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Weinbau in Chile Teil I: Entstehung & geographisch-klimatische Rahmenbedingungen

Florian Quitzsch | | Artikel drucken
Lesedauer: 11 Minuten

Die Anfänge des Weinbaus in Chile reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Damit ist der chilenische Weinbau ungefähr 200 Jahre älter als der in Kalifornien und 100 Jahre älter als der in Südafrika.

Mit der Eroberung Südamerikas durch die Europäer beginnt auch die Weinbaugeschichte des Andenstaates. Über Mexiko erreichten die Spanier – und mit ihnen auch die ersten Rebstöcke – im 16. Jahrhundert Südamerika. Die Versorgung der Eroberer und religiöse Zwecke (Messwein, Abendmahl) erforderten Weinanbau auch dort, wo man ursprünglich auf der Suche nach Gold war. Die Haltbarkeit des Flaschenweins war zu dieser Zeit noch sehr begrenzt, die Wege der Schiffe waren lang. So blieb als einzige Lösung der Anbau vor Ort. Der Mönch Francisco de Carabantes gilt als erster, der Wein, wahrscheinlich der Sorte País, 1548 über den Hafen von Concepción in das Gebiet des heutigen Chile [1] brachte. Doch schnell erkannten die Jesuiten- und Franziskaner-Orden, dass der Verkauf ihres Weins eine zusätzliche und willkommene Geldquelle darstellte. Zusätzlich wurde in einigen Teilen Chiles auch Land an Siedler vergeben, verbunden mit der Auflage, innerhalb eines Jahres Rebstöcke zu pflanzen – ansonsten konnte ihnen der Grund wieder entzogen werden. Mit den aus Spanien stammenden Rebsorten Albilho, Moscatel, País und Torontel wurde billiger Massenwein erzeugt – ausreichende Mengen, um den lokalen Markt zu beliefern und um Überschüsse nach Peru und Mexiko zu verschiffen. Der spanische Eroberer Francisco de Aguirre gilt als erster Winzer Chiles. Im Jahre 1549 pflanzte er die ersten Rebstöcke nahe des Pazifiks bei La Serena, das heute einen der nördlichsten Endpunkte [2] des chilenischen Weinbaus markiert.

Anfangs konzentrierten sich die Weinberge auf die Umgebung von Santiago – aus mehreren Gründen: die Böden stellten sich dort als besonders fruchtbar heraus und Ackerland stand in ausreichendem Maß zur Verfügung. Außerdem mussten die Siedler feststellen, dass die Transportkosten von einem im Inland gelegenen Gut nach Santiago zu hoch waren, um dem Wettbewerb standhalten zu können – musste doch der Wein mühsam mit Mulis transportiert werden. Und zu guter Letzt hatten auch die Mapuche, die indianischen Ureinwohner, einige Landstriche außerhalb der Hauptstadt – und mit ihnen die dort bereits angelegten Weinberge – zurückerobert, so dass dort nicht mehr produziert werden konnte.

Aber die Erträge der Weinberge rund um die Hauptstadt waren groß genug, um Chile in zunehmendem Maße zu einem Konkurrenten für europäische Weine werden zu lassen. Für die Mutterländer und deren Wirtschaft war es existentiell wichtig, den in Europa produzierten Wein im Austausch gegen Silber und Gold zu exportieren. Das spanische Königshaus belegte deshalb nicht nur 1595 die Anpflanzungen in den Kolonien mit einem Bann, sondern erließ 1620 mehrere Gesetze, um die eigenen Weingüter in Europa zu schützen. So mussten z.B. Steuern gezahlt werden, und Felipe II ging sogar soweit, dass er weitere Anpflanzung verbot. Dieses Verbot zeigte einige Jahre mäßige Wirkung, verhinderte aber nicht ein Anwachsen der Weinberge in der Kolonialzeit.

Recht schnell zeigte sich, dass die geologischen und meteorologischen Voraussetzungen in den Tälern rund um Santiago ideal waren. Zahl und Größe der Weingüter wuchsen, und im 18. Jahrhundert wurde der erste Wein exportiert.

Qualitative Fortschritte initiierte ab 1830 der französische Botaniker Claude Gay mit der Gründung der Agrarforschungsanstalt Quinta Normal der Universidad de Chile. Unter seiner Obhut wurden ca. 70 internationale Rebsorten zu Versuchszwecken angepflanzt.

