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„Die Indianer kommen“: Ein Film von Carola Wedel

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Gesehen: Die Indianer kommen_Carola Wedel_Kogi_maske_snapshot

Der Filmtitel klingt wie eine Warnung aus einem alten Western, auf jeden Fall schwingt irgendwie ein „Achtung!“ mit. Dabei erzählt der Film nur eine kleine Geschichte, die, wie es scheint, weite Kreise ziehen und sich zu einer richtig großen Geschichte auswachsen könnte. Sie könnte sogar eine Lawine auslösen.

Und diese Geschichte geht so: Wie im Nutzungskonzept für das Projekt „Berliner Schloss – Humboldt-Forum“ vorgesehen lud Stiftungspräsident Hermann Parzinger Vertreter indigener Völker Amerikas nach Berlin ein, um mit ihnen in einen Dialog zu treten. Da das Humboldtforum ein „Zentrum der Erforschung außereuropäischer Kulturen“ werden soll, erhalten die Indigenen die Gelegenheit, ungenaue oder verquere Vorstellungen von ihrer Kultur zu korrigieren. Die geplante Ausstellung wird – so die Vorstellung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – etwas völlig Neues: genau, authentisch, völkerverbindend.

Der Film „Die Indianer kommen“, Teil einer Langzeitstudie von Carola Wedel über das Humboldt-Forum, begleitet nun drei Gruppen von Indigenen in Berlin: Tukano (Desana und Kotiria) aus Brasilien, Ye‘kuana und Pemón aus Venezuela sowie Kogi aus Kolumbien. Das Filmteam besuchte außerdem die Kogi in Kolumbien, und kann so einen interessanten Einblick in die religiösen Bräuche dieses Volkes geben.

Die Reaktionen der indigenen Gäste in Berlin waren sehr heterogen, was insofern nicht verwundert, als sie sehr unterschiedlicher Herkunft waren. Bei den Venezolanern handelte es sich offensichtlich vor allem um Studenten der Ethnologie und Anthropologie, für die der Berlinbesuch nicht zuletzt auch ein Studienaufenthalt war. Sie konnten hier authentische Objekte ihrer Kultur studieren, die in ihrer Heimat in dieser Fülle wohl kaum noch zu finden sind. Sie waren ebenso wie die Gäste aus Brasilien dankbar für die Gelegenheit, der eigenen, fast verschütteten Kultur zu begegnen. Und sie konnten tatsächlich einen wertvollen Beitrag zur Gestaltung der Ausstellung leisten.

Bei den kolumbianischen Gästen war das aber ganz anders. Die Kogi, die sich selbst kággaba nennen, sind nicht „assimiliert“, sie konnten ihre Traditionen weitgehend bewahren. Und so sahen sich die Mámas, Priester und geistliche Führer ihrer Gemeinden, im Museum mit Gegenständen ihres rituellen Alltags konfrontiert, also mit Objekten, die aufgrund ihrer Bedeutung nichts in diesen Vitrinen zu suchen haben. Hier muss erwähnt werden, dass die Kogi (laut Informationen im Internet) zunächst einer Einladung des kolumbianischen Botschafters in Deutschland, Juan Mayr, folgten. Der hatte von zwei Sonnenmasken der Kogi im Ethnologischen Museum Dahlem erfahren und die Mámas eingeladen, sich diese anzusehen.

Die aus dem 15. Jahrhundert stammenden Masken kamen vor ca. 100 Jahren mit dem Ethnologen Konrad Theodor Preuss nach Berlin. Dieser hatte sie „rechtmäßig“ gekauft, wohl wissend, dass die Transaktion alles andere als koscher war: Der Verkäufer war kein Máma, er hätte die Masken nicht verkaufen dürfen. Die Masken sind also Hehlerware. Für die Kogi selbst liegt der Fall aber noch etwas anders, sind die Masken doch lebendige Wesen. „Diese Objekte sind wesentliche Elemente unserer Kultur und unseres Wissens. Ohne sie ist es das Ende, auch das Ende vom Gleichgewicht mit der Natur“, betont José de los Santos Sauna Limaco, der politische Sprecher der Kogi. Die Forderung, diplomatisch aber bestimmt: Die Masken müssen zurück.

Und hier nimmt der „Dialog der Kulturen“ seltsame Formen an. Für Hermann Parzinger sind alle Objekte der Stiftung sowieso ehrlich erworben und müssen nicht zurückgegeben werden. Kulturstaatsministerin Monika Grütters spricht „von einer Fürsorgepflicht fürs Menschheitskulturerbe“. Und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier stattete den Kogi im letzten Jahr sogar einen Besuch ab. Zudem lässt die Regierung ein Rechtsgutachten erstellen. Aber davon berichtet der Film, der die Geschichte der Masken behutsam, ohne Stellung zu beziehen, aber mit viel Sympathie schildert, nicht mehr.

Ja, die Indianer kommen tatsächlich. Und sie lassen sich nicht mehr mit Glasperlen abspeisen.

 

Die Indianer kommen. Regie: Carola Wedel (Deutschland 2015). 

Bildquelle: Snapshot

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