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Honduras: Medien- und Meinungsfreiheit in Todesgefahr

Dina Meza | | Artikel drucken
Lesedauer: 12 Minuten

Honduras: Honduranische Journalistin Dina Meza - Foto: (C) Nina Kreuzinger, 2012

Dina Meza ist eine der angesehensten Journalistinnen und Menschenrechtsverteidigerinnen in Honduras – und eine der meistverfolgten. Anfang 2013 musste sie für vier Monate das Land verlassen, weil die Bedrohungen gegen sie und ihre Familie eskalierten. Inzwischen ist sie zurück in Honduras und hat ihre Arbeit wiederaufgenommen. Für QUETZAL beschrieb sie kurz vor ihrer Rückreise den gefährlichen Arbeitsalltag von professionellen und autodidaktischen Medienmachern in dem mittelamerikanischen Land. Nur der aktive Einsatz von Kollegen und Menschenrechtsbeobachtern kann nach ihrer Ansicht den Todesplan der Mächtigen noch stoppen:

„Honduras ist das zweitgefährlichste Land der Welt für einheimische Journalisten. Der Alltag ist für uns zum feindlichen Szenario geworden: Nie ist sicher, ob wir die nächsten 24 Stunden überleben. Die Situation hat sich innerhalb weniger Jahre radikal verändert. Früher wurden Warnungen nicht mit Gewehrkugeln abgegeben. Vielmehr nutzen diejenigen, die fürchteten, dass ihre Machenschaften aufgedeckt und publiziert würden, andere Möglichkeiten, um den Journalisten oder die Journalistin loszuwerden: Ein Anruf beim Medium, und das war’s. Man gab ihm oder ihr das letzte Gehalt und setzte den Namen auf eine schwarze Liste. Damit gab es nirgendwo mehr einen Job – natürlich eine klare Verletzung des Arbeitsrechtes.

Inzwischen mutet dies schon wie Geschichte an, denn heute wird “mit Blei” gewarnt. Ganz besonders fast vier Jahre nach dem Putsch, der die rechtsstaatliche Ordnung des Landes zugrunde gehen ließ. Die Urheber: eine politisch-ökonomische Klasse, die auf Kosten der Bevölkerung, über 80 Prozent leben in Armut, große Vermögen aufgehäuft hat. Allerdings stand es schon vor dem Staatsstreich mit der Medien- und Meinungsfreiheit in unserem Land keineswegs zum Besten: Die Konzentration der TV- und Radiofrequenzen und die Monopole bei Printmedien wurden schon eine ganze Weile für erpresserische Zwecke benutzt. Die Themen der Medien werden von denen bestimmt, die sie bezahlen.

Freie Berichterstattung ist nicht möglich

Es gibt nur wenige Arbeitsplätze in den offiziellen Medien und wenn jemand einen solchen Job annimmt, muss er sich darüber im Klaren sein, dass freie Berichterstattung über das, was im Land wirklich passiert, nicht möglich ist. Ein Netzwerk – von den Chefredaktionen aus – weiß zu verhindern, dass unbequeme Wahrheiten ans Licht kommen. Wenn jemand beschließt, unter diesen Bedingungen trotzdem weiter zu machen, dann muss er als nächsten Schritt die Manipulation seiner Information ertragen. Die journalistische Information wird erstickt und diejenigen, die sich dem nicht unterwerfen wollen, bezahlen einen hohen Preis, oft mit ihrem Leben.

 

Zur Mediensituation in Honduras (Andrea Lammers)

