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Die Teilwahlen in Argentinien am 26. Oktober 2025

Sven Sieber | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Am 26. Oktober 2025 fanden die mit Spannung erwarteten Teilwahlen zum argentinischen Kongress statt. Im Vorfeld ließen Umfragen ein enges Rennen zwischen der Partei des Präsidenten Javier Milei La libertad avanza (LLA) und dem oppositionellen linksperonistischen Bündnis Fuerza Patria erwarten. Angesichts einer Woge von Korruptionsvorwürfen gegen das Umfeld des Präsidenten, in deren Zentrum seine Schwester Karina Milei steht, die gleichzeitig Sekretärin des Präsidialamtes ist, und schlechter Wahlergebnisse von LLA bei den vorrangegangenen Provinzwahlen in Corrientes und insbesondere in der bevölkerungsreichen und wirtschaftsstarken Provinz Buenos Aires schien ein Sieg der Opposition durchaus möglich.
Doch der Wahltag brachte für alle Seiten eine faustdicke Überraschung. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis erzielte LLA bei der Wahl zur Abgeordnetenkammer mit 40,7 Prozent und sogar 42 Prozent für den Senat einen Sieg. Die Peronisten errangen jeweils nur 36,9 Prozent.
Angesichts der Korruptionsvorwürfe und der schlechten Wirtschaftslage erstaunt dieses Ergebnis zunächst. Der offensichtliche Hauptgrund dafür lässt sich jedoch schnell erkennen. Er liegt in der massiven Einmischung der US-Regierung und von Donald Trump selbst. Dieser kündigte eine starke finanzielle Unterstützung von ca. 40 Mrd. US-Dollar für Argentinien an, allerdings nur im Falle eines Wahlsiegs von Milei. Motive dafür dürften Trumps politische Präferenz für den Ultraliberalen sein, der inzwischen sein wichtigster Verbündeter in Lateinamerika ist, sowie die Absicht, der US-Wirtschaft ungehinderten Zugang zu den strategisch bedeutsamen Ressourcen des südamerikanischen Landes wie Lithium und seltene Erden zu verschaffen. Gerade für Letzteres ist Javier Milei ein sicherer Garant.
Aus Sorge vor einem Staatsbankrott, wiederkehrender (Hyper-)Inflation sowie einem ökonomischen und politische Chaos, wie es das Land Ende 2001 erlebt hatte, entschieden sich viele argentinische Wähler für Milei. Man kann also mit Fug und Recht von einer Angstwahl sprechen. Ob es nun nach der Wahl zur erhofften Stabilisierung in Politik und Wirtschaft kommt, ist allerdings mehr als fraglich.
Mit dem Wahlergebnis kann Milei in Zukunft verhindern, dass seine Vetos gegen Parlamentsbeschlüsse, wie jüngst zweimal geschehen, vom Kongress gekippt werden können. Aber auch weiterhin verfügt er dort über keine eigene Mehrheit. Er ist also in Zukunft weiter auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen. Dafür kommen neben PRO (ProPuesta Republicana), der Partei des neoliberalen Ex-Präsidenten Mauricio Macri, vor allem das von mehreren Provinzgouverneuren ins Leben gerufene Bündnis Provincias Unidas in Frage.
Dass Milei sich dieser Situation bewusst ist, zeigte sein ungewöhnlich moderates Auftreten nach der Wahl mit Anzug und Krawatte anstelle seines sonst üblichen Rockeroutfits mit Lederjacke.
Für die Peronisten stellt sich nun ebenfalls die Frage, wie mit dem Wahlergebnis umzugehen sei, wobei sie die kommenden Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren fest im Blick haben. Erste Reaktionen lassen eine Spaltung des Bündnisses Fuerza Patria befürchten. In den vergangenen Tagen gab es gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen dem Umfeld der früheren Präsidentin Cristina Fernández und den Anhängern des Gouverneurs der Provinz Buenos Aires und vormaligen Wirtschaftsministers Axel Kicillof. Da Kicillof ein starker Anwärter auf die peronistische Präsidentschaftskandidatur 2027 ist, der in seiner Provinz vor reichlich einem Monat außerdem einen deutlichen Wahlsieg über LLA errungen hatte, während Fernández in einem umstrittenen Korruptionsverfahren per Gerichtsbeschluss von öffentlichen Ämtern zumindest vorläufig ausgeschlossen wurde, ist diese Konstellation von großer Brisanz.
In diesem Zusammenhang hat eine am 31. Oktober 2025 veröffentlichte Erklärung der Ex-Staatschefin besondere Bedeutung. Sie analysierte darin die Wahlen mit ähnlichen Einschätzungen wie in diesem Artikel bereits ausgeführt, beschwor die Einheit der Peronisten und aller progressiven Kräfte und gab einen Ausblick auf die künftigen politischen Auseinandersetzungen. Zugleich kritisierte sie Kicillofs Entscheidung, die Wahlen in seiner Provinz auf einen Zeitpunkt unmittelbar vor der nationalen Abstimmung vorzuziehen, als strategischen Fehler. Im Parlament selbst müssen die Peronisten nun (weiter) die Zusammenarbeit mit anderen linken und fortschrittlichen Kräften suchen.
Ansonsten ist noch wichtig anzumerken, dass es in einer Reihe von Provinzen, darunter Buenos Aires, wo LLA und Fuerza Patria in etwa gleichauf liegen, vom Wahlgericht angeordnete Nachauszählungen geben wird, die unter Umständen noch Veränderungen des Wahlergebnisses mit sich bringen können. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die niedrige Wahlbeteiligung, die mit ca. 68 Prozent den bisher niedrigsten Wert erreicht hat. Dazu ist anzumerken, dass in Argentinien Wahlpflicht besteht. Man muss aber auch beachten, dass Sanktionen für Nichtwähler in den meisten Fällen niedrig sind und selten angewandt werden. Eine Ausnahme bilden dabei Beschäftigte des öffentlichen Sektors, denen gegebenenfalls die Entlassung droht. Die hohe Nichtbeteiligung deutet darauf hin, dass das gesamte Parteiensystem in den Augen vieler Wähler einen starken Vertrauensverlust erlitten hat.

 


 

Quellen:

La Nación 
Página12
Resumen Latinoamericano
Tiempo Argentino

Bild: [1] Quetzal-Redaktion, gc

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