Heute vor 50 Jahren wurde Ernesto Che Guevara in La Higuera (Bolivien) auf Anordnung der regierenden Militärs ermordet. Wir nehmen den Todestag des lateinamerikanischen Revolutionärs zum Anlass, um sein Wirken aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Wir beginnen mit dem „Bolivianischen Tagebuch“, in dem der Guerillero selbst die letzten elf Monate seines Kampfes mit einer für ihn typischen Mischung aus nüchterner Ehrlichkeit, zornigem Mitgefühl für die Unterdrückten und Ironie für die eigenen Schwächen beschreibt. Bis zum 14. Juni 2018, dem 90. Geburtstag von Che, wollen wir in monatlichen Beiträgen das Spannungsverhältnis deutlich machen, das seine Persönlichkeit und sein Vermächtnis bis heute kennzeichnen. Che Guevara wurde einerseits von den Widersprüchen einer konkreten historischen Epoche geprägt, die heute längst vergangen ist, während er andererseits Haltungen einforderte und Hoffnungen formulierte, die weit in die Zukunft reichen.
Dass er vielen zum Mythos wurde, ist uns Anlass, den suchenden, empathischen und irrenden Menschen, der er Zeit seines Lebens war, in den Mittelpunkt zu rücken. Was machte ihn zum Revolutionär? Welche Erfahrungen, Eigenschaften und Kämpfe führten ihn an der Seite Fidel Castros bis an die Spitze der ersten sozialistischen Revolution in der westlichen Hemisphäre? Worin liegen die Ursachen seines tragischen Scheiterns? Woraus erklärt sich seine über den Tod hinausreichende Wirkungskraft? Welche Debatten löst Ernesto Che Guevara heute noch aus? All diesen Fragen wollen wir mit unseren bescheidenen Möglichkeiten nachgehen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder der Wahrheit letzten Schluss erheben zu wollen.
Wie jede große Persönlichkeit spiegelt sich auch Che Guevarra in doppelter Weise in der Zeit – zum einen in der Geschichte seiner Epoche, zum anderen in den Interpretationen der Gegenwart und Zukunft. Dabei sollten wir nicht vergessen, dass sein Leben von jener revolutionären Glut und Ungeduld geprägt war, die bereits ein Jahr nach seinem frühen Tod in der globalen Zäsur von 1968 ihren Höhepunkt fanden. Gerade weil sich in den letzten 50 Jahren so viel verändert hat, können uns die 14 Jahre zwischen 1954 und 1967, in denen Ernesto Guevara als Che auf der Weltbühne wirkte, als Orientierung und Kraftquell dienen. Das heute begonnene Dossier möchte einen Beitrag dazu leisten.
Leipzig, 9. Oktober 2017
QUETZAL-Redaktion