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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Samowar oder Bombilla – sind die in Lateinamerika lebenden Russ:innen eine Diaspora?

Heidrun Zinecker | | Artikel drucken
Lesedauer: 50 Minuten

1_Fomin_samovar_wiki_CCBekannter Weise trinken Russ:innen Tee aus dem Samowar und Lateinamerikaner, zumindest viele von ihnen, saugen ihren Mate oder Tereré durch die Bombilla aus der Kalebasse. Nein, in diesem Aufsatz geht es nicht um Getränkevorlieben. Dahinter verbirgt sich vielmehr die Frage, ob die heute auf dem Südkegel des amerikanischen Kontinents lebenden Russ:innen eine Diaspora sind oder je eine solche bildeten. Man könnte das auch so formulieren: Wie viele Russ:innen in Lateinamerika gehen inzwischen ohne Kalebasse und Bombilla nicht mehr aus dem Haus, und wie viele stellen stattdessen noch den Samowar auf, auch wenn es heute kein mit Holz befeuerter mehr sei … ? Der vorliegende Artikel soll nur als eine erste Einführung in das Thema verstanden werden und dies vor allem für diejenigen, die zwar 2_mate_wiki_ccLateinamerika gut kennen, denen aber, ob in Sprache oder Geschichte, das Russische eher fremd ist. Am Schluss jedoch lässt sich ein kleiner Exkurs in die (Diaspora-)Theorie nicht „vermeiden“. Denn noch hat anscheinend niemand, zumindest niemand von den einschlägigen Empiriker:innen, die im Titel dieses Aufsatzes formulierte Frage gestellt, geschweige denn beantwortet.

Proportionen der russischen Migration in Lateinamerika und State of the Art

Immigration und Diaspora nach bzw. in Lateinamerika sind im Vergleich zur lateinamerikanischen Emigration aus Lateinamerika ein eher wenig beachtetes Thema, was nur zum Teil damit zusammenhängt, dass es in etwa nur halb so viel Immigration nach wie Emigration aus Lateinamerika gibt: Kamen 1970 noch 76 % der Immigranten in Lateinamerika aus Übersee und 34 % aus Lateinamerika bzw. der Karibik, ist das Verhältnis heute genau umgekehrt (Stefoni/CEPAL 2017, 5).

Ohne Französisch Guayana, wo die Immigranten fast die Hälfte der Bevölkerung stellen und auch ohne die Karibik, waren auf dem Subkontinent 2010 Surinam mit 7,5 %, Argentinien mit 4,4 und Venezuela mit 4,2 % der Gesamtbevölkerung die Spitzenreiter bei der extraregionalen Immigration. In Lateinamerika und der Karibik insgesamt sind heute lediglich 1,3 % der Bevölkerung Immigrant:innen (alle Angaben nach Stefoni a.a.O., 3). Von 1870 bis 1930 gerechnet, war auch die internationale Immigration nach Lateinamerika in nur jeweils sehr kurzen historischen Zeiträumen höher als die nach Nordamerika: 1895 – 1898, 1916 – 1918, 1924 – 1926 und ab 1928 (Sánchez-Alonso 2019, 3). In Argentinien erwies sie sich, mit Blick auf die Einwohnerzahl und zwischen 1910 und 1914, als doppelt so hoch wie der lateinamerikanische Durchschnitt. Pro Bevölkerungsgröße und auf jegliche Immigration bezogen, hat allerdings Costa Rica die meisten Migrant:innen zu verzeichnen. Aktive Anwerbung von extraregionalen Immigrant:innen gingen lediglich – auch dies nur über bestimmte Zeiträume – von Brasilien, Argentinien, Uruguay und, weniger schon, von Chile und Cuba aus, auch dies höchstenfalls Mitte des 19. Jhs. bis Mitte des 20 Jhs. Später, ab der zweiten Hälfte der 1940er bis mindestens in die 1970er Jahre, warb dann desgleichen Venezuela um extraregionale Immigrant:innen. Im Wesentlichen jedoch blieben die Immigrationen in Lateinamerika nicht nur spontan, sondern auch unkoordiniert: Allein Kolumbien, Venezuela und Honduras im 20. Jh. wurde darin zu Ausnahmen. Heute sind extraregionale Immigrant:innen in Lateinamerika eine absolute Minderheit.

Was nun die Russ:innen betrifft, stellten sie weltweit zwischen den 1990er Jahren und 2005 die größte Migrant:innen-Gruppen, heute die drittgrößte. Doch richtete sich ihre Migration bis 2010 in erster Linie in die USA, nach Afghanistan, Israel und Deutschland und erst danach nach Lateinamerika, das aber noch vor Kanada. Insgesamt sind Russ:innen in 174 Länder migriert, wobei jedoch unter den zehn wichtigsten Immigrationsländern kein einziges lateinamerikanisches Land zu finden ist (Maximova et al. 2018, 1020, 1024 f., bei Ausnahme der „nahen Auslands“ resp. Nachfolgestaaten der Sowjetunion). Und in keinem Land Lateinamerikas übersteigen heute die Russ:innen ein Prozent der Bevölkerung. Summa summarum: Unter den europäischen Migrant:innen nach Lateinamerika waren und sind die Russ:innen eine Minderheit – eine Minderheit von Minderheiten.

Der Forschungsstand entspricht diesen Proportionen. Von den einschlägigen Publikationen zum Thema stammen, so kann geschätzt werden, drei Viertel aus der Feder russischer Autoren und Autorinnen, die natürlich auch (durchschnittlich viel) in spanischsprachigen und (kaum) in US-amerikanischen Journalen publizierten. Apropos: In einem letzterer Journale steht zu lesen, dass die russische Diaspora heute gerade deshalb ganz besonders relevant sei, weil sie von Präsident Putin ge- oder missbraucht werde, um in Lateinamerika außenpolitisch bzw. geostrategisch Fuß zu fassen (Fonseca/Rouvinski 2019). Diese Erklärung ist jedoch mindestens aus zwei Gründen problematisch: Zum einen sind Menschen, die aus für sie essentiellen Gründen aus Russland emi3_Inmigrantes_europeos_Argentina_wiki_ccgriert sind, nicht gerade dessen vertrauenswürdige politische „Anker“ – fast alle von ihnen sehen das heutige Russland kritisch (Maximova et al. 2018, 1041). Zum anderen konstituiert sich die Mehrheit der offiziell verbrieften strategischen Partnerstaaten Russlands in Lateinamerika aus solchen Staaten, in denen es eine nur kleinere Anzahl russischer Immigrant:innen gibt: Cuba, Ecuador und Peru. Länder wie Paraguay, Uruguay oder Venezuela hingegen, die relativ große Anteile russischstämmiger Bevölkerung aufweisen, sind aus den verschiedensten Gründen keine strategischen Partnerländer Russlands. (Nur) für Argentinien und Brasilien existiert fürwahr diese Schnittstelle (Bild: Europäische Immigrant:innen bei Ankunft in Argentinien).

Auffällig beim State of the Art ist gleichermaßen, dass das deutsche Interesse am Thema nicht nur besonders gering, sondern sogar noch geringer ist als das an den russländisch-lateinamerikanischen Beziehungen – und schon dieses ist sehr schmal. Insoweit überhaupt vorhanden, bezieht sich das deutsche Interesse im Wesentlichen nur auf zwei kleinere Ausschnitte: Zunächst ist da der deutsche Klassiker „Russland und Lateinamerika. 1741 – 1841“ von Ekkehard Völkl (1968), in dem historisch detailliert auch die russische Kolonie Ross in Kalifornien beschrieben wird, die damals noch zu Spanisch-Amerika gehörte, wo die ersten Russ:innen in Iberoamerika siedelten. Dann gibt es noch interessante Analysen zu den russlanddeutschen Mennoniten in Lateinamerika aus vornehmlich sprachwissenschaftlicher Sicht (etwa Kaufmann 2004). Zwar dürften entsprechende deutschsprachige Publikationen 4_Russian_diaspora_wiki_ccauch darüber hinaus existieren – viele sind es aber ganz sicher nicht. Das russische Forschungsinteresse am Thema ist natürlich und verständlicher Weise größer als das westliche, obgleich auch hier beachtet werden muss, dass in den genannten Teil der Welt eben nur ein kleiner Teil russischer Migrant:innen ausgewandert ist, sodass in seiner Größenordnung auch dieses Interesse lediglich den faktologischen Gegebenheiten entspricht (Bild: Russische Diaspora weltweit, nach absoluten Zahlen).

Die entsprechenden Forschungsfoci sind allesamt vornehmlich historisch und dabei auch nur wenig zeitgeschichtlich. Doch historiographische Arbeiten bzw. historisch kontextualisierende Reisebeschreibungen russischer Autoren und Autorinnen gibt es wiederum so viele, dass sie hier in ausreichendem Maße nicht einmal repräsentativ benannt werden können. Für den Zeitraum von Anfang des 19. Jhs. bis 1917 erwähnt Strelko (o.O., o.J.; jeweils leider ohne Angabe der Vornamen) als die wichtigsten: Ionin, Rebrin, Konstantinowski, Langsdorff, Kriukov, Vobliy, Patkanov und Koroljov. Sieht man von Publikationen zu russischen Migrationen in nur einzelne lateinamerikanische Länder ab und zugleich von weniger gewichtigen Artikeln, verdienen die Monographien dreier russischer Historiker:innen besondere Erwähnung, von denen aber nur einer begrifflich von Diaspora ausgeht: Marina N. Mosejkina (2012) mit ihrer Habilitation zu den Russ:innen in Lateinamerika von 1920 bis 1960, Sergej W. Podrez (2005) und seine Dissertation zur Genese und Lage der gegenwärtigen russischen Diaspora in Lateinamerika und Jurij S. Netschaev (2010), dessen historisch informatives Buch zu den Russ:innen in Lateinamerika einen eher journalistischen Charakter besitzt, recht unsystematisch (dabei nicht einmal chronologisch) aufgebaut ist und zudem ohne Quellenangaben „erzählt“. Auch von diesen Autor:innen hat keiner definitorisch die Frage gestellt, ob es sich bei den russischen Immigrant:innen in Lateinamerika tatsächlich um eine Diaspora handelt.

