Das leuchtende Grün in seinen unterschiedlichsten Tönen, mal im Licht, mal im Schatten, hinterlässt eine Wärme, man fühlt sich als Betrachter direkt hineingezogen in die tropische, feuchte Wärme des Regenwaldes von Costa Rica. Man ist von Bäumen, Farnen, Lianen, Bananenstauden und Mangroven umgeben – wie im echten Regenwald. Und wie im echten Regenwald verbirgt sich zwischen der üppigen Flora eine exotische Fauna, die nur schwer zu entdecken ist: Tukane, Kolibris, Schmetterlinge, Krebse, Frösche, Affen und auch ein vom Aussterben bedrohter Jaguar.
Der Blick des Betrachters schweift weiter. Abrupt endet der Urwald, begrenzt von den Konturen eines einzelnen Blattes. Dahinter macht sich die Wüste breit, der schöne blaue Himmel ist mit schmutzigen Wolken bedeckt. Wie am seidenen Faden scheint das Blatt an seinem Baum zu hängen. Doch der Baum ist nur mehr ein verdorrter Stumpf und es gibt auch keine wirkliche Verbindung, das Blatt befindet sich vielmehr im freien Fall. Der Nachbarbaum ist nicht vertrocknet, sondern wurde geköpft – wie der Totenschädel der auf ihm liegt. Der Mensch tötet die Natur, und die tote Natur den Menschen. Eine weiße Fahne bittet still um Frieden.
Guisselle Bianco heißt die Malerin, und sie kommt aus Costa Rica. Sie wurde im Norden des Landes, dem Kanton Guanacaste geboren, lebt aber seit ihrer Kindheit auf der Osa Halbinsel im Süden. Schon immer hatte sie viel Spaß am Malen und Zeichnen, und verbrachte deswegen Stunden in dem kleinen Atelier ihres Vaters, eines Bildhauers, und schaute ihm dabei zu, wie er seine Holzskulpturen schuf. Den anderen Teil ihrer Inspiration nimmt sie, wie auch ihr Vater, aus der Natur. Und so lernte sie nach und nach, indem sie frei nach ihrem Geschmack und nach Versuch und Irrtum Primärfarben mischt und direkt die Natur in ihrer Umgebung beobachtet. So entstünden auch heute noch ihre Bilder aus Acryl und sie lerne jeden Tag dazu, sagt sie.
Ihre Werke erscheinen wie eine Art magischer Realismus in der Kunst, und erinnern ein wenig an Henri Rousseau, Frida Kahlo oder Salvador Dalí. Nicht ohne Grund, denn der Surrealismus gibt ihr die Freiheit, die Guisselle braucht, um sich ohne Einschränkung in ihren Bildern ausdrücken zu können. Genau aus diesem Grund ist Dalí auch ihr Vorbild. Ihr thematischer Schwerpunkt ist die Natur. Sie hat das Glück, in einem der naturreichsten Länder der Erde zu leben, mitten im Regenwald, in Frieden und Harmonie mit der Natur, und sie weiß um dieses Glück. Aus ihrer Bewunderung für die Natur entstehen die Themen ihrer Bilder, am liebsten Landschaften. Die Botschaften, die diese Bilder in sich tragen, sind Harmonie, Brüderlichkeit und Friede zwischen den Menschen und zwischen Mensch und Natur. Sie sollen das Bewusstsein des Betrachters für den Erhalt des Waldes erwecken, sowie die Liebe zu unserem Planeten.
Die junge Künstlerin sieht ihren ganz persönlichen Reichtum darin, privilegiert zu sein, reine Waldluft atmen zu können und klares, sauberes Wasser zur Verfügung zu haben. Und das, obwohl sie eigentlich in einer sehr armen Region lebt, in der es nicht viele Arbeitsmöglichkeiten für die Bevölkerung gibt. Deswegen liegt ihr daran, ihre Mitmenschen zu sensibilisieren, den Wert des natürlichen Reichtums auch zu schätzen. Aus diesem Grund hat sie Bildende Künste an der Kontinentalen Universität für Wissenschaft und Kunst in San José (Universidad Continental para las Ciencias y las Artes) auch auf Lehramt studiert und arbeitet als Kunstlehrerin für das Wissenschaftsministerium. Ihre Mitmenschen sollen die Natur mit anderen Augen wahrnehmen. ¡Ojo, naturaleza!
Bildquelle: [1], [2], [3], [4] Guiselle Bianco
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