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Las Hermanas Caronni: Santa Plástica

Gonzalo Compañy | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Santa Plástica_Bild_CoverScanDas Duo Las Hermanas Caronni, welches aus der Cellistin Laura Caronni und der Klarinettistin Gianna Caronni besteht, legte kürzlich das Album Santa Plástica auf. Die Zwillingsschwestern, die in der argentinischen Messi-Stadt Rosario aufwuchsen und sich dort als professionelle Musikerinnen ausbildeten, schlossen sich bereits in frühem Alter diversen Orchestern und Ensembles an, darunter dem Orquesta Académica des renommierten Teatro Colón in Buenos Aires. Ende der neunziger Jahre emigrierten sie nach Frankreich, um ihre musikalische Ausbildung fortzusetzen. 2004 gründeten sie dort Las Hermanas Caronni.

Nachdem der Multiinstrumentalist, Komponist und Künstler Juan Carlos Cáceres (1936-2015) die Originalität der Duo-Arrangements erkannte, regte er die Caronnis dazu an, ein Repertoire mit eigenen Kompositionen aufzubauen. Mit der Unterstützung Cáceres‘ widmete sich das Duo seit 2006 tatsächlich dieser Aufgabe. So sind inzwischen die Alben Baguala de la siesta (2011), Vuela (2013) und Navega Mundos (2015) erschienen, in denen sowohl das kompositorische als auch das interpretatorische Potenzial der Musikerinnen entfaltet wird. Santa Plástica (2019) besteht aus elf Eigenkompositionen, die sowohl aus der europäischen, sogenannten klassischen Musik als auch der Volksmusik Inspiration schöpfen (wörtlich von Bach bis Bartók) – sogar aus der Filmgeschichte und der Lyrik sowie der bildenden Kunst. Denn gerade das künstlerische Konzept des Albums bezieht sich auf ein Bild des baskischen Photographen Patxi Laskarai, das in der Umschlageinlage zu sehen ist.

Santa Plástica beginnt mit dem gleichnamigen Song, der ein Plädoyer für ein Bewusstsein für die Umweltverschmutzung und die menschliche Entfremdung von der Natur ist – befreie mich Heilige Plastik von Dir! Dies zeigt nicht nur das Engagement des Duos für diese brennende Problematik, sondern auch das Interesse dafür, sich mit anderen Kunstbereichen zu verknüpfen. Diese besondere Fürbitte erfolgt zunächst nicht in Form eines Wehklagens, sondern vielmehr im Stil einer feierlichen Cumbia-Klezmer-Musik. Doch mit dem darauf folgenden Stück, Coplita para mi mamá, wird dann der Auftakt für ein intimes Album gegeben. Die im andinen Musikrepertoire gesungenen coplas, bei denen der Sologesang von einer kleinen Trommel begleitet wird, stellen eine sehr persönliche und zugleich offene Art von Gebeten dar. Dies kann wohl als Variation über ein erstes Thema verstanden werden.

Auch wenn die Caronnis andere Musikinstrumente spielen und von anderen Musikern in mehreren Songs unterstützt werden, basiert die musikalische Struktur des gesamten Albums im Grunde auf dem Klang des von ihnen favorisierten Cellos und der Klarinetten sowie dem Gesang. Der Verzicht auf den Einsatz eher harmonischer Musikinstrumente, wie beispielsweise Klavier, Akkordeon oder Gitarre, fördert eine freiere Entfaltung der Kreativität, wobei besonders die Klangmöglichkeiten beider Hauptinstrumente mithilfe eines Samplers zutage treten – und das geschieht auf organische Weise. Beispielsweise in Partir, einem in der baskischen Musik inspirierten Song, bei dem das Cello einem Kontrabass ähnelt und die Bassklarinette-Linie geloopt wird, um den Einstieg einer zweiten Klarinette zu ermöglichen, erwecken die Geschwister den Eindruck, mindestens Vierlinge zu sein. Ebenso im Stück One Way, bei dem das Duo samt Jazztrompeter Erik Truffaz einem Kammerorchester ähneln. Neben der Teilnahme von Truffaz passt sich der Songwriter Piers Faccini beim Vortragen zweier Gedichte diesem musikalischen Konzept hervorragend an – und das Ergebnis ist rundum befriedigend.

Die von den Medien oft kolportierte Information, die Zwillingsschwestern Caronni hätten Wurzeln in Italien, Andalusien, Irland, der Schweiz und der jüdischen Ukraine, ist eher als irrelevant zu betrachten, denn sie stammen aus einer Region der Welt, die besonders zwischen den 19. und 20. Jahrhundert von mehreren europäischen Einwanderungsströmungen stark beeinflusst wurde. Unabhängig von der Wunderkammer-Unternehmensstrategie machen die Hermanas deutlich, dass sie mehr als fähig sind, mittels Musik auf natürliche Weise sehr unterschiedliche Weltanschauungen zum Ausdruck zu bringen – ohne viel Gewicht auf die nationalen und kulturellen Grenzen zu legen.

Wenngleich, wie bereits erwähnt, die Mehrheit der Songs von Musikstücken unterschiedlicher Komponisten der Musikgeschichte inspiriert wurde, gelingt es den Schwestern Caronni, ihre Freiheit bei der Songgestaltung zu bewahren. Beispielsweise verwandelt sich Debussy im Stück Breathe in eine baguala aus dem Nordwesten Argentiniens; während in L’Estey Fragmente des Mozartschen Konzerts für Klarinette und Orchester in einen brasilianischen choro münden – oder umgekehrt? In El cielo, einem von der Musik des Barockkomponisten Marin Marais inspirierten Stück, schließt sich der Klang einer barocken Flöte der Atmosphäre des Duos an – wobei Marais‘ Musik und eine weitere copla, die diesmal in Duett gesungen wird, verschmelzen. So wird vom Anfang an klar, was genau Cáceres meinte, als er die ungewöhnliche Schaffenskraft dieses Duos betonte.

 

Las Hermanas Caronni

Santa Plástica

Les Grands Fleuves, 2019

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