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Víctor Montoya – Microcuentos – Teil 9

Víctor Montoya | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

QUETZAL veröffentlicht exklusiv die deutsche Übersetzung einer weiteren Reihe von “Microcuentos” des bolivianischen Schriftstellers Víctor Montoya.

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Der Anarchist

kultur_montoya_Microcuentos9-1_Quetzalredaktion_Edwin_EschweilerDer Befehlshabende ließ das Feuer des Erschießungskommandos eröffnen. Zehn Schüsse klangen wie ein einziger. Von dem Kugelhagel durchsiebt sackte der Anarchist in sich zusammen und landete rücklings auf dem Boden. Das Blut floss aus allen Wunden seines Körpers, und seine Augen schienen zu schreien: Ich scheiße auf euch verfluchten Hurensöhne.

Der Demonstrant

Der Demonstrant kämpfte sich zwischen Knüppelschlägen, Spruchbändern, Tränengas, Geschossen und Protestrufen durch bis zu dem Hauptmann, der den Befehl gegeben hatte, die Gegner der Militärdiktatur niederzuprügeln. Augenblicke später zündete der Demonstrant wutentbrannt das Dynamit, das er auf der Brust versteckt bei sich führte und umarmte den Hauptmann, bis eine starke Explosion den düsteren Himmel mit Blut befleckte, genau in dem Moment als der Massenprotest auf den Straßen aufwallte.

Der Sklave

Seine Rebellion kostete ihn das Leben. Mit Säbelhieben wurde er enthauptet und sein Körper sodann zu Asche verbrannt, um zu verhindern, dass sein Schatten wie ein Vogel zwischen den Flammen des Scheiterhaufens entkäme.

kultur_montoya_Microcuentos9-2_Quetzalredaktion_Edwin_EschweilerDer Gefangene

In jener Nacht mit sternenklarem Himmel und kalten Winden fand der Häftling keinen ruhigen Schlaf. Er wusste, bei Tagesanbruch würde man ihn vor ein Exekutionskommando stellen und hinrichten.

Schlusspunkt

Angeblich sei sein Leben ein geladener Revolver und sein Tod jede Menge Stories gewesen, die stark nach Schießpulver rochen. Der Schlusspunkt seiner letzten Erzählung sei das Loch gewesen, das er sich in den Kopf geschossen hat.

Das Duell

Auge um Auge, Zahn um Zahn“, flüsterten die Leute.

Die Kontrahenten standen sich breitbeinig von Angesicht zu Angesicht gegenüber und zogen die Pistolen. Die Schüsse pfiffen durch die Luft. Der eine fiel auf den Rücken, zweimal in den Kopf getroffen. Der andere, von einer Kugel nur leicht verletzt, schob die Pistole ins Holster und zog sich langsamen Schrittes und unbehelligt zurück.

Beim Duell ist es nicht anders als im Leben, murmelten die Leute, wer zuerst abdrückt, feuert zweimal.

Standrechtliche Erschießung

Bitte recht freundlich, ihr Scheißkerle!, befahl der Hauptmann. Dann drückte er auf den Auslöser des Fotoapparates.

Der Verdienstvolle

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Es war sein Wunsch im Stehen begraben zu werden, so wie die tapferen Kämpfer im Stehen sterben. Seine Haltung war zeitlebens aufrecht, und so sollte es auch im Tod sein. Als allseits geachteter Mann entschied er, in senkrechter Position beigesetzt zu werden in einem Grab,

geschmückt mit all den Ehrenzeichen, die er zu Lebzeiten erhalten hatte, sowie einem Grabstein mit der Inschrift: Besser im Stehen sterben als auf Knien leben!

Porträt

Nachdem der Parkfotograf das Blitzlichtgewitter seiner Kamera ausgelöst hatte, nahm er meine Seele auf, in schwarzweiß.

 

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Übersetzung aus dem Spanischen: Gabriele Eschweiler

Abbildungen: Quetzal-Redaktion, Edwin Eschweiler

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