Das audiovisuelle Spektrum und die Printlandschaft in Honduras wird von wenigen Oligopolen dominiert. Es gibt vier große Tageszeitungen sowie etwa 50 private TV- und 200 Radiosender, staatliche Medien spielen nur eine marginale Rolle. Im Radiobereich ist laut dem Nachrichtenpool Lateinamerika (Infoblätter Community Radios Honduras) „ein Großteil der Frequenzen vor allem an drei Medienmogule vergeben: José Rafael Ferrari, Miguel Andonie Fernández und Rodolfo Irías Navas“. Diese Familiennamen der honduranischen Oligarchie und noch paar mehr sind samt und sonders mit den beiden traditionellen Parteien, der Nationalen und der Liberalen Partei, verbunden. Seit dem Putsch 2009 haben sie beim honduranischen Publikum stark an Glaubwürdigkeit verloren, alternative Medien wurden als Informations- und Mobilisierungsquellen immer wichtiger. Das gilt vor allem auch für die sogenannten „radios comunitarias“, von denen einige (vor allem im Bereich organisierter Lenca- und Garífuna-Gemeinden) schon seit den neunziger Jahren bestehen. Die nationale Telekommunikationskommission CONATEL stellte 2011 die Vergabe von Frequenzen geringer Reichweite ein, die meisten kommunitären Radios sind gezwungen, ohne legale Frequenz zu senden. Ihre Existenz ist aber auch auf Grund der Bedrohung ihrer Mitarbeiter, wiederholter Sabotage ihres Equipments und großer ökonomischer Schwierigkeiten permanent in Frage gestellt. Eine wichtige redaktionelle Stütze für eine landesweite alternative Berichterstattung ist das Programm von Radio Progreso, einem 1970 vom Jesuitenorden gegründeten Sender mit einem Marktanteil von 3,5 Prozent (auch in Deutschland als livestream zu hören unter www.progresohn.com) Populär und landesweit bekannt ist auch das Radioprogramm „La Voz de la Resistencia“ (Die Stimme des Widerstandes) von Felix Molina, das mit Hilfe von Spenden, Krediten und Unterstützung ausländischer NGO beim privaten Sender „Radio Globo“ Sendezeit gemietet hat. Sofern ausreichend Geld und Sicherheit vorhanden sind, ist es täglich um 20 Uhr honduranischer Zeit, im livestream unter www.radioglobohonduras.com zu hören. Interessante alternative Internetplattformen sind außerdem: http://www.defensoresenlinea.com/cms und http://www.voselsoberano.com

 

Vor dem Putsch 2009 waren die Verbrechen gegen Journalisten und Kommunikatoren viel weniger systematisch. Die Straflosigkeit gab es aber bereits: 2003 wurde der Umweltjournalist German Rivas im Westen des Landes ermordet, weil er über Umweltzerstörung berichtet hatte. Das Verbrechen an ihm wurde nie aufgeklärt. Seither sind die Fälle von mittlerweile 27 gewaltsam zu Tode gekommenen Journalisten straflos geblieben. In ihren Ermittlungsakten ist keine Spur wirklicher Ermittlung zu finden, potentiell Verantwortliche werden nicht genannt, Gerichtsverfahren nicht eingeleitet.

Als die Hetzjagd so richtig begann, am 3.Juli 2009, sechs Tage nach dem Staatsstreich, war schon offensichtlich, dass die Putschisten wütend auf die alternativen Medien und die Journalisten waren, die darüber informierten, dass in Honduras schwere Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Die Besetzung von Medien durch das Militär und die systematische Verfolgung von Journalisten waren aber erst der Anfang. Die Zensur, die während des Putsches über die offiziellen Medien verhängt worden war, hatte jedoch neuen Stimmen den Weg geebnet. Die massenhafte Nutzung alternativer Medien, etwa kommunitärer Radios, Websites und unabhängiger Programme, machte den Putschisten Beine, die geglaubt hatten, sie könnten die Bevölkerung mit Musik und Zeichentrickfilmen im Fernsehen ruhig halten. Sie haben sich getäuscht: Seit dem 28.Juni 2009 haben die Leute ihre Angst vor den Mächtigen verloren.

Das kolumbianische Terror-Modell wird umgesetzt

Honduras: Gemeinderadios in Aktion - Foto: (C) Nina Kreuzinger, 2012Am 3.Juli 2009 wurde Gabriel Fino Noriega ermordet, ein Journalist, der an der Atlantikküste  von Honduras über die Ereignisse nach dem Putsch berichtet hatte. Vermummte Männer hatten ihm vor dem Sender „Radio Estelar“ aufgelauert und mit mehreren Schüssen sein Leben beendet. Dieser „modus operandi“ wurde und wird seither immer wieder gegen Journalisten und soziale Kommunikatoren in Honduras angewandt – und passt zu den Sicherheitsabkommen, die Honduras mit Kolumbien unterzeichnet hat: Honduras hat das unheilvolle Modell der paramilitärischen Verfolgung von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern aus Kolumbien importiert und setzt es in die Praxis um.

Der Tod von 27 Journalisten und sozialen Kommunikatoren (seit dem Putsch, d.Red.), dutzende Drohungen, Verfolgung, Überwachung, Attacken und der Raub von Information bringen das Land in eine Situation, in der das Recht auf freie Meinungsäußerung nichts mehr gilt. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat wiederholt Maßnahmen angeordnet, um das Leben dutzender Journalisten und Menschenrechtsverteidiger zu schützen, aber der honduranische Staat setzt sie nicht um.

Die Konsequenzen sind schwerwiegend: Die Methode, Terror zu verbreiten, damit über bestimmte Schlüsselthemen nicht mehr berichtet wird, scheint erfolgreich zu sein. Die Freiräume für die Bevölkerung sich zu äußern und zu diskutieren, werden immer mehr eingeschränkt. Diejenigen, die diese Machenschaften ans Licht bringen wollen, werden zum Schweigen gebracht. Stattdessen verbreiten Medienkampagnen international ein Bild des Respekts vor den Menschenrechten.

