Regierung der Unidad Popular unter dem sozialistischen Präsidenten Salvador Allende
1970 Wahlsieg der Unidad Popular (UP) am 4. September mit 36,3 Prozent. Am 22. Oktober wird der Oberbefehlshaber der chilenischen Armee, General René Schneider, von Rechtextremisten ermordet, um einen Pusch auslösen. Am 3. November tritt Salvador Allende das Amt des Präsidenten an.
1971 Am 11. Juli beschließt das Parlament die Verstaatlichung der Kupferindustrie.
1972 Die Aufteilung des Großgrundbesitzes wird bis April beendet. Im Oktober beginnt ein Unternehmerboykott gegen die UP. Einen Monat später werden führende Militärs in die UP-Regierung aufgenommen.
1973 Die UP erreicht bei den Parlamentswahlen vom 4. März 44 Prozent der Stimmen. Am
29. Juni findet ein Putschversuch statt, dem im Juli/August ein erneuter Unternehmerboykott folgt. Am 11. September putscht die Armee unter Führung von Augusto Pinochet gegen Präsident Allende, der dabei getötet wird.
Pinochet-Diktatur 1973-1990
1980 Am 11. September findet ein Plebiszit statt, das eine neue, vom Militärregime ausgearbeitete Verfassung bestätigen soll. Die Verfassung legt fest, dass die Militärregierung weitere acht Jahre im Amt bleiben soll, dann sollen Präsidentschaftswahlen stattfinden. Die Bevölkerung stimmt mit 67% für die neue Verfassung, jedoch wird angenommen, dass dieses Ergebnis auf Wahlbetrug, Manipulation und die Einschüchterung der Bevölkerung zurückzuführen ist.
1982-1983 Das Land durchlebt angesichts der weltweiten Rezession und fallender Kupferpreise die schwerste Wirtschaftskrise seit 1929. Die Krise wird durch die vollständige Liberalisierung der Ökonomie verschärft.
1983 Monatliche Proteste gegen das Regime, organisiert von der Gewerkschaft der Kupferbergarbeiter (CTC), beginnen. Die Regierung ist von der Intensität der Proteste überrascht und erhöht die Militärpräsenz in den Straßen. Gründung der Demokratischen Allianz (Alianza Democrática) aus Radikaler Partei, Republikanischer Partei, Christdemokraten, einem Flügel der Sozialistischen Partei, Sozialdemokratischer Partei und der Sozialistischen Volksunion. Das Parteienbündnis soll mit der Regierung die Umwandlung des Systems in eine Demokratie gestalten. Neben der Allianz gründet sich die Demokratische Volksbewegung (MDP), ein Bündnis aus Kommunistischer Partei, dem MIR, einem Flügel der Sozialisten und anderen Gruppierungen. Gründung der UDI (Unión Demócrata Independiente) als Partei der Anhänger Pinochets.
1986 Bei einem Attentatsversuch der linken Widerstandsgruppe FPMR (Frente Patriótico Manuel Rodríguez) kommt Pinochet mit dem Leben davon, mehrere seiner Leibwächter werden getötet. Verhängung des Belagerungszustands.
1988 In einem Volksentscheid stimmen (zur Überraschung der Militärregierung) fast 55 Prozent der Stimmberechtigten gegen Pinochet und seinen Vorschlag, weitere acht Jahre das Land zu regieren.
Regierungen der Concertación (Mitte-links), 1990 bis 2010
1989 Der Christdemokrat Patricio Aylwin Azocar gewinnt die Präsidentschaftswahlen mit 55 Prozent der Stimmen, auf den Kandidaten des rechten Lagers, den ehemaligen Wirtschaftsminister Büchi, entfallen 29 Prozent. Die Koalition der Parteien für Demokratie (Concertación por la Democracia) erhält die absolute Mehrheit im Parlament, jedoch nicht im Senat (22 von 47 Sitzen), da eine Verfassungsklausel Pinochet und anderen Mitgliedern der Militärregierung erlaubt, neun Senatoren zu ernennen.
1998 Pinochet tritt in seiner Funktion als Oberbefehlshaber des Heeres zurück und wird (als Ex-Präsident nach der Verfassung) Senator auf Lebenszeit. Am 16. Oktober wird er in London auf Grund eines Ermittlungsverfahrens der spanischen Justiz verhaftet.
2000 Pinochet wird durch ein Gutachten britischer Ärzte Prozessunfähigkeit bescheinigt. Er darf nach Chile zurückkehren, wo ihm auf Antrag des Untersuchungsrichters Juan Guzmán Tapia die parlamentarische Immunität aberkannt wird.
2001 Chile gilt international als wirtschaftlich erfolgreichstes und am wenigsten korruptes Land Lateinamerikas. Das Verfahren gegen Pinochet wird wegen Altersdemenz definitiv eingestellt.
2006 Proteste gegen das neoliberale Bildungssystem in Chile
2010 bis 2020 – Comeback der Rechten
Als Wahlsieger tritt Sebastián Piñera am 11. März 2010 für vier Jahre die Nachfolge der sozialistischen Präsidentin Michelle Bachelet an. Damit bekleidete erstmals seit der Diktatur ein konservativer Politiker das Präsidentenamt.
2011-2012 Das Land erlebt die bislang größte Protestwelle seit dem Ende der Diktatur.
2013 Bei der zweiten Runde in den Präsidentschaftswahlen in Chile gewann die Kandidatin des progressiven Bündnisses „Nueva Mayoría“, Michelle Bachelet, mit 62 % deutlich gegen die rechte Regierungskandidatin Evelyn Matthei, die mit 37% eines der schlechtesten Resultate in der Geschichte der Konservativen erzielte. Doch angesichts einer Wahlenthaltung von 59% sollte niemandem wirklich zum Feiern zumute sein. Bachelet regiert das Land in ihrer zweiten Amtszeit von 2010 bis 2014.
2017 In der Stichwahl setzte sich Sebastián Piñera gegen seinen Konkurrenten, den Mitte-links-Kandidaten Alejandro Guillier, mit 54,6 zu 45,4 Prozent durch. Zweite Amtszeit 2018-2022
Massenproteste und verfassunggebender Prozess, 2019-2023
2019 Am 18. Oktober kommt es zu massiven Protesten, die sich zunächst gegen die Preiserhöhungen im Personentransport richten. Staatspräsident Sebastián Piñera verkündet den Ausnahmezustand für die Hauptstadt. Damit wurde erstmals seit der Diktatur ein Ausnahmezustand wegen politischer Unruhen verhängt. Seitdem patrouillieren Soldaten in den Straßen von Santiago. Die Proteste weiten sich zu einer Bewegung für eine Verfassungsreform und für tiefgreifende Reformen des Wirtschaftssystems aus. Anders als bei den Schüler- und Studentenprotesten 2011-2012 werden sie von einer breiten Bevölkerung getragen. Am 20. Oktober verkündet Piñera die Zurücknahme der umstrittenen Preiserhöhungen. Tags darauf weitet die Regierung den Ausnahmezustand auf neun der zwölf Regionen des Landes aus und spricht angesichts der Unruhen erstmals von einem Krieg.
Am 22. und 23. verspricht die Regierung eine Reihe von Sozialmaßnahmen: Erhöhung der Mindestrente und des Mindestlohns, gesenkte Medikamentenpreise, niedrigere Steigerung von Gesundheits- und Stromkosten, höhere Steuern für Bezieher von hohen Einkommen und eine Senkung der Gehälter von Abgeordneten und hochrangigen Staatsbeamten. Am 25. Oktober nehmen nach Angaben der Intendantur (Oberstadtdirektion) von Santiago etwa 1,2 Millionen Menschen an der von Gewerkschaften und Sozialorganisationen organisierten Demonstration im Zentrum von Santiago de Chile teil. dabei soll es sich um die größte Demonstration in der Geschichte des Landes gehandelt haben. Auch in zahlreichen weiteren Städten wurde demonstriert. Einen Tag später kündigte Präsident Piñera eine umfassende Regierungsumbildung an. Am 30. Oktober sagte Präsident Piñera aufgrund der anhaltenden Unruhen die für Dezember in der Hauptstadt Santiago de Chile geplante 19. UN-Klimakonferenz ab. Am 10. November kündigte Innenminister Gonzalo Blumel die Ausarbeitung einer neuen Verfassung an und erfüllte damit eine der zentralen Forderungen der Demonstranten. Die bisherige Verfassung stammt noch aus der Zeit der Diktatur. Ein Referendum, das darüber entscheiden soll, ob die Wähler eine neue Verfassung wollen und wer sie gegebenenfalls ausarbeiten wird, wurde zunächst für den 26. April 2020 angesetzt, dann jedoch aufgrund der Covid-19-Pandemie verschoben. Zwischen dem 18. Oktober und dem 31. Dezember wurden mehr als 54.442 Personen festgenommen. Mit Stand 13. Dezember sind bei den Protesten 26 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 4900 wurden verletzt. Gegen mehr als 36.745 wurde Anklage erhoben; 2.824 von ihnen sind unter 18 Jahren.
2020-2023 Am 14. März 2020 gibt es in Chile 43 bestätigte COVID-19-Fälle. Die Behörden stellen den Großraum Santiago de Chile unter Quarantäne. Am 6. Juli hat Chile die höchste Infektionsrate pro 100.000 Einwohner der Welt. Von Anfang April bis Ende August gilt das ganze Land als Risikogebiet. Am 1. Oktober 2021 werden die nächtliche Ausgangssperre und die Einreisesperre aufgehoben. Ab 9. Mai 2023 ist für die Einreise nach Chile kein COVID-19-Test mehr notwendig. Ein Impfnachweis wird nicht mehr verlangt. Es werden keine Stichprobentests mehr durchgeführt.
2020 Am 25. Oktober wird das ursprünglich für April vorgesehene Referendum abgehalten. Dabei sprach sich eine große Mehrheit für eine neue Verfassung aus.[38] Am 25. Oktober 2020 stimmten rund 78 Prozent der Wahlberechtigten in einem Referendum für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die von einer zu wählenden verfassungsgebenden Versammlung ausgearbeitet werden sollte.
2021 Im Mai folgten dann die Wahlen zum Verfassungskonvent, wo vor allem die etablierten und rechten Parteien eine Niederlage einfuhren und linke – darunter viele unabhängige, parteilose – Kandidierende in den Konvent gewählt wurden. Zudem war der Konvent paritätisch besetzt und von den 155 Sitzen gingen 17 an Vertreterinnen und Vertreter der indigenen Bevölkerung.
Der Jurist und ehemalige Studentenführer Gabriel Boric wird am 19. Dezember im zweiten Wahlgang am zum Präsidenten gewählt. Er setzt sich mit knapp 56 Prozent der abgegebenen Stimmen gegen seinen rechtspopulistischen Herausforderer José Antonio Kast durch. Boric trat für das linke Parteienbündnis Apruebo Dignidad an. Mit 35 Jahren ist er der jüngste Präsident Chiles.
2022 Am 4. Juli übergeben die Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung den Entwurf einer neuen Verfassung. Damit löst sich der Verfassungskonvent nach einem Jahr harter Arbeit auf. Mit einer sozialen, feministischen, ökologischen und plurinationalen Ausrichtung soll das Fundament für den Umbau der Gesellschaft nach solidarischen Prinzipien werden und die Verfassung aus der Zeit der Diktatur ersetzen. Die Rechte führt eine harte Kampagne gegen den neuen Verfassungstext, über den am 4. September in einem erneuten Referendum abgestimmt wird. Mit einer deutlichen Mehrheit (62 Prozent) wird der Entwurf mit Rechazo (dt.: Ich lehne ab) abgewiesen.
2023 Mitte Januar hat der chilenische Kongress die Einigung über einen neuen verfassunggebenden Prozess durchgewunken. Sobald Präsident Gabriel Boric die Reform unterzeichnet, tritt das „Abkommen für Chile“ offiziell in Kraft. Die Gesetzesänderung sieht die Beteiligung dreier Organe an der Entstehung einer neuen Verfassung vor: eine Expertenkommission, einen Ausschuss zur Prüfung der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und einen Verfassungsrat. Dass nur letzterer direkt gewählt wird, ist einer der zentralen Gründe, warum soziale Bewegungen den neuen verfassunggebenden Prozess kritisieren, während die am Abkommen beteiligten politischen Parteien ihn feiern.
Ende Januar hat das Parlament 24 Experten vorgeschlagen – Senat und Abgeordnetenhaus jeweils zwölf. Die paritätisch besetzte Expertenkommission ist am 6. März erstmals zusammengekommen. Ihre Aufgabe ist es, einen ersten Entwurf für die neue Verfassung zu erarbeiten, die dann dem Verfassungsrat übergeben wird. Dessen 50 Mitglieder werden wiederum am 7. Mai unter allgemeiner Wahlpflicht gewählt. Die Sitze werden geschlechterparitätisch besetzt, außerdem gibt es – gemessen an den Bevölkerungsanteilen – überproportional viele reservierte Plätze für Vertreter indigener Gemeinschaften. Der Verfassungsrat hat ab dem 7. Juni fünf Monate Zeit, um den neuen Verfassungstext zu verabschieden. Am 17. Dezember dieses Jahres wird der fertige Text in einem Referendum zur Wahl gestellt, dann heißt es wieder „Apruebo“ (Ja) oder „Rechazo“ (Nein) zur neuen Verfassung.