lenca-Bevölkerung verletzen. Im Einzelnen sind dies: die niederländische Entwicklungsbank, FMO mit 15 Millionen US-Dollar, die finnische Entwicklungsbank Finnish Fund for Industrial Cooperation Ltd. FINNFUND mit 5 Millionen US-Dollar, die Zentralamerikanische BCIE (Banco Centroamericano de Integración Económica) mit 24,4 Millionen US-Dollar, das Siemens Joint-Venture Voith Hydro aus Deutschland, die Firma CASTOR (CASTILLO TORRES) CONSTRUCTORA CERROS DE COMAYAGUA, die FICOHSA-Bank und die Unternehmerfamilie Atala aus Honduras, die US-Regierung über das USAID-Projekt MERCADO und das honduranische Umweltministerium SERNA.“

Diese neuerliche, von DESA zu verantwortende Eskalation des Konfliktes um Agua Zarca wirft ein bezeichnendes Licht auf die Ermordung von Berta Cáceres. Die honduranische Regierung wird sich nicht nur daran messen lassen müssen, ob und wie sie dieses Verbrechen aufdeckt und bestraft, sondern auch an ihrem weiteren Vorgehen im Gebiet der Lenca-Bevölkerung.

Honduras – Land der ermordeten Umweltschützer

In ihrem Bericht „¿Cuántos más?“ (dt.: Wieviel noch?) stellte die NGO Global Witness fest, dass Honduras bei der Zahl der ermordeten Umweltschützer – gemessen an der Einwohnerzahl – 2014 „Weltspitze“ war. Von den 116 weltweit ermordeten Aktivisten (die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher) entfallen fast drei Viertel auf Lateinamerika, neben Honduras vor allem auf Brasilien und Peru. Betrachtet man den Zeitraum von 2002 bis 2014, hat das zentralamerikanische Land insgesamt 111 ermordete Umweltschützer zu beklagen. In den letzten drei Jahren entfallen allein 80 auf eine Region innerhalb von Honduras, auf Bajo Aguán, wo die Land- und Umweltkonflikte seitens des Agrobusiness und seiner Helfer besonders hart geführt werden. Während die Regierungen fortwährend auf internationalen Konferenzen über den Klimawandel debattieren, sind es die Aktivisten vor Ort, die an vorderster Front für die Verteidigung der Flüsse und Wälder sterben, ohne dass die Täter bestraft werden oder die Presse dies zur Kenntnis nimmt.

Für alle, die miterleben mussten, wie die Putschisten von 2009 und ihre Hintermänner Honduras noch tiefer in den Strudel der Armut und Gewalt, der Plünderung von Naturressourcen und der Straflosigkeit hineingestoßen haben, klingen die Worte des Bedauerns über die Ermordung von Berta Cáceres, die Präsident Juan Orlando Hernández geäußert hat, wie der blanke Hohn. Noch sitzt der Schock, den das Verbrechen ausgelöst hat, tief. Und Berta Cáceres Kraft und Stimme werden schmerzlich fehlen. Wenn ihrem Tod wenigstens noch nachträglich so etwas wie Sinn abgerungen werden kann, dann sollte dieser darin bestehen, dass möglichst viele den Kampf, den Berta Cáceres geführt hat, fortsetzen. Honduras hat eine mutige Kämpferin gegen Unrecht und Entwürdigung verloren. Die Zukunft wird zeigen, was ihr Vermächtnis zu bewirken vermag …

 

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Bildquellen: [1] Nina Kreuzinger, Honduras JournalistInnen Delagation 2012; [2] Magdalena Heuwieser

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