Mehrere Journalisten haben das Land verlassen, andere vermeiden bestimmte Themen. Kritik wird nur noch vorsichtig geäußert, ganze Programme mussten beendet werden, weil die Gefahr für ihre Macher zu groß wurde. Das heißt, es werden immer weniger, die versuchen zu schreiben oder zu senden, was wirklich passiert. Die Stimmen der 27, die bereits ermordet wurden, fehlen. Die Täter hingegen laufen frei herum, niemand benennt Verantwortliche. Denen, die das tun müssten, passt das Klima der Angst bestens ins Konzept.

„Niemand garantiert für mein Leben“

Dieses Jahr, 2013, ist von besonderer Bedeutung für das Schicksal unseres Landes. Ende November werden zum zweiten Mal seit dem Putsch allgemeine Wahlen abgehalten und diesmal wird eine neue Partei daran teilnehmen, die aus dem Widerstand gegen den Staatsstreich entstanden ist: die „Partei für Freiheit und Neugründung“ LIBRE. Über 20 Personen, die für die Vorwahlen kandidiert hatten oder Aktivisten von LIBRE waren, sind seit 2012 bereits ermordet worden – eine weitere Analogie zum kolumbianischen Modell, wo die „Patriotische Unión“ durch den Mord an ihren Führungsmitgliedern  zugrunde gerichtet wurde.

Es ist kein Zufall, dass der Druck auf Journalisten und (autodidaktische, d. Red.) „communicadores sociales“  mit dem Heranrücken des Wahltermins immer stärker wird. Ein Beispiel ist der Fall von Julio Ernesto Alvarado, der zwei Sendungen beim Privatsender Radio Globo geleitet hat. Er wurde permanent verfolgt, Paramilitärs drangen sogar in den Sender ein, um nach ihm zu suchen. Deshalb musste er nun eines seiner Programme schließen. Es endete erst nach Mitternacht und dieser Gefahr konnte er sich nicht länger aussetzen. “Nie zuvor habe ich als Leiter und Moderator einer Nachrichtensendung eine derartige Situation erlebt”, berichtete Alvarado am 6. März 2013 der Menschenrechtsorganisation „Komitee der Verhaftet-Verschwundenen in Honduras“ (COFADEH), das seine Anzeige aufnahm. “Wir leben in schweren Zeiten, die uns zu Entscheidungen zwingen, die man nicht leichtfertig fällt.“, so Alvarado, „aber ich bin an einer Grenze angelangt, an der mir klar wurde, dass ich mit meiner Nachrichtensendung um Mitternacht nicht weitermachen kann. Niemand garantiert mir für meine Existenz, mein Leben.“

 

COFADEH

Die honduranische Menschenrechtsorganisation COFADEH („Comité de Familiares de Detenidos Desaparecidos“ – Komitee der Familienangehörigen Verhaftet-Verschwundener) hatte Dezember 2012 zum zweiten Mal Anzeige im Fall der Menschenrechtsverteidigerin und Journalistin Dina Meza gestellt. Eine nicht abreißende Serie von Verfolgungen und zuletzt die unmittelbare Bedrohung eines ihrer Söhne durch einen offenbar Bewaffneten in einem Bus in Tegucigalpa lassen um das Leben Mezas und die Sicherheit ihrer Familie fürchten. COFADEH hatte bereits im April 2012 Anzeige bei der Sonderstaatsanwaltschaft für Menschenrechte erstattet, nachdem Meza Todesdrohungen per sms und Telefon erhalten hatte und von Unbekannten verfolgt und fotografiert worden war. Meza engagierte sich in den vergangenen Jahren u.a. zugunsten der Rechte und gegen die Kriminalisierung der Bauern und Bäuerinnen in der Region Bajo Aguán. Am 22. August 2012 wurde der Anwalt der Bauern und Bäuerinnen, José Antonio Trejo Cabrera, von einem professionellen Killerkommando mit einer Vielzahl von Schüssen exekutiert. Am 16. Februar 2013 wurde Trejos Bruder José und ein weiterer Bauer im Aguán, Santos Jacobo Cartagena, erschossen.

 

Am 1.März 2013 hatte Alvarado ein Video gesendet, das auch auf youtube zu finden war. Es ging darin um die frühere Verwicklung des (im März 2013 noch amtierenden, inzwischen abgesetzten, d. Red.) Polizeichefs Juan Carlos Bonilla, in die Planung von Aktionen gegen den Präsidenten Manuel Zelaya Rosales, gegen den sich der Putsch gerichtet hatte. Alvarado forderte, als er COFADEH über seinen Fall berichtete, dass aufgeklärt wird, ob es dieser Funktionär war, der ihm vermummte Männer in den Sender schickte.

