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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Interview mit Demetrio Cojtí
Indigener Mitarbeiter bei der UNICEF in Guatemala

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 14 Minuten

Indígenas in Guatemala: Ethnie – Bewegung – Volk – Nation?

Interview mit dem indígena-lntellektuellen Demetrio Cojtí*

Wie ist das Verhältnis der indígena-Bewegung zur sozialen Bewegung?

Bereits Anfang der 90er Jahre, hauptsächlich aber 1992 gab es einen Bruch zwischen den indígena-Organisationen und den sozialen Organisationen. Um zu verstehen, wie es zu diesem Bruch kam, muss man wissen, wie sich die Kampagne anlässlich des 500. Jahrestages der Eroberung Amerikas entwickelte. Gemeinhin wurde diese Kampagne als eine sehr ehrliche, sehr starke und erfolgversprechende verstanden, die diesmal jedoch von indígenas selbst initiiert worden war. Allerdings verloren sie dann die Kontrolle über diese Kampagne und die Linken Lateinamerikas setzten sich in ihr fest. Die Kampagne wandelte sich zu einer kontinentalen Angelegenheit der Linken und war nicht mehr die der indígenas. Zum Schluss kam es dann 1991 in Guatemala zum großen Bruch. Beim Treffen, das hier am 12. Oktober 1991 abgehalten wurde, waren von den 180 Delegierten etwa 40 bis 50 indígenas, während die restlichen spanischsprachige Mestizen, meist Universitätsstudenten, Gewerkschaftler o.a., waren. Die indígenas zählten nicht viel, existierten gar nicht, lediglich ihre Namen wurden benutzt. Ich war knapp vier Tage dort. Hier zeigte sich deutlich, dass die kontinentale Kampagne durch die Linke Lateinamerikas kanalisiert worden war und dass es längst nicht mehr um die indígenas ging. So kam es dann zum Bruch. Seither spalteten sich die Vertretungen zur Koordinierung (der Kampagne – P. G.) in zwei getrennte Organisationen: in die Vertretung der indígena-Völker und die Vertretung für den Klassenkampf. Schließlich begann die Vertretung für den Klassenkampf, eigene Konzepte zu entwickeln, ihre eigenen indígena-Organisationen zu gründen, manchmal auch einige der unabhängigen Organisationen zu unterwandern.

Welche Meinung haben Sie zum „Abkommen über Identität und Rechte der indigenen Völker“[1] zwischen Regierung und URNG?

Zum Abkommen der vergangenen Woche, vom 31. März 1995, lässt sich sagen, dass es offensichtlich befriedigend ausgefallen ist, doch das ist auch nur relativ. Für die indígenas ist es nur eine minimale Befriedigung, da nicht alle Vorschläge der ASC (siehe Lexikon) erfüllt worden sind. Ohne Zweifel ist das alles aber schon ein großer Fortschritt im Vergleich zu dem, was die COPAZ (Regierungskommission für die Friedensverhandlungen – P. G.) immer als Auffassung der Regierung dargestellt hat. Die COPAZ übte sich ständig in Ablehnung: laut Verfassung der Republik ließen sich die Vorschläge nicht verwirklichen. Diesmal ging es glücklicherweise voran, in diesem Fall handelt es sich um einen enormen Fortschritt, auch im Vergleich zu den 40er oder 50er Jahren, in denen nicht von diesem ethnischen Thema gesprochen wurde. Auch heute ist das Thema noch oft tabu, die Leute fühlen sich unwohl bei der Auseinandersetzung mit dieser Problematik.

Das ist es ja, weshalb ich mich wundere, sie gehen weiter als ich erwartet hätte. Ich dachte, sie würden vorher haltmachen. Wahrscheinlich hat die UNO die Regierung gedrängt. Die Guerilla hätte vielleicht gern mehr gefordert. Ihr kommt es schließlich auch sehr gelegen, wenn es hier vorangeht, weil sie als politische Partei, wenn sie zu einer solchen wird und um die Macht kämpft, Nutzen ziehen könnte. Die Regierung hingegen nutzt es wenig, daher war sie daran interessiert, die Zugeständnisse auf ein Minimum zu reduzieren.

Wie schätzen Sie derzeit die Qualität der indígena-Bewegung als politischen Faktor ein?

