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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Tzotziles y Tzeltales

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 7 Minuten

Mehrere Hundert indigene Völker leben in Lateinamerika, viele von ihnen sprechen ihre eigene Sprache und haben ihre jahrhundertealten Traditionen bewahrt – trotz Eroberung und Unterdrückung. Quetzal wird, mit diesem Heft beginnend und in loser Folge, lateinamerikanische Indígena-Völker vorstellen.

Diese eng miteinander verwandten Völker bilden eine Untergruppe der Maya und leben vor allem im Hochland des mexikanischen Bundesstaates Chiapas. Die Tzotziles, die sich selbst batsil winik’otik – wirkliche Menschen – nennen, siedeln traditionell im Nordwesten und Südwesten der Stadt San Cristóbal de las Casas. Die Tzeltales oder winik atel – Arbeitsmenschen – leben im Nord- und Südosten dieser Stadt. Auf der Suche nach Land begannen sie in den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts auch die Selva Lacandona zu besiedeln, wo sie heute mit Choles, Tojobales und Choques zusammenleben.

Die Spanier eroberten die Region zu Beginn des 16. Jahrhunderts. 1528 wurde die Stadt Ciudad Real, das heutige San Cristóbal, gegründet. Das Kolonialsystem wurde mittels Encomiendas und Reduktionen durchgesetzt. Die Bewohner wurden in Encomiendas den einzelnen Konquistadoren als Besitz zugeteilt. Erst ab Mitte des 16. Jahrhunderts begann die spanische Krone das Encomiendasystem abzuschaffen, in Chiapas bestand es faktisch aber bis Ende des Jahrhunderts weiter. Gleichzeitig begannen die spanischen Kolonisten, legal Land zu erwerben und Haciendas zu gründen. Damit schufen sie die Grundlage für die Eigentumsverhältnisse, wie sie in Chiapas bis heute fast unverändert existieren. Gegen diese Konzentration von Grund und Boden in den Händen Weniger und die damit einhergehende Unterdrückung der indígenas kam es in der Region immer wieder zu Aufständen, wie z.B. 1712 und 1870, die blutig niedergeschlagen wurden. An den Besitzverhältnissen hat sich trotz der Landreform im Gefolge der Revolution von 1910 nicht viel geändert.

Heute leben (nach der letzten Volkszählung) in Chiapas knapp 227.000 Tzotziles und etwa 258.000 Tzeltales, nach Angaben des Nationalen Indigenen Instituts (INI) liegen diese Zahlen aber deutlich unter der tatsächlichen Bevölkerungszahl, die es mit ca. 375.000 bzw. 311.000 angibt. In der zentralen Region des Hochlandes beträgt der Anteil der indígenas an der Bevölkerung zwischen 70% und 100%. Die ladinos konzentrieren sich vor allem auf die Städte, wie San Cristóbal, Ocosingo, Teopisca und Altamirano. Die Situation der Tzotzil-Tzeltales ist nach wie vor schlecht: Unterernährung ist ein großes Problem und Armutskrankheiten sind weit verbreitet. 31% dieser indígenas haben nie eine Schule be-
sucht und lediglich vier Prozent der Personen über sechs Jahre verfügen über mehr als sechs Jahre Schulbildung.

Die Tzotzil-Tzeltales bewirtschaften in der Regel nur kleine Ländereien (Minifundien), deren Größe etwa von einem Viertel bis zu zwei Hektar reicht und den Unterhalt der Familien nicht sichern können. Der Mais beansprucht fast die Arbeit des ganzen Jahres. Die Saat erfolgt vor oder zu Beginn der Regenzeit im Mai, geerntet wird der Mais im Herbst oder Anfang Winter. Wegen des schlechten Bodens migrieren die indígenas des Hochlandes, um sich als Peones auf den Kaffefincas oder auf den Viehfarmen des zentralen Tieflandes zu verdingen. Eine andere Alternative ist die Pacht von Boden im Tiefland.

In der letzten Zeit sind die indígenas des Hochlandes, die im Soconusco arbeiten, von guatemaltekischen indígenas verdrängt worden, weshalb sie Arbeit in den Städten wie Tuxtla Gutiérrez, Tapachula, San Cristóbal und Villahermosa suchen. San Cristóbal zieht sehr viele Tzotziles und Tzeltales an, die wegen der religiösen Auseinandersetzungen aus ihren Gemeinden verstoßen wurden und die sich hier als ambulante Händler und im Dienstleistungssektor niederlassen.

Jede Gemeinschaft unterscheidet sich von anderen durch ihre eigene Kleidung, einen lokalen Ortsheiligen und eine ökonomische Spezialität. Das gemeinschaftliche Leben spielt sich um den Teklum, das zeremonielle Zentrum und die Munizipalhauptstadt ab. Die übrige Bevölkerung lebt in Hütten, die sich auf das gesamte Territorium der Gemeinschaft verteilen.

Obwohl jede Gemeinde ihre eigene Kleidung hat, ist diese in der ganzen Region ähnlich – Unterschiede gibt es vor allem in den Farben und Ornamenten. Die Kleidung der Frauen besteht aus einem Unterrock aus dickem Stoff oder Wolle und einer Bluse oder einem breiten und langen Huipil, einem am Webstuhl gefertigten Gewebe mit schönen vielfarbigen Stickereien. Darüber hinaus tragen sie eine Wollschärpe und eine Stoffhaube, die sie doppelt um den Kopf schlingen, Ohrringe und Halsketten. Sie flechten ihr Haar zu zwei Zöpfen, die von farbigen Bändern zusammengehalten werden, und sie gehen barfuss. Die Männer tragen Hemd und Beinkleid aus Stoff, letzteres wird jetzt oft von einer Baumwollhose ersetzt, einen mit bunten Bändern verzierten Hut aus Palmstroh und Ledersandalen. Jugendliche bevorzugen Tennisschuhe.

Jede Person hat drei Namen: der erste ist der ladinische Taufname, der zweite ist ein Familienname spanischer Herkunft und der dritte ein Familienname indigenen Ursprungs, der meist von einer Pflanze, einem Tier oder einem Naturphänomen abgeleitet ist.

Traditionell steigt die Autorität mit dem Lebensalter, in den letzten Jahren haben sich jedoch die Rolle der Alten und ihre Autorität grundlegend verändert. Auf Ortsebene bildet die politisch-religiöse Autorität den Gemeindevorstand. Dieser ist die einzige administrative Organisation, die vom Staat anerkannt wird, weshalb dazu nur Personen benannt werden, die Spanisch sprechen, lesen und schreiben. Wer ein Amt akzeptiert, verlässt seine Hütte und die Milpa für ein Jahr. Das bedeutet, dass er sich verschulden muss, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und die Kosten aufzubringen, die sein Amt verursacht. Die religiösen Ämter sind die Mayordomos (Verwalter, Ortsvorsteher) und Alfereces (Stellvertreter) und ihre Zahl richtet sich nach der Zahl der Schutzheiligen der Gemeinschaft. Die „Pasaros“ bilden die Körperschaft der Principales, weil sie durch die Ausführung von Ämtern in der politisch-religiösen Hierarchie den Dienst an der Gemeinde abgeschlossen und höchste Anerkennung erreicht haben. Sie sind die höchste Autorität. Seit den siebziger Jahren kann, bedingt durch die demographische Entwicklung, die Ämterhierarchie nicht mehr alle Männer aufnehmen. Dieser Prozess wird noch zusätzlich durch die Konversion von Tzotziles und Tzeltales zu evangelischen Religionen verstärkt.

Obwohl evangelische Sekten immer mehr Einfluss besonders unter den Tzotziles gewinnen, ist der Glaube der meisten Tzotzil-Tzeltales nach wie vor von einer eigenständigen Kombination aus katholischem Christentum und alten indigenen Anschauungen geprägt. Sie betrachten die Welt als ein Ganzes und nennen sie Himmel-Erde (vinajel-balamil). Jedes Leben entwickelt sich auf der Oberfläche des Himmels und der Erde, wohingegen das seltsame Leben, wie das der Träume, in dem „anderen Himmel-Erde“ existiert. Nur die Heiler können diese sehen.

Die Vorstellungen und Werte der Menschen drehen sich um den Mais. Das menschliche Leben ist dem Mais dankbar, da er als Quelle von sozialem Ansehen betrachtet wird: am ‚tel – arbeiten, dieses Wort bezieht sich auf alle mit der Kultivierung des Maises verbundenen Tätigkeiten. Der Mensch, der zu arbeiten versteht, ist der, welcher viel Mais hat. Wer ein Amt innerhalb der traditionellen Hierarchie annimmt, muss genügend Mais haben, um die Autoritäten, die Gehilfen und seine Familie ein Jahr lang zu versorgen.

Von der Mischung alter Vorstellungen und katholischer Religion zeugt das Nebeneinanderbestehen einer Priesterhierarchie, die sich dem Kult um die katholischen Heiligen widmet, und einer gewissen Zahl von ‚iloletik‘ – Heilem. Diese haben die Aufgabe, sich in der übernatürlichen Welt für die Menschen zu verwenden: sie fühlen Heilungen individuellen Charakters durch und leiten kollektive Zeremonien.

Die Tzotziles glauben an vier Formen der Göttlichkeit. Die totilme ‚iletik – Väter-Mütter – sind göttliche Ahnen, die geachtet werden als indígenas, die an heiligen Plätzen leben, Nahrung gewähren und belohnen oder strafen. Man glaubt, dass jedes Individuum einen ch’ulel – Seele -besitzt, welche aus 13 Teilen besteht. Wenn ein Tzotzil die bestehende Ordnung bricht, bestrafen ihn die totilme ‚iletik mit einer Verletzung seiner Seele. In diesem Falle muss der ‚ilol eingreifen, um die Gesundheit wiederherzustellen. Jede Person besitzt einen ch’ulel – Tier-Seele -, die von den totilme ‚iletik betreut wird.

Der yahval b ‚alamil – Herr der Erde – kann dem einzelnen Reichtum und Glück zuteilen, er braucht aber auch Arbeiter, die ihm dienen, wofür auch der ch‘ ulel eines Menschen verkauft werden kann. Die Vorstellung von vaxakmen bezieht sich anscheinend auf den Schöpfer der Welt.

Das gemeinsame zeremonielle Leben wird um die Heiligen herum organisiert. Die von den Mayordomos und ihren Stellvertretern ausgerichteten Feste bilden den jährlichen rituellen Zyklus der Gemeinde. Das ganze Jahr über werden in den verschiedenen Munizipien Patronatsfeste gefeiert. Besonders hervorzuheben sind der Karneval der Tzotziles von Chamula und der der Tzeltales in Tenajapa.

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