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SPD spricht erneut mit gespaltener Zunge: Assoziierungsabkommen EU – Zentralamerika im Bundesrat gebilligt

Peter Gärtner | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Lateinamerika: Bundesrat billigt Assoziierungsabkommen EU - Zentralamerika - Foto: Bundesrat, Frank BräuerLetzten Freitag, dem 7. Juni 2013, wurde das Assoziierungsabkommen der EU mit Zentralamerika im Bundesrat mit knapper Mehrheit gebilligt. Hatte die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zuvor noch mit den Grünen und den Linken gegen das Abkommen votiert, so verschaffte die SPD in der letztlich entscheidenden Abstimmung in der Länderkammer der schwarz-gelben Regierungskoalition die notwendige Mehrheit. Indem Hamburg, wo die SPD allein regiert, und die fünf von einer großen Koalition aus SPD und CDU regierten Länder zusammen mit den drei schwarz-gelben Regierungskoalitionen in Bayern, Hessen und Sachsen stimmten, reichte es für die abschließende Ratifizierung des umstrittenen Abkommens. Dabei hätten die 36 Stimmen aller acht Bundesländer, in denen die SPD allein oder in Koalition mit Grünen bzw. Linken regiert, gereicht, um dies zu verhindern.

Hans-Werner Ehrenberg, Zentralamerika-Experte der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, kommentierte den 180-Grad-Schwenk der SPD mit folgenden Worten: „Besonders erfreulich ist, dass die Opposition, nachdem sie das Abkommen im Bundestag am 25. April abgelehnt hatte, sich eines Besseren besonnen und im rot-grün dominierten Bundesrat nun doch zugestimmt hat.“ Soviel Dank seitens der Liberalen muss man sich erst einmal verdienen.

Die zahlreichen Kritiker des Abkommens, die bis zuletzt auf die Enthaltungen von Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern gehofft hatten, zeigten sich hingegen tief enttäuscht. Die SPD-Minister in diesen beiden östlichen Bundesländern hatten sich dem parteiinternen Druck aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen beugen müssen. Damit hat Deutschland als erster Staat der EU das Assoziierungsabkommen mit Zentralamerika ratifiziert.

Vorausgegangen war dem eine Entscheidung des Europaparlaments vom 11. Dezember 2012, das dieses Vorhaben zusammen mit einem Freihandelsabkommen mit Peru und Kolumbien gebilligt hatte. Bereits bei letzterem zeigen sich die Muster sozialdemokratischer Doppelzüngigkeit: Im Bundestag, wo ein solches Stimmverhalten wegen der klaren Regierungsmehrheit nichts bewirkt, dagegen stimmen, um anschließend im Bundesrat, wo die SPD das Zünglein an der Waage spielt, umzufallen und der Regierungskoalition die entscheidenden Stimmen zukommen zu lassen. So hatten bei der Abstimmung in der Länderkammer am 3. Mai 2013 die drei Stimmen des Saarlandes, das sich bei einer entsprechenden Entscheidung der mitregierenden SPD auch hätte enthalten können, den Ausschlag gegeben. Das Freihandelsabkommen zwischen der EU einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits konnte so mit 36 zu 33 Stimmen beschlossen werden. Eine gegenteilige Entscheidung im Bundesrat hätte das EU-Votum ungültig gemacht.

Beide Abkommen stehen ganz im Zeichen der EU-Handelsstrategie. Ziel ist es, in Konkurrenz mit aufsteigenden Schwellenländern und den USA den Zugang zu neuen Absatzmärkten zu suchen und gleichzeitig die Rohstoffzufuhr für europäische Unternehmen zu sichern. Dies bedeutet zum einen, dass letztere die größten Profiteure der Abkommen sein werden. Zum anderen wird der intensivierte Warenaustausch Land- und Umweltkonflikte in den lateinamerikanischen Ländern weiter verschärfen. Entgegen eindeutigen Warnungen von praktisch allen NGOs, Gewerkschaften und kirchlichen Organisationen, die in Peru und Kolumbien engagiert sind, setzt Deutschland damit auf die Verfestigung der ungleichen Handelsstrukturen.

Die wesentlichen Kritikpunkte am Assoziierungsabkommen mit Zentralamerika, die von 28 Organisationen in einem offenen Brief an die Mitglieder des Deutschen Bundesrats am 15. Mai vorgebracht wurden, lauten:

a) Menschenrechte, arbeitsrechtliche und Umweltstandards haben keinen ausreichenden Stellenwert in den ausgehandelten Abkommen. Es gibt keine funktionierenden Sanktionsinstrumente, die Handelsinteressen stehen weit über Menschen-, Arbeits- und Umweltrecht.

b) Das Abkommen leistet keinen Beitrag zur eigenständigen und nachhaltigen Entwicklung in der zentralamerikanischen Region, sondern fördert die Expansion der landwirtschaftlichen Monoproduktion von Rohstoffen wie z.B. Palmöl und Zucker (Bio-Ethanol).

c) Die Verdrängung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft durch die Agrarindustrie verschärft die sozialen Konflikte, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen werden aller Voraussicht nach zunehmen. Vertreter betroffener Sektoren und soziale Bewegungen aus Zentralamerika bezeichnen das Assoziierungsabkommen als eine reine Kopie des US-amerikanischen Freihandelsvertrag CAFTA (engl.: Central American Free Trade Agreement). Es war am 29. Juni 2012 nach mehr als fünf Jahren Verhandlungen in Tegucigalpa (Honduras) von Repräsentanten beider Regionalblöcke unterzeichnet worden. Bislang haben innerhalb Zentralamerikas die Parlamente von Honduras, Nicaragua und Panama das Abkommen ratifiziert.

El Salvador: Landschaft - Foto: Lydia KoblofskyGegner des Assoziierungsbkommens mit Zentralamerika befürchten, dass durch dieses die seit Jahren zu beobachtende Gewaltwelle in der Region verstärkt wird. Neben einer weitgehenden Straffreiheit und äußerst schwachen demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen lägen die Wurzeln dieser negativen Entwicklung „in der strukturellen Gewalt der extremen sozialen Ungleichheit, der Diskriminierung vor allem von Frauen und indigenen Völkern, der Reproduktion von Hunger, Armut und damit verbundenen scharfen sozialen Konflikten“, heißt es dazu in dem Brief vom 15. Mai. Honduras sei das Land mit der aktuell höchsten Mordrate weltweit. Das Vertragswerk würde dieser Entwicklung Vorschub leisten und hat zudem nach Ansicht der Unterzeichner nicht nur katastrophale Folgen für die Gesellschaft, sondern auch für die Umwelt. So werde sich der Druck auf die Landnutzung verstärken, wenn die Folgen von Bergbau, Abholzung und Agrartreibstoff-Produktion durch die Anreize wie Zollfreiheit, die das Abkommen vorsieht, zunehmen.

Nach der Zustimmung des deutschen Bundesrates kommt Martin Wolpold-Bosien (FIAN International) – einer der Initiatoren des offenen Briefes – zu folgendem Schluss: „Die SPD-Landesregierungen haben lieber mit der Bundesregierung gestimmt als mit der eigenen Bundestagsfraktion. Glaubwürdige Politik sieht anders aus. Wir hoffen, dass das Abkommen nun in einem der anderen 26 Mitgliedstaaten der EU zurückgewiesen wird.“ Es lohnt sich also, europaweit gegen die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens mit Zentralamerika mobil zu machen.

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Bildquellen: [1] Bundesrat_, Frank Bräuer; [2] Quetzal-Redaktion, Lydia Koblofsky

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