Bereits seit Jahrtausenden werden die Blätter des Kokastrauches gegen Hunger, Kälte und die Höhenkrankheit gekaut. Erste schriftliche Erwähnungen darüber stammen aus der Zeit um 2500 bis 1800 v. Chr. Der älteste Nachweis für Koka sind Steinfiguren mit Kokabeuteln der Tiwanaku-Kultur auf dem heutigen Gebiet von Bolivien aus dem 4. Jahrtausend v.Chr. Der Kokastrauch gilt als die älteste Kulturpflanze auf dem amerikanischen Kontinent. Die spanischen Eroberer bemerkten früh, dass die Arbeit in den Bergwerken besser funktionierte, wenn die Arbeiter, die meist aus der Region stammten, Koka kauten. Denn die Minen befinden sich in hohen Gebirgslagen. Verwendet wurde und wird Koka jedoch auch für medizinische und religiöse Zwecke. So opfern Quechua und Aymara der Mutter Erde, Pachamama, Kokablätter. Zunächst soll das Kauen der Blätter oder das Trinken von Tee (coca mate) gar nur hohen Priestern und der Führungskaste erlaubt gewesen sein. Ob es dieser Kaste tatsächlich möglich war, dies zu kontrollieren, wird jedoch u.a. von Robert Lessmann, bezweifelt. Das Kokablatt hat einen hohen ernährungsphysiologischen Wert, wie die Analyse von 100 g Kokablättern ergeben hat. Sie enthalten 305 Kalorien, 19 g Proteine, 42,6g Kohlenhydrate, Spuren von Eisen, Kalzium, Phosphor, Vitamin A1, B2 und E. Der Gehalt von Alkaloiden (u.a. Kokain) liegt zwischen 0,25 und 2,25 Prozent ihres Gewichts.
Das bekannte US-amerikanische Brausegetränk, das den Namen der Pflanze trägt, enthält seit 1903 angeblich kein Koka mehr. Das Unternehmen bestreitet, Koka zu verwenden, kauft die Blätter jedoch nach Aussagen von Kokabauern noch immer in Bolivien, wohl, um daraus Aromastoffe herzustellen, die frei von Halluzinogenen sind. Doch das sind nur Spekulationen. Die bolivianische Regierung erhält dadurch zumindest Einnahmen, die nicht nur aus dem Export, sondern auch aus der Vergabe von Konzessionen resultieren.
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Exkurs Kokain
Bei Robert Lessmann (1994) ist zu lesen, dass Albert Niemann 1859 das wichtigste der 14 Alkaloide im Kokablatt isolieren konnte, dem er den Namen Kokain gab. Das Pharmaunternehmen Merck begann bereits 1862 mit der kommerziellen Herstellung von Kokain, das gegen verschiedene Krankheiten verabreicht wurde. Noch heute ist das deutsche Pharmaunternehmen der wichtigste legale Kokainlieferant. Die Droge Kokain in Form von weißem Pulver wird gewonnen, indem die Blätter des Strauches geerntet und in der Sonne getrocknet werden. Danach werden die Alkaloide extrahiert und dafür in ein Gemisch aus Schwefelsäure, Kerosin, Wasser und Karbonaten gegeben. Dabei entsteht eine Paste, die als Ausgangsbasis für die Herstellung von Kokain dient. Diese Herstellungsstufe ist noch nahe der Anbaugebiete zu finden. Dort wird die Paste oft geraucht und führt zu den entsprechenden Abhängigkeitsproblemen. Im zweiten Schritt, der Reinigung der Paste, werden große Mengen an Chemikalien und dementsprechend chemisches Wissen benötigt. Meist findet dieser Prozess andernorts statt. Nach einem weiteren chemischen Verfahren entsteht Kokain-Hydrochlorid (HCL), das über die Schleimhäute aufgenommen werden kann. Das weltweite Kokainangebot speist sich aus Kokapflanzungen, die hauptsächlich in Kolumbien, aber auch in Peru und Bolivien zu finden sind. Hier ließ sich in den vergangenen Jahrzehnten beobachten, dass der Anbau in den drei Staaten substituierend erfolgte. Sinkende Anbauflächen in Kolumbien führten zu einer Ausweitung des Anbaus in Bolivien und Peru. Wenn andererseits in Bolivien und Peru stärker gegen den Kokaanbau vorgegangen wurde, erhöhte sich der Anbau von Kokasträuchern in Kolumbien. Dies spiegelt sich in leicht sinkenden Preisen für Kokain bei gleichbleibender Reinheit des Stoffes wider.
Bolivien ist zudem ein wichtiges Transitland für Kokain, das von Peru oder Kolumbien nach Brasilien gebracht wird. Für Bauern und landwirtschaftliche Arbeiter ist der Kokaanbau lukrativ. Die Einnahmen, die sie aus alternativen Produkten erzielen, liegen weit unter denen der Kokaernte. Ein Kokabauer kann außerdem bis zu vier Ernten jährlich erzielen. Zwischen fünf und elf Prozent aller Bolivianer sind von diesem Einkommen abhängig. Kokain gilt als der größte Devisenbringer des Landes und in keinem anderen Land ist die Bedeutung der Droge relativ zur Volkswirtschaft größer.
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Zwischen 1951 [1] und 1988 galt die Kultivierung der Kokapflanze in Bolivien als illegal. 1961 schrieben die Vereinten Nationen in der Single Convention on Narcotic Drugs fest, dass das Kauen der Kokablätter innerhalb der nächsten 25 Jahre ausgemerzt werden müsse. Zudem sollten sich die Unterzeichner dazu verpflichten, wildwachsende und illegal kultivierte Kokasträucher zu zerstören. Alle Mitgliedsstaaten, inklusive Peru und Bolivien, unterzeichneten diese Konvention. Ausgenommen wurden jedoch der Export von Kokablättern, um daraus Aromastoffe zu gewinnen (also für Coca Cola), und der Anbau für medizinische und wissenschaftliche Zwecke. Anders als im Fall von Opium gab es keine Übereinkunft, wonach Kokabauern ihre Ernte an eine zentrale staatliche Organisation hätten verkaufen müssen. So überlebte in Bolivien ein traditioneller Markt für Koka. Unterdessen gab es verschiedene Versuche Boliviens und Perus, den traditionellen Gebrauch der indigenen Bevölkerung ihres Landes zu legalisieren. Durchsetzen konnten sie sich erst nach der Überarbeitung der Konvention von 1988. Die Vertreter der Regierungen argumentierten, dass ansonsten kulturelle Traditionen missachtet und letztlich Menschenrechte eingeschränkt würden. Im selben Jahr trat in Bolivien das Gesetz 1008 in Kraft, das den Anbau und den Gebrauch des Kokastrauches rechtlich regelt. 1994 kündigten die Weltgesundheitsorganisation und UNICRI (United Nations International Crime and Justice Research) einen Bericht über Koka und Kokain an. Der Bericht wurde nie veröffentlicht und demnach die positiven Auswirkungen von Koka auf die Gesundheit auch nie ins Zentrum der Debatte gestellt.
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[1] Bereits 1949 war eine Kommission der Vereinten Nationen nach Peru und Bolivien gereist, um sich über die Auswirkungen des Kauens von Kokablättern sowie über die Produktion und die Eindämmung des Anbaus zu informieren.
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Michael Kugler