Im Aufsatz geht es um die lateinamerikanisch-US-amerikanischen außenpolitischen Beziehungen. Solcherart Zweierbeziehungen werden auch als Dyaden bezeichnet. In Teil 1 wurden die beiden Dyaden-Partner, Lateinamerika und USA, in ihren strukturellen Grenzen und Möglichkeiten und dem sich daraus ergebenden außenpolitischen „Bewegungsraum“ in den Blick genommen. Im nun hier folgenden Teil 2 soll zuerst der Spielraum von Präsident Joe Biden auf der Akteursebene beleuchtet werden. Danach gilt der Fokus der außenpolitischen Dyade in ihrer Bilateralität. Hier sind zunächst die beiden außenpolitischen Seiten – erst als strategische actio und dann als entsprechende reactio – vorzustellen, um sie schließlich zur Dyade zusammenzuführen. Die Schlussfolgerung wird es „in sich haben“.
Abschnitt IV: Annäherung an die Akteursebene – die Biden-Administration und ihr Verhältnis zu Lateinamerika
Das Verhältnis der beiden Vorgänger-Regierungen von Biden zu Lateinamerika
Um Joe Bidens Ausgangssituation verstehen zu können, ist zu Beginn eine kurze Rückschau auf das außenpolitische Verhältnis von Barack Obama und Donald Trump zu Lateinamerika vonnöten:
Obamas Attitüde im Präsidentenamt (auch gegenüber Lateinamerika) war nicht konstant – zuerst war er eher Taube (den Friedensnobelpreis erhielt er in dieser Zeit) und später eher Falke (man denke allein an die Hinrichtung Osama bin Ladens), aber auch innerhalb dieser Kategorisierung blieb er immer widersprüchlich. Zugleich waren die emanzipatorischen Hoffnungen in ihn (z.B. bei Brasiliens Lula und sogar bei Venezuelas Chávez) stets, auch in der besten „Taubenzeit“, größer als ihre Umsetzung. Obamas außenpolitische Priorität war der Krieg in Afghanistan und Irak, nicht Lateinamerika.
George W. Bushs Maxime „with us or against us“, noch zugespitzt nach 9/11, korrigierte Obama zunächst zu mehr globalem Engagement und direkter Diplomatie (Erikson 2010, 10), auch in Lateinamerika. Multipolarität in der Welt akzeptierte er, bezeichnete sein Land als einen ihrer Pole, aber als einen besonders wichtigen. Zu seiner Zeit hatten Multipolarisierungstendenzen gerade besonders Fahrt aufgenommen: Es gab Intentionen, IWF und Weltbank durch eine Banco del Sur zu ersetzen. ALBA und Telesur wuchsen in ihrer Bedeutung und waren insbesondere Chávez‘ „Kinder“. Bei aller Sympathie für Multipolarität – diese konkreten Tendenzen konnten selbst einem Obama nicht egal sein.
Gleichwohl, in Lateinamerika hatte Obama die seit 1961 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen zu Kuba wiederhergestellt, das Embargo gelockert und für Tourismus günstigere Regelungen eingeführt. Der „war on drugs“ der USA war von ihm als eine low-level-Politik konzipiert worden. Als konziliant erwies sich Obama gegenüber Haitianern, die nach dem Erdbeben 2010 in die USA migrieren wollten. Schließlich hatte er auch den Friedensvertrag zwischen FARC-EP und kolumbianischer Regierung unterstützt. Obamas „Häutung“ von der Taube zum Falken zeigte sich in Lateinamerika besonders klar. Als Falke setzte er Kuba später wieder auf die Liste der „staatlichen Sponsoren für Terrorismus“ und musste auch die bis dahin höchste Zahl von Ausgewiesenen nach Lateinamerika verantworten. Zäsur und Brennglas in dieser Entwicklung von der Taube zum Falken war Obamas Attitüde gegenüber Honduras‘ Präsidenten Manuel Zelaya: Hatte er ihn noch vor dem Putsch in Schutz genommen und dessen Wiedereinsetzung gefordert, beugte sich Obama später, unter innenpolitischem Druck, dann doch Zelayas definitiver Absetzung.
Erikson (2010, 26) hat Obamas Verhältnis zu Lateinamerika als „elusive Partnership“ denominiert. Das könnte auch als passive Kooperativität bezeichnet werden. Doch Eriksons Artikel beschreibt Obamas Lateinamerika-Politik nur in dessen „Tauben-Zeit“. Als Falke ist bei Obama dann der Anteil von Konfliktivität gewachsen, sodass da „passive Konfliktivität“ dominierte. In der Resultante ergäbe das für Obamas gesamte Präsidentenzeit etwa die „Mitte“ zwischen passiver Konfliktivität und passiver Kooperativität, die insgesamt wohl etwas mehr in die Richtung passiver Kooperativität tendierte.
Trumps weltpolitische Attitüde war im Vergleich zu Obama, zumindest in dessen Zeit als Taube, konfliktiver. Zu seinem Credo wurde nun maßgeblicher Isolationismus, insbesondere zu Europa, aber auch in Syrien und Afghanistan. In seinem Verhältnis zu Nordkorea, gegenüber China und im Südchinesischen Meer, in gewisser Weise auch zu Russland und zum Mittleren Osten, setzte er ihn allerdings nicht allumfassend um. Die Ursache für seine isolationistische Tendenz war der von ihm favorisierte (finanzielle) Kostenaspekt. Zu weltpolitischen Zeichen dafür wurden Truppenabzüge, ob aus dem Nahen Osten oder Deutschland, beides mit dem Ziel, so Kosten zu sparen. Denkt man daran, dass Trump immerhin keinen Krieg angezettelt hat, dürfte selbst sein Isolationismus auch positive Implikationen besessen haben. Doch dem stand in den für Trump prioritären Regionen eine andere Tendenz gegenüber – die von Engagement. Dieses Engagement hatte, je nach Partner, konfliktive oder kooperative Facetten.
Für Lateinamerika interessierte sich Trump jedoch wenig, ob nun konfliktiv oder kooperativ. Unter ihm war das Interesse am südlichen Nachbarn „at its lowest level in the region in recent memory“(Council on Foreign Relations 2017, 7). Doch auch dabei blieb Trump vom Bestreben getrieben, die Monroe-Doktrin politisch wieder zu beleben. Sein damals „noch-Sicherheitsberater“ John Bolten betonte, die Monroe-Doktrin sei „alive“. In diesem Kontext erließ Trumps Regierung dann auch neue Sanktionen gegen Kuba und Venezuela (hier vor allem gegenüber dem Ölsektor). Zusammen mit Nikaragua sah Trump diese beiden Staaten, wieder in Boltons Worten, als „troika of tyranny“ (2020, 249) an. Zwischenzeitlich dachte Trump gar an eine militärische Intervention in Venezuela, auf die er aber letztendlich verzichtete. Schließlich zwang er seinen Sicherheitsberater John Bolten zum Rücktritt, der ihn genau dazu hatte überzeugen wollen.
Konfliktiv offenbarte sich Trumps Engagement in Lateinamerika wie folgt: Gegenüber Venezuela verhängte er Sanktionen, insbesondere gegenüber dem Ölkonzern PDVSA, unterstützte den nicht legitimierten Oppositionellen Juan Guaidó als Interimspräsident, ja drohte zumindest mit militärischer Intervention und auch mit Restriktionen gegenüber Remittances und Reisemöglichkeiten. Kuba erklärte er zum Hort des Terrorismus. Er verschlechterte generell die Bedingungen für Asylverfahren für Migranten aus Lateinamerika und setzte Obamas Temporary Protected Status für rund 300.000 Immigranten Zentralamerikas und Haïtis aus. Um die Staaten des zentralamerikanischen „nördlichen Dreiecks“ für (E)Migration zu bestrafen, reduzierte er für sie internationale Entwicklungshilfe. In Kolumbien wollte er die Fonds für post-conflict-peace-building kürzen, bekam dafür aber nicht die Zustimmung des Kongresses. Zwar blieb der Mauerbau an der US-amerikanisch-mexikanischen Grenze gegenüber lateinamerikanischen Migranten am Ende unvollendet, doch mexikanische Soldaten an der Südgrenze Mexikos mögen dieses „Defizit“ in Trumps Sinn wieder ausgeglichen haben. Die genannte Konfliktivität führte dazu, dass Donald Trump der in Lateinamerika vergleichsweise am wenigsten beliebte US-Präsident war. In 12 von 17 lateinamerikanischen Ländern (Daten ohne Kuba und Venezuela) war zwischen 2017 und 2019 das Vertrauen in Trump gesunken, in sechs gewachsen (Azpuru 2021). Danach jedoch dürfte es auch insgesamt gesunken sein. Nicht nur Obama, sondern selbst G. W. Bush hatte in Lateinamerika höhere Beliebtheitswerte.
Kooperativ zeigte sich Trumps Engagement eher unwesentlich: Letztlich hatte er in Lateinamerika nur mit dem rechtspopulistischen Präsidenten Brasiliens Jair Bolsonaro, seinem „ideologischen Bettgenossen“ (Camilleri 2021), und dem linkspopulistischen Präsidenten Mexiko André Manuel López Obrador eine völlig ungetrübte Beziehung. Als eine erste Schnittmenge zu beiden lateinamerikanischen Präsidenten wäre hier Populismus und Nationalismus auszumachen. Als eine zweite mag ein Faible für Autokraten (in Russland und Nordkorea, aber auch zu Bolsonaro) zum Tragen gekommen sein. Autokratie bzw. (in den USA) autokratische Tendenzen und nationalistischer Populismus können folglich als gleichermaßen bedeutsam für Trumpsches außenpolitisches Engagement, auch in Lateinamerika, gelten. Aber am sichersten war es, wenn, wie bei Bolsonaro (und Trump), beides zusammenkam. Mexikos López Obrador, selbst Populist, wiewohl nicht Diktator, war Trump wohl Freund, aber er hatte gleichzeitig dessen Druck auf NAFTA und den Wandel von NAFTA zu UMSCA auszuhalten.
Als lateinamerikanisches Beispiel für Trumps Isolationismus kann der Rückzug der USA aus der 2015 verhandelten Trans-Pacific Partnership (TPP) FTA dienen, die Chinas Einfluss an der Pazifikküste eindämmen sollte, vor allem aber sein Verzicht (das erste Mal seit 1994), an einem Lateinamerika-Gipfel teilzunehmen. Doch gegen einen absoluten „neglect“ in Lateinamerika spricht sein Engagement im Verhältnis zu Brasilien und Mexiko, oder auch, anders, zu Kuba. Das enthebt der Frage, ob es sich bei ihm um „benign“ oder um „malign“ neglect gehandelt hat. Insgesamt war Trumps Isolationismus gegenüber Lateinamerika geringer ausgeprägt als gegenüber Europa.
Gleichwohl war Lateinamerika für Trumps Weltpolitik lediglich „intervenierende Variable“: mithin als Schauplatz bzw. möglicher Puffer oder Katalysator gegen/für Konflikte mit den Rivalen China und Russland. Wenn die USA den Subkontinent unter Trump noch stärker als zuvor „verlassen“, „verloren“ oder „ignoriert“ haben, vergrößerten sich in gewisser Weise gleichzeitig, umgekehrt, die Chancen für Lateinamerika auf Autonomie von der Großmacht. Insbesondere dürfte das dann der Fall gewesen sein, wenn einzelne lateinamerikanische Staaten als Reaktion auf das ihnen gegenüber herrschende relative Desinteresse der USA versuchten, über Allianzen mit Russland (darunter „strategische Partnerschaften“) oder mit China, vielleicht sogar mit der EU politische Autonomie von den USA zu stärken.
Wie wäre nun für Trumps Lateinamerika-Politik das Fazit zu ziehen, wenn sich bei ihm isolationistische, kooperative und konfliktive Tendenzen mischten? Isolationismus war gegenüber Lateinamerika in diesem Mix nicht so überwölbend, dass man sagen könnte, Trump habe sich dem Subkontinent gegenüber gar nicht aktiv verhalten, also dort überhaupt nichts getan. Im Unterschied zu Obama, der den genannten Wandel von Taube zu Falke vollzogen hatte, blieb Trump kontinuierlich – Falke. Da auch bei ihm kooperative und konfliktive Tendenzen aufeinanderstießen, könnte als Resultante auch hier, zumindest theoretisch, eine passive Variante entweder von Konfliktivität oder von Kooperativität extrahiert werden. Anders als bei Obama (sogar als Falke) tendierte diese Variante bei Trump allerdings zu mehr Konfliktivität. Insofern stehen tendenziell passive Kooperativität bei Obama einer passiven Konfliktivität bei Trump entgegen. Die lateinamerikanischen Staaten wiederum haben, sogar bei und trotz Trump, kooperative Strategien nicht aufgegeben, mag sich bei ihnen auch das Gewicht in Richtung von geringfügig höherer Konfliktivität verschoben haben.
Was aber bedeutet nun dieses außenpolitische „Erbe“ für Joe Biden? Zunächst sei an Teil 1 dieser Studie und daran erinnert, dass dort Bidens USA in ihren strukturellen Konfigurationen einen hohen (und höheren als Lateinamerika) Möglichkeiten-Überschuss für Autonomie von 12 % ermittelt wurde. Am besten für wirksames außenpolitisches Handeln wäre es, wenn nun auch auf der Akteursebene, also bei der Biden-Administration, ein solcher Überschuss der Möglichkeiten bestünde. Dann wäre vollständiges „Einrasten“ möglich. Von Biden, der sich auch außenpolitisch bereits ausdrücklich von Trump abgesetzt hat, ist anzunehmen, dass er engagierter und möglicherweise insgesamt kooperativer an seine Lateinamerika-Politik herangehen wird als sein Vorgänger. Wie engagiert und kooperativ, kann erst im Weiteren abgeschätzt werden. Zunächst aber sei dafür der empirische Blick auf Bidens persönliche Möglichkeiten und Grenzen als (außenpolitischer) Akteur (und die seines Teams) für eine autonome US-Lateinamerika-Politik geworfen:
Der Biden-Administration immanente Möglichkeiten und Grenzen für politische Autonomie
Als erstes sollen dazu die Möglichkeiten und Grenzen aufgezeigt werden, die die US-amerikanische Wirtschaft für Biden offeriert:
Ein Indiz dafür sind Wahlkampfspenden: Fünf US-amerikanische Unternehmen unterstützten im Präsidentschafts-Wahlkampf 2020/21 die Demokraten (Senate Majority PAC, Bloomberg LP, Paloma Partners, Sixteen Thirty Fund, Fahr LLC) und nur zwei die Republikaner (Uline Inc, American Action Network). Ein Unternehmen (Blackstone Group) spendete an beide Parteien. Interessant ist, welche dieser Großspender wie mit Lateinamerika verbunden sind. Hier fällt schon auf den ersten Blick Erstaunliches auf: Alle fünf großen Wahlspender der Demokraten besitzen ein herausragendes Interesse an Lateinamerika und/oder an Latino-Voters, die ausschließlichen Spender für die Republikaner hingegen keines oder kein relevantes: Ist das besondere Latino-Voter-Interesse vor allem für Fahr LLC sowie Banker/Hedge Fonds-Manager, Thomas Steyer und Kathryn A. Taylor typisch, so engagieren sich die vier anderen Spender der Demokraten vor allem für: Elektronik-Handel und Medien, die Pazifische Allianz in Lateinamerika (Bloomberg LP und Senate Majority PAC, wobei hinter letzterer u.a. ebenfalls Bloomberg steht), Rohstoffe und damit verbundene Industrien in Lateinamerika (Paloma Partners seit 2020), Finanzen sowie Lateinamerika-Studien (Senate Majority PAC , hier über Rockefeller, deren Familien-Dynastie, etwa unter Nixon, sogar ganz direkt US-amerikanische Lateinamerika-Politik beeinflusst hatte). Der Sixty Thirty Fund bezeichnet sich als insbesondere Umwelt- und Klima-interessierte Non-Profit-Organisation. Hinter ihm stehen die zu Arabella Advisors gehörenden New Venture Fund (dahinter verbergen sich u.a. die Bill- und Melinda-Gates- sowie die William- und Flora-Hewlett-Stiftung), Hopewell Fund (hier finden sich u.a. die Rockefeller Bros. und Warren Buffett) und Windward Fund (auch er wird von Rockefeller, Hewlett sowie Gates und Co. gesponsert, aber auch von der Walton-Family). Deren ganz offensichtlichen ökonomischen Interessen (auch) an Lateinamerika müssen hier nicht weiter nachgewiesen werden.
Einerseits ergab sich daraus 1) ein finanzieller Vorteil für Biden gegenüber Republikanischer Konkurrenz und diesbezügliche politische Autonomie, insbesondere was das außenpolitische Lateinamerika-Interesse betrifft, und 2) die Wahrscheinlichkeit, dass unter ihm auch und gerade gegenüber dem südlichen Subkontinent eher kein Isolationismus zu erwarten ist, selbst dann nicht, wenn andere Weltregionen und die in/von ihnen verursachten Probleme auch für ihn relevanter sein mögen. Andererseits ist jedoch gleichermaßen ein Gebundensein US-amerikanischer Lateinamerika-Politik an eben diese Wirtschaftsinteressen voraussehbar. Auch hier ist die Situation also ambivalent. Doch bietet sie Biden insofern Chancen für Handlungsautonomie, als er Lateinamerika in seiner Außenpolitik einen vergleichsweise hohen Stellenwert einräumen kann (und muss), was zumindest schon einmal Isolationismus ausschlösse. Es bedeutet desgleichen, dass er sich bei konkreten Entscheidungen möglicherweise wirtschaftlichen Interessengruppen wird beugen müssen, die aber wohl nie die Region als Ganzes betreffen dürften. Hier überwiegen alles in allem die Möglichkeiten klar die Grenzen.
Auch weltpolitisch wird Biden auf Trumps weitgehenden außenpolitischen Isolationismus verzichten und dessen unversöhnlichen Tenor durch größere verbale Konzilianz, Multilateralität und, zumindest zum Teil, auch Partnerschaft ersetzen. Das hat er versprochen, und das darf man glauben. Und das wird auch für Lateinamerika gelten, obwohl sich Bidens außenpolitisches Interesse stärker auf Europa, Asien (vor allem China) sowie Russland und MENA denn auf Lateinamerika konzentrieren wird (vgl. u.a. Shifter 2021). Bei Biden vorausgesetzt werden muss auch sein höheres als unter Trump Engagement für mehr US-Führungskraft. Das ist ihm negativ (Herausforderung durch andere internationale player) wie positiv (Allianznotwendigkeit) geboten. Insgesamt wird von Biden ein im Ton versöhnliches und in der Sache wenig erratisches, stärker multilaterales, auf keinen Fall aber innovatives Engagement erwartet (Tom Friedman, zitiert in Financial Times 2021). Dass Biden Trumps „America First“ fortsetzt, ist allerdings ebenso gewiss, aber auch, dass er den Slogan nicht mehr, wie noch Trump, zu „America Alone“ zuspitzen wird. Das dürfte sich auch in einer insgesamt höheren Kooperativität mit Lateinamerika niederschlagen. Insbesondere Bidens Streben nach Multilateralität wird an seinen Beziehungen zu Lateinamerika nicht vorbeigehen, was auch hier größere Konsens-Möglichkeiten impliziert als unter Trump. Allein schon die Migrationsströme aus Zentralamerika, Mexiko und Venezuela werden für ihn Lateinamerika zumindest in die Nähe einer Priorität rücken, weil sie für die USA eine direkte innenpolitische Wirkung besitzen. Zudem ist, neben Kanada, nur Lateinamerika Teil der US-Hemisphäre.
Dass sich bei Handel, ausländischen Direktinvestitionen oder Infrastruktur die Rivalität mit China auch und gerade in Lateinamerika abspielen wird, ist wahrscheinlich. Auch Russland muss berücksichtigt werden. Das Land will, gerade in Lateinamerika, in der US-Hemisphäre geopolitisch Pflöcke einschlagen. Sein Einfluss, vor allem über Waffenverkäufe, und militärisches Spionageeinrichtungen vor allem in Kuba, Venezuela und Nikaragua ist nicht geringzuschätzen. Anders als China hat Lateinamerika zudem weder genügend ökonomische und politische Macht, um zum Risiko oder Konkurrenten für Russland zu werden, noch grenzt es an dieses Land: Umso beliebter ist es für Russland als Partner. Das heißt, insgesamt ist Lateinamerika schon jetzt einer der Austragungsorte der Rivalität der USA mit China und im geringen Maße auch mit Russland. Alles in allem sind die Möglichkeiten und Grenzen in der Weltpolitik für Bidens Ausgangsposition in etwa gleich groß.
Bidens Interesse an Lateinamerika wird im Vergleich zu dem von Trump zunehmen, möglicherweise aber geringer sein als bei Obama in dessen „Tauben-Zeit“. Schon jetzt aber ist ein „(…) underlying resilience in US-Latinamerican relationship that Joe Biden would be positioned to capitalize on“ (Dan Erikson, zitiert in Paz 2020) offensichtlich. Kein Wunder also, dass Bidens Präsidentschaft (auch) in Lateinamerika überwiegend begrüßt wurde. Nur Brasiliens Bolsonaro, Mexikos López Obrador und Haïtis Jovenel Moïse zögerten mit der üblichen Gratulation, aber anders als Brasilien wird sich Mexiko, sie auch noch unter López, schon aus historischen Gründen jede Einmischung in seine inneren Angelegenheiten verbitten. Regionalpolitisch werden entsprechende lateinamerikanische Bündnisalternativen (etwa ALBA) kaum ihren vorherigen Einflussrückgang wettmachen können. Doch wird sich Biden angesichts des erneuten, wenn auch vorerst vorsichtigen Linkstrends neue Möglichkeiten ausloten müssen, mit der lateinamerikanischen Linken „engagiert“ (Ellis 2020) umzugehen.
Die Immigration lateinamerikanischer Migranten in die USA ist ein „intermestic problem“, also eine außen- wie innenpolitische Angelegenheit. Im Kontext der Immigrantenfrage, aber auch des Interesses an der Bekämpfung von Drogenhandel dürfte Bidens Fokus innerhalb Lateinamerikas auf Zentralamerika, Mexiko und Kolumbien gerichtet sein. Er wird konzilianter gegenüber schon erfolgter Immigration sein, indem er z.B. mit den Ausweisungen von Migranten pausieren, den sogenannten „dreamers“, irregulär als Kinder eingewanderten Kinder von Migranten, eine Chance auf US-Staatsbürgerschaft geben und die Wartezeit für lateinamerikanische Asylsuchende an der USA-Südgrenze verkürzen wird. Die Finanzierung der Grenzmauer zu Mexiko hat er schon gestoppt. Dem US-Kongress hat Biden eine Reform für „Mitmenschlichkeit und amerikanische Werte“ beim Einwanderungsrecht vorgelegt, die in den USA lebenden Menschen ohne gültige Papiere einen Weg zum legalen Aufenthalt eröffnen. Künftige illegale Immigration aber will er vermeiden, indem er ihre Wurzeln in Lateinamerika kappt, insbesondere durch ökonomische Unterstützung. Im Übrigen war es eine von Bidens ersten Amtshandlungen, die Website des Weißen Hauses auch auf Spanisch zugänglich zu machen. Auch beim (Im)Migrationsproblem liegt damit bei Biden der Vorteil der Möglichkeiten für autonome US-amerikanische Außenpolitik über die Grenzen klar auf der Hand.
Damit verbunden ist Folgendes: Während in Trumps Regierung keine Latinos vertreten waren, sind es bei Biden drei: Miguel Cardona als Bildungsminister, Alejandro Mayorkas als Heimatschutz- und Xavier Becerra als Gesundheitsminister. Julie Chávez Rodríguez ist Direktor des Office of Intergovernmental Relations und Adrian Saenz stellvertretender Direktor des Office of Public Engagement. Verteidigungsminister Llloyd J. Austin III wird u.a. vom früheren Special Advisor for Western Hemisphere Affairs Daniel Erickson unterstützt, der von ihm dafür als Unterstaatssekretär ausgewählt worden ist. Unter Obama hatte Erickson Erfahrungen in der Außenpolitik gegenüber Kuba und dem „nördlichen Dreieck“ Zentralamerikas gesammelt und den Friedensprozess in Kolumbien unterstützt. Für Bidens Lateinamerika-Politik sind folgende politische Persönlichkeiten besonders relevant:
- Der neue Secretary of Homeland Security Alejando Mayorkas wurde in Havanna geboren und hat sich gegen die Fortsetzung des Mauerbaus an der mexikanischen Grenze ausgesprochen. Gegenüber Kuba und Venezuela ist seine Haltung allerdings klar konfrontativ.
- Die nunmehrige US-Botschafterin bei der UNO Linda Thomas-Greenfeld bekleidete ihr erstes diplomatisches Amt in Jamaica.
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Der jetzige NSC Senior Director for Western Hemisphere Affairs heißt Juan González und ist der Geburt nach Kolumbianer. Er war peace-corp-volunteer in Guatemala sowie unter Obama Under-Secretary for Western Hemisphere Affairs und in diesen Fragen spezieller Berater vom damaligen Vize-Präsidenten Biden. Schon vor Bidens Wahlsieg hatte er sich gegen eine „Dämonisierung“ (González 2020) lateinamerikanischer Immigranten ausgesprochen und, sicher mit diesem abgesprochen, Bidens Lateinamerika-Politik als gerichtet auf eine „hemisferio seguro, de clase media y democrático“ (ebd.) angekündigt.
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González‘ Stellvertreter wird mit Brian A. Nichols ein früherer US-Botschafter in Peru und stellvertretender Chef der Mission in der US-Botschaften in Kolumbien sein, der in Lateinamerika größten. Auch in Mexiko und El Salvador hatte Nichols in früheren Zeiten gedient. Selbst Afroamerikaner, wird er, so wird eingeschätzt, besonders solidarisch mit den Afro-Lateinamerikanern sein.
- Bidens Koordinatorin für die US-Südgrenze Roberta Jacobson hat im Team die längste Erfahrung in Lateinamerika, länger noch als Biden selbst. Unter ihm als Vizepräsidenten führte sie die Verhandlungen mit Kuba zur Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen, war Botschafterin in Mexiko und hatte auch Posten in Argentinien und Peru.
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Pili Tobar, nun stellvertretende Direktorin für Kommunikation im Weißen Haus, wuchs in Guatemala auf.
Latinos in der Regierung und höheren Ämtern stehen natürlich noch nicht „an sich“ für ein kooperatives Interesse für Lateinamerika, doch auszuschließen ist das nicht. Aus der Zusammensetzung von Bidens Team kann aber ganz sicher hohes Lateinamerika-Interesse gefolgert werden, was nun auch seinerseits die Möglichkeit von diesbezüglichem Engagement klar die Grenzen überwiegen lässt.
Last but not least: Biden selbst ist nach Jimmy Carter der US-Präsident, der Lateinamerika am besten kennen dürfte. Schon als Obamas Vizepräsident und zuvor als Vorsitzender des Senatskomitees für Außenpolitik war Biden für Lateinamerika verantwortlich und als solcher 16mal nach Lateinamerika gereist. Zum Vergleich: Trump war in seiner Präsidenten-Zeit nur einmal dort, Obama fünfmal. Mit Fug und Recht kann also behauptet werden, dass Biden aus dieser Zeit auch sehr persönliche Beziehungen zu maßgeblichen lateinamerikanischen Politikern besitzen dürfte. Sein katholischer Glauben könnte gleichfalls Brücke sein.
Insgesamt heißt das, dass unter der Administration Biden auch auf der Akteursseite die Möglichkeiten für außenpolitische US-Autonomie gewichtiger sind als die Grenzen: Die Möglichkeiten (Unterstützung durch Wirtschaft, Immigrationsproblem bzw. Latinos und Zusammensetzung des Teams) werden bei ihm weitaus größer sein als die eine, in ihrer Wirkung zudem ausgeglichene Grenze der anderen weltpolitischen Prioritäten. Insgesamt soll hier daher der Autonomie-Überschuss auf der Akteursseite (von Joe Biden) mit vier Punkten bewertet und damit auf 80 von 100 % geschätzt werden. Das bedeutet, dass im Fall der USA bei vollständigem Einrasten des Akteurs-Möglichkeiten-Überschusses in den Struktur-Möglichkeiten-Überschuss sogar noch 85 % „unverbrauchten“ Überschusses übrigblieben, soll heißen, dass Joe Biden enorm viel Freiheit für sein außenpolitisches Handeln (darunter Strategien) gegenüber Lateinamerika hat. Wie hoch diese Freiheit bei den Präsidenten der einzelnen lateinamerikanischen Staaten ist, konnte hier, aus Platzgründen, nicht untersucht werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Autonomie-Möglichkeiten-Überschüsse bei den USA und bei Biden im Besonderen auch auf dessen außenpolitischen reactiones positiv auswirken können, steigt in Abhängigkeit davon, wie die diesbezügliche lateinamerikanische actio beschaffen ist. Lateinamerikanische actio kann – entsprechende – reactio befördern, aber keine reactio verhindern. Denn die außenpolitische Gegenseite muss ja reagieren und wird dies in der Regel in einem sogenannten Tit for Tat-Spiel tun, wenn auch nicht als uneingeschränkte Mimikry. Bei Tit for Tat wird, so sei hier spieltheoretisch vorweggenommen, mit „gleicher Münze heimgezahlt“: Kooperation (Kooperativität) wird demnach mit Kooperation (Kooperativität) und Konflikt (Konfliktivität) mit Konflikt (Konfliktivität) beantwortet, beides nach dem Motto: „Wie du mir, so ich dir“.
Abschnitt V: Dyade
(Weitere) Spieltheoretische Vorüberlegungen
Warum aber wird hier gerade dieses Spiel unterstellt und kein anderes? Vor der Antwort auf diese Frage sei eine winzige Einführung in die Spieltheorie erlaubt:
Staaten sind rationale Akteure, die nach dem Prinzip der Nutzenmaximierung vorgehen, auch in der Außenpolitik. Rationale Akteure begeben sich in sogenannte Spiele dann, wenn sie nicht allein handeln, sondern im Verhältnis zu mindestens einem Partner. Das trifft auf dyadische Außenpolitik zu. In der Spieltheorie werden Nullsummenspiele (win-lose) und Nichtnullsummenspiele, darunter Positivsummenspiele (win-win) und Negativsummenspiel (lose-lose), unterschieden. Beide Spieler wollen den Nutzen maximieren, folglich dabei nicht verlieren, am liebsten gewinnen, aber wenigstens Gleichstand. Da beide Seiten folglich kein Negativsummenspiel à la lose-lose wollen können, werden sie darauf verzichten, eine derartige Strategie zu konzeptualisieren, was natürlich nicht heißt, dass sie ansonsten das „lose“ für den Anderen nicht favorisieren würden. Für die Konzeptualisierung ihrer jeweiligen Strategien bleiben den Staaten also theoretisch Positivsummenspiel oder Nullsummenspiel. Das gilt auch für Lateinamerika und die USA.
In sich real abspielenden (außenpolitischen) Beziehungen weiß keine Seite, was die andere gerade tut. Hier ist die Variante des Gefangenendilemmas als Nichtnullsummenspiel am wahrscheinlichsten. Dieses enthält logisch alle vier Varianten (win-win, lose-lose, lose-win oder win-lose), auch wenn die einzelnen Auszahlungen bei den vier alternativ möglichen Spielzügen unterschiedlich hoch sind. Als Nichtnullsummenspiel möglich sind aber auch, zumindest theoretisch, der Kampf der Geschlechter, das Chicken-Spiel, die Hirschjagd oder (andere) Nash-Spiele. Positivsummenspiele sind natürlich gleichfalls denkbar, genauso wie Isolationismus. Positivsummenspiele gälten beispielsweise für die Bewältigung globaler Probleme (Klima, Pandemie, Menschenrechte), die nur gemeinsam lösbar sind und also win-win-Konstellationen nahelegten, wollte nicht riskiert werden, dass die Welt in einer lose-lose-Situation untergeht.
Zwar agieren in der Außenpolitik die player simultan, ihre Strategie jedoch wählen sie zeitversetzt aus, indem sie die des Anderen mit einer eigenen Strategie beantworten. Nicht nur das, sondern auch das Manko des Gefangenendilemmas, dass die zwei Spieler (Haftinsassen), im gleichen Moment und zudem durch Gefängnismauern getrennt voneinander „spielend“, nicht wissen können, was der andere gerade tut („singen“ oder „schweigen“), trifft auf (zeitversetzte) Strategien nicht zu. Da ist im Wesentlichen bekannt, welche Strategie der Andere entworfen hat. Und hier, in diesem Aufsatz, geht es ja nur um Strategien und nicht um konkrete Politik. Außenpolitik kann hier wegen des erst kürzlich zurückliegenden Amtswechsels zu Biden auch noch gar nicht beurteilt werden.
Es sind die lateinamerikanischen Staaten, die, entsprechend der hier gewählten Reihenfolge im ersten „Turnier“ zuerst am Zug sind. Als erster Spieler befinden sie sich in der Position der actio und sind insofern also „frei“. Vorwissen über Tendenzen auf der Gegenseite ist bei ihnen sicherlich vorhanden, aber weder groß noch sicher. Biden, als der dann zweite Spieler, ist danach schon nicht mehr so „frei“: Denn er ist in der Position des zweiten Zuges – der reactio – mit dem er auf die entsprechende actio aus Lateinamerika antworten muss. Allerdings hat Biden dann ein größeres (Vor)Wissen um das strategische Kalkül des betreffenden lateinamerikanischen Staates.
Erst im zweiten „Turnier“ und mit dem dritten Zug kann sich Tit for Tat generell wieder ändern. Friedensangebote auf Krieg sind ein Beispiel für das Aufbrechen von Tit for Tat, der Bruch mit dem 1939 unterzeichneten Molotow-Ribbentrop-Pakt 1941 durch Hitler-Deutschland ein anderes, umgekehrtes. Robert Axelrod hat herausgefunden, dass in zwei aufeinanderfolgenden „Turnieren“ die Strategie des Tit for Tat immer gewann, erst danach sank diese Wahrscheinlichkeit. In dieser Studie soll es aber nur um ein einmal iteriertes Spiel in nur einem „Turnier“ gehen, mithin um die eine Momentaufnahme von actio-reactio. Erst danach, im zweiten von Axelrod beschriebenen „Turnier“, wäre dann Lateinamerika in der Position des reactio, die die vorherige actio der USA berücksichtigen müsste. Das soll hier aber nicht mehr Thema sein.
Spätestens an dieser Stelle ist nun auch die Frage danach zu stellen, ob es angesichts struktureller Asymmetrie zwischen Lateinamerika und den USA überhaupt richtig ist, mit gleichgewichtiger actio und reactio für die Außenpolitik nur gleichrangige Partner zu unterstellen, wenn doch in (einigen) strukturellen Konfigurationen Asymmetrie vorliegen kann. Zunächst: Außenpolitik ist schon „an sich“ ein probates Mittel, eigene Autonomie, von eigenen Strukturen, aber auch von einer Supermacht und dies auch unter nicht-revolutionären Prämissen zu demonstrieren, ja zu vergrößern. Sie ist dazu besser geeignet als legative Strukturen, nicht nur, weil hier das Akteurshandeln am meisten präsent ist, sondern auch, weil hierfür Regierungswechsel und eine damit verbundene höhere Dynamik eine Rolle spielen. Darüber hinaus ist sie das auch deshalb, da bei ihr „critical conjunctions“, ja Kontingenzen stärker zum Tragen kommen, mithin Entscheidungssituationen wichtiger werden können als bei den — trägen — Strukturen.
Lateinamerika hat wegen seines strukturellen Autonomie-Möglichkeiten-Defizits im Vergleich zum „Koloss im Norden“ einen komparativen Nachteil. Aber die hier gegebene fifty-fifty-Situation (von Möglichkeiten zu Grenzen, vgl. Teil 1) führt dazu, dass vom Entscheiden noch mehr als dort, ja „alles“, abhängt. Aber selbst wenn sich lateinamerikanische Staaten-Akteure es nicht schaffen, sich in ihrem Handeln über die strukturelle fifty-fifty-Lage zu erheben, bliebe noch immer die Frage, ob sie in ihrer außenpolitische Strategie bei einer (dann angenommenen) symmetrischen Beziehung tatsächlich anders verfahren würden als in ihrer asymmetrischen. In der Literatur ist das umstritten. Hier aber soll auch diese Frage verneint werden: nicht nur bei dyadischer Symmetrie wären logisch alle drei Optionen – Isolation, Kooperativität und Konfliktivität – denkbar, bei Asymmetrie auch. Warum?
Schauen wir uns dazu zwei Beispiele an: Trotz struktureller Asymmetrie hält das kleine und schwache Kuba seine Konfliktivität mit den USA gut aus, ja ist eine „Vetomacht“. Das große und vergleichsweise starke Brasilien favorisiert heute, also nach Lula und Rousseff im Präsidentenamt, angesichts einer viel geringeren Asymmetrie zu den USA als bei Kuba Kooperativität.
Aber sieht das nicht im Vergleich zu Industrieländern, denen ja von vornherein Symmetrie zu den USA zu unterstellen ist, anders aus? Kaum: auch dabei (und selbst wenn man Schwellenländer nicht als Entwicklungsländer zählte) fände man beispielsweise El Salvador und Estland oder die Dominikanische Republik und Luxemburg, die heute nicht nur beim BIP eng beieinander liegen, sondern von denen auch wohl kaum gesagt werden kann, dass das jeweilige europäische Industrieland außenpolitisch ein stärker symmetrische Beziehung zu den USA besitzt als das lateinamerikanische. Bei den Schwellenländern gibt es ohnehin keine so großen Unterschiede: Hier steht im BIP-Ranking z.B. Brasilien noch vor Australien, Mexiko vor der Schweiz oder Argentinien vor Norwegen.
Allein diese Beispiele mögen für die Behauptung genügen, dass Lateinamerika in seiner den USA gegenüber strukturell subordinierten Position nicht nur logisch, sondern auch realiter alle außenpolitischen Strategie-Optionen offenstehen. Denn warum sollte das gegenüber den USA so anders sein als im Verhältnis zu den europäischen Industrieländern? Das wäre zumindest nicht logisch, zumal die Außenpolitik strukturelle Unterschiede auch noch relativiert. Somit kann (und muss) Symmetrie der Strukturen für dyadische Außenpolitik im Folgenden vernachlässigt werden. Außenpolitische player müssen folglich für ihr außenpolitisches dyadisches Spiel nicht überlegen, ob sie mit dem anderen player in einer strukturell symmetrischen oder asymmetrischen Beziehung stehen. Für das in diesem Text avisierte eine „Turnier“ in der dyadischen Strategie der Außenpolitik kann folglich Tit for Tat vorausgesetzt werden.
Weitere Vorannahmen müssen getroffen werden: Erstens: Für keinen Staat wäre es sinnvoll, auf Isolationismus mit Engagement zu antworten: Denn eine jede solche Strategie würde ins Leere laufen. Zweitens: Um in der Dyade außenpolitische Strategien von der Außenpolitik (im engeren Sinne) unterscheiden zu können, werden im Weiteren die Begriffe „Kooperativität“ und „Konfliktivität“ genutzt, für die Politiken hingegen „Kooperation“ und „Konflikt“. Drittens: Dabei wird im Folgenden davon ausgegangen: Antagonistisch (nicht abgeschwächt, mithin aktiv) antwortende reactiones sind logisch möglich, aber inhaltlich nicht schlüssig. Das in der Außenpolitik handlungsleitende Kosten-Nutzen-Kalkül impliziert: Auf (aktive) Konfliktivität mit (aktiver) Kooperativität zu antworten, wäre, zumindest im ersten „Turnier“, inhaltlich naiv, und auf Kooperativität mit (kostenintensiver) Konfliktivität zu reagieren, entspräche einer solchen Kosten-Nutzen-Kalkulation ebenso wenig.
Aber was ist dann mit dem berühmten Churchillschen Wort des „Stick und Carrot“? Das ist doch aber eine Verknüpfung von zwei antagonistischen (aktiven) Strategien? Für die Antwort wäre es hilfreich, dieselbe Frage (nur ein wenig) anders zu stellen: Kann man jemanden gleichzeitig, mit derselben Hand, liebkosen und schlagen, oder, wenigstens, im gleichen Moment, mit der einen Hand das Eine tun und mit der anderen das Gegenteilige? Instruktiv für diesen Kontext ist, dass der Ausspruch „Carrot and Stick“ seinen Ursprung in einer Notiz zu einem Cartoon mit einem Eselrennen hat, bei dem der eine Reiter, der an seinen Stick eine Rute geknüpft hatte, mit der er den Esel schlug, gewann, während der andere Reiter, der am Stick eine Möhre befestigt hatte, verlor. In diesem Narrativ waren es also zwei Reiter, die Carrot und Stick nutzten, und nicht einer, der beides zugleich in Stellung brachte. Man kann es sich allein schon technisch nur schwerlich vorstellen, dass in einem solchen Rennen ein Reiter seinem Esel tatsächlich zur gleichen Zeit sowohl eine Möhre von der einen Seite als auch eine Rute von der anderen Seite verabreicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde sich der Esel dann einfach um sich selbst drehen, „bocken“ oder „konfus“ sein, aber keinesfalls gewinnen.
Bezogen auf einen Staat und dessen unilaterale Außenpolitik wäre das nicht viel anders: Eine außenpolitische Gesamtstrategie wäre bei immanenten Antagonismen nicht mehr erkennbar. Unterschiedliche Strategien können nur in zweierlei Kontexten angewandt werden: 1) Der Staat nimmt auf verschiedenen außenpolitischen, etwa dem wirtschaftlichen, politischen, militärischen, kulturellen, humanitären oder ökologischen, synchron jeweils unterschiedliche Strategien in Gebrauch: er kann z.B. auf der militärischen Ebene Konfliktivität vermeiden, aber gleichzeitig, etwa bei der Aushandlung von Fischereiquoten, auf der ökonomischen Ebene konfliktiv sein, oder er wechselt 2) Stick und Carrot sequentiell ab (z.B. „gunboat diplomacy“ durch „dollar diplomacy“). Damit wäre er aber innerhalb von Tit fot Tat nicht mehr in demselben „Turnier“, sondern im nächsten. Und selbst wenn 1) gilt, wären die auf einzelnen Politikfeldern mögliche Anwendung unterschiedlicher Strategien nicht antagonistisch, sondern ausschließlich mit nuancierenden Attributen möglich. Kombinierte Antagonismen zu derselben Zeit, etwa von aktiver Kooperativität und aktiver Konfliktivität (also Big Stick und Carrot), sind logisch-inhaltlich ausgeschlossen. Entsprechend dieser Logik sind schließlich auch äquifinale (im Sinne von zur gleichen Zeit angewandte alternative, aber gleichermaßen zielführende Strategien) methodisch widersinnig: Aber Äquifinalität trifft ohnehin nur auf (Kausal)Faktoren zu, nicht auf Strategien.
Aber wie ist es denn dann mit der Möglichkeit von (De)Eskalation? Was ist, wenn der Dyaden-Partner den Gegenspieler außenpolitisch besänftigen will oder, umgekehrt, herausfordern? Die Antwort darauf ist, dass aktive Kooperativität nicht mit aktiver Konfliktivität beantwortet werden kann und aktive Konfliktivität nicht mit aktiver Kooperativität, doch auf beides kann (muss aber nicht) passiv auch gegensätzlich geantwortet werden. Soll heißen, sollte einer der Partner auf aktive Konfliktivität deeskalierend reagieren wollen, wird er nicht aktiv, sondern bestenfalls passiv kooperativ reagieren. Sollte einer der Partner auf aktive Kooperativität eskalierend antworten wollen, wird er es also schlechtestenfalls passiv und nicht aktiv konfliktiv tun. In jeder Art „attributivem Wortpaar“ verbindet sich also die jeweilige Höhe des Engagements mit der jeweiligen außenpolitischen Präferenz (Kooperativität oder Konfliktivität) der Strategie. Paarungen von aktiver und passiver (oder auch zweier passiver, aber niemals zweier aktiver) Variante(n) in „kombinierten“ Strategien sind denkbar. Natürlich wären auch für die lateinamerikanischen Staaten solcherart „kombinierte“ Strategien logisch und inhaltlich möglich. Sie werden in dieser Studie nur nicht eruiert und folglich auch nicht vorausgesetzt, weil sich anderenfalls, bilateral, zu komplizierte dyadische Konstellationen ergeben würden. Folglich können nur für die USA nicht nur „attribuierte“ Strategien, sondern auch „kombinierte““ einbezogen werden.
Nun also gilt es, solche außenpolitischen Strategien zu konzeptualisieren, die der formalen Logik entsprechen, aber zugleich auch inhaltlich sinnvoll sind. Dafür bleiben folgende Strategien übrig: aktive Kooperativität, passive Kooperativität, aktive Konfliktivität, passive Konfliktivität, diese alle als „einfache“ Strategien und, diese alle als „kombinierte“ Strategien, aktive Kooperativität mit passiver Konfliktivität, passive Kooperativität mit aktiver Konfliktivität sowie passive Konfliktivität mit passiver Kooperativität. In toto sind das sieben Strategien.
Im Weiteren werden die unilateralen Strategien — Lateinamerikas und danach der USA — vorgestellt und erst danach die von actio und reactio in der Dyade.
Unilaterale Außenpolitik Lateinamerikas gegenüber den USA
Robert Russell und Juan G. Tokatlian (2009, 229 ff.) sollen hierfür erste „Blaupause“ sein. Die Autoren unterschieden für Lateinamerika die folgenden unilateralen Strategien (bei ihnen Politiken):
-
acoplamiento/aktive Kooperativität ((An)Kuppelung/völlige Identifikation mit den US-Interessen, die als prioritärer Verbündeter betrachtet werden),
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acomodamiento/passive Kooperativität (Anpassung/vorrangiges Streben nach Harmonie mit den USA bei Einbeziehung nationaler „egoistischer“ Interessen in Details),
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oposición limitada/passive Konfliktivität (eingeschränkte Opposition/Mischpolitik gegenüber den USA zwischen Kooperation und Abwehr),
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desafío/aktive Konfliktivität (Herausforderung/Distanz (von) und Zurückweisung der (den) USA, Selbstverständnis als „Gegengewicht“) und
-
aislamiento/Isolation (keine oder kaum Beziehungen/Versuch, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken).
Russell/Tokatlian selbst haben die spanischsprachigen Kategorien verwandt, die hier in der Klammer ins Deutsche übersetzt wurden. Die Begrifflichkeiten nach dem jeweiligen Slash sind, entsprechend den spieltheoretischen Vorüberlegungen, von der Autorin hinzugefügt. Die beiden Autoren haben diesen fünf Beziehungstypen natürlich auch Länder zugeordnet. Nicht alles davon ist heute noch aktuell, und manches, wiewohl auch seinerseits nicht alles, müsste für unsere Zeiten neu zugeordnet werden. Historisch-emblematische Fälle sind: Argentinien (unter Menem) und Kolumbien (unter Uribe) für 1), Chile (unter Lagos) und Costa Rica (unter Pacheco) für 2), Argentinien (unter den Kirchners) für 3), das sozialistische Kuba sowie Venezuela (unter Chávez nach der Jahrtausendwende und Maduro) für 4), und Paraguay (unter der Ägide der Colorado-Partei) für 5). Das Modell ist historisch und, für Lateinamerika, unilateral angelegt.
Um sich nun schon etwas der Aktualität anzunähern: In der Präsidentschaftszeit von Donald Trump hat das Gros der lateinamerikanischen Staaten zwischen „Anpassung“ und „beschränkter Opposition“ changiert, wahrscheinlich mit dem Schwergewicht auf „Anpassung“. Für „Kupplung“ stand in dieser Zeit klar Brasilien, etwas weniger schon Kolumbien. Argentinien (unter Macri), Chile (unter Piñera), Ekuador (fast die ganze Zeit unter Moreno), El Salvador (unter Bukele) und Costa Rica (seit Alvarado) tendierten da schon eher zu „Anpassung“ oder gehörten ganz dazu. „Beschränkte Opposition“ gilt für Argentinien (unter Fernández) oder auch, aus völlig anderen Gründen (hier wegen Korruption und Involvierung in den Drogenhandel) für Guatemala (unter Giammattei) und Honduras (unter Hernández). Mexiko (unter López Obrador) ist ein besonders schwieriger Fall, der zwischen „Kupplung“, „Anpassung“ und „beschränkter Opposition“ schwankte, weil sich bei ihm „populistische Brüderschaft“ mit Trump einerseits und historisch gewachsene relative Autonomie des Landes von den USA andererseits verbanden.
Welche unilateralen Strategien stehen aber nun in der Aktualität, zum Amtsantritt von Biden, zunächst als lateinamerikanische actiones zu erwarten? Die folgende Tabelle soll dazu für alle 20 lateinamerikanischen Staaten Tendenzen offenlegen.
Abbildung 4: Unilaterale außenpolitische Strategien der 20 Staaten Lateinamerikas gegenüber den USA
Staat (in Lateinamerika) |
Unilaterale außenpolitische Strategie gegenüber den USA |
Brasilien |
Brasilien ist in Lateinamerika Regionalmacht und betreibt geheime Atomwaffenprogramme. Es ist der größte lateinamerikanische Handelspartner der USA. Präsident Bolsonaro hat sich als (rechtsgerichteter) Autokrat erwiesen, der seinem Land, dem größten in Lateinamerika, die Tendenz eines zuvor demokratischen Staates zu einem Regime-Hybrid mit einer stärkeren autoritären als demokratischen Komponente aufgedrückt hat. Sein Slogan „Brasilien über alles“ kollidierte nicht mit Trumps „America First“ und konterkarierte gar dessen Etikett „America Alone“. Auch bei Bolsonaro gibt es isolationistische Tendenzen: Doch gegenüber China dominiert (harte) Konfliktivität. Seine 2000 mit Russland unterzeichnete „strategische Partnerschaft“ hat Bolsonaro, paradoxerweise gleichzeitig vertieft. Regionalpolitisch verortet sich das Land im rechtskonservativen PROSUR, aber auch im MERCOSUR, ist aber gleichfalls noch immer Teil der BRICS. Die in Brasilien obwaltende Abholzung und Ausbeutung der Bodenschätze im Amazonas-Gebiet steht Bidens Klima-Plänen entgegen. Bolsonaro, seinerseits stark auf die Viehzucht-Branche verwiesen, soll schon angekündigt haben, etwaigen Schutzmaßnahmen im Amazonas mit „Schießpulver“ entgegenzutreten. Dafür könnte aber eine stärkere Zusammenarbeit mit den USA in erneuerbaren Energien erwartet werden. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Kooperativität/Anpassung |
Mexiko |
Mexiko ist unmittelbarer Nachbar der USA und außenwirtschaftlich über das Freihandelsabkommen UMSCA (und die Pazifische Allianz) fest an sie gebunden. Doch auch über UMSCA war es den USA nicht gelungen, Chinas Einfluss in diesem Land einzudämmen. Davon abgesehen, ist Mexiko einerseits der sogar weltweit größte Handelspartner der USA und auch Mitglied der USA-treuen Pazifik-Allianz (zudem stark von US-amerikanischen Brennstoffen abhängig) und besitzt andererseits bemerkenswerte anti-imperialistische Traditionen, die Präsident Andrés Manuel López Obrador allerdings nicht dazu nutzen wird, der Linken zu schmeicheln. Doch hat er immerhin das Ende des „war on drugs“ (indes nicht des Kampfes gegen Kriminalität) in seinem Land verkündet, und die Rolle der USA in der mexikanischen Sicherheitspolitik beabsichtigt er zu reduzieren, wovon Biden eher weniger begeistert sein dürfte. Daher könnte es sein, dass Mexikos Regierung zu Biden ein weniger gutes Verhältnis aufbauen wird als sie es zu Trump hatte. Das Land war, weil Korridor zentralamerikanischer Migranten, vonseiten Trumps immensem Druck unterworfen, wobei es als Puffer gegen die Migranten dienen sollte. Doch paradoxerweise hatte sich Mexikos Regierung dabei nicht unwohl gefühlt. López Obrador war einer derjenigen, die Biden nicht unmittelbar nach der Entscheidung der Wahlmänner zum Sieg beglückwünscht hat. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Kooperativität/Anpassung |
Kolumbien |
Kolumbien ist nach Mexiko der wichtigste lateinamerikanische Handelspartner der USA, gilt geopolitisch als strategischer „keystone“ auf dem Kontinent und als ein dementsprechend treuer Partner der USA. Es ist Mitglied von PROSUR, und auch über die Mérida-(Sicherheits)-Initiative war es fest an die USA gebunden. Das Land war jedoch nie eine vollständige Demokratie. Unter seinem jetzigen Präsidenten Iván Duque ist es noch weiter nach rechts gerückt, ohne jedoch so autoritär zu sein wie Brasilien unter Bolsonaro. Es wird stark von Immigranten aus Venezuela betroffen und hofft hier auf entsprechende US-Hilfe. Sein Friedensprozess ist noch am Leben, aber eingeschränkt. Militante Anti-Drogenpolitik ist zumindest offizielle Strategie. Aber dem rechtskonservativen Präsidenten Iván Duque, der angesichts des US-Wahlkampfs weder Biden noch Trump öffentlich favorisiert hatte, war Trump lieber. Biden gegenüber hegt er Befürchtungen, u.a. weil dieser die Vertiefung des Friedensabkommens stärker einfordern dürfte als sein Vorgänger. Tendenz der AP zu den USA Bidens dennoch: aktive Kooperativität/Kuppelung |
Venezuela |
Das weitgehend autoritär regierte Venezuela sieht sich auf einem sozialistischen Weg und bezeichnet sich als „Führungsmacht innerhalb der Gruppe der sozialistischen Länder Lateinamerikas“. Es befindet sich nach wie vor in strikter Opposition zu den USA und hat in China, Russland und dem Iran nicht unbedeutende alternative Partner. Präsident Nicolás Maduro konnte inzwischen die Lage im Land wieder etwas stabilisieren und den Einfluss von Widersacher Juan Guaidó, dem „Interimspräsidenten“, eindämmen. Venezuela ist tragende Säule von ALBA, dem bekannten (zu einer Kooperation mit den USA) alternativen Bündnis, das sich aber längere Zeit im freien Fall befand. Mitglied von CELAC ist das Land auch. Einst Weltmarktführer in der Erdölproduktion, ist es in der OPEC jetzt Schlusslicht. Die USA sind noch immer sein wichtigster Handelspartner, auch wenn der Export dorthin stark gesunken ist. Venezuelas Wirtschaftskraft schrumpft seit sieben Jahren unaufhörlich. Beides kann sein: dass Maduro ein ordentliches Feindbild vorzieht, das er bei Trump stärker haben konnte als er es bei Biden hat, um seine „Revolution“ zu legitimieren, aber auch, dass er über neue Spielräume froh ist. Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Konfliktivität/Herausforderung |
Chile |
Chile ist Mitglied von PROSUR sowie Pazifischer Allianz und schon lange ein besonders zuverlässiger Partner der USA. Mit dem MERCOSUR ist es nur assoziiert. Das erlaubt ihm, eigene Handelsabkommen zu schließen. Präsident Sebastian Piñera hat Biden gegenüber schon versichert, dass er in den Beziehungen mit ihm auf die Stärkung von Freihandel, PROSUR und Pazifischer Allianz, aber auch auf dessen Engagement in Klimafragen setzt. Die USA sind der wichtigste Handelspartner. Beide Länder haben ein Freihandelsabkommen geschlossen. Allerdings sinkt der Anteil des US-Handels zugunsten der EU und Asiens. Chile ist demokratisch, sein Präsident Sebastian Piñera gilt als rechtskonservativ, sieht sich aber sozialen Protesten (gefordert wird u.a. eine stärkere Abrechnung mit den Menschenrechtsverletzungen vonseiten der Militärs unter Pinochet) und Aktionen der Mapuche ausgesetzt. Piñera bringt Biden Wohlwollen und Kooperativität entgegen. Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Kooperativität/Kuppelung |
Argentinien |
Argentinien, ein Land, das unter peronistischen Regierungen den USA gegenüber stets „beschränkte Opposition“ gepflegt hat, wiewohl Mitglied des rechtskonservativen PROSUR ist und, als einziger lateinamerikanischer Staat, sogar „Major non-NATO ally“ (wiewohl gleichzeitig in einer „strategischen Partnerschaft“ mit Russland), freut sich auf Biden und die von ihm angekündigte Multilateralität. Es gibt bereits Anzeichen einer Annäherung. Dass Argentinien damals Juan Guaidó nicht als Interimspräsident von Venezuela anerkannt hatte, sollte für Kooperativität mit Biden kein Hinderungsgrund sein. Denn auch Biden sieht für sich diese Guaidó-Option nicht. Wirtschaftlich steht auch Argentinien zwischen den USA und China: Denn es ist das in Lateinamerika am stärksten (auch den USA gegenüber) verschuldete Land braucht Chinas Investitionen genauso wie Bidens Rückhalt bei der Verhandlung der Schuldenrückzahlung mit dem IWF. Argentinien fürchtet zudem, dass Bidens Interesse an Mexiko und Zentralamerika stärker sein könnte als für es selbst. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Kooperativität/Anpassung |
Uruguay |
Uruguay ist klein und besitzt vergleichsweise wenig internationales, auch lateinamerikanisches Gewicht, ist aber stabiler Partner der USA. Seit vielen Jahren zählt es als ein stabiles demokratisches Land. Steht sein jetziger Präsident Lacalle Pou politisch eher im (rechten) Zentrum, gehörte zu dessen Bündnis auch das rechtspopulistische Cabildo Abierto unter Guido Manini, einem Ex-General und früherem Oberbefehlshaber der Armee, auch als „Uruguays Bolsonaro“ benannt oder, schlimmer noch, als politischer Nachfahre der Militärdiktatur der 1970er Jahre. Er ist heute aber „nur“ Senator. Uruguay befand sich während des US-amerikanischen Wahlkampfes im Entscheidungsdilemma, wen seiner Nachbarn es in Bezug auf die US-Präsidentschaft unterstützen solle: Brasilien, das Trump vorzog, oder Argentinien, das Biden favorisierte. Mit beiden Staaten ist es (wie auch mit Paraguay) im MERCOSUR verbunden. Am Ende hatte es eine stärkere Präferenz für Brasiliens Position, ist aber außenpolitisch wenig „polemisch“: Hinsichtlich von Klimaschutz, der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und dem Mittleren Osten gegenüber teilt es Bidens Positionen. Insgesamt, so steht zu erwarten, wird sich Uruguay kooperatives Verhältnis zu den USA nicht ändern. Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Kooperativität/Kuppelung |
Bolivien |
In Bolivien hat die neue MAS-Regierung unter Luis Arce die Beziehungen zu Russland und auch dem Iran wiederhergestellt. Unter Arce ist Bolivien auch wieder ALBA-Mitglied und koordiniert seine Politik wieder stärker mit Venezuela, Kuba und mit Argentinien. Das alles wird Biden nicht gefallen. Doch gilt Arce im Vergleich zu Evo Morales als moderater und pragmatischer. Er hofft, dass sich seine Beziehungen zu den USA unter Biden verbessern werden. Für Bolivien ist der Lithium-Extraktivismus höher als der von Erdöl. Zwar hat das Land hier die weltweit höchsten Vorkommen, doch was die aktuelle Produktion betrifft, ist es nicht unter den sieben Top-Produzenten der Welt zu finden und liegt weit hinter Chile und auch Argentinien. Zeitnah dürfte Lithium also bislang keine entscheidende Rolle spielen. Im Außenhandel sind die USA für Bolivien (2018) nur der sechste Exportpartner und der fünfte im Import. Im Import belegt China den ersten Rang. Insofern sind die USA für das Land alles andere als erstrangig. Tendenz der AP zu den USA Bidens (wenn auch weniger radikal als bei Venezuela und Kuba): aktive Konfliktivität/Herausforderung |
Kuba |
Kuba bleibt schon aus grundsätzlichen politischen und ideologischen Gründen konfrontativ gegenüber den USA, auch unter Biden. Es hofft aber auf eine Aufhebung des Embargos und anderer US-Sanktionen. Seine Haupthandelspartner sind Kanada, China und Venezuela. Seine Handelsbilanz liegt aber weit im Negativbereich. Mit Russland ist es über eine „strategische Partnerschaft“ verbunden. Angesichts des Öllieferungs-Stopps vonseiten Venezuelas befindet es sich wirtschaftlich in einer schwierigen Lage. Die Remittances der Exil-Kubaner sind notwendig für die Verhinderung drohender sozioökonomischer Verschlechterung, sodass es diesbezüglich auch kleine Kompromisse mit den USA eingehen könnte. Kubas BIP steigt seit 2016, wenn auch nur leicht. Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Konfliktivität/Herausforderung |
Panama |
Panama, regiert vom in den USA ausgebildeten Präsidenten Laurentino Cortizo, der aber mit dem PRD eine eher sozialistische Partei anführt, die einst vom legendären Anti-Imperialisten Omar Torrijos gegründet wurde, steht außenwirtschaftlich wie -politisch zwischen den USA und China. Während die USA sein größter Exportpartner sind, ist es China beim Import. Panama war (unter Trump) neben Nikaragua, Kuba und Venezuela das einzige Land Lateinamerikas, in dem das Vertrauen in China größer war als in die USA. Wirtschaftlich ist vor allem sein Status als Steueroase bekannt. Aber auch der enorme BIP-Einbruch 2020 und eine besondere Handelsabhängigkeit sind es, wofür sein Kanal entscheidend ist. Doch die Handelsbilanz ist schlecht. Panama verhält sich regionalpolitisch eher isolationistisch, nur in der Pazifischen Allianz ist es (lediglich) Beobachter. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Konfliktivität/beschränkte Opposition |
Peru |
Peru ist Gründungsmitglied sowohl von PROSUR als auch der Pazifischen Allianz und (regionalpolitisch) insofern also USA-affin. Im Handel konkurriert an erster bzw. zweiter Stelle China mit den USA. Der Pazifik-Staat verzeichnet ein starkes wirtschaftliches Negativwachstum, seine Handelsbilanz ist aber leicht positiv. Russland zeigte sein Interesse an einer „strategischen Partnerschaft“ mit ihm. Im April 2021 finden in Peru Präsidentschaftswahlen statt. Die besten Chancen hat der Kandidat der konservativ-liberalen Partei George Forsyth, die zweitbesten Jonhy Lescano von der liberal-reformerischen Acción Popular. Der jetzige Präsident Francisco Sagasti Hochhausler Mitbegründer des „zentristischen“ Partido Morado hat an der Pennsylvania State University studiert, trägt einen Doktortitel dieser Universität, absolvierte seine bisherige Karriere vor allem bei Weltbank und UNO und gilt als liberaler Kompromiss-orientierter Politiker. Er tritt in den kommenden Wahlen nicht mehr an. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Kooperativität/Anpassung |
Ekuador |
Ekuador hat(te) sich unter Präsident Lenín Moreno vom UNASUR ab- und PRONASUR zugewandt. Noch immer sind die USA, dies sehr weit vor China, bevorzugter Handelspartner. Es ist stark von US-amerikanischen Krediten abhängig. Ekuadors BIP begann kürzlich, sich wieder zu erholen. Zu den USA werden positive und dynamische Beziehungen erwartet. Moreno vertrat im Präsidentenamt eine Partei, die sich bolivarianisches Ideengut auf die Fahnen schreibt. Doch die unter ihm erfolgte Ausweisung von Julian Assange aus der ekuadorianischen Botschaft sprach „Bände“ für seine Nähe zu den USA. Inzwischen wurde der z.Zt. noch amtierende Präsident Moreno aus seiner Partei, die in der ersten Wahlrunde für die Präsidentschaft im Februar 2021 eine vernichtende Schlappe erlitten hat, entfernt. Wie sich dessen Nachfolger im Präsidentenamt zur bisher ohnehin nur kurzen „strategischen Partnerschaft“ mit Russland verhalten wird, kann nicht gesagt werden. Abzusehen ist, dass sich keiner von den in der ersten Wahlrunde übriggebliebenen Präsidentschaftskandidaten in irgendeiner Weise unkooperativ zu den USA verhalten wird. Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Kooperativität/Kuppelung |
El Salvador |
El Salvadors Präsident Nayib Bukele hatte den USA gegenüber Loyalität geschworen (nicht zuletzt als Mitglied von CAFTA-DR, für die er Bidens Unterstützung erwartet), aber bereits Trump dadurch verärgert, dass er sich diplomatisch von Taiwan ab- und China zuwandte. Er profitierte von Trumps Desinteresse. Sowohl Bukele als auch Biden möchte in Einigem die für die vormalige Staatenbeziehung typische Politik umkehren. Bukele, der nicht nur einen eigenwilligen Charakter besitzt, hat in letzter Zeit einen ausgeprägten Hang zum Autoritarismus entwickelt. Davon zeugten seine anti-parlamentarischen Aktionen genauso wie außergerichtliches „Killen“ von Vertretern der FMLN. Insbesondere wird El Salvadors Migrantenexodus, bei dem über 90 % in die USA auswandern, ein Thema in den US-salvadorianischen Beziehungen sein. Die Zahl der Migranten steigt weiterhin kontinuierlich. Migranten in die USA stellen bereits jetzt ein Viertel der salvadorianischen Gesamtbevölkerung. 2019 bildeten in El Salvador zudem die Remittances (mehrheitlich aus den USA) (wie auch in Honduras) über 20 % des Bruttoinlandproduktes (BIP). Was diesen Index betrifft, steht El Salvador noch immer, nach Haïti, an der Spitze Lateinamerikas. Aber das Land hat inzwischen schon lange nicht mehr die diesbezüglichen höchsten absoluten Werte und Wachstumsraten in Lateinamerika, auch nicht in Zentralamerika, wo nunmehr Guatemala Spitzenwerte registriert. Seine Homizidrate ist aber immer noch die höchste in Zentralamerika, wahrscheinlich sogar weltweit. Da auch das zu Migration in die USA führt, dürfte sich Biden dafür interessieren, dies über entsprechende Gegenmaßnahmen einzudämmen. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Konfliktivität/beschränkte Opposition |
Guatemala |
Vieles ist in Guatemala, unter Präsident Alejandro Giammattei, ähnlich wie in El Salvador, manches davon nur geringer ausgeprägt (CAFTA-DR, Homizidraten, Migration, Remittances, aber auch Wirtschaftswachstum). Anderes wiederum artikuliert sich hier (noch) stärker als dort: Armut, autokratische Tendenzen, Korruption, Transitstatus für Drogenhandel und Bedeutung als der vor Mexiko unmittelbare Migrantenkorridor. Trump hatte Guatemala kurzerhand zum „tercer país seguro“ ernannt, in das man Migranten zurückschicken kann. Dass Biden diesen Akt wieder suspendiert hat, quittiert Präsident Giammattei mit Zufriedenheit. Innerhalb Zentralamerikas ist Bidens besondere Affinität zu Guatemala deutlich geworden, die aber eine relative Unversöhnlichkeit gegenüber dortiger Korruption einschließen wird: Giammattei beabsichtigt beispielsweise nicht, CICIG (Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala) zurückzuholen, sondern sie durch eine eigene Regierungskommission zu ersetzen. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Konfliktivität/beschränkte Opposition |
Honduras |
Honduras, die frühere US-amerikanische Bananenrepublik, besitzt für die USA heute eine geringe Bedeutung, es sei denn auch als CAFTA-DR-Mitglied, Entsendeland von Migranten, Empfänger von Remittances und Homizidrate: Der Anteil der Remittances am BIP ist in Honduras etwa ähnlich wie in El Salvador, seine Migranten- und Homizidrate aber geringer. Honduras‘ Involvierung in Drogenhandel und Korruption übersteigt unter Präsident Juan Orlando Hernández wiederum das Ausmaß in El Salvador, wahrscheinlich auch das in Guatemala. Hernández befürchtet, dass Biden eine ihm drohende Anklage wegen Bestechung unterstützen wird. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Konfliktivität/beschränkte Opposition |
Nikaragua |
Das von Daniel Ortega und seiner Gattin autoritär regierte und (2018) von sozialen Protesten erschütterte, aber einer gespaltenen Opposition gegenüberstehende Nikaragua hatte an der Trump-Regierung harsche Kritik geübt und beschwört nun Bidens „Besserung“. Das Land kooperiert mit China (geplanter, aber wohl stagnierender Bau einer Alternative zