Silber, Zinn und Erdgas bestimmten bisher die historischen und aktuellen Exportzyklen Boliviens. Seit ein paar Jahren ist allerdings ein neuer Rohstoff in aller Munde, der als das „graue Gold“ des 21. Jahrhundert gehandelt wird und Bolivien in das Post-Petroleum-Zeitalter führen soll: das Leichtmetall Lithium. Der Rohstoff, im Vergleich zu anderen Mineralen eher selten in der Erdkruste zu finden, kommt im Andenraum gleich in drei bisher bekannten Lagerstätten vor: dem Salar del Hombre Muerto (Argentinien), dem Salar de Atacama (Chile) und dem Salar de Uyuni (Bolivien). In den drei Salzseen lagern geschätzte 70 Prozent der weltweit bekannten und technisch ausbeutbaren Lithiumvorräte, wobei zu beachten ist, dass die immer noch herangezogene Bewertung der Reserven auf das Jahr 1976 zurückdatiert. Chile, bislang der weltweit führende Lithium-Produzent (2008: 12.000 Tonnen), könnte in naher Zukunft von Bolivien abgelöst werden, da laut U.S. Geological Survey im Salzsee von Uyuni mit 5,4 Mio. Tonnen gigantische Vorkommen vermutet werden. Der Rohstoff könnte also den nächsten Exportzyklus des Landes bestimmen, auch wenn für die nahe Zukunft gerade einmal der jährliche Abbau von 1.200 Tonnen geplant ist. International spricht man von Bolivien bereits als „Saudi Arabien des Lithiums“. Neben Lithium kommen im Salar auch noch Kalium, Magnesium, Bor, Sulfat, Chlorid und Natrium vor.
Nachdem Lithium anfänglich eher in der Glas- und Keramikherstellung verwendet wurde, entdeckte man in den 1970er Jahren seine Verwendungsmöglichkeit für Batterien. Zwischen 2003 und 2007 verdoppelte sich die globale Nachfrage nach Lithium-Batterien, da sie aufgrund ihrer Energiedichte, hohen Zellspannung und einer geringen Selbstentladung in vielen elektronischen und elektrischen Geräten zum Einsatz kommen. Der Anteil dieses Geschäftszweiges an der weltweiten Lithiumverwertung liegt bei 25 Prozent und damit vor allen anderen Abnehmerbranchen. Lithium, nach Wasserstoff und Helium das drittleichteste Element des Periodensystems, wird in der Medizin, Atomphysik (Fusionsreaktoren) oder in der Luft- und Raumfahrttechnik eingesetzt, hat aber noch weitere Vorteile, die es u.a. für die Automobilbranche interessant machen. Neben der erwähnten Energiedichte besitzt es ein sehr niedriges Normalpotential (d.h. geringe Oxidationskraft). Das Leichtmetall ist damit bestens geeignet, um in Batterien von Elektro- oder Hybridfahrzeugen eingesetzt zu werden. Auch die Kommunikationselektronik-Branche hat ein steigendes Interesse an dem Rohstoff.
Wie viele der Ressourcen des Salar de Uyuni ausbeutbar sind und zu welchen ökologischen Kosten, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Boliviens Präsident Evo Morales gab bereits 2007 das Projekt einer Pilotfabrik in Auftrag. Mit Dekret vom 1. April 2008 wurde der Industrialisierung der Vorkommen (Mineralien) des Salars nationale Priorität eingeräumt und die staatlichen Bergbaugesellschaft COMIBOL bekam eine zusätzliche Abteilung für die Ausbeutung des Salzsees, mit einem Budget von 5,7 Mio. US-Dollar. Der Bau der Pilotfabrik in Llipi Loma (Kanton Río Grande, Department Potosí) begann im Mai 2008. Das Pilotprojekt umfasst auch die Entwicklung von Technologien zur Gewinnung von Lithiumkarbonat, da die Witterungsumstände und die Beschaffenheit der Salzlake des Salars bisherige Abbaumethoden nicht begünstigen.
Die Nachfrage und zu geringe Fördermengen [1] (der Spiegel berichtete) wecken folgerichtig Begehrlichkeiten, denen sich die Bolivianer nun gegenüber sehen. Der Andenstaat, der sich unter der seit 2006 amtierenden Regierung von internen und externen Abhängigkeiten befreien will, kann um seiner Glaubwürdigkeit willen und aufgrund der historischen Erfahrung mit der Ausbeutung seiner Rohstoffe durch Oligarchen/internationale Unternehmen, das Lithium nicht an transnationale Konzerne oder andere Staaten „verschenken“. Andererseits benötigt das Land geschätzte 800 Mio. US-Dollar, um eine eigene Lithium-Industrie zu entwickeln. Die Gewinne aus der Kohlenwasserstoff-Förderung und die damit enorm gestiegenen Währungsreserven könnten diese Entwicklung zusammen mit Investitionen und aus dem Ausland kommenden Know-how begünstigen. An der Erforschung in Río Grande sind bislang, ohne Gewinnbeteiligung und in verschiedenen Phasen, das französische Unternehmen Bolloré-Eramet, die japanischen Konzerne Sumitomo und Mitsubishi, das staatliche koreanische Bergbauunternehmen Kores und das brasilianische Wissenschafts- und Technologie-Ministerium beteiligt. Auch LG, ein südkoreanischer Mischkonzern (u.a. Elektronik, Chemie, Telekommunikation), hat bereits Interesse signalisiert, ebenso Unternehmen aus Russland. Voreilige Schritte sind aus La Paz, wo man in aller Ruhe die Lage sondiert, aber nicht zu befürchten. Der Exportpreis für eine Tonne Lithiumkarbonat betrug 2007/2008 5.500 US-Dollar und wird vorerst bei geringem Wachstum der Märkte zumindest auf dem Niveau stagnieren. [2]
Unter dem Motto „Partner nicht Herren“ artikulierte Präsident Morales bereits die Richtung, in welche mögliche Kooperationen mit ausländischen Unternehmen gehen müssen. Die Bolivianer sind gewillt, einerseits die Kontrolle über das Lithium aufrecht zu erhalten und andererseits an jeglicher Unternehmung die Mehrheitsbeteiligung inne zu haben. Bei eigenen Investitionen – die Rede ist von 150 bis 200 Mio. US-Dollar – würde der Staat am liebsten 60 Prozent der potentiellen Gewinne aus dem Lithiumgeschäft abschöpfen. Morales reiste erst kürzlich (13. September 2009) nach Spanien, um dort u.a. spanischen Energieunternehmen das Potential des bolivianischen Lithiums zu präsentieren. Der Vermutung, dass durch den staatlichen Einfluss, ähnlich der Nationalisierung der Kohlenwasserstoffe, die ausländischen Investitionen ausbleiben, kann entgegen gehalten werden, dass: 1. Der Staat hier von vornherein das Sagen hat und es nicht zu einer Nationalisierung bisher privater Unternehmen kommt. 2. Sich im Erdgassektor mit Gazprom (Russland) und Total (Frankreich) neue Investoren gefunden haben und 3. Potentielle Interessenten schon jetzt eifrig um das Wohlwollen der bolivianischen Regierung bemüht sind.
Was in der medialen Debatte bisher weitestgehend ausgeblendet wurde, ist zum einen der ökologische Aspekt und zum anderen die Implikationen für die am Salar de Uyuni liegenden Gemeinden und ihre größtenteils indigene Bevölkerung. Auch wenn Lithium als eine „saubere Energiequelle“ gehandelt wird, so ist bislang unklar, was der Abbau in einem weltweit einzigartigen Ökosystem, wie dem 10.582 Quadratkilometer großen Salar [3], bewirken könnte. Genau diese Ungewissheit hat lokale indigene Gemeinden der Region – einige der ärmsten des Landes – veranlasst, sich zum Teil gegen das Projekt auszusprechen, andere fordern zumindest eine Beteiligung daran. Die im Januar 2009 verabschiedete Verfassung garantiert in Artikel 289ff. die territoriale Selbstbestimmung indigener Völker (Autonomie), die gemäß Artikel 30 in ihren Gebieten an der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen beteiligt und davor angehört werden müssen (Punkte 15, 16). Außerdem spricht man ihnen unter Punkt 10 das Recht zu, in einer sauberen Umwelt zu leben, mit einer adäquaten Nutzung der existenten Ökosysteme.
Es gibt noch zu viele offene und unsichere Faktoren, um genau zu sagen, ob und wie Bolivien die Ausbeutung des Lithiums vorantreiben und in welcher Weise der Staat, aber auch die Bevölkerung davon profitieren wird. Für die Natur und die Menschen bleibt zu hoffen, dass das einzigartige Ökosystem des Salar de Uyuni keine irreparablen Schäden durch den Abbau des Lithiums davonträgt. Eine möglich Alternative für den Salar und seine Anwohner wäre z.B. der Ausbau eines nachhaltigen Öko-Tourismus.
[1] Hypothetische Annahmen, da v.a. in Südamerika noch lange nicht an den potentiellen Kapazitäten produziert wird und auch die generell mögliche Wiedergewinnung durch Recycling nicht berücksichtigt wurde.
[2] Ehren, Peter: Chilean Lithium Carbonate Export. In: http://www.lithiumsite.com/market.html, abgerufen am 22.09.2009.
[3] Instituto Nacional de Estadística. In: http://www.ine.gob.bo/html/visualizadorHtml.aspx?ah=Aspectos_Geograficos.htm, abgerufen am 06.10.2009.
Bildquelle: Quetzal-Redaktion, Maxim Karpilowski.
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Überblick: Weltweite Produktion, Reserven und Reservenbasis in Tonnen (Stand Januar 2009)
(1) Importe – Exporte + Neubewertungen durch Veränderungen von Regierungs- und Industrie-Lagerbeständen,
(2) Geschätzt. K.A. = keine Angaben, W = Zurückgehaltene Daten,
(3) Ohne U.S.-Produktion.
Anm. d. Verf.: Zu den verwendeten Begriffsdefinitionen von Reserven und Reservenbasis (Ressourcen) siehe Appendix C der USGS Mineral Commodity Summaries.
was ein dummes Geschwaetz von Morales… deswegen is das land ja auf das Niveau von Afrika. Der staat wird nur ein Haufen nutzloser alimentierte.