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Paraguay wählt wieder oder:
Die Rückkehr zur Formal-Demokratie nach dem parlamentarischen Putsch gegen Fernando Lugo

Sven Schaller | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Paraguay: Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Fernando Lugo - Foto: Fernando Lugo APCAm Sonntag wählt Paraguay einen neuen Präsidenten. Nachdem ein parlamentarischer Putsch im Juni 2012 das vorzeitige Ende der Amtszeit von Fernando Lugo bedeutete, besinnt sich die Elite des Landes nun wieder auf formal-demokratische Regeln. Das fällt ihr umso leichter, als dass sie ihr Ziel des Amtsenthebungsverfahrens, hinter dem der parlamentarische Putsch damals getarnt war, erreicht hat: Der Quertreiber Fernando Lugo ist von der politischen Bühne verschwunden, die sich unter ihm gebildete Große Front der vereinten Linken (Frente Guasú) führerlos und schwach, das alte Zweiparteiensystem mit der Colorado– und der Authentischen Radikalen Liberalen Partei wieder hergestellt.

Entsprechend gehen die Wahlprognosen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den beiden traditionellen Parteien aus. Die Frente Guasú bleibt wohl abgeschlagen. Derzeit versucht sie noch einmal, Wähler zu mobilisieren, indem sie an den parlamentarischen Putsch in einem Werbespot erinnert. Doch die Machtbalance im Land hat sich seit letztem Juni grundsätzlich verändert. Die konservativen Kräfte sind sogar so stark, dass sie über ihren Einfluss auf die Medien die Ausstrahlung des Videos bei einem der Sender (Canal 9) untersagen konnten. Das ist zwar gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze, bleibt aber wahrscheinlich folgenlos.

Ein ebenso chancenloses Abschneiden wie der Frente Guasú wird der Partei Geliebte Heimat (Partido Patria Querida, PPQ) mit ihrem Spitzenkandidaten Miguel Carrizosa prognostiziert. Seine Analyse, Paraguay könne nicht mit den gleichen Leuten wie immer verändert werden, verfängt bei den marginalisierten Wählern nicht. Die Landlosen und Armen scheinen resigniert zu haben angesichts der Machtverhältnisse in den beiden Kammern des Parlaments, der korrupten Justiz, des ungebrochenen Einflusses auf alle gesellschaftliche Entscheidungen durch die Großgrundbesitzer des Landes und der Aussichtslosigkeit auf eine Agrarreform.

Der quijoteske Kampf von Ex-Präsident Fernando Lugo gegen all diese Missstände führte zu deutlich vor Augen, dass sich in dem für südamerikanische Verhältnisse kleinen Binnenland so schnell nichts ändern wird. Die während der 61 Jahre dauernden Herrschaft der Colorado-Partei etablierten Strukturen lassen sich offenbar nicht so schnell aufbrechen.

Dabei sah es nach der Wahl von Fernando Lugo im April 2008 noch so aus, als hätte sich ein historischer Machtwechsel in Paraguay vollzogen. Der neue Präsident hatte es geschafft, die zersplitterte Opposition  zusammenzuführen, mit der Patriotischen Allianz für den Wandel (Alianza Patriótica por el Cambio, APC) ein schlagkräftiges Wahlbündnis zu formieren und sich einen breiten Rückhalt bei der armen Bevölkerung zu erarbeiten.

Doch die fehlende Unterstützung im Parlament – die traditionellen Parteien besaßen weiterhin die Mehrheit in beiden Kammern – und der Widerstand in der Justiz ließen die Umsetzung seiner beiden wichtigsten Wahlkampfpunkte, den Kampf gegen die Korruption und die Schaffung einer unabhängigen Rechtsprechung, in weite Ferne rücken. Eine Agrarreform, Lugos drittes großes Ziel, wollte sein Koalitionspartner nicht mittragen, unter anderem deshalb, weil der Agrarminister, Cándido Vera Bajarano, selbst Großgrundbesitzer war. Die Wahlkoalition begann damit schon zu einem frühen Zeitpunkt zu zerfallen. Und als die Landlosen ihre Hoffnungen auf eine Umverteilung des Bodens schwinden sahen, wandten auch sie sich von Lugo ab. Lugo blieb allein, noch dazu von einem Krebsleiden geschwächt.

Paraguay: ökologische Landwirtschaft im Alto Parana - Foto: Quetzal-Redaktion, Steffi HolzNun scheint seine Zäsur endgültig vorbei zu sein. Die Colorado-Partei und die Liberalen bleiben wieder unter sich. Die Kandidaten beider Parteien zeichnen dabei ein treffendes Bild für die Strukturen im Land. Für die Colorados geht mit Horacio Cartes einer der reichsten Männer Paraguays ins Rennen. In den 1990er Jahren war er wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe kurzzeitig in Haft, konnte aber dank seines klientelistischen Netzwerkes, auf das er auch bei diesen Wahlen baut, bald wieder in Freiheit gelangen. Als Kandidat der Liberal-Radikalen Authentischen Partei (Partido Liberal Radical Auténtico, PLRA) tritt Efraín Alegre an. Der Ex-Minister für Konstruktion und Kommunikation unter Fernando Lugo wandte sich wie seine Partei gegen den früheren Präsidenten. Bei den jetzigen Wahlen wäre er sicherlich von vornherein chancenlos geblieben, wenn er nicht unerwartet die Unterstützung der Nationalen Union der Ethischen Bürger (Unión Nacional de Ciudadanos Éticos, UNACE) erlangt hätte. Deren Gründer, der General Lino Oviedo, der 1989 gegen den Diktator Alfredo Stroessner geputscht hatte, war im Februar 2013 bei einem Helikopterabsturz ums Leben gekommen. Daraufhin gab die UNACE eine Wahlempfehlung für Alegre aus.

Der Kandidat der PLRA erhält aber noch von ganz anderer Seite Unterstützung – nämlich von der deutschen FDP. Bereits kurz nach dem von der PLRA getragenen Amtsenthebungsverfahren gegen Fernando Lugo im letzten Jahr reiste der Entwicklungsminister Dirk Niebel zu einem Treffen mit der illegitimen Regierung Paraguays. Im März 2013 empfing nun der Bundesaußenminister, Guido Westerwelle, seinen paraguayischen Amtskollegen, José Felix Fernández Estigarribia, um die bilateralen Beziehungen zwischen beiden Staaten zu vertiefen und eine Absichtserklärung zur Einrichtung einer privaten binationalen Universität in Asunción zu unterzeichnen. Der Zeitpunkt der Zusammenkunft lässt zumindest vermuten, dass damit eine indirekte Wahlhilfe für die „Schwesterpartei“ geleistet werden sollte.

Damit ist das Patt in den Wahlprognosen hergestellt. Für die paraguayische Bevölkerung stellt sich jedoch einmal mehr die Wahl zwischen der oft zitierten Alternative Pest oder Cholera.

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Bildquellen: [1] Fernando Lugo APC; [2] Quetzal-Redaktion, Steffi Holz

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