Ein ungleicher Kampf

Sein Fall ist bei weitem nicht der einzige. “Ich habe eine Detonation gehört, aber nicht gedacht, dass es um mich geht. Da fragte ein Herr mich, ob ich vielleicht Feinde hätte, denn dieser Schuss sei auf mich gerichtet gewesen. Da wurde mir erst bewusst, dass das ein Attentat auf mich war“,  sagte Fidelina Sandoval kürzlich bei einer Pressekonferenz, bei der ihr  Kollegen und COFADEH-Mitarbeiter zur Seite standen. Auch sie hatte sich mit Polizeithemen beschäftigt und das in einem kritischen Moment: Es kam zur der Zeit gerade heraus, dass sowohl hohe Offiziere der Polizei als auch untere Dienstgrade in Verbrechen und Korruption verwickelt sind – all dies in Zusammenarbeit mit der Drogenmafia und dem organisierten Verbrechen.

Fidelina hatte außerdem ein anderes, für die Täter heikles Thema angeschnitten: die Landkonflikte in der Region „Aguán“, wo inzwischen schon fast 100 Kleinbauern ermordet und etliche verschleppt wurden und ihre Anführe Klagen bei Gericht, Verfolgung und Überwachung durchmachen. Mindestens zwei Frauen wurden in diesem Zusammenhang entführt; darunter ebenfalls eine Journalistin, Karla Zelaya, die über den Aguán-Konflikt berichtet hatte.

 

Karla Zelaya

Karla Zelaya wurde am 23.Oktober 2012 in der honduranischen Hauptstadt für drei Stunden entführt, gefoltert und über ihre Arbeit für die Bauernorganisation MUCA (Movimiento Unificado Campesino del Aguán) verhört. Ihr wurde bedeutet, dass es Mordpläne gegen MUCA-Anführer gebe und dass ihr und ihrer Familie ebenfalls der Tod drohe, falls sie mit ihrer Arbeit weitermache.

 

Die Angriffe folgen bisher einem bestimmten Muster, das der Erzeugung von Terror im Wahljahr dient und erwarten lässt, dass die Angriffe auf die Meinungs- und Medienfreiheit sich weiter zuspitzen werden. Sie dienen den Zwecken der honduranischen Oligarchie, die sich seit über 100 Jahren an der Macht hält, die Ressourcen das Landes ausbeutet und Reichtümer anhäuft, wie immer es gerade geht: auf legalem Weg, durch Druck oder durch Waffengewalt.

Es ist ein ungleicher Kampf. Eine Seite – die staatlichen und parastaatlichen „Sicherheits“-Institutionen – hat die Waffen, die andere, das honduranische Volk, die Kraft der Idee: Das Volk will ein Land verändern, das genug hat von so viel Erniedrigung, ein Land, das von Grund auf neu gegründet und aus der Armut herausgeholt werden muss. Dieser ungleiche Kampf kann nur mit internationaler Begleitung weitergeführt werden, mit solidarischen Kräften, die Menschenrechtsverletzungen anprangern, mit Delegationen, die ins Land kommen und mehrere Monate bleiben. Vielleicht kann so der Todesplan noch gestoppt werden, der das Volk für immer zum Schweigen bringen will.“

 

Dina Meza

Dina Meza (*1962) studierte ab 1986 Journalismus an der staatlichen Universität von Honduras. Aktuell arbeitet sie für das Onlineportal „Defensores en Linea“ („Menschenrechtsverteidiger Online“) und das Radioprogramm „Voces contra el Olvido“ („Stimmen gegen das Vergessen“). Beide sind alternative Medien der Menschenrechtsorganisation COFADEH, die sich u.a. für den Schutz bedrohter Journalisten in Honduras einsetzt. 2007 wurde Meza von Amnesty International mit dem Preis für „Journalismus in Bedrohungssituationen“ ausgezeichnet. Diese Anerkennung erhielt sie für Nachforschungen zu privaten Sicherheitsdiensten im Rahmen ihrer Tätigkeit für das Internet-Magazin „Revistazo“, die sie trotz Einschüchterungsversuchen weiterführte. Von Januar bis April 2013 nahm sie an einem Programm für Menschenrechtsverteidiger_innen an der Universität York (UK) teil.

 

Übersetzung: Andrea Lammers

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Bildquellen: [1], [2] (C) Nina Kreuzinger, 2012

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