Alles in allem entspricht der karge Forschungsstand zum Thema der ebenso kargen historischen und aktuell-politischen Bedeutung des Phänomens. Aber auch das Kleine oder das Seltene, ja das Seltsame, ist Teil dieser Welt und verdient Aufmerksamkeit.

Quellen-bezogene, statistische, terminologische und definitorische Unzulänglichkeiten

Schon bis hier her dürfte offensichtlich geworden sein, dass bei der Analyse des Phänomens mit Unzulänglichkeiten umzugehen ist. Erstens: Die Autorin konnte keine Archive besuchen und stützt sich ausschließlich auf (deutsch-, spanisch-, englisch- und russischsprachige) Sekundärliteratur.

Zweitens: Auch statistische Angaben sind daraus übernommen und kranken (wenngleich nicht nur deshalb) an denselben Mängeln. Darüber hinaus leiden sie daran, dass sie den relevanten Termini („Migration“, „Russ:innen“, „Diaspora“) keine oder jeweils verschiedene Definitionen zugrunde legen und daher untereinander schlecht vergleichbar sind. Oft z.B. bleibt unklar, ob sie mit Migrant:innen nur diejenigen meinen, die selbst migriert sind oder auch deren Vorfahren und Nachfahren. Allein schon deshalb sind die darin zitierten statistischen Angaben nur als Richtwerte zu verstehen.

Das führt zu drittens: Wer überhaupt sind die in diesen Quellen als Russ:innen bezeichneten Einwanderer? Wurden oder werden sie nach vorheriger Staatsbürgerschaft oder nach ethnischer (Selbst)Definition unterschieden? Diejenigen, die die Einwanderungsregister führten, waren da oft nicht pingelig: Da „ging“ auch ein Ukrainer, ein Bessarabier oder ein Tschetschene als „Russe“ „durch“, ein Belorusse ohnehin. Um sich in ihrer Diaspora zu verständigen, mussten sie ja sowieso alle Russisch sprechen. Nimmt man zum Beispiel wichtige (jüdische) (Auswanderer)Regionen des Russischen Reiches wie die Bukowina oder Galizien, stellt man schnell fest, dass dort, historisch betrachtet, jeweils dieselben Orte einmal ungarisch, österreichisch, osmanisch, rumänisch oder ukrainisch und einmal polnisch-litauisch, weißrussisch oder russisch waren. Soll man da nun schauen, wann der erste Vorfahre nach Lateinamerika ausgewandert ist und in welches Staatsgebilde dessen Ursprungsregion da gerade eingegliedert war (weiß das der Nachfahre überhaupt?), oder ist es vielmehr ausschlaggebend, zu welchem Staat die Region heute gehört?

Weiter: Ein russländischer Jude aus einem der historisch-verschiedenen russländischen Staatsgebiete hatte möglicherweise zwar einen (belo)russischen Namen, bezeichnete sich bei seiner Einwanderung nach Lateinamerika aber als Pole, später jedoch sah er sich ganz und gar als Jude, oder aber er „vergaß“ davon alles, weil er sich nun vor allem oder ausschließlich als Argentinier fühlte, zumal er diesen und keinen anderen Pass besaß. Und die mennonitischen Einwanderer aus Russland, die einst von Katharina II. nach Russland geholt worden waren, dann aber nach Argentinien auswanderten – sind sie Deutsche, Russ:innen oder Argentinier:innen? Fragt man heutige Nachkommen der aus Russland nach Lateinamerika Migrierten, dann spielt Selbstidentifikation eine entscheidende Rolle: Manche von ihnen fühlen sich inzwischen derart argentinisch oder uruguayisch oder paraguayisch usw. sozialisiert und kulturalisiert, dass es für sie völlig irrelevant ist, dass ihre Vorfahren aus einem der „Russlande“ stammten, andere wiederum legen darauf großen Wert. In bestimmten Kolonien der Russen in Lateinamerikas, etwa dort, wohin die russischen Altgläubigen einwanderten, werden noch immer die Kosovorotki, die russischen Hemden (Bild), und Gürtel getragen, und Tee wird aus dem Samowar getrunken statt Mate oder Tereré durch die Bombilla.

5_Kosovorotka_wiki_ccDer stärker lateinamerikanisch kulturalisierte Teil dieser Russ:innen wiederum hat aber womöglich noch nie einen solchen gesehen und verlässt ohne Bombilla nicht das Haus. Einige nutzen vielleicht beides: alltags die Bombilla und an russischen Feiertagen den Samowar.

Maksimova (2018, 1031) entnimmt einem ihrer Surveys, dass sich weltweit rund 40 % der russischen Diaspora als ethnische Russ:innen fühlen, andere als Kosmopoliten, wieder andere als Angehörige ihres neuen Heimatlandes. In Lateinamerika ist man diesbezüglich breit und großzügig: alle Genannten werden dort in der Regel den „rusos“ zugerechnet, ganz so wie alle Asiaten „chinos“ oder alle Araber „turcos“ seien. Das Castellano unterscheidet außerdem nicht zwischen „russkij“ (ethnisch) und „rossijskij“ (Staatsbürgerschaft). Eine mögliche Alternative zu diesem Wirrwarr wäre die Rede von der russischsprachigen statt russischen Einwanderung, nur dass dabei das Problem nicht kleiner würde: Denn auch Menschen, die niemals Russlands Staatsbürger waren, sprechen Russisch (insbesondere in Frankreich, Polen, China, Bulgarien, Serbien und der Mongolei), und, umgekehrt müssen die, die sich tatsächlich als Nachfahren russischer Migrant:innen verstehen, des Russischen nicht (mehr) mächtig sein. Die Autorin verzichtet daher aus rein pragmatischen Gründen auf jede (statistisch ohnehin nicht belegbare) engere Ausdifferenzierung und bezeichnet im genannten Kontext als „ Russ:innen“ alle einstigen Bürger der Russischen Föderation oder aus deren Vorgänger-Staaten (Russisches Zarenreich oder Sowjetunion) sowie deren Vor- und Nachfahren, bei denen es (formelle, sprachliche oder andere kulturelle) Hinweise auf ihre frühere Staatszugehörigkeit gibt.

Viertens bleibt das Problem, wie eng oder breit die beiden anderen zentralen Termini zu definieren sind: Migration und Diaspora. Zur Migration ist jeweils eine solche Fülle an wissenschaftlicher Diskussion „aktenkundig“ geworden, dass sie hier nicht darstellbar ist. Daher muss auch an dieser Stelle Breite vor Präzision gehen, und unter Migrant:innen sollen im genannten Kontext einfach all jene gefasst werden, die aus einer (anderen als vorher) lateinamerikanischen oder nicht-lateinamerikanischen Region stammen, nun aber einen permanenten Wohnsitz in Lateinamerika bzw. in einer anderen seiner Regionen als vorher besitzen, zumindest aber einen solchen anstreben.

6_Jährliche_Nettomigrationsrate_2015–2020_wiki_ccDenn als Migration wird gemeinhin eine auf Dauer angelegte räumliche Veränderung des Lebensmittelpunktes verstanden. Natürlich ist „dauerhaft“ ein in jede Richtung dehnbarer Begriff. Manche Autoren umgehen das Problem dadurch, dass sie permanente Migration von nicht-permanenter unterscheiden. Im Deutschen wird auch noch zwischen Migrant:innen und Menschen mit Migrationshintergrund differenziert: die einen sind noch keine deutsche Staatsbürger, die anderen schon. Auch in diese Feinheiten soll hier nicht weiter eingetaucht werden. Für die Zwecke des Artikels und seine Definition von Migration sei es ausschließlich relevant, dass letztere dauerhaft angelegt, aber auch mögliche Remigration inkludiert sein muss. Ausdrücklich ausgeschlossen werden nur Entdeckungs-, (auch diplomatische) Dienst- oder Tourismusreisende sowie Stipendiaten sowie Personen, die einen nur befristeten Arbeitsvertrag besitzen und ihn auch so akzeptieren. Dass auch diese Einschränkung ihre Tücken hat, ist der Autorin bewusst.

Last but not least „wartet“ nun noch der für diesen Aufsatz entscheidende Begriff auf seine Bestimmung: Diaspora konstituiert sich zwar aus und fördert (weitere) Migration (Collier 2014, 52), ist aber enger definiert als jene. Denn nicht alle Immigrant:innen sind Diaspora, allein schon weil sie als Mindestkriterium eine fortdauernde Beziehung zum Ursprungsland voraussetzt. Die engste und ursprünglichste Definition von Diaspora ist zweifellos die der Juden, insofern sie „zurück“ nach Eretz Israel wollen. Bei ihnen ist das „homeland“ Israel als „collective memory“ bzw. „vision or myth“ konstruiert (z.B. Safran 1991, 83 – 89; Cohen 2008, 17). Dieser unstrittig engste Diaspora-Begriff ist aber ausschließlich der jüdischen Migration vorbehalten. Folglich ist im vorliegenden Aufsatz schon von vornherein von einem weiteren Diaspora-Begriff auszugehen. Ein solcher ist der von Wahlbeck (2002, 221 f.), nach dem (jede) „transnational organization relating both to the country of origin and the country of exile” ist. Ob aber nun wenigstens diese Definition weit genug ist, um alle in Lateinamerika dauerhaft lebenden (hier: russischen) Immigrant:innen wesenstreu zu bestimmen, wird sich erst in der nachfolgenden empirischen Analyse zeigen. Zu überprüfen wird dabei vor allem die Spannweite dieses „relating“, und zwar nach außen wie nach innen, sein.

Push und Pull-Faktoren

Zu Beginn jedoch gilt die erste – empirische – Frage den Ursachen (Gründen) von Emigration (hier: aus Russland) und Immigration (hier: nach Lateinamerika). Dafür sind zum einen sogenannte Push-Faktoren entscheidend, die die Menschen dazu bewegen oder gar zwingen, ihre Heimat dauerhaft zu verlassen, und dann – beide müssen gleichzeitig wirken – sogenannte Pull-Faktoren, die dieselben Menschen in ein ganz bestimmtes Land oder in eine ganz bestimmte Region „ziehen“ und in kein(e) andere(s).

Zu den wichtigsten generellen Push-Faktoren der Russ:innen, die nach Lateinamerika migrierten, gehörten, neben Familiennachzug, Armut, soziale Unsicherheit, religiöse sowie politische Verfolgung, der Wunsch, dem einheimischen Militärdienst auszuweichen, aber auch, indes weniger schon, Gemeinschaftsideale oder -utopien. Diese Faktoren konnten zusammenfallen. Genauso jedoch konnten zu jeweils unterschiedlichen Zeiten einzelne von ihnen prädominieren. Wenn also bestätigt werden kann, dass die russischen Migrant:innen in Lateinamerika überhaupt eine Diaspora konstituieren, sind sie gewiss eine „victim diaspora“ (Cohen 2008, 39 ff.).

Die entsprechenden Migrations-Pull-Faktoren in Lateinamerika waren, anfangs, fehlende (Saison-)Arbeitskräfte auf lateinamerikanischen Plantagen oder auch der Mangel an ländlichen Siedlern, die unerschlossene Gebiete urbar machen sollten. Später wurden vor allem hochqualifizierte Arbeiter gesucht (vgl. Kritz/Gurak 1979, 408 ff.). Ersteres Bedürfnis konnten russische Immigranten (in Brasilien, Argentinien, Paraguay) gut, wenn auch nicht sehr gern erfüllen, letzteres weniger, dafür aber mit größerem Enthusiasmus. Gleichwohl wanderten nach Lateinamerika (qualifizierte) nun gleichermaßen russische Handwerker und Arbeiter aus (besonders nach Argentinien) und auch Intellektuelle (etwa nach Argentinien, Paraguay, Chile, Venezuela), ja Angehörige des russischen Adels. Ein weiterer lateinamerikanischer Pull-Faktor europäischer Immigration war das von verschiedenen lateinamerikanischen Regierungen angestrebte „whitening“ („blanqueamiento“) und eine damit verbundene „zivilisatorische Verbesserung“ (Goebel 2016) der eigenen Bevölkerung, z.B. in Mexiko oder in der Dominikanischen Republik, ein augenscheinlich rassistischer Beweggrund.

Mit demselben Zweck wurde von manchen lateinamerikanischen Regierungen zugleich Immigration aus nicht-europäischen Weltregionen wie Afrika oder Asien verboten. Das geschah parallel zum Immigrationsverbot für die Russ:innen vonseiten der von denen ursprünglich favorisierten Staaten, wie der USA, Kanada oder westeuropäischen Staaten, hier vor allem Frankreich und Deutschland. So hatte beispielsweise Uruguay 1890 ein Gesetz verabschiedet, das den Zuzug von Afrikanern, Asiaten und, in der heutigen Terminologie, Roma verhinderte. Doch auch spanische oder italienische Migrant:innen standen zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten lateinamerikanischen Staatsmännern auf dem Index. Dass es auch nur ganz bestimmte Länder Lateinamerikas waren, die Migrant:innen anzogen, liegt aber auch an deren konkreter Einwanderungspolitik bzw., damit verbunden, an der Tätigkeit von Migrations-Agenten, zuweilen jedoch auch an Zufällen. So gab es z.B. in Kolumbien eine Zeit lang nur deshalb eine japanische Diaspora, weil Japaner das Buch des Kolumbianers Jorge Isaacs „Maria“ gelesen hatten und die darin beschriebene Natur im Valle del Cauca so schön romantisch fanden. Aber auch bei russischen Migrant:innen auf dem Subkontinent finden sich – natürlich nicht nur und auch nicht vordergründig – solcher Art Zufälle, wie noch zu sehen sein wird.

Wellen der russischen Migration nach Lateinamerika und ihre Charakteristika

Die Vorläufer

Geplante, aber nicht verwirklichte russische Besiedlung in Lateinamerika

Im Februar 1787 hatte ein Treffen zwischen der Zarin Katharina II. und dem venezolanischen Unabhängigkeitshelden Francisco Miranda Rodríguez in Kiew stattgefunden, in dem die Zarin jenem sogar russische Truppen versprochen haben soll. Grund dafür war eine Interessenkoinzidenz: Miranda suchte internationale Unterstützung in seinem Kampf gegen die spanischen Kolonisatoren, und die russische Zarin wollte gern, von Alaska aus, nach Südamerika expandieren und dort zum gleichen Zweck auch russische Besiedlung. Vor allem ging es ihr aber um eine geopolitisch-strategische Route zwischen Alaska, Kalifornien, Hawai und Südamerika bis Patagonien. Doch bald schon hatte die Zarin gute strategische Gründe, dieses Unternehmen nicht zu verwirklichen, und statt die lateinamerikanischen Rebellen zu unterstützen, zog sie nun eine Vermittlerrolle vor. Noch also gab es keine russische Diaspora in Lateinamerika.

Erste russische Besiedlung in Spanisch-Amerika

Doch das russische Interesse an einem „russischen Amerika“ insgesamt besitzt noch tiefer gehende Wurzeln als nur bis Miranda und 1787: Sie reichen bis 1648 zurück und hatten Alaska zum Fokus. Alaska hat zwar primär mit Lateinamerika nichts zu tun, sekundär aber wohl: Denn betroffen von der russischen Alaska-Kolonisierung war am Ende auch Kalifornien, darunter Nordkalifornien, das 7_Duhaut-Cilly_View_of_Fort_Ross_1828_wiki_cczwar heute US-Amerika und nicht lateinamerikanisch ist, aber damals zu Spanisch-Amerika gehörte. Mit Fort Ross (Bild) wurde hier, als Fortsetzung der russischen Inbesitznahme Alaskas, am 30. August 1812 und am 38. nördlichen Breitengrad im heutigen Sonoma County die erste russische Siedlung Spanisch-Amerikas errichtet.

In Gestalt einer russischer Blockhäusersiedlung, einschließlich russisch-orthodoxer Kapelle, wurde Fort Ross als russischer Militär-Stützpunkt aufgebaut und dann zu einer echten russischen Kolonie mit, schließt man die dort wohnenden „american indians“ ein, bis zu 400 Bewohnern erweitert. Die Spanier nannten die dortigen russischen Siedler folgerichtig „indios rusos“ (Völkl 1968, 85). Lange – denn nur bis etwa 1840 – dauerte das Unternehmen allerdings nicht an, denn entsprechende neue Verträge zwischen dem zaristischen Russland und den USA sowie Großbritannien verschoben diese „zaristischen Privilegien in Amerika“ (Haluani 2013, 89) bald wieder, um immerhin 17 Grad nach Norden. Und, wie bekannt, verkaufte Russland am Ende das nordamerikanische Alaska für (nach dem Wert von 2019) 124 Millionen Dollar an die USA. Zwar kann man Fort Ross als erste russische Migrationsbewegung nach Lateinamerika bezeichnen, doch als eine nur sehr kurzzeitige, sodass für sie der Begriff „Welle“ wohl zu ambitioniert sein dürfte.

Die vier Wellen

Die Wellen der russischen Immigration nach Lateinamerika nehmen folglich erst später ihren Anfang, und sie werden von den verschiedenen Autoren auf sehr unterschiedliche Weise voneinander abgegrenzt. Zudem können sie zwischen den einzelnen lateinamerikanischen Empfängerländern differieren. Dabei kommt es natürlich auch hier, das auch länderübergreifend, auf die Kriterien an: Die einen Autor:innen unterscheiden sie nach dem sozioökonomischen Charakter, die anderen nach den historisch-politischen Zäsuren, an denen sie einsetzten, und wieder andere nach den sozialen, religiösen oder politischen Profilen der Migrant:innen. Die Frage, ab welcher quantitativen Dimension einer zusammenhängenden Migrationsbewegung überhaupt schon von einer Welle gesprochen werden kann, wird dabei in der Regel weder aufgeworfen noch beantwortet.

Hier nun soll als erstes Kriterium jeglicher Migrationswelle der ununterbrochene Charakter einer Migrationsbewegung dienen. Zweites Kriterium einer solchen Welle mag, zu deren Beginn wie deren Ende, die zeitliche Koinzidenz von Push- und Pull-Faktoren sein.

Erste Welle (1874 – 1917)

Die erste Welle russischer Migration nach Lateinamerika bindet sich in die von 1870 bis 1930 reichende erste und zugleich letzte internationale Massenmigration in Richtung des Subkontinents ein, in der rund 13 Millionen Europäer einwanderten (Sánchez-Alonso 2019, 1). Sämtliche Strömungen innerhalb dieser Welle folgten somit demselben Pull-Faktor: der lateinamerikanischen Nachfrage nach Arbeitskräften.

Die darin erste Strömung (und Etappe) nahm 1874 ihren Anfang und betraf die russischen Gouvernements Saratov und Samara. Sie soll als hier als die „vorrevolutionär-bäuerlich-mennonitische“ benannt werden und war die Migrationsbewegung mennonitischer Wolga-Deutscher. Als solche hatte sie vor allem Argentinien, aber auch Brasilien und Paraguay zum Ziel. Im engen Sinne handelte es sich dabei jedoch gar nicht um Russ:innen, sondern um Deutsche, das heißt um jene Russland- oder auch Wolga-Deutschen, die Zarin Katharina II. bzw. Zar Paul I. Ende des 18. und Anfang des 19 Jhs. nach Russland angeworben hatten, mit der Aussicht auf Religionsfreiheit und Landerwerb. Die Mennoniten unter den Wolgadeutschen waren vornehmlich aus Deutschlands Norden nach Russland gekommen und sprachen auch dort noch niederdeutsch, einen Dialekt, den man auch heute noch in Lateinamerika vernehmen kann. Als Arbeitsmigrant:innen in Russland sollten sie die von den Türken zurückeroberten Landstriche urbar machen. Bekannt dafür wurden insbesondere die Altkolonie Chortitza und die Neukolonie Molotschna. Bis zum I. Weltkrieg soll es in Russland ca. 120.000 deutsche Mennoniten gegeben haben. Religiös gesehen, waren und sind sie eine Strömung der sogenannten Täuferbewegung, die heute als evangelische Freikirche gilt und weltweit stetiger Verfolgung ausgesetzt war (Bild: Menno Simons, Namensgeber der Mennoniten).

8_Menno_Simons_by_Jacob_Burghart_wiki_ccRuss:innen waren diese Mennoniten folglich nur insofern, als sie zuvor auf russischem Staatsgebiet gelebt hatten. Kulturell betrachteten sich demzufolge die meisten von ihnen auch als Deutsche und nur selten als Russ:innen. Sie flüchteten aus Russland, als Zar Alexander II. die ihnen von Katharina II. gewährten Privilegien wieder zurückgenommen hatte. Daraus resultierten für sie zwei Push-Faktoren: Der politisch-religiöse Grund war die Einberufung in den regulären russischen Wehrdienst, den zu verweigern ihnen bei der Einwanderung in Russland noch als ein solches Privileg zugesagt worden war. Ökonomisch war für ihre Auswanderung Landmangel bzw. die Auslaugung des übereigneten Ackerlandes ausschlaggebend. Der lateinamerikanische Pull-Faktor, mit dem der zweite dieser beiden Push-Faktoren zusammenfiel, war die Suche nach Arbeitskräften in der Landwirtschaft und nach Besiedlung der – nach Vertreibung der indígenas – wieder unbewohnten Gebiete. Zuerst, 1876, siedelten die mennonitischen Russlanddeutschen in Brasilien, dort in den Provinzen Rio Grade du Sul und Porto Alegre. Doch die klimatischen Bedingungen erlaubten es ihnen da nicht, wie gewohnt, Weizen anzubauen. Sie schafften es generell nicht, zu Landbesitzern zu werden. Stattdessen schufteten sie auf Plantagen, in Kohlebergwerken und im Manganabbau.

Die meisten von ihnen zogen daher schon anderthalb Jahre später, 1877, weiter, nach Argentinien, in die Provinzen Buenos Aires, nicht weit von Hinojo, und nach Santa Fe. Insgesamt dürften das 9.000 Personen gewesen sein. Später wurden sie in demselben Land nach Entre Ríos geschickt, genauer nach Diamante, wo daraufhin eine besonders berühmte Kolonie entstand. Interessant ist, dass die in Argentinien siedelnden deutsch-russischen Bauern für sich das Prinzip der ihnen schon aus Russland gewohnten Dorfgemeinschaft („obščina“) beibehielten. Sie siedelten also nie vereinzelt, sondern immer kompakt. Von der argentinischen Regierung erhielten sie einen Pflug, einen Spaten, Vieh und Material zum Häuserbau und durften jetzt auch Weizen anbauen. Zwar mussten sie den entsprechenden Geldwert für Land und Gerät innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen, doch wurden sie, anders als ihre Landsleute in Brasilien, auf diese Weise Landbesitzer. Das geschah etwa um 1893. Neben Weizen kultivierten sie auch Luzerne und führten Flachs bzw. Leinöl in Argentinien ein. Insgesamt waren es zu jener Zeit etwa 45.000 aus Russland eingewanderte Bauern (Putjatova o.J.), inzwischen sind es nur noch ca. 4.000. Zwischen 1928 und 1933, also schon unter Stalins antireligiösen Repressionen, wanderten Russlanddeutsche darüber hinaus auch nach Mexiko (heute: 100.000), Bolivien (heute: 70.000), Paraguay (heute: 50.000), Uruguay und Belize (10.000) aus. Zahlen von Brasilien und Uruguay liegen nicht vor, da sich die Russlandmennoniten dort weitgehend assimilierten.

Neben den russlanddeutschen Mennoniten migrierte in dieser Welle noch eine weitere, in sich sehr diverse und in der Mitte des 19. Jhs. in anderer Art religiös motivierte Gruppen, die zweite Strömung, die hier als „vorrevolutionär-bäuerlich-russisch-orthodoxe“ bezeichnet werden soll. Dies waren vor allem Angehörige von religiösen Gruppen, die sich aus verschiedenen Gründen von der 9_Evstafiev-old-believers-oregon-usa_wiki_ccoffiziellen russisch-orthodoxen Kirche abgespalten hatten. Dazu zählten insbesondere – zunächst in Bolivien, dann in Brasilien, Argentinien und Uruguay – die Altgläubigen, die nach ihrer Trennung von ihrer „Mutterkirche“ sich selbst statt jene als die Rechtgläubige(n) betrachteten (Bild), weshalb hier auch für sie das Attribut „russisch-orthodox“ Verwendung findet.

Die Altgläubigen sind die älteste Gruppe unter diesen von der russisch-orthodoxen Kirche offiziell „Abtrünnigen“. Sie hatten die 1663 ergangene Nikonsche Reform zur deren Modernisierung abgelehnt, insbesondere die Texte, Wörter und Riten, die für sie eben nur in ihrer ursprünglichen Form magische Bedeutung besaßen. Mit dem Kirchenbann belegt, wurden sie in Russland hart verfolgt und sogar ihrer Bürgerrechte beraubt. Immer wieder mussten sie dort von der staatlichen und kirchlichen Obrigkeit fliehen, zunächst in den Fernen Osten, von dort aus nach China, vor allem in das mandschurische Harbin, wo sie erneut von der Roten Armee und schließlich von der chinesischen Kulturrevolution verfolgt wurden. Harbin, einst Durchfahrtsstation der Transsibirischen Eisenbahn/Chinesischen Ostbahn und im russländischen Besitz, wurde jetzt zu Zufluchtsort und Heimat bei weitem nicht nur der Altgläubigen, sondern auch russischer Unternehmer, Juden und schließlich Weißgardisten (Bild: Russisch-Orthodoxe Sophienkathedrale in Harbin).

10_索菲亚大教堂_wiki_ccHier, aber auch in Tjanjin waren in dieser Zeit rund 40.000 Russ:innen ansässig. Eine weitere Gruppierung Altgläubiger wanderte über den kasachischen Altai nach China. Beiden Gruppierungen trafen sich schließlich in Hongkong, wo es leichter war, ein Visum nach Lateinamerika zu erhalten als in der Republik China, und flohen von dort aus nach Übersee. Gegenwärtig sollen noch etwa 5.000 Altgläubige in Lateinamerika leben. Für sie als vergleichsweise Wohlhabende war und ist es keine Sünde, Millionär zu sein, in einer Villa zu leben, soziale Netzwerke und Gadgets zu nutzen und sich modern, gern auch in Jeans, zu kleiden – nur das gegürtete russische Hemd und der Bart für Männer sowie lange Kleider und Kopftücher für Frauen sind ein „Muss“. Doch auch in Lateinamerika bevorzugen sie die Isolation und sprechen kirchenslawisch. So wie die Mennoniten oder auch später die Kosaken organisieren auch sie sich dort weiterhin in einer „obščina“. Die Lateinamerikaner, die die Altgläubigen in der Regel respektieren, nennen sie „rusos barbudos“.

Zur Strömung der nach Lateinamerika geflüchteten ursprünglich russisch-orthodoxen, dann aber von ihrer Mutterkirche verfolgten Christen kamen schließlich noch solche religiösen Gruppen hinzu wie die „Molokanen“, die „Priguny“ und die „Chlysten“. Diese gingen vornehmlich nach Mexiko oder Uruguay, wo auch sie ihre eigenen Kolonen bildeten. Die ihren Glauben außerordentlich asketisch und ekstatisch lebenden Chlysten (Geißler) waren der Überzeugung, direkt mit dem Heiligen Geist sprechen zu können, der in die besonders Gläubigen eindringe, die daraufhin auch selbst zu Christus werden könnten. Die spirituellen und den Urchristen ähnelnden Molokanen (Milchtrinker/während des Fastens) hatten vor allem mit den Riten und Geistlichen der russisch-orthodoxen Kirche gebrochen. Sie interpretierten die Bibel allegorisch und glaubten an die eigene Wiedergeburt. Die Prigunen (Springer), ursprünglich Molokane, waren der Überzeugung, der Heilige Geist würde auf sie herabkommen, wenn sie beim Gesang sprängen. Manches in ihrer Lehre erinnert an den Judaismus.

