Felsmalereien und -gravierungen sind bedrohte historische Dokumente aus der schriftlosen Existenz der Menschheit. Hält man sich vor Augen, daß die geschriebene Geschichte in Zentralamerika kaum weiter als 500 Jahre zurückreicht, wird das enorme Informationspotential deutlich, das diese weitgehend unbefragten Zeugen einer stummen Geschichte verbergen. Nach dem „World Archive of Rock Art“, einer Datenbank des „Centro Camuno di Studi Preistorici“ (Italien), befinden sich in Amerika 34 der weltweit wichtigsten 144 Felskunstgebiete. Große Konzentrationen von Felsbildern wurden bisher im Columbia-Frazer Plateau, im Great Basin, im Südwesten der USA, in Kalifornien, im Nordwesten Argentiniens, in Patagonien und im Südosten Brasiliens dokumentiert. Zentralamerika bildet dagegen in weiten Teilen immer noch einen weißen Fleck in der Felskunstforschung.
Der Naturraum Zentralamerika reicht vom Golf von Tehuantepec in Mexiko bis zur Atratosenke in Kolumbien und formt in seinem Zentrum eine schmale Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika. Auf der Pazifikseite wird die Landschaft durch steil abfallende vulkanische Gebirge geprägt, die zur Küste hin nur einen schmalen Tieflandstreifen gestatten. Zur Karibik laufen die Hochgebirge zu ausgedehnten Ebenen aus, die von immergrünen tropischen Regenwäldern eingenommen werden.
Aus archäologischer und ethnographischer Sicht zählt Zentralamerika zu der sogenannten Zwischenzone. Ihre nördliche Grenze bilden die Flüsse Rio Ulua und Rio Lempa in Honduras und El Salvador. Im Süden umfaßt die Zwischenzone die Küstengebiete Kolumbiens und erstreckt sich entlang der andinen Ostkordillere bis in das nordwestliche Venezuela. Diese Region wird häufig als Übergangsgebiet zwischen dem mesoamerikanischen und dem andinen Kulturraum beschrieben. Kulturelemente aus den beiden archäologischen Schwerpunktregionen Amerikas scheinen sich in dieser Zone in eigener Art und Weise zu verbinden. Hier tauchen Maisanbau und die Kultivierung von Bittermaniok, Motive von Ja-guaren und gefiederten Schlangen oder Jadebearbeitung und Metallurgie nebeneinander auf. Auch nach den gesellschaftlichen Organisationsstrukturen der historischen indigenen Gruppen verkörpert die Zwischenzone ein Übergangsgebiet. Charakteristika sind Brandrodungs- und Bewässerungsfeldbau, dauerhafte palisadenbewehrte Siedlungen, Häuptlingstümer sowie Ritualkannibalismus und Trophäenkult. Nach kolonialzeitlichen Quellen wurde zu Beginn des 16. Jahrhunderts fast die gesamte Zwischenzone von chibchasprachigen Gruppen bewohnt. Beispielhaft können für Honduras die Jicaque und Paya, für Nikaragua die Matagalpa und Ulva, für Costa Rica die Corobici, Huetar und Boruca sowie für Panama die Guaymi und Cuna genannt werden. Eine Ausnahme in dieser Region bildete die nördliche Pazifikregion bis zur kostarikanischen Halbinsel Nicoya, die von chorotega- und nahuatlansprachigen Gruppen aus Mesoamerika besiedelt wurde. Im Süden Zentralamerikas bewohnten die Chibcha die pazifische und die atlantische Küste Kolumbiens sowie bis zur andinen Ostkordillere die kolumbianische Zentralregion. Die venezolanische Küstenregion einschließlich der Halbinsel Guajiro wurde von Gruppen der Aruak und Kariben eingenommen.
Fundorte von Felskunst sind über ganz Zentralamerika verbreitet. Der Begriff Felskunst umfaßt sowohl Felsgravuren als auch Felsmalereien. Felskunstwerke entstanden weltweit in staatenlosen als auch in staatlich organisierten Gesellschaften. Sie sind von Sammlern, Jägern, Hirtennormaden, Bodenbauern und von Gruppen mit komplexer Wirtschaftsweise bekannt. Häufig verloren Felsgravuren und -bemalungen ihre Bedeutung erst mit dem Auftauchen von Schriftsystemen. Die auf Stein dargestellten Motive erschienen bei den Cuna in Panama auch auf bemalten Holztafeln und auf Kleidungsstücken. Bei den Navajo im Südwesten der USA kehrten sie als Sandzeichnungen wieder. Auch keramische Gegenstände, Steinstelen, Grabplatten und Jade oder Goldfiguren können Motive von Felskunst wiederholen. Der Nachweis konkreter Verbindungen ist jedoch kompliziert. Felsgravuren oder -maiereien, die nicht mehr als 500 m voneinander entfernt sind, werden als Felskunststätten bezeichnet. Felskunststätten, die weiter als 20 km voneinander entfernt liegen, können als Felskunstgebiete beschrieben werden. Sie umfassen meistens ganze Täler, Berge, Hochebenen oder Regionen. Die dokumentierten Felskunstgebiete werden weltweit in acht Felskunstregionen unterteilt. Eine dieser Regionen ist Lateinamerika.
In Zentralamerika finden sich erste Spuren menschlicher Anwesenheit vor ca. 12.000 Jahren. Die ältesten gesicherten Datierungen von Felskunst reichen jedoch nur bis in den olmekischen Horizont (l .200-300 v.u.Z.) zurück. Etwa 2.900 Jahre alt sind die Höhlenmalereien von Oxtotitlan und Juxtlahuaca im mexikanischen Bundestaat Guerrero. Sie sind polychrom und zeigen Menschen- und Tiermotive. Olmekische Flachreliefs auf riesigen Felsblöcken befinden sich in Pijijipan in Chiapas. Felsbilder aus der Zeit der klassischen Maya (300-900 u.Z) wurden in den Höhlen von Joloniel und Golonton (Chiapas) gefunden. Am Fluß Lacantun befinden sich die bedeutendsten Felsgravuren des südmexikanischen Raumes.
Der Großteil der Felskunst Yucatans liegt in den Bergen südlich der Orte Oxkutzcab und Calcehtok im nördlichen Teil der Halbinsel. Die Höhlenmalerei dieses Gebietes wurde erstmals Ende des 19. Jahrhunderts durch Teobert Maler dokumentiert. Berühmt sind die fein gearbeiteten Gesichtsdarstellungen in der Höhle Loltün und die Gravierungen von Tancah.
Die bekanntesten guatemaltekischen Felskunstwerke sind die 200 mittelklassischen Flach-reliefs von Santa Lucia Cotzumalhuapa (ca. 500 u.Z.). Sie zeigen naturalistische Darstellungen von Ballspielern und Opferszenen. Felsbilder werden vom See Ayarza und vom Vulkan Tajumulco berichtet. Gravuren von Schlängellinien, Spiralen und stilisierten Gesichtern tau-chen in der Nähe der alten Mayazentren Yaxha und Copan auf.
Eine der am besten dokumentierten Felskunststätten El Salvadors ist die Höhle „Gruta de Corinto“ im Verwaltungsbezirk Morazan. Sie verbirgt rote und gelbe Felsmalereien und in den Stein geschlagene Figuren. In der Höhle „Cueva del Toro“ in der Region Tecomatal befinden sich neben den Gravuren Schriftzeichen der Maya. Nur selten werden in Zentralamerika Überlagerungen von Felsmalereien und -gravuren entdeckt. Bei dem Ort San Jose Villanueva im Departament La Libertad konnten dennoch auf einer Gravur rote Farbspuren nachgewiesen werden.
Das Comayaguatal ist das zentrale Felskunstgebiet in Honduras. Besonders oft dargestellt werden gefiederte Schlangen. Einige dieser Abbildungen ähneln Figuren auf der Keramik der historischen Chorotega. In den karibischen Tieflandregionen von Honduras, Nikaragua und Costa Rica wurden bisher nur Petroglyphen gefunden. Das heißt aber nicht automatisch, daß in prähistorischen Zeiten keine Felsbemalungen angefertigt wurden. Das feuchtheiße tropische Klima und das Fehlen schützender Höhlen reduziert deren Erhaltungschanchen jedoch auf ein Minimum. Immer wiederkehrende Motive der
Petroglyphen sind konzentrische Kreise sowie stilisierte Gesichter und Tiere.
Die pazifische Hochlandregion Nikaraguas ist das am umfangreichsten dokumentierte Fels-kunstgebiet Zentralamerikas. Schon in den Reiseberichten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts wird von Felsgravuren berichtet. Die wissenschaftliche Erforschung und Beschreibung von Felskunst begann jedoch erst ein Jahrhundert später. Ihr Pionier, Hildeberto Maria, richtete seine Arbeit v.a. auf zwei Inseln im Nikaraguasee. El Muerto und Ometepe verfügen über die höchste Konzentration von Felsgravuren in Zentralamerika. Die Darstellungen reichen von stilisierten Abbildungen von Menschen, Vögeln, Schmetterlingen, Hirschen oder Jaguaren bis zu abstrakten Dekors aus gewundenen Linien, Spiralen, konzentrischen Kreisen und becherförmigen Vertiefungen. Weitere Felskunststätten liegen in der Sierra de Managua. Die einzigen bekannten Felsmalereien Nikaraguas wurden in der Nähe des Nihapasees gefunden.
Keine Bemalungen konnten bisher in Costa Rica und in Panama dokumentiert werden. Bekannte Felskunststätten der Hochlandregionen Costa Ricas liegen im Nationalpark Santa Rosa und in den Tälern des Rio de El General sowie des Rio Tempisque. Im Flußgebiet des letzteren Stromes wurden Phallusdarstellungen und Flachreliefs gefunden. Am Besten dokumentiert sind die Gravuren im zentralen Hochlandtal des Rio Reventanzon. Umfangreiche Grabungen sorgten hier auch für eine präzise Dokumentation des archäologischen Kontextes.
Für Panama existieren Beschreibungen von Felsgravuren v.a. aus den Regionen nordwestlich des Panamakanals. Wichtige Fundorte sind das Gebiet um den Vulkan Baru, Caldera und Remedios. Die Gravuren weisen große Ähnlichkeiten zu den Abbildungen des südlichen Costa Rica, der Antillen und der karibischen Küstengebiete Südamerikas auf. Häufig bedecken sie die gesamte Oberfläche eines Steines oder Felsblockes.
Für den südöstlichen und den nordwestlichen Teil Kolumbiens können vier Felskunstgebiete unterschieden werden: die Flußtäler des Rio Cauca und des Rio Magdalena, das Hochland von Bogota und die Sierra Madre de Santa Marta. Diese Regionen waren Heimat der präkolumbischen Kulturen von Quimbaya, der Kulturen von Tierradentro und San Agustin, der Kultur der Muisca und der Taironakultur. In der Quimbayaregion des Caucatales und in der Region von Tierradentro befinden sich Felsen- und Schachtgräber, die Wandmalereien beherbergen. In San Agustin stießen die spanischen Eroberer auf steinerne Monumentalstatuen und Relief- platten. Sie stellen häufig Figuren mit Raubtierzähnen dar oder bilden über dem Kopf einer Figurliegende Wesen ab. Höhlen mit Felsmalereien befinden sich im Hochland von Bogota. Häufige Motive sind Zinnenbänder, Strichmännchen, Rechtecke mit innenliegenden Ornamenten sowie Frosch- und Eidechsenfiguren. In der Sierra Nevada de Santa Marta wurden bisher ausschließlich Felsgravuren dokumentiert. Die wichtigsten Bilder liegen im Hochwald von Donama.
Felsbemalungen befinden sich in der Regel an besonders geschützten Stellen wie Höhlen oder Überhängen. Aus Zentralamerika sind monochrome und polychrome Bilder sowie flächenhafte und lineare Darstellungen bekannt. Daneben existieren viele Mischformen. Perspektivi-sche Darstellungen sind sehr selten. Häufig verwendet wurden die Farben Weiß, Schwarz und Rot. Als Pigmente benutzten die prähistorischen Künstler Kalziumkarbonate und Gipse für Weiß, Ruße für Schwarz und Hämoglobin für die rote Farbe. Das oftmalige Auftauchen dieser Farben ist v.a. ihrer großen natürlichen Verfügbarkeit geschuldet und resultiert weniger aus besonderen künstlerischen Vorlieben. Als Bindemittel dienten Blut und leimartige Substanzen aus Knochen und Haut.
Gravuren treten häufig auch an Flußrändern, Meeresufern, Bergspitzen und an Steinstelen auf. Sie wurden in den Stein geschlagen, geschliffen, geritzt und gerieben. Dabei kann die Oberfläche um das Motiv herum so abgeflacht werden, daß reliefartige Darstellungen entstehen. Die Muster können auch als Vertiefungen in den Stein eingebracht werden. Beim Schlagen von Linien bilden sich rauhe, unebene Striche. Diese wurden oft durch Abschleifen oder Abreiben der Kanten geglättet. Gravuren konnten mit Werkzeugen aus Stein, Quartz, Obsidian oder Jade angefertigt werden. Die angewandte Technik war abhängig von der Art des bearbeiteten Untergrundes. Während weiche Kalksteine feinere und tiefere Gravuren gestatteten, erlaubten harte Granite nur flache Striche. Viele der zentralamerikanischen Gravu-ren befinden sich auf vulkanischem Gestein.
Die Datierung von Felskunst ist sehr problematisch. Absolute Datierungen zielen auf die Ermittlung eines konkreten Zeitpunktes und gelingen nur in Ausnahmefällen. Relative Datie-rungen versuchen dagegen eine Altersbestimmung durch den Vergleich mit anderen Fels-kunstwerken oder mit archäologischen Objekten. Besondere Hindernisse stellen sich der Datierung von Felsgravuren entgegen, da diese im Gegensatz zu Felsbemalungen oft keine organische Rückstände enthalten. Anhaltspunkte für eine Altersbestimmung können hier der unterschiedliche Grad der Gesteinspatinierung oder das Ausmaß der Überwucherung der Gravuren mit Flechten sein. Häufig machen sich relative Datierungen den Umstand zunutze, daß sich Felsbilder überlagern. Anhand von unterschiedlichen Techniken und Stilen der Darstellung wird dabei versucht, verschiedene typologische Bildgruppen zu ermitteln.
Verschiedene Felsbildtypen werden in der Regel unterschiedlichen Zeiten und Bevölkerungen zugeordnet. Die so definierten Gruppen besaßen wahrscheinlich viele kulturelle Ge-meinsamkeiten. Sie müssen ethnisch jedoch nicht homogen gewesen sein. Bis in das 19. Jahrhundert vermuteten viele Berichte außereuropäische Urheber als Autoren der Felsbilder Zentralamerikas. Frühe Aufzeichnungen von Missionaren sahen in ihnen Teufelswerke. Andere Interpretationen glaubten an asiatische Gruppen als Schöpfer der zentralamerikanischen Felskunst. Fast alle historische Quellen aus der frühen Kolonialzeit schweigen in Bezug auf Felskunsttraditionen der beobachteten indigenen Gruppen. Heute gilt es jedoch als sicher, daß die uns bekannten Felskunstwerke von neolithischen indigenen Bevölkerungen angefertigt wurden. Es ist grundsätzlich jedoch auch nicht auszuschließen, daß bereits paläolithische und mesolithische Bevölkerungen als Schöpfer von Felskunst in Er-scheinung traten.
Verläßliche Zuordnungen bestimmter Felskunstwerke zu ethnischen Gruppen sind aufgrund fehlender schriftlicher Berichte nicht möglich. Die Zerstörung der ursprünglichen indigenen Kulturen erschwert eine ethnische Bestimmung von Felskunst zusätzlich. Die heutigen indigenen Gruppen Zentralamerikas besitzen keine Felskunsttraditionen. Nach ihren Deutungen sind Felsblöcke mit Gravuren auf diese Art und Weise gewachsen (Arawak). Chibchagruppen in Kolumbien vermuten, daß Felsgravuren von mythischen Ahnen oder von Geistern angefertigt wurden. Die Kulturheroen Bochica (Muisca) und Maleiwe (Wayü) sollen ihre Fußabdrücke auf Stein hinterlassen haben. Die Teribe in Costa Rica glauben, daß in Petroglyphen Gold verborgen sein könnte. Für die Boruca kennzeichnen sie heilige Plätze und können schlechte Träume oder Krankheiten verursachen.
Die wissenschaftliche Frage nach der Bedeutung von Felsbildern umfaßt drei unterschiedliche Ebenen. Sie kann sich einerseits auf die Identifizierung der dargestellten Figur beziehen (bild-liche Bedeutung). Eine zweite orientiert auf das Auffinden des Sinngehaltes eines Motives (inhaltliche Bedeutung). Darüber hinaus kann die Bedeutung den Zweck des Dargestellten meinen (soziale Bedeutung). Abbildungen von tierartigen und menschenartigen Wesen treten in Zentralamerika sehr häufig auf. Oft erscheinen auch Gegenstände, geometrische Figuren und irreguläre Zeichen auf Felsflächen. Nur selten werden dagegen Pflanzen dargestellt. Stilistisch lassen sich Felsbilder nach naturalistischen, schematischen oder abstrakten Darstellungen unterteilen. Je eher das Abbild dem realen Vorbild gleicht und je reichhaltiger die dargestellten Details sind, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit den Bildern inhaltliche Informationen entlocken zu können. Ein Felsbild kann aber nur visualisierbare Tatbestände aufzeigen und nicht die kulturellen Werte selbst darstellen. Abstrakte Darstellungen und stereotyp wiederkehrende Verbindungen können Ideen oder Vorstellungen versinnbildlichen, die eher einem sprachlichen Begriff entsprechen.
Die soziale Bedeutung von Felskunstwerken wird häufig in Verbindung mit magisch-religiö-sen Praktiken gesehen. Felskunst kann zur Kennzeichnung von Grabstellen, zur Markierung heiliger Plätze oder als Darstellung für Jagd- und Analogiezauber gedient haben. Froschmotive gelten in Publikationen oft als Zeichen von Regen- und Fruchtbarkeitskulten. Kreise mit fächerförmig nach außen laufenden Linien werden dagegen meist als Symbole der Sonnenverehrung ausgelegt. Die häufige Darstellung stilisierter Gesichter kann auf den in Zentralamerika weit verbreiteten Trophäenkult hinweisen. Negative oder postive Handabdrücke sind vielleicht das Resultat von Pubertätszeremonien, wie sie aus dem Südwesten der USA berichtet werden. Von manchen Felsmalereien wird angenommen, daß sie unter dem Einfluß von haluzinogenen Substanzen entstanden sind. Bei anderen Felsbild-motiven werden eher profane Funktionen vermutet. Besonders Tierdarstellungen gelten häufig als totemistische Gruppensymbole. Sie dienten vielleicht zur Kennzeichnung von Grenzlinien oder zur Markierung von Nutzungsrechten. Manche Wissenschaftler glauben an eine Funktion als Landkarten oder als Kalender. Felsgravuren werden auch als mnemotechnische Zeichen, als Hilfsmittel zur Maniokbearbeitung oder als Mulden zur Herstellung von Goldfiguren interpretiert. Andere Deutungen vermuten, daß Felskunst eher das Ergebnis spielerischer Freizeitbeschäftigung ist. Das Ziel einer Gravur oder einer Bemalung sei nicht die Darstellung von Inhalten, sondern der Prozeß des Steinschmückens gewesen.
Die Existenz vieler Felsbilder ist bedroht. Die hauptsächlichen Ursachen ihrer Zerstörung sind natürliche Faktoren. Hitze, Feuchtigkeit und andere atmosphärische Einflüsse unterstützen die Verwitterung von Malereien und Gravuren. Daneben nimmt jedoch die Zerstörung von Fels-kunst durch menschliches Einwirken zu. Durch die Hitzeentwicklung beim Abbrennen des Rodlandes platzen häufig die Steinoberflächen mit den Gravuren vom Kern des Steines ab. Auch der immer umfassenderen infrastrukturellen Erschließung fallen viele Felskunststätten zum Opfer. Es existieren Berichte über die Verwendung von Petroglyphen als Baumaterial bei der Errichtung von Straßen, Häusern und Eisenbahnlinien. In einigen Fällen, wie z.B. beim Bau des Stausees von Guri (Venezuela), führte die Errichtung von Wasserkraftwerken und Staudämmen zur Überflutung von Felskunststätten. Oft kratzen Touristen die Gravuren nach oder hinterlassen ihre Initialen auf dem Stein. Der Schutz von Felskunststätten muß daher Aufgabe staatlicher und privater Initiativen werden. Eine Möglichkeit öffentlichen Engagements ist die Errichtung von Nationalparks. Ein nachhaltiger Schutz von Felskunst in Zentralamerika kann jedoch nur unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung geleistet werden.
——————————————–
Literatur:
Anati. Emmanuel (1991): Felsbilder: Wiege der Kunst und des Geistes. Zürich.
Bonilla P., .Janina (1974): Algunos Petroglifos de Costa Rica. in: America Indigena. vol.34. no. 2. pp. 319-332. Mexico.
Duhelaar. Cornelius N. (1986): South American and Carribean Petroglyphs. Dordrecht.
Harte. Neville A. (1961): Panorama of Panama Petroglyphs. Panama.
Maria. Hildeberto (1968): El Muerto. Isla Santuario. Estudio de su arte rupestre. Managua.
Steward. Julian H. (ed.) (1948): Handbook of South American Indians. Washington D.C.
Strecker. Matthias (1982): Rockart of East Mexico and Central America. Los Angeles.
Stone. Doris Z. (1948): The Basic Cultures of Central America, in: Handbook of South American Indians. 4:169-193. Washington