Weinbau war auch in Chile weniger ein Mittel zum Geldverdienen, sondern vielmehr ein Lebensstil – vor allem für die adligen Großgrundbesitzer. Auch hier bewunderte man, wie in der übrigen Welt, alles was aus Frankreich stammte. Man lebte die französische Kultur, baute nach französischen Architekturstilen und reiste nach Frankreich – geschäftlich und privat. Von einer dieser Reisen brachte Silvestre Ochagavía Echazarreta 1851 die ersten französischen Rebstöcke mit – Merlot, Cabernet Sauvignon, Malbec, Pinot Noir, Riesling, Sauvignonasse und Sémillon und schuf damit die Basis für einen Qualitätsweinbau. Auch Technik und Winzer wurden aus Frankreich nach Chile „importiert“, und italienische und spanische Einwanderer brachten zusätzliches Wissen ein.

In den nächsten zwei Jahrzehnten wurden neue Gebiete für den Weinbau erschlossen und teils mit Kanälen für die künstliche Bewässerung versehen. Ab 1860, mit dem Bau der Eisenbahn, wurden auch die Transportkosten niedriger, ein weltweiter Handel wurde möglich und die Produktions- und Exportmengen wuchsen.

Das gab dem chilenischen Weinbau einen immensen Schub, zwischen 1850 und 1890 wurden Bodegas gegründet, die noch heute zu den ganz Großen in Chile zählen (Concha y Toro, Cousiño Macul, Errazuriz, San Pedro, Santa Carolina, Santa Rita, Tarapaca u.a.). Der dramatische Rückgang der europäischen Weinproduktion im Verlauf der Reblauskatastrophe bis hin ins 20. Jahrhundert begünstigte den Weinbau in Chile. Die Reblaus hatte um Chile buchstäblich einen Bogen gemacht.

Immer mehr Weingüter entstanden und wurden immer erfolgreicher: 1882 erhielten die chilenischen Weine auf der Weinmesse in Bordeaux in ihrer Gesamtheit eine Auszeichnung und zusätzlich erhielten einige Weine individuelle Goldmedaillen. Drei Jahre später in Liverpool gab es erneut etliche Auszeichnungen und Goldmedaillen, aber der größte Erfolg kam bei der Weltausstellung in Paris 1889, wo die chilenischen Weine als Gruppe einen Grand Prix erhielten – neben den zahlreichen Goldmedaillen für individuelle Weine.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde weit mehr Wein produziert, als im Lande getrunken wurde; man machte sich auf die Suche nach neuen Märkten – mit relativ geringem Erfolg. Im Gegenteil – durch die steigende Produktion und die damit verbundenen niedrigen Preise stieg der Inlandskonsum, so dass Anfang des 20. Jahrhunderts der Pro-Kopf-Verbrauch bei 100 Litern pro Jahr lag. Trotz dieses Rekords stiegen die Produktionsmengen weiter und der Alkoholismus wurde zu einem ernstzunehmenden Problem. Der Staat versuchte der Situation Herr zu werden: Steuern wurden erhoben, Tavernen mussten am Wochenende schließen, etc. 1938 schließlich einigten sich Regierung und Winzer darauf, keine neuen Weinberge mehr anzulegen, zusätzlich sollte der Export intensiviert werden.

In den 1930er Jahren waren ca. 100.000 Hektar mit Weinstöcken bepflanzt. Anschließend gab es einen dramatischen Einbruch durch den Zweiten Weltkrieg, einen Anbaustopp und eine kräftige Weinsteuer. Ein Niedergang des Weinbaus war die Folge. Zwischen 1940 und 1970 erließ die Regierung immer weitere Gesetze gegen den Weinbau: zusätzliche Steuern wurden erhoben und eine Agrarreform ins Leben gerufen. Hinzu kam, dass Chile nach dem Zweiten Weltkrieg seine Grenzen dicht gemacht hatte, nicht-lebensnotwendige Güter konnten gar nicht oder nur sehr schwer importiert werden, so dass keine neue Technik ins Land gelangte und der Weinbau stagnierte. Bis 1974, als das Anpflanzungs-Verbot wieder aufgehoben wurde, hatte Chile den Anschluss an die anderen Weinbaunationen so gut wie verloren.