11_Mosesville-_Synagogue_Baron_HirschZu einer dritten Strömung dieser Welle wurde schließlich die „vorrevolutionär-jüdische“, das heißt die der jüdischen Migrant:innen, vornehmlich aus dem westlichen Teil des russischen Imperiums, auch sie mit dem Zielland Argentinien, weniger schon Brasilien. Ihre Emigration nach Lateinamerika begann 1887. Zwar hatten sie in ihren Migrationsplänen Westeuropa und die USA vorgezogen, und es sollte daher auch bis 1889 dauern, bis sie der Anwerbung diverser argentinischer Migrationsagenten folgten, doch am Ende taten es immerhin 2.595 von ihnen (Mirelman 1971, 10). Besonders bekannt wurden die 824 Juden von der SS Weser, die in Argentinien als Gauchos ihren Lebensunterhalt verdienten und u.a. die Kolonie Moisés Ville (Bild: dortige Synagoge) gründeten.

Auslösender russischer Push-Faktor für diese Strömung war die antisemitische Politik der Zaren Alexander I., Nikolai I. und ganz besonders Alexander III. Die Juden wurden jetzt für 25 Jahre zum Armeedienst gezwungen oder vom russischen Westteil nach Sibirien vertrieben; in den großen Städten und am Ende gar auf 90 % des russischen Territoriums waren sie nun nicht mehr geduldet. 1881/82 fanden im zaristischen Russland schließlich die ersten bedeutenden Pogrome (Bild) statt. Das Wort „pogrom“/„pogromit‘“ stammt bekannter Maßen aus dem Russischen.

12_Ekaterinoslav_1905_wiki_ccDer wichtigste Pull-Faktor für diese Strömung bestand darin, dass mit Julio G. Roca 1880 in Argentinien gerade jener General die Präsidentschaft gewonnen hatte, dem das zweifelhafte Verdienst zugerechnet wird, die argentinischen indígenas bis über den Río Negro hinweg vertrieben zu haben. Etwa zur gleichen Zeit hatte die Liberale Oligarchie dieses Landes auch die Katholische Kirche ihrer Ländereien beraubt. In der Folge besaß diese Oligarchie nun weite Ländereien, jedoch ohne die entsprechenden Siedler und Arbeitskräfte. Sozial war die jüdische Strömung viel breiter als die beiden anderen Strömungen, denn sie erfasste neben den Bauern auch Händler (insbesondere in Schmuck und Textilien), Gewerbetreibende, Angehörige der städtischen Arbeiterschaft und Intellektuelle. Dass die Juden in Russland kein eigenes Land zur Agrarwirtschaft besitzen durften, schloss interessanter Weise nicht aus, dass sie nach ihrer Ankunft in Lateinamerika Bauern wurden. Die ersten russisch-jüdischen Kolonisten erhielten von der argentinischen Regierung bis zu 250 ha Land. Sie hatten eine Zeit lang auch großen Erfolg bei deren Bewirtschaftung, der jedoch ab 1920 dahinschmolz.

Baron Maurice de Hirsch hieß der Organisator (nicht nur) dieses Vorhabens. 1891 gründete er mit der Jewish Colonization Association eine der ersten Institutionen zur Etablierung von Kolonien jüdischer Migrant:innen in Argentinien. Geplant hatte er zwar den Transfer von über drei Millionen Juden in 25 Jahren, doch sollten Argentiniens russisch-jüdische „Kolonien“ insgesamt – übrigens auch sie oft als Kooperative organisiert – nie mehr als 33.000 Bewohner zählen (Zablotsky 2005). Bis auf die Zeit von 1908 bis 1916 blieb die jüdische Netto-Immigration in dieses Land auch immer um Längen hinter der anderer, italienischer und spanischer, Immigration zurück (Elsner o.J.). Nach dem I. Weltkrieg endete schließlich die bis dahin praktizierte open-door-Politik Argentiniens, und zwar gegenüber jeglicher Immigration. Der Grund dafür waren ein für Wirtschaftskrisen übliches Überangebot an Arbeitskräften und daraus resultierende Arbeitslosigkeit. Gleichwohl blieb Lateinamerika auch noch in dieser Zeit offener gegenüber jüdischen Einwanderern als beispielsweise die USA, und später öffnete es sich ihnen gegenüber auch wieder generell.

Politisch organisierten sich die Protagonisten dieser Strömung eher links – als Anarchisten, Sozialisten und Kommunisten. Auch viele führende Köpfe der, inspiriert von der russischen Oktoberrevolution, 1917/1920 gegründeten Kommunistischen Partei (KP) Argentiniens waren russisch-jüdischer Herkunft. Entsprechende Weiterbildungskurse der Komintern im Moskau der 1920er Jahre besuchten russisch-jüdische Führungskräfte wie Antonio Cantor („Juan Blanco“) und Froim Weiner (beide Argentinien), Grigorij Berezin („Grischin“) und Juli Rozowskij („Julio Gómez“), die beiden letzteren aus Brasilien bzw. Mexiko (Leifets/Leifets 2016). Der russische Jude Moisés Kantor wirkte von 1924 bis 1926 als Generalsekretär der KP Argentiniens, und auch die Vorfahren ihres heutigen Generalsekretärs Víctor Gorodeki Kot stammen ganz augenscheinlich aus Russland bzw. aus dem weißrussisch-polnischen „Schtetl“ Bialystok. Sie waren Anfang des 20. Jh. nach Argentinien eingewandert. Bekanntermaßen setzte sich der Antisemitismus in Russland auch nach der Revolution von 1917 fort: Unter Josef Stalin flohen erneut zahlreiche russische Juden nach Lateinamerika, wieder vor allem nach Argentinien, was nicht heißt, dass sie dort keinem Antisemitismus ausgesetzt worden seien, wie der entsprechende Generalstreik vom 7. bis 13. Januar 1919 in Buenos Aires bewies. Zwischen 1882 und 1929 sind etwa drei Millionen russischer Juden aus Russland migriert, von 1881 bis 1914 gelangten davon rund 113.000 nach Argentinien und 10.000 nach Brasilien (Švepeš 2014, 194). Argentinien mit insgesamt rund 181.000 Personen ist in Lateinamerika auch heute noch das am stärksten von Juden besiedelte. Weltweit nimmt es diesbezüglich den siebten Rang ein.

Diese innerhalb der ersten Welle dritte Strömung setzte sich als einzige über deren Endzäsur 1917 hinaus fort und verband somit die erste Migrationswelle mit der zweiten.

Zweite Welle (1917 – Mitte der 1930er Jahre)

Zu Beginn der zweiten Welle verpufften die zuvor noch maßgebenden ökonomischen Pull-Faktoren – des Bedarfs an Arbeitskräften –, um erst späterhin wieder zuzunehmen: In Brasilien verschwanden sie quasi mit der Kaffee-Krise im Kontext der „großen Depression“ Ende der 1920er Jahre, in der nur noch kurzfristige Arbeitsverträge offeriert wurden, die die russischen Migrant:innen aber nicht zufriedenstellten. Doch wurde der nunmehr schwindende ökonomische Pull-Impuls vom politischen Wunsch lateinamerikanischer Regierungen kompensiert, die Feinde des „Kommunismus“ in der Sowjetunion zu den eigenen Freunden zu erklären. Was die Push-Faktoren betrifft, waren sie in der zweiten Welle fast nur noch politisch: Mit Ausnahme der bäuerlichen Migration aus Bessarabien bündelten sie sich in der Flucht vor dem „Kommunismus“ in Sowjetrussland, sodass sich Push- und Pull-Faktoren in dieser Welle in nachgerade idealer Weise deckten. Selbst vorzugsweise politisch, zeitigten sie für die Betroffenen gleichwohl auch sozioökonomische Folgen, sodass auch sie, wenn die Not groß war, bereit sein mussten, in der neuen Heimat der für sie ungewohnten landwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Dabei gaben sie jedoch freimütig zu, dass man es schon „aushalten“ müsse, ohne Theater, Klubs, Bistros, Konzerte und „Lafayette“ zu leben, wolle man in der neuen Heimat tatsächlich ankommen (Mosejkina 2012, 159). Alles in allem, diese Migrationswelle war sozial noch bunter und politisch noch widersprüchlicher als die erste. Im Unterschied zur ersten Welle verortete sich die zweite auch politisch weiter „rechts“. Weit stärker als jene schließlich kann sie darüber hinaus als institutionalisiert gelten, denn entsprechende Verbände, Klubs und Gemeinschaften sprossen in ihr regelrecht aus dem Boden.

In diese Welle banden sich, als erste Strömung bzw. erste Etappe, die Feinde der bolschewistischen Revolution ein. Zu ihnen gehörten Monarchisten und Weißgardisten, Kadetten (Angehörige der liberal orientierten Konstitutionell-Demokratischen Partei), „weiße“ und/oder aristokratische Intellektuelle, aber auch sogenannte ideologische „Links-Revisionisten“, wie etwa Leo Trotzki in Mexiko, die der Revolution gedient hatten. Wenig später kamen dann als zweite Strömung die sogenannten „Transit-Migranten“ oder Flüchtlinge hinzu, die infolge des I. Weltkriegs vom Völkerbund als „displaced persons“ (DP) anerkannt wurden. Anders als noch die Protagonisten der ersten Welle hegten die Träger dieser beiden Strömungen zumeist den Wunsch, nach Revolution bzw. Krieg wieder nach Russland zurückzukehren. Eine dritte Strömung konstituierten die Kosaken (Bild) vom russischen Don bzw. Kuban, die – es hatte aber auch schon 1919 ein Dekret zu ihrer „Ausrottung“ gegeben, das über vier Millionen Menschen betraf und bis 1924 umgesetzt wurde – in besonderem Ausmaß von Stalins Schergen deportiert und in den Gulag verbracht wurden. Sie waren nach der Oktoberrevolution von der staatlichen Politik deshalb so verfemt, weil sie zuvor dem Zaren gedient hatten.

13_Siberian_Cossack_wiki_ccDie Kosaken verfügten, noch ehe sie in Lateinamerika eintrafen, über eine historisch gewachsene bäuerliche und zudem ganz spezifische Kolonisierungserfahrung. Von Paraguay, Argentinien, aber auch Peru, Mexiko, Brasilien und sogar den Antillen wurden sie gerade deshalb heiß umworben, und die Regierungen all dieser Staaten gestatteten es ihnen auch, ihre originäre Organisations- und Waffenkultur weiter zu pflegen. Einer ihrer Nachfahren übrigens, der 1948 nach Chile ausgewanderte Michail („Miguel“) Krasnov, beteiligte sich dort 1973 höchst aktiv am Militärputsch gegen Allende. Danach avancierte er zum Chef von Pinochets persönlicher Schutzbrigade. Noch später wurde er, folternd und mordend, in der DINA und Villa Grimaldi „tätig“. Insbesondere tat er sich in der Auseinandersetzung mit der linken MIR hervor. Zwischen 2001 und 2006 hat man ihn für seine Gräueltaten zu 144 Jahren Strafvollzug verurteilt. Als vierte Strömung der Welle sind die russischen Bauern aus Bessarabien und der Bukowina zu nennen, von denen allein nach Brasilien 26.000 flüchteten. Deren Flucht vollzog sich zwischen 1924 und 1927, zum einen, weil ihre Heimat nunmehr nicht mehr russisch, sondern rumänisch oder polnisch (geworden) war, zum anderen aufgrund der zu dieser Zeit dort besonders gravierenden Dürre. Als fünfte Strömung fanden sich schließlich Intellektuelle und Künstler zusammen – auch sie „rusos blancos“, sogar im doppelten Sinne. Zu ihnen gibt es viel, auch anekdotisches, Material, das hier aus Platzgründen nicht weiter aufgearbeitet werden kann (vgl. dazu Neaev 2010).

Die besonders spannende und für die deutschen Leser:innen aber womöglich weniger bekannte ist gewiss die erste Strömung dieser Welle, auf die hier noch einmal ausführlicher zurückgekommen werden soll: Sie war unmittelbares Resultat der Oktoberrevolution und des fünfjährigen Bürgerkriegs im am Ende schon bolschewistischen Russland, darunter des Dekrets vom 15. Dezember 1922, mit dem allen jenen Personen die Bürgerrechte entzogen wurden, die sich außerhalb Sowjetrusslands befanden. Dies soll ca. 3 Millionen Menschen zur Migration bewogen haben. Sie erhielten den sogenannten Nansen-Pass (Bild), der bestätigte, dass sie keines Landes Untertanen waren, also staatenlos. Entweder emigrierten sie nach Deutschland, Frankreich, Bulgarien, in die Tschechoslowakei und Jugoslawien und von dort aus nach Lateinamerika, oder sie wählten, mit demselben Ziel, die Schiffspassage vom Schwarzen Meer aus.

14_German_NANSEN_travel_document_1932_wiki_ccIn den 1920er Jahren sind auf diese Weise etwa 3.000 „weißer“ russischer Emigranten nach Lateinamerika eingewandert (Kurganskij 2009, 5), vor allem nach Argentinien und Paraguay, aber auch nach Brasilien. Zu ihnen gehörten u.a. 3.000 Anhänger von General Pjotr Wrangel, der die weiße Freiwilligenarmee auf der Krim geführt hatte. Sie, die nichts als das Waffenhandwerk verstanden und in ihrem früheren Leben oft Offiziersepauletten getragen hatten, wurden nun als einfache Arbeiter und für mindestens zwei Jahre auf die Kaffee-Fazendas geschickt, wo sie ihre Koffer nicht einmal ausgepackten, so schrecklich fühlten sie sich bei der harten Arbeit, in der Hitze und unter all den Insektenbissen. Dabei ging gar das Gerücht um, ein russischer Kapitän namens Bragin verkaufe seine Landsleute als „weiße Sklaven“ an Plantagenbesitzer aus São Paulo. Vielleicht war es auch mehr als ein Gerücht. Nun ja, für die Schiffspassagierlisten hatten sich diese russischen Migrant:innen ja selbst als „Bauern“ bezeichnet, obwohl sie gar keine waren, sondern Beamte oder Intellektuelle – so vergrößerten sich einfach ihre Chancen auf Einwanderung. Als dann das Kriterium „unqualifizierte Arbeit“ nicht mehr über die Einwanderung nach Brasilien entschied, blieben die Migrant:innen wieder das, was sie waren: Adlige, Beamte, Intellektuelle (vgl. Ruseishvili 2020, 57 f.). In Argentinien fanden auf diese Weise auch Nachfahren solcher berühmter Russ:innen neue Heimstatt wie Fürst Dolgorukij, Feldmarschall Kutusov und des Komponisten Rimski-Korsakov.

Von Paraguay, dem avisierten lateinamerikanischen Paradies, erwarteten die russischen Immigrant:innen schon einmal mehr als von Brasilien: mindestens vier Ernten pro Jahr. Es wurde … eine … in vier Jahren. Doch offerierte ihnen dieses Land auch einen Vorteil: Es bot den russischen Monarchisten und Weißgardisten nicht nur sofort seine Staatsbürgerschaft an, sondern auch die Gültigkeit ihrer in Russland erworbenen Offiziersränge. In die paraguayische Armee fanden in der Folge zwischen 70 und 100 russische Offizieren Eingang, zwei davon, Ivan Beljaev (Bild) und Sergej Ern, dienten sogar Generäle:

15_Belaief_IT_1900_wiki_ccDer wichtigere von den beiden, Iwan („Juan“) Beljaev (1875 – 1957), – und hier kommt einer der anfangs erwähnten Zufälle ins Spiel – hatte in seiner Kindheit, auf dem Boden des Hauses seines Großvaters, der noch Suvorov gedient haben soll, eine alte Karte von Asunción, der Hauptstadt Paraguays, gefunden. Die Phantasie ließ ihn daraufhin immer wieder in dieses exotische Land reisen, in das er sich verliebte. Er bewunderte insbesondere den Mut seiner Bewohner, die sich im Triple-Allianz-Krieg von 1864 bis 1870 Argentinien, Uruguay und Brasilien widersetzt hatten, auch wenn sie darin erfolglos geblieben waren. Später lernte er Spanisch, und ihn faszinierten insbesondere die Guaraní, die indígenas Paraguays. Politisch aber dachte er als der, der er zuvor gewesen war: als monarchistischer Weißgardist. Bis 1921 hatte er in Russland den Generälen Pjotr Wrangel und Anton Denikin in der sogenannten „Freiwilligen-Armee“ gedient. Nach deren Scheitern migrierte Beljaev 1924 über Konstantinopel und Buenos Aires in sein Traumland Paraguay. Hier interessierte ihn besonders die Region Chaco, wohin ihn 13 Expeditionen führten. Dabei konnte er nun auch endlich die von ihm derart geschätzten Guaraní besuchen, die ihn späterhin so sehr lieben sollten, dass sie ihn zum Cacique wählten, ja als „weißen Gott“ oder „Vater“ verehrten.

Am 15. Juni 1932 überfiel die bolivianische Armee ebendiese Region (Bild), die etwa 60 % des paraguayischen Staatsterritoriums ausmachte: Damit begann der Chaco-Krieg, der zum blutigsten Kriege im Lateinamerika des 20. Jhs. geriet. In ihm sei es auch um Erdölinteressen (verschiedener Erdöl-Companies) gegangen, so hieß es damals, und natürlich um den Zugang zum Pazifik. Vonseiten 16_Karte_Chaco-Krieg_wiki_ccParaguays kann der Konflikt als Befreiungskrieg bezeichnet werden. General Beljaev nahm an ihm nicht nur teil, sondern führte ihn militärisch und brachte es dabei bis zum Chef des Generalstabs der paraguayischen Armee, letztlich gar zum Berater des Verteidigungsministers. Ironie der Geschichte war, dass er, nach dem I. Weltkrieg ein zweites Mal, auch gegen Deutsche kämpfte, die in dieser Zeit insbesondere durch Generalmajor Hans Kundt die bolivianische Armee entscheidend prägten. Obwohl diese personell dreimal so stark aufgestellt war wie die paraguayische, gewann am Ende letztere den Krieg, nicht zuletzt dank der militärischen Professionalität Beljaevs und anderer russischer Offiziere. Noch immer sind Straßen Asuncións nach ihnen benannt, und im Chaco wurde Beljaev ein Denkmal errichtet. Er erhielt zudem die Ehrenbürgerschaft seines Gastlandes. Dass in diesem Land Mate, hier Tereré genannt, kalt, versetzt mit Eiswasser, getrunken wird, soll im Übrigen mit dem Chaco-Krieg zu tun haben – in ihm war es verboten, Feuer anzuzünden.

