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Die Hetzjagd (span: La cacería del nazi, franz: la traque)

W.D. | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten
Rezension - Die Hetzjagd (89 Downloads )

Die Hetzjagd (Span.: La cacería del nazi).„Komm´ mit zum Casting. Es werden noch Nazis gebraucht. Die suchen nach Statisten in der deutschen Schule.“ So erfuhr ich während eines Aufenthalts in Bolivien im Sommer 2007 von einer Bekannten, dass gerade einige Szenen eines Films über die Jagd nach dem Nazi-Kriegsverbrecher Klaus Barbie in La Paz gedreht wurden. Das Casting verpasste ich, aber im Sommer 2008 war ich pünktlich zur bolivianischen Filmpremiere zurück in La Paz und ging mit ins Kino.

In La Paz war „La cacería del nazi“ (auf Deutsch „Die Hetzjagd“) in aller Munde, und die Presse nutzte den Zeitpunkt der Kinopremiere, um ausführlich über das Leben von Nazis in Bolivien zu berichten. In Deutschland hat man von der französisch-deutschen Koproduktion mit Hans Zischler und Franka Potente in den Hauptrollen bisher kaum etwas gehört. Als Fernsehfilm läuft er nun am 2. Oktober 2009 auf Arte.

Erzählt wird die Geschichte der Klarsfelds, dem Ehepaar aus Paris, das bereits in den sechziger Jahren als Nazijäger bekannt wurde, und es geschafft hat, mehrere Altnazis vor Gericht zu bringen. Die Festnahme von Klaus Barbie, einem der schlimmsten Kriegsverbrecher der NS-Zeit, auch als Schlächter von Lyon bekannt, war ihr größter Erfolg. Im Jahr 1971 spürten Sie diesen in Lima auf, wo er mittlerweile unter dem Namen Klaus Altmann lebte. Aber erst 12 Jahre später konnte er nach mehreren gescheiterten Versuchen verhaftet und nach Frankreich ausgeliefert werden. Der Regisseur, Laurent Jaoui, versucht zu zeigen, wie schwer es war, Klaus Barbie zu überführen. Zudem wird deutlich, dass sich Barbie – und andere Nazi-Kriegsverbrecher – ohne den Einsatz der Klarsfelds vielleicht nie oder erst Jahre später vor einem Gericht für ihre Taten hätten verantworten müssen. Beate und Serge Klarsfeld haben nichts unversucht gelassen, um Barbie zu fassen. Sie suchten Mitstreiter in Europa und in Südamerika, wobei sie des Öfteren sogar in Lebensgefahr gerieten. Nachdem die Klarsfelds Barbie in Lima entdeckt hatten, flüchtete dieser kurzerhand nach Bolivien. Dort wurde er mit offenen Armen empfangen und verbrachte die nächsten Jahre unter anderem als Berater des Diktators Hugo Banzer. Erst 1983, als nach Amtsantritt von Siles Zuazo als bolivianischem Präsidenten der Übergang zur Demokratie begann, konnte Barbie in La Paz verhaftet, zurück nach Frankreich geschickt und vor Gericht gestellt werden.

Die historischen Fakten bieten den idealen Stoff für einen Politthriller. Die Umsetzung ist jedoch leider nicht so gut gelungen. Zuschauer, die einfach nur Unterhaltung wollen, könnten enttäuscht werden. Wer sich für die Nazijagd der Klarsfelds oder Tätigkeiten und Einfluss von Barbie in Bolivien interessiert, sollte sich den Film auf jeden Fall ansehen, die Erwartungen jedoch nicht zu hoch stecken. Es sind so viele Aspekte der Suche nach Barbie und deren Kontext in den Film gepackt, dass letztendlich fast alle Erzählstränge zu kurz kommen. Eine Szene jagt die andere. Die Schauplätze in Bolivien, Frankreich, Deutschland, Peru und Chile wechseln in atemberaubendem Tempo. Für den Zuschauer bleibt vieles unverständlich. Darunter leidet auch die Spannung. Nur am Rande erfährt man von Barbies Verwicklung in die bolivianische Politik. Vielleicht wäre es besser gewesen, einige Szenen zu streichen und andere dafür auszubauen. Die schauspielerische Leistung ist gemischt. Während Hans Zischler den Nazi Klaus Barbie sehr glaubhaft verkörpert, gelingt es Franka Potente und Ives Attal leider nicht, ihre Rollen als Beate und Serge Klarsfeld mit Leben zu füllen. Positiv hervorgehoben werden muss jedoch, dass die Szenen, die in Bolivien spielen, sehr authentisch wirken. Da abgesehen von Dokumentarfilmen, kaum ein Film mit einer Handlung in Bolivien in deutschen Kinos oder Fernsehen läuft,  ist das allein schon ein Grund, sich „Die Hetzjagd“ anzuschauen.

Wer eine Darstellung der grausamen Verbrechen Klaus Barbies während seiner Zeit als Gestapo-Kommandant in Lyon erwartet (was in „Die Hetzjagd“ ausgespart blieb), sei auf den 1988 erschienenen Dokumentarfilm Hôtel Terminus: Zeit und Leben des Klaus Barbie von Marcel Ophüls verwiesen.

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Die Hetzjagd (Fernsehfilm Deutschland, 2008, 108mn)
Regie:               Laurent Jaoui
Drehbuch:         Alexandra Deman, Laurent Jaoui
Produktion:       ARTE, AT-Production, Elzévir Films, RTL-TVI, TERZ Film, WDR
Schauspieler:    Hanns Zischler (Klaus Barbie), Franka Potente (Beate Klarsfeld), Yvan Attal (Serge Klarsfeld), Jesus Rojas (Gustavo Sanchez), Christophe Brault (Régis Debray), Sophia Eva Wilhelmi (Margaret)

Erstaustrahlung auf Arte:          Freitag, 2.10.2009, 21.00 Uhr
Wiederholung auf Arte:             Dienstag,  6.10.2009, 00:10 Uhr


Dieser Beitrag ist Bestandteil unseres Quetzal Bolivien-Tagebuchs: Bolivia en Movimiento Bolivia en Movimiento - Das Quetzal Bolivien-Tagebuch

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