Ich glaube, dass sie noch immer keine Gruppe darstellt, die durchgängig starken Druck ausübt. Sie ist erst dabei, sich zu formieren und zu wappnen. Die indígenas haben schon durch ihre Präsenz hinzugewonnen, sie werden nicht mehr ignoriert. Ihre Lage und Rechte sind zumindest Diskussionsthemen auf der politischen Agenda und im Leben des Landes. Trotz allem haben sie noch nicht genügend Stärke, um auf das Leben des Landes Einfluss nehmen zu können. In erster Linie kommt das dadurch, dass es keinen einheitlichen indigenen Block gibt, wie z. B. die Unternehmer oder die Kirche. Es gibt indígenas in der Guerilla, in der katholischen Kirche, im CACIF, auch einige Unternehmer. Das ist jedoch ein total zersplitterter Zustand, in dem sich die indígena-Bewegung befindet. Zwar glaube ich, dass es in den vergangenen Jahren definitiv Fortschritte gegeben hat, aber verglichen damit, wie es sein müsste, fehlt noch viel. Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir qualifizierte Leute brauchen, um Prozesse lenken zu können, um Institutionen leiten zu können, die die Mayas nach und nach erschaffen oder übernehmen können. Manchmal vergeben sie jedoch Möglichkeiten, nur weil die Führer nicht entsprechend auf ihre Aufgaben vorbereitet sind.

Wie kann diese Situation verändert werden?

Ich glaube, es gibt verschiedene Pläne und auch unterschiedliche Formen, um die aktuelle Lage zu verändern und mehr Raum zu gewinnen. Es gibt Aktionen auf nationalstaatlicher und auf internationaler Ebene. Eine große Hilfe war die internationale Unterstützung. Die Internationale Dekade der indigenen Völker, der Friedensnobelpreis für Rigoberta Menchú, das 169er Übereinkommen der ILO, all das wirkt von außen nach innen. Die Mentalität der herrschenden Klasse Guatemalas ist hinter ihrer Zeit zurück, und draußen ist man im Denken meist weiter als hier. Für mich ist augenscheinlich der wichtigste Faktor die Ausbreitung der Maya-Denkweise. Frag mal einen indígena und er weiß nicht mal, dass er Maya ist, kennt auch nicht seine Rechte als indígena, sondern eher die Menschenrechte, die ihm als Arbeiter zustehen. Darum ist die größte Herausforderung die Verbreitung dieser Denkweise, dieses Bewusstseins, die z. Z. große Fortschritte macht. Ein anderer Aspekt ist der organisatorische. Ganz offensichtlich reicht es nicht aus, sich bewusst zu sein, dass man sich organisieren muss. Eine Organisation muss stark und gefestigt sein, das ist der zweite Schritt. Der Dritte wäre dann vielleicht, um Machtquoten innerhalb der staatlichen Strukturen zu kämpfen.
Das ist die klassische Reihenfolge der verschiedenen Etappen.

Welche Faktoren behindern die Stärkung der indígena-Bewegung?

Klar können wir auch ganz unterschiedlicher Auffassung sein, nicht was die Ziele angeht, sondern die Methoden, diese zu erreichen. Es ist auch ganz normal, dass wir ein wenig von der Tradition der Linken beeinflusst sind. Die Tradition der Linken ist die der Opposition, des Kampfes gegen alles, was die Regierung oder der Staat machen. Nach wie vor zeitigt diese Tradition Wirkungen, dieses Denken, den Staat zu zerstören. Dieser Auffassung folgen viele indigenen Organisationen und auch Gewerkschaftler, denn nach wie vor fällt es uns schwer, am Staat politisch zu partizipieren. Man muss sich beteiligen, an den Verhandlungstisch setzen. Viele einheimische Führer und Organisationen sind sich der Notwendigkeit dieses Mentalitätsumschwungs noch nicht bewusst.

Wie werden von Ihnen die Spielräume und Möglichkeiten eingeschätzt, die der Transitionsprozess gegenwärtig für die indígena-Bewegung bietet?

Augenblicklich gibt es eine doppelte Frustration in Bezug auf die politischen Parteien. Dabei geht es nicht um die Zeit des militärischen Autoritarismus, sondern um die Frustration in der demokratischen Ära. Das erschwert die Integration der indígenas in das politische Leben sehr. Ich weiß nicht, wie die politischen Parteien es bewerkstelligen wollen, dass endlich alle sich aufraffen und wählen gehen. Man braucht staatsbürgerliches Bewusstsein und staatsbürgerliche Pflichten, aber es ist genauso wichtig, die Glaubwürdigkeit des Wahlvorganges wiederherzustellen. Lösen sich Probleme, wenn ich wählen gehe, dann gehe ich. Löst sich kein einziges, wenn ich wählen gehe, geh ich auch nicht. So ungefähr läuft das ab in den Köpfen der Leute. Egal wer regiert, es wird sowieso nichts besser, wenn nicht sogar noch schlechter. Das ist also die tiefe Frustration, die unter der Wählerschaft herrscht. Demzufolge ist die Wahlbeteiligung der indígenas stets ungewiss. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und des staatsbürgerlichen Bewusstseins. Aber es ist auch eine ethnische Frage, und zwar in dem Sinne dass die indigenas eigene Formen haben, ihre Autoritäten zu wählen, Autorität auszuüben, aufgrund ihrer anderen Ethnizität. Das Problem, welche Art von politischem Leben die Mayas wollen, ist noch mitten im Prozess der Entscheidung: das politische Leben der westliche Demokratien oder das was sie selber haben. Das wird noch stark diskutiert, über diese Fakten und diese Zwänge ist noch nicht entschieden. Es drängen Kräfte in Richtung einer westlichen Demokratie. Es muss gewählt werden, alle vier oder fünf Jahre müssen Ämter und Posten, muss die Präsidentschaft gewechselt werden. Aber in den Gemeinden existieren nach wie vor, zumindest auf der Ebene der Municipios, eigene Wahlformen. Das gilt auch für die Besetzung der offiziellen Ämter. Das ist eine Frage der politischen Anthropologie, die nach wie vor nicht gelöst ist. Das berücksichtigt das 169er Abkommen zum Glück, aber die hiesigen Gesetzgeber betrachten es als ein Attentat auf die Einheit des Landes. Sie meinen, auf diese Art und Weise gäbe es zwei Formen politischen Lebens im Land, die so auf Dauer nicht koexistieren können.

Ein anderes großes Problem der indígena-Bewegung ist augenblicklich die Einheit. Gibt es innerhalb der Bewegung Bestrebungen, sich im Kampf für die Rechte der indígenas zusammenzuschließen?

Ja. Momentan sehe ich zwei Bestrebungen, die mir persönlich positiv erscheinen. Die eine – im Rahmen der Friedensverhandlungen – ist CO-MAGUA[2], die auch an der ASC teilnimmt. Dort sind weniger die indígenas vertreten, sondern mehr der städtische Mittelstand und zu kleineren Teil Bauern. Und die andere Bestrebung ist das Komitee für die UNO-Dekade der indigenen Völker. Das sind z. Z. die beiden Bestrebungen, die indigene Bewegung zusammenzufuhren.

Natürlich muss nach wie vor viel gearbeitet werden und bei der Zusammenarbeit müssen die Unterschiede respektiert werden. In den Zielen stimmen wir vielleicht überein, nur nicht in den Mitteln oder umgekehrt, über die Methoden sind wir uns einig, nur über die Ziele nicht. Dazu kommt dann noch der Wettbewerb um die Führung, aber das ist menschlich.

Selbstverständlich schwächt uns das und es fehlt uns auch noch die Fähigkeit zu verhandeln. Es ist zwar gut, wenn es Pluralismus, Unterschiede, innere Auseinandersetzungen gibt, aber wenn es um Verhandlungen (mit dem Staat – P. G.) geht, braucht man einen geschlossenen Block. Genau den bilden wir aber zum Zeitpunkt der Verhandlungen noch nicht. Es gibt zwei Blöcke der indigenen Bevölkerung in diesen Bereichen. Dadurch ist die indígena-Bewegung nicht respektiert und nach wie vor sehr schwach.

Erstmals seit fast 500 Jahren spricht man wieder von einer eigenen intellektuellen Elite der indígenas. Wie schätzen Sie dieses Phänomen ein?