Nach dem Chaco-Krieg kümmerte sich Beljajev zudem um den Bau russisch-orthodoxer Kathedralen im paraguayischen Asunción. Insgesamt sind die russisch orthodoxen Kirchen auch im gegenwärtigen Lateinamerika kaum zu zählen. Es gibt sie nicht nur in Paraguay und Argentinien (Bild: russisch-orthodoxe Dreifaltigkeitskathedrale in Buenos Aires), sondern ebenso in Brasilien, Chile, 17_Buenos_Aires_San_Telmo_Iglesia_Ortodoxa_Rusa_wiki_ccPeru oder Venezuela. Sie dienen der religiösen Erbauung, aber auch als soziale Treffpunkte. Doch anders als vielfach kolportiert, konnten diese Kirchen nicht zu Kristallisationspunkten einer russischen Diaspora insgesamt werden: viel zu heterogen war diese, auch was die Religion anging, umfasste sie doch neben den Russisch-Orthodoxen auch deren Abspaltungen, darüber hinaus Juden, Mennoniten, auch Baptisten und Katholiken.

Zum Schluss sei, gewissermaßen als Fußnote der Geschichte, noch angemerkt, dass sich im Chaco-Krieg unter Beljaev als junger Leutnant der spätere General und Diktator Alfredo Stroessner seine Sporen verdiente: Von seinen russischen Kampfgenossen lernte er, Wodka zu trinken und die Sowjetunion zu hassen. Er soll sogar persönlich zur kirchlichen Trauerfeier anlässlich Beljaevs Tod erschienen sein. Dazu rief er Staatstrauer aus.

Dritte Welle (1941 – Mitte der 1950er Jahre)

Zu Beginn der dritten Migrationswelle waren die Push-Faktoren noch stärker politisch und kriegsgeprägt als in der zweiten Welle, obgleich, dies aber in minderem Maße, nun auch wieder eine Migration von (jetzt qualifizierten) russischen Arbeitskräften nach Lateinamerika stattfand. Aber auch unter ihnen wurden ausdrücklich jene bevorzugt, die glaubhaft machen konnten, dass sie Antikommunisten sind (Rusejshvili 2020, 66). Doch selbst dann noch galten sie, vor allem unter Brasiliens Präsidenten Getulio Vargas, als „sowjetisch-suspekt“, zumindest, wenn sie sich nicht klar von der Sowjetunion distanzierten.

Lateinamerikas Pull-Faktoren waren in dieser Zeit schwächer ausgeprägt als Russlands Push-Faktoren. Das lag auch daran, dass sich im II. Weltkrieg, wenn auch unterschiedlich konsequent und früh, die Staaten des Südkonus‘ auf die Seite der Alliierten und damit auch der Sowjetunion gestellt hatten, aus der die russischen Migrant:innen aber nun im Wesentlichen flohen. Allein der Übergang zum Antikommunismus sollte nach dem Ende des Krieges auch in Lateinamerika recht schnell erfolgen.

Das Profil der russischen Migrant:innen änderte sich in der dritten Welle zunächst nur etwas: Denn erneut, nun aber im Gefolge des II. Weltkriegs und deshalb als durchaus unterscheidbare erste Strömung dieser Welle, wurden wieder DPs relevant, die, weil sie entweder freiwillig mit der Wehrmacht marschiert oder in deren Kriegsgefangenschaft geraten oder sogenannte Ostarbeiter waren, nicht in die Sowjetunion zurück wollten oder konnten. Repatriiert wurden in die Sowjetunion zu dieser Zeit ohnehin nur die, die dort zum 1. September 1939 gewohnt hatten. Die DPs dieser „zweiten Generation“ wurden von UNRRA und IRO zunächst in österreichischen Lagern untergebracht, bevor man sie in verschiedene Länder, in Lateinamerika vor allem nach Brasilien, verschickte. Dort stießen sie nicht auf die ungeteilte Sympathie ihrer inzwischen in Lateinamerika alteingesessenen früheren Landsleute, die ja zumindest in Teilen im Großen Vaterländischen Krieg patriotische Gefühle für die Sowjetunion entwickelt hatten, denn gegen Deutschland hatten sie, im I. Weltkrieg, ja schon einmal gekämpft.

In Brasilien und hier, mit etwa 2.000 Russ:innen, vor allem in São Paulo, weniger schon in Rio de Janeiro, entspann sich in diesem neuen Kontext eine Fehde innerhalb der russischen Migration zwischen den „oboronzy“ (den „Verteidigern“ der Sowjetunion) und den „poraženzy“ (denen, die der Sowjetunion die Niederlage wünschten, um in ihre alte, nicht-sowjetische, Heimat zurückkehren zu können). In einer dritten Gruppe fanden sich schließlich diejenigen, die zwar den Sieg der Sowjetarmee gegen Hitler-Deutschland wollten, aber zugleich, dass sich diese nach ihrem Sieg gegen die eigene Regierung wenden möge. Keine der Gruppen jedoch sprach sich für Stalin aus, auch die „oboronzy“ verlegten sich ausschließlich auf eine humanitäre oder wohltätige Hilfe, in der Regel innerhalb des Brasilianischen Roten Kreuzes. Manche der russischen Migrant:innen remigrierten nach dem Ende des II. Weltkriegs dennoch in die Sowjetunion, andere dagegen, auch frühere „oboronzy“, entdeckten jetzt wieder ihren Hass auf sie.

Die Präsenz von ehemals Nazi-Deutschen in Brasilien, aber auch in Argentinien und Paraguay ist bekannt. Doch auch unter den Russen gab es, dies nun als zweite Strömung der dritten Welle, Angehörige bzw. Anhänger faschistischer Parteien, die in dem Maße das Weite suchten, wie die sowjetischen Truppen gegen Nazi-Deutschland militärische Siege davontrugen. Unter Führung eines Konstantin Rodsajevski z.B. verzeichnete im chinesischen Harbin eine Russische Faschistische Partei in ihrer erfolgreichsten Zeit sogar rund 20.000 Mitglieder. Rodsajevski und seine Partei hatten eine Allianz mit dem kaiserlichen Japan geschmiedet und auch ihrerseits die Auslöschung der Juden gefordert. Auch von diesen – russischen (!) – Faschisten flohen viele nach Lateinamerika, auch sie vielfach nach Argentinien, das ironischer Weise just in derselben Zeit wieder aschkenasische und verstärkt sephardische Juden anwarb (Moreno 2019).

18_Holms_wiki_ccEin zuvor russisch-weißgardistischer General und späterer Migrant nach Argentinien sollte in dieser russisch-faschistischen Strömung eine ganz besonders schreckliche Berühmtheit erlangen: Boris Smyslovskij (1897 – 1988). Bekannt wurde er unter den Pseudonymen Holmston oder auch von Regenau (Bild).

Als einziger Russe hatte Smyslovskij die Akademie des Generalstabs der deutschen Wehrmacht absolviert, gehörte da zum Umfeld von Wilhelm Franz Kanaris, dem Abwehrchef Nazi-Deutschlands, und hoffte, u.a. als Sonderführer in Königsberg, dass Deutschland dem „sowjetischen Bolschewismus“ den Garaus machen würde. In der Folge wurde er in Generalmajors Reinhold Gehlens Generalstab der „Fremden Heere Ost“ aufgenommen. Den II. Weltkrieg beendete er im Rang eines Generalmajors der deutschen Wehrmacht. Nach Kriegsende floh er nach Liechtenstein, das am Ende seine Überfahrt nach … Argentinien … bezahlte, die er 1947 antrat. Dort tat er sich dann auf zweifelhafte Art und Weise als des Präsidenten Juan Domingo Perón Militärberater hervor und zeichnete verantwortlich für die Guerilla-Bekämpfung. In den 1960er Jahren wieder zurück in Europa, wurde Smyslowskij gegen Ende seines Lebens, trotz seiner Vergangenheit, für den Generalstab der Bundeswehr tätig. Er starb in Vaduz.

Vierte Welle (1986 – 1996)

Schließlich sei der Vollständigkeit halber noch eine vierte Migrationswelle benannt: Sie kann mit dem Ende der Perestroika ausgangs der 1980er Jahre, dem Zerfall der Sowjetunion, und deren schwierigen ökonomischen Nachwehen datiert werden und reichte bis in die Mitte der 1990er Jahre, danach flaute sie erheblich ab. Diese Welle ist bislang kaum erforscht und kann daher auch nicht Gegenstand dieses Aufsatzes sein.

Schlussfolgerungen – Diaspora oder doch nicht?

Zuvörderst mag offensichtlich geworden sein, dass die Informationen zur ersten und zweiten Welle der russischen Migration nach Lateinamerika weitaus reichhaltiger sind als die zur dritten und insbesondere zur vierten, was auch, aber nicht nur, mit der quantitativen Stärke der jeweiligen Migrationsbewegung zu tun hat. Unschwer war zudem zu bemerken, dass dem/der gewöhnlichen russischen Migrant:in, vor allem dem/der genuin russisch-bäuerlichen Arbeitsmigrant:in, der/die weder religiöser Sektierer noch Weißgardist, weder Jude noch Wolga-Deutscher war, in der einschlägigen Literatur vergleichsweise wenig Raum gegeben wird, was sich zwangsläufig auch im vorliegenden Artikel niederschlug. Das widerspiegelt seinerseits den – insgesamt dürftigen – Forschungsstand. Eine Grundrichtung künftiger Forschung zum Thema sollte es daher sein, diese Defizite zu beheben. Doch noch eine andere Grundrichtung zeichnet sich ab: Die bisherige Forschung zur russischen Migration nach Lateinamerika war, und das ist keine Verabsolutierung, nicht theoriegeleitet, was zur Folge hatte, dass sie ebenso wenig zur Theoriebildung genutzt werden konnte. Beides aber täte not.

Während ersteres Defizit auch in diesem Aufsatz nicht behoben werden konnte, soll das bei letzterem zumindest in einem ersten Ansatz versucht werden, dies jedoch beschränkt auf die Frage nach der äußeren und inneren Dimension des Diaspora-Begriffs, hinter deren Antwort sich die Entscheidung über die Grundfrage dieses Artikels verbirgt: ob die russischen Immigrant:innen in Lateinamerika eine Diaspora sind oder nicht.

Mit Bedacht, wiewohl noch provisorisch, wurde an den Beginn der diesem Aufsatz vorangestellten Überlegungen der Diaspora-Begriff von Wahlbeck gesetzt, schon er mit dem Ziel, auch ja keines der in Frage kommenden Phänomene a priori, über eine zu enge Definition, zu ignorieren oder auszuschließen. Doch bereits bei Wahlbeck wurde als besonders problematisch die Spannweite von „relating“ angesehen. Daraus ergeben sich nun zwei Fragen: 1) Wie eng muss inneres „relating“ („attachment“) einer Migrant:innen-Bewegung mindestens beschaffen sein, damit es das Kriterium von Diaspora erfüllt und ist dafür eine engere „community“ sine qua non? Und 2) wie weit darf dafür das äußere „relating“ der Bewegung höchstens gefasst werden, einerseits zum „country of origin“ (hier: Russland) und andererseits zum „country of exile“ (hier: das entsprechende lateinamerikanische Land)?

Begonnen werden soll hier mit 2): Das äußere „relating“ ist in der engsten Ausprägung des Diaspora-Begriffs ganz zweifellos an die jüdische Diaspora und ihr Heimweh nach dem Sehnsuchtsort Eretz Israel gebunden. Das besitzen die Russ:innen in Lateinamerika, in Bezug auf Russland, so nicht. Weinar (2010, 78) ist da schon etwas anspruchsloser und der Meinung „(d)iaspora includes practically anybody with a migrant background who contributes to the development of the home country“. Bei ihr ist das Kriterium für Diaspora also nur” noch der von den Migrant:innen geleistete Beitrag zur Entwicklung ihres Heimatlandes (hier: Russland). Aber auch dieses Kriterium erfüllen die nach Lateinamerika ausgewanderten Russ:innen nicht oder kaum.

In einer besonders weiten Dimension von äußerem „relating“ dagegen wäre, wie bei der islamischen „umma“, Diaspora nur „imagined“ (Faist 2010, 12)? In einer anderen weiten Perspektive wird vorgeschlagen: „Home is always somewhere else. Home is both ‚here“ and ‚there‘ or somewhere in between. Sometimes it’s nowhere“ (Gómez-Pen͂as 1996, 5). Doch bei den russischen Migrant:innen ist auch davon nichts der Fall: Sie sehen relativ klar in Lateinamerika, dem entsprechenden Land oder der jeweiligen Region, ihr neues „home“ und verorten sich daher nicht im Niemandsland weder eines „in between“ noch eines „third space“ im Sinne eines Homi Bhaba. Bei ihnen ist vielmehr ein besonders hohe Maß an neuer „locality“ im Vergleich zu alter „locality“ auffällig und vor allem eine geringere (als für andere Diasporas) „mobility“ (zum Konzept: Dahinden 2010).

Daher muss nun nach einem in der Mitte verorteten Diaspora-Begriff Ausschau gehalten werden: An dieser Stelle ist insbesondere Hall (1990, 235) instruktiv, der schreibt: “(D)iaspora does not refer us to those scattered tribes whose identity can only be secured in relation to some sacred homeland to which they must all cost return (…).” Shefer (2006, 9 f.) formuliert Ähnliches, und dies im Unterschied zu Hall sogar affirmativ: „(M)embers of such entities maintain regular or occasional contacts with what they regard as their homelands and with individuals and groups of the same background residing in other host countries.“ Wenn man nun mit Shefer das Diaspora-Kriterium äußeres „relating“ als ein loses, auch sporadisches, „attachment“ an das Ursprungsland interpretierte, dann trifft es auf die in Lateinamerika ansässigen russischen Migrant:innen zweifelsohne zu. Mit anderen Worten, das in seiner Extension bei ihnen zwar gegebene mittlere äußere „relating“ von Diaspora ist in seiner Intension, in Bezug auf das Ursprungsland, eher gering, weil lediglich sporadisch, ausgeprägt.

19_diaspora_seedball_wiki_ccWas nun 1) und das innere „relating“ von Diaspora angeht, ist für den Gesamt-Diskurs ganz sicher Cliffords (1994, 308) Kriterium der „community“ einschlägig, das er als „dwelling“ „solidarity“ oder feste „connection“ charakterisiert. Berchem (2014, 4) argumentiert hier ähnlich, wenn er Diaspora an einen „sozialen Nahraum“ mit der nötigen „ontologischen Sicherheit“ bindet. Auch der zuvor noch zustimmend zitierte Shefer (ebd.) ist an dieser Stelle recht ambitioniert, wenn er schreibt: „Based on aggregate decisions to settle permanently in host countries, but to maintain a common identity, diasporans identify as such, showing solidarity with their group and their entire nation, and they organize and are active in the cultural, social, economic, and political spheres.“ Doch „common identy“ und „solidarity“ sind für die russische Diaspora sehr fragwürdig, viel zu heterogen, politisch, sozial und religiös widersprüchlich, ja konfliktiv ist sie. Das wurde im empirischen Teil des Artikels deutlich gemacht. Die bei Shefer zugrunde gelegte homogene – ethnische, kulturelle, religiöse, gar politische – „community“ aller Migrant:innen aus ein und demselben Staatsgebiet gibt es in Lateinamerika folglich nicht, auch nicht in einzelnen Ländern. Lediglich wenn man inneres „relating“ auf einzelne Strömungen oder Gruppen dieser Immigrant:innen bezöge, könnte es Ausnahmen geben, wie etwa bei den nach dem russischen Prinzip der „obščina“ organisierten Strömungen der Mennoniten oder der Altgläubigen oder auch der Kosaken. Doch sie betrafen nie das Gros der russischen Migrant:innen. Allein dass eine Vielzahl von ihnen noch untereinander auf Russisch kommuniziert bzw. diese Sprache wenigstens spricht und dass diverse Vereine und Klubs, in denen die russische Kultur gepflegt wird, nicht untergangen sind, aber auch dass russische(s) Essen, Riten und Mentalitäten weiterhin präsent sind, dürfte für das Kriterium des inneren „relating“ von Diaspora – gerade noch – reichen.

Daraus ergibt sich: Die russischen Immigrant:innen in Lateinamerika konstituieren eine Diaspora … gerade noch. Aber wie minimal dürfen äußeres und inneres „relating“ gerade noch sein, damit eine Gruppe von Immigrant:innen den Anspruch an eine Diaspora noch erfüllt? Und wie lange bleibt sie das, wenn sie aus dem Ursprungsland keinen oder ungenügenden personellen Nachschub erhält? Um das herauszufinden, ist die russische Diaspora ein gewiss besonders ergiebiges empirisches Feld. Das heißt, sie ist vor allem ein ideales Forschungsobjekt für die Frage, ab wann und bis wann, dies historisch wie analytisch, von einer Diaspora die Rede sein kann.

Bildlich gesprochen: Heute steht bei den Russ:innen in Lateinamerika der Samowar wohl vor allem im Regal und nur zuweilen noch auf dem Tisch – doch entsorgt wurde er eben bislang auch noch nicht – die Bombilla allerdings, die Bombilla wird ihm vielleicht schon in der nächsten Generation „den Rang ablaufen“, es sei denn, in Russland verändern sich die Dinge so, dass von dort eine fünfte oder sechste Migrationswelle nach Lateinamerika „hinüberschwappt“. Aber wer weiß das schon?

 

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Zitierte Literatur:

 

Berchem, David Johannes (2014): Homecoming als Praxis der transnationalen Beheimatung zwischen Australien und Deutschland. In: Reverse Culture Shock, unter: https://www.sowi.rub.de/mam/content/sozanth/reverse_culture_shock_.pdf (Zugriff 18.08.2021).

Clifford, James (1994): Diasporas. In: Cultural Anthropology, Vol. 9, No. 3, 302 – 338.

Cohen, Robin (2008): Global Diaspora. An Introduction. London/New York.

Collier, Paul (2014): Exodus: Warum wir Einwanderung neu regeln müssen. München.

Dahinden, Janine (2010): The dynamics of migrants’ transnational formations: Between mobility and locality”. In: Bauböck, Rainer/Faist, Thomas (eds.): Diaspora and Transnationalism: Concepts, Theories and Methods. Amsterdam, 51 – 70.

Elsner, Sophie (o.J.): Jewish Immigration to Argentina. Movements Before 1930, unter: https://library.brown.edu/create/modernlatinamerica/chapters/chapter-9-argentina/moments-in-argentine-history/jewish-immigration-to-argentina/ (Zugriff 19.08.2021).

Faist, Thomas (2010): Diaspora and transnationalism: What kind of dance partners?” In: Bauböck, Rainer/Faist, Thomas (eds.). Diaspora and Transnationalism: Concepts, Theories and Methods. Amsterdam, 9 – 34.

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Bildquellen: [1-19]_wiki (deutsch, englisch, russisch)

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