Ende der 1970er Jahre wurden die Restriktionen gelockert: die Anbauflächen wurden wieder ausgeweitet; allerdings ging der Inlandskonsum drastisch zurück – zuerst auf 52 Liter/Kopf im Jahr (1982) und dann bis auf ca. 25 Liter/Kopf im Jahr (1990). In der Folge litt man unter einer massiven Überproduktion. Damit änderte sich viel in Chile: die Anbaufläche wurde auf 60.000 Hektar reduziert; Weingärten wurden neu bepflanzt, Keller wurden neu ausgerüstet – alles, um qualitativ mit anderen Ländern mithalten zu können.

Mit der Liberalisierung Anfang der 1980er Jahre hat auch in Chiles Weinindustrie ein Umdenkprozess stattgefunden: weg von der Überproduktion an Trauben für Alltagsweine, hin zu Trauben für Qualitätsweine; bei einer Bewirtschaftung von etwa 60 Prozent der Rebfläche.

Die Anpassung der Produktion an die internationale Nachfrage gelang rasch, ebenso die Neubepflanzung der Weinberge, die Ausrüstung der Kelter- und Gäranlagen mit modernsten Maschinen und damit eine gewaltige Steigerung der Qualität im Keller. Schließlich schaffte man es in weniger als 20 Jahren, den Exportanteil der gesamten chilenischen Weinproduktion von weniger als 5 auf 50 Prozent zu steigern. Natürlich kann das ganze auch von einer zweiten Seite gesehen werden: möglicherweise hatte ausgerechnet der drastische Rückgang des chilenischen Pro-Kopf-Verbrauchs in den siebziger und achtziger Jahren diesen Durchbruch begünstigt, da er die alteingesessenen Kellereien zum Schritt auf die Exportmärkte und damit zur Suche nach ausländischen Partnern und zum radikalen Wandel in Weinberg und Keller zwang.

Modernisierung war somit zum Ende des 20. Jahrhunderts einer der wichtigsten Aspekte im chilenischen Weinbau. Miguel Torres, der 1978 bei Curicó sein eigenes Weingut gründete, hat daran sicherlich den größten Anteil, führte er doch als erster Edelstahltanks und kleine Barrique-Fässer ein. Ab 1985 wurden in großem Umfang neue Weinberge angelegt und europäische Sorten importiert. Zahlreiche Joint Ventures mit kalifornischen, französischen und deutschen Partnern erbrachten entscheidende Qualitäts-Verbesserungen. Die Rebfläche stieg auf rund 110.000 Hektar. Die Erfolge lockten ausländisches Kapital an (in etwas mehr als 20 Kellereien steckt französisches Kapital). Auch wurde nun nicht mehr nur in den „alten Gebieten“ angebaut, sondern auch die Erschließung kühler und karger Gebiete (u.a. Valle Elqui, Osorno) vorangetrieben.

Chronologisch kann der Fortschritt mit folgenden Schritten umrissen werden:

  • ab 1980: Modernisierung der Kellereien; Förderung des Anbaus französischer Rebsorten, Exportorientierung
  • ab Ende der 1980er Jahre: Nutzung von selektiertem Lesegut um Premiumwein herzustellen; Erschließung von Casablanca als kühlem Anbaugebiet
  • ab 1995: internationale Erfahrung der Önologen wird zum Standard; Rebflächen werden ausgeweitet – Rebsorten werden getrennt angebaut und behandelt. Erforschung von Lagen und Rebsorten; Erschließen von kühlen und kargen Weinbergslagen
  • ab 2000: gezielte Untersuchung und Nutzung der Kombination von Lagen, Rebsorten und Weinkellertechnik; deutlichere Trennung von Massen- und Qualitätsweinbau.

Geographische & klimatische Bedingungen

Chile ist ein Land mit extremen Klimaunterschieden, die trockene Atacama-Wüste im Norden und das karge, regnerische Feuerland im Süden. Es hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von 4300 Kilometer und eine Breite von max. 180 Kilometer. Das Land wird im Westen vom Pazifik und im Osten von den Anden begrenzt. Das Gebirgssystem der Anden zieht sich vom Hochland im Norden Chiles bis nach Feuerland im Süden.

Chile kann von Osten nach Westen in drei topographische Regionen unterteilt werden: die hohe Kordilleren der Anden im Osten, die flacheren Küstengebirge im Westen und dazwischen das Hochland mit dem Chilenischen Längstal. Von Norden nach Süden folgend, können ebenfalls drei unterschiedliche geographische Regionen erfasst werden: Nordchile, Zentralchile und Südchile. Aufgrund seiner großen Längsausdehnung verfügt Chile über unterschiedliche Klimazonen. Durch den maritimen Einfluss herrschen im Allgemeinen gemäßigte Temperaturen. Die Temperaturen werden durch den kalten, an der Küste entlang fließenden Humboldtstrom reguliert. Die kalten Meeresströme bedingen, dass der Weinanbau oft nicht an der Küste, sondern weiter im Landesinnern anzutreffen ist. Die durchschnittliche Jahrestemperatur in Santiago beträgt 14,0 Grad Celsius. Sie fällt in den Anden um ungefähr 1 °C pro 150 Höhenmeter.

Zwischen der Küstenkordillere, die bis zu 2000 Meter hoch ist, und den Anden liegt das Längstal des Valle Central; dort befinden sich die meisten landwirtschaftlich genutzten Flächen. Weinbau gibt es vor allem in der Region um Santiago: bis 150 Kilometer Richtung Norden und ca. 400 Kilometer Richtung Süden. Die Gebirgskette hält die meisten vom Pazifik kommenden Wettereinflüsse zurück; durch die Flusstäler kann aber noch Meeresluft eindringen, so dass die hohen Temperaturen im Sommer etwas gemildert werden. Regen konzentriert sich auf die Wintermonate (zwischen 350 und 800 mm im Jahr), die Sommer sind warm und trocken mit geringer Luftfeuchtigkeit – dadurch sind die Weinberge fast frei von Pilz-, Viren- und parasitärem Befall und können praktisch organisch bewirtschaftet werden. Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht ist hoch. Selten ist der Himmel in der Wachstumsphase bewölkt, dadurch ist die Lichteinstrahlung sehr intensiv. Aufgrund der Trockenheit im Sommer muss fast überall künstlich bewässert werden. [3] Flüsse, die von Ost nach West verlaufen, bringen Schmelzwasser aus den Anden zum Meer, welches „unterwegs“ zur Bewässerung des Weines genutzt wird. Die Böden weisen eine gute Drainage mit ausreichender Belüftung und eine große Vielfalt an Texturen auf. Die Böden der verschiedenen Anbaugebiete sorgen durch ihre Vielfalt – von Schwemmland mit Kies und Geröll reicht das Spektrum bis hin zu Lehm und Ton, Tuffstein und vulkanischen oder sogar schlammigen, feuchten Böden – in den einzelnen Zonen für sehr unterschiedliche Weintypen.

Die natürliche Barriere der Andenkordillere, der Pazifik im Westen, die Atacama-Wüste im Norden und die semi-polaren Bedingungen in Patagonien im Süden verhinderten das Eindringen der Reblaus. Es wird vermutet, dass infolge der traditionellen Bewässerung durch Überflutung der Weingärten die wenigen Exemplare dieses Schädlings immer wieder vernichtet werden. Auch das Problem des Mehltaus ist bisher noch nicht aufgetreten. Aufgrund des Ausbleibens dieser zwei negativen Faktoren gibt es in Chile große Rebflächen mit unveredelten Rebstöcken. Hier war und ist es nicht nötig, Edelreizer auf amerikanische Unterlagsrebstöcke zu pfropfen, die gegenüber der Reblaus resistent sind, was noch heute ein ungeheurerer Kostenvorteil ist.

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[1] Wenn im folgenden Text (zur Geschichte) von Chile die Rede ist, so sind damit die Gebiete des heutigen Territorialstaates gemeint, welche ab etwa 1540 bis zur Unabhängigkeit 1818 unter verschiedenen Bezeichnungen und Verwaltungsstrukturen Bestandteil des Vizekönigreiches Peru waren.
[2] Weinbau kann zwischen 30 – 38 ° nördlicher und südlicher Breite betrieben werden.
[3] Schon die Inkas hatten ein umfangreiches Netz von Kanälen angelegt, mit dem 1,2 Millionen Hektar Land bewässert wurden.


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Weinbau in Chile Teil II – Anbaugebiete, Sorten & (Groß-)Produzenten

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