Ich glaube schon, dass Schwierigkeiten im Kontakt der indígena-Abgeordneten mit den Bauernmassen bestehen. Die meisten Bauern sind Analphabeten. Das ist eine weitere Herausforderung, ähnlich der, von der ich anfangs sprach, der massenhaften Verbreitung des Maya-Bewusstseins. Es ist schwierig, mit den Massen zu kommunizieren, weil sich nach und nach eine indigene Elite entwickelt, die dann die Verbindung mit der bäuerlichen Basis verliert. Das ist ein nicht zu unterschätzendes Risiko, und gleichzeitig eine Herausforderung. Wie kann man die Verbindung dauerhaft aufrechterhalten? Jetzt kommt schon manchmal der Einwand, dass es Führer und Eliten unter den indígenas gäbe, die sich von ihrer Basis losgelöst haben. Meiner Meinung nach braucht man aber die neue Generation einer indígena-Elite nicht zu fürchten, solange diese sich immer über den Weg im Klaren ist, dem sie folgen will, und sie an dieser Verbindung zu den Massen festhält. Wenn das aber nicht so ist, es keine eigene denkende, hellhörige Klasse hat, bleibt das indigene Volk weiterhin Objekt des Paternalismus. Dann kommen andere Intellektuelle, andere Priester, und sprechen im Namen der indígenas. Jedesmal wenn die indígenas für sich selber, auf eigene Verantwortung sprechen, ist das ein Fortschritt. Um heute für sich selber sprechen zu können, muss man nicht unbedingt Analphabet sein, es können auch sehr qualifizierte, sehr gut ausgebildete indígenas sein, die fähig sind, die Werkzeuge des herrschenden Systems, die Gesetze der Mestizen, das Staatsapparates zu ihren Gunsten zu nutzen.

Wann kann man Ihrer Meinung nach das indígena-Problem in Guatemala als gelöst betrachten?

Das indígena-Problem kann meiner Meinung nach in Guatemala nur langfristig gelöst werden.

Unter welchen Bedingungen das vor sich gehen wird, ist schwer zu sagen. Ich glaube, in dem Moment, in dem die Diskriminierten sagen, wir werden nicht mehr diskriminiert. Wenn nur der Diskriminierende sagt, es gibt kein indígena-Problem mehr, kann man ihm das nicht glauben, denn er wird ja nicht diskriminiert. Aber wenn der diskriminierte indígena sagt, ich werde nicht mehr diskriminiert, wir sind gleich, wir werden gleich behandelt, dann gäbe es einen Punkt, an dem man sagen könnte, dass das Problem mehr oder minder gelöst ist. Ich habe bereits versucht klarzumachen, dass man dabei ist, das abschließende Ziel zu suchen, nämlich die Gleichheit zwischen den Völkern Guatemalas. Ich beziehe mich hier nicht auf die Gleichheit der Individuen, sondern die Gleichheit der Völker, die beide vom Staat gleichberechtigt behandelt werden und in ethnischer Hinsicht über die gleiche Rechte verfügen müssen. Offensichtlich gibt es vorher zwei Schritte, zum Beispiel wäre es angebracht zu wissen, ob die indígenas mit den Mestizen leben wollen, ob sie für oder gegen eine Koexistenz mit den Mestizen sind, mit ihnen im selben Staat zusammenleben wollen. Wenn sich in einem Referndum bewusst dafür entschieden würde, dass wir zusammen gehen wollen, oder aber der Abstimmende bewusst nein sagt, dann wird hier ein Probleme aufgeworfen, ein Problem der Völker, der Beziehungen zwischen Völkern.

Gibt es für Sie ein Maya-Volk oder nur Ethnien, die ihren Ursprung bei den Maya haben?

Ich glaube, es gibt zwei Möglichkeiten. Momentan überwiegt in Guatemala mehr ein Gemeindebewusstsein auf der Grundlage der Herkunft aus einem bestimmten Municipio, weniger ein ethnisches Bewusstsein. Etwa in der Art: Ich bin aus San Juan, ich bin aus Patzicia, ich bin aus Comalapa. Aber es heißt nicht, ich bin Quiché, ich bin Mam, ich bin Cakchiquel. Wir sind gerade dabei, dieses ethnische Bewusstsein wiederzuerlangen. Dieses Wiedererlangen des ethnischen Bewusstseins gibt es auch auf einer globaleren Ebene: bevor ich Guatemalteke bin, bin ich Maya, in erster Linie Maya, erst in zweiter Guatemalteke. In Guatemala ist das leicht, jedenfalls im Vergleich mit Mexiko. Dort zum Beispiel hat es der Staat geschafft, eine Ideologie der „Mejicanidad“ innerhalb der indigenen Völker aufzubauen. Diese ziehen es vor, Mexikaner zu sein statt indígenas. Im Gegensatz hierzu hat es der Staat bei uns, in Guatemala, nicht geschafft, uns eine „Guatemalidad“ einzupflanzen. Er hat uns ausgeschlossen, uns eliminiert. Dadurch ist es viel einfacher, das Bewusstsein zu haben, in erster Linie Maya zu sein.

Inwiefern gibt es für Sie eine guatemaltekische Nation?

Auf der Bewusstseinsebene gibt es bisher keine guatemaltekische Nation. Auf dem Papier vielleicht schon, aber was das Bewusstsein angeht, eben nicht. Außerdem gibt es objektive Daten, die die Existenz eines Mayavolkes begründen und beweisen. Es gibt zum Beispiel gemeinsame Elemente der Kultur wie den Kalender, die Religion, die allen gemeinsam ist. Das Zahlensystem, die Sprachen jedoch sind kein gemeinsames Element, dafür aber die Textilkunst. Es gibt objektive Daten, die die Existenz eines Volker mit gemeinsamer Zivilisation belegen. Das andere Feld, in dem man Fundamente eines Mayavolkes finden kann, ist das Leben in der Gemeinschaft, das gemeinsame historische Leben. Das gestaltet sich auch nach 500 Jahren immer noch ähnlich, weil alle Maya-Völker gleich unterdrückt worden sind. Es war ja nicht so, dass die Quiche frei gewesen wären, und die Cakchiqueles nicht, beide waren gleichermaßen am Boden zerstört. Und das ist ein weitere Faktor des gemeinsamen Bewusstseins. Es gibt ein gemeinsames Bewusstsein zwischen UNS als indígenas und eins von IHNEN, den Mestizen, unabhängig davon, ob einer aus Cobán, Huehuetenango oder Comalapa ist. Es gibt ein WIR, die indígenas, und ein SIE, die Nicht-indígenas.

Weitergedacht könnte man schlussfolgern, dass man sich ein Mayavolk auch als künftiges Projekt vorstellen kann, nicht schon als Realität, sondern als Projekt. Und so scheint mir die Orientierung der gegenwärtigen Arbeit zu sein: Nicht nur das Bewusstsein der verschiedenen ethnischen Gruppen, wie Quichés, Zutujiles, Cakchikeles zu entwickeln, sondern auch der Aufbau eines Projektes der Nation, in das auch alle Mitgliedsgemeinschaften der Mayafamilie eingeschlossen sind. Und das als Projekt.

Kann man sagen, dass die Schaffung des Bewusstseins, ein Mayavolk zu sein, ein Schritt, eine Etappe auf dem Weg zu einer guatemaltekischen Nation ist oder sind das zwei verschiedene Dinge?

Es ist eine Etappe, um eine guatemaltekische Nation zu konkretisieren. Im Moment spricht keiner von der Zerstörung des guatemaltekischen Staates. Räume, Spielräume der Autonomie im guatemaltekischen Staat zu gewinnen, ist zunächst unser Ziel. In der ersten Etappe wird dies in den Vorstellungen der regionalen Autonomie vorgetragen, und für die zweiten Etappe könnten es föderale Ansätzen sein. Eine Föderation der guatemaltekischen Völker zum Beispiel wäre eine Art Abschlussetappe. Und es ist denkbar, dass wir dann dabei bleiben, wenn wir das so wollen.

Übersetzung: Liane Watzel, Peter Gärtner
(Das Interview wurde von Peter Gärtner am 6.4.1995 in Guatemala-Stadt geführt.)
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* D. Cojtf arbeitet bei der UNICEF in Guatemala-Stadt, Akademiker indigener Herkunft.

[1] Siehe Lexikon in diesem Heft.

[2] COPMAGUA – Coordinadora de Organizaciones del Pueblo Maya de Guatemala (Koordinierung der Organisationen des Maya-Volkes von Guatemala)

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