Die im „Nationalen Demokratischen Rat“ (Conalde) versammelten Präfekten der nach Autonomie strebenden Departments haben in Verhandlungen mit der bolivianischen Regierung eingewilligt, um die gewalttätigen Konflikte im Tiefland zu beenden, in welchen nach bisher unbestätigten Meldungen mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen sind, etliche verletzt wurden und es noch vermisste Personen geben soll.
Die Festnahme des Präfekten von Pando, Leopoldo Fernández, am 16.09.2008, dem die Verantwortlichkeit eines Massakers an etlichen Campesinos in der vorangegangen Woche vorgeworfen wird, schien die Verhandlungsgespräche in letzter Minute scheitern zu lassen. Der Präfekt von Tarija, Mario Cossio, gleichzeitig Sprecher der oppositionellen Autonomiebewegung, verließ beim Empfang der Meldung den Verhandlungstisch mit Vizepräsident Álvaro García Linera. Cossio ließ allerdings später verlauten, dass er im Namen aller oppositionellen Präfekten ein Vorabkommen (preacuerdo) unterzeichnen werde, um mit den Verhandlungen fortfahren zu können. Er bat die Regierung aber auch um die Garantie der persönlichen Integrität von Leopoldo Fernández.
Vizepräsident García Linera bestätigte ebenfalls die Unterzeichnung des Vorabkommens durch die Regierung und fügte hinzu: „Wenn wir wollen, dass Ruhe in den Regionen einkehrt, unterschreiben wir alle dieses Dokument. Die Regierung hat es bereits getan und die Präfekten sollten es ebenfalls tun. Es nicht zu unterzeichnen bedeutet Gewalt, Konfrontation, Aggression und einen noch schlimmeren Bruch zwischen den Bolivianern.“
„Wir haben uns entschieden das Abkommen zu unterzeichnen, um den Frieden wieder herzustellen“ war vom Präfekten von Santa Cruz, Rubén Costas, zu vernehmen. Costas gilt als Anführer der Autonomiebewegung und steht in starker Opposition zur Regierung. Dass die Gewalt allerdings von der Opposition ausgegangen war und in Costas Departement vor allem von der eng mit dem Bürgerkomitee Santa Cruz verbundenen Cruzener Jugendunion (UJC) geschürt worden war, vergaß er zu erwähnen. In diesem Zusammenhang erscheint es mehr als ironisch, dass Costas den Dialog als einzigen Weg für das Land verteidigt, der Regierung aber gleichzeitig vorwirft, für noch mehr Trauer unter den Bolivianern sorgen zu wollen.
Das Vorabkommen beinhaltet eine Themenliste, welche die Regierung gemeinsam mit den beteiligten Präfekten der Departements abarbeiten soll und fixiert die Grundlage, die Agenda und die Methodik der Verhandlungen, wie auch die teilnehmenden Verhandlungspartner.
Die wichtigsten Punkte, die es abzuhandeln gilt, sind die Autonomiefrage der Departements, die Verteilung der Einnahmen aus der direkten Steuer auf fossile Brennstoffe (IDH) sowie die Rückgabe der von der Opposition besetzten staatlichen Einrichtungen in einigen Tieflandsregionen. In der Regierung scheint man zu größeren Zugeständnissen bereit, da verlautet wurde, man „respektiere das Recht auf departementale Autonomie von Pando, Beni, Tarija und Santa Cruz.“ Über die Rückgabe besetzter öffentlicher Einrichtungen wird mitverhandelt, ob nicht einige von ihnen generell in die Zuständigkeit der Departements fallen sollen, was einer teilweisen Dezentralisierung der Verwaltung und von Einfluss gleichkäme.
Im Bezug auf die neue Verfassung, die von der Regierung vorangetrieben wird, ist diese bereit, die Debatte im Kongress über die Einberufung bzw. Festsetzung eines Referendums über die Ratifizierung des Verfassungsentwurfes für einen Monat auszusetzen, um den nationalen Dialog nicht gleich wieder zu torpedieren. In den Gesprächen wird es auch um die Implementierung einer weiter reichenden Autonomie für die Departements des so genannten Halbmondes in der neuen Verfassung gehen.
Beide Seiten einigten sich ebenfalls auf eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle in Pando, welchen von nationalen und unparteiischen internationalen Organisationen sowie einer Kommission des Kongresses nachgegangen werden soll – unter der Prämisse, dass es weder Straffreiheit (impunidad) noch internationale politische Maßnahmen geben soll.
Die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Präfekten Tieflands-Departements sollen am Donnerstag den 18. September 2008 in Cochabamba beginnen, unter Beobachtung und Vermittlung von Vertretern der Vereinten Nationen, der katholischen Kirche, der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAE bzw. OAS).
Die einheitliche Stärkung der Regierung Morales durch die Abschlusserklärung der bereits am Montag in Santiago de Chile einberufenen Krisensitzung der UNASUR-Länder, unter momentanem Vorsitz der chilenischen Präsidentin Michelle Bachelet, hat die bolivianische Opposition unter einen internationalen Druck gesetzt, dem sie sich kaum entziehen kann. In diesem Kontext muss die schnelle Rückkehr an den Verhandlungstisch gesehen werden, wie auch die Aussetzung der Streiks und Gewalthandlungen in den Tieflandsregionen. Zusätzlich sollen alle Straßenblockaden im nationalen Gebiet aufgehoben werden, eine Maßnahme welche die Mitwirkung der Anhänger von Seiten beider Konfliktparteien erfordert.
(Nach Agenturmeldungen, sowie El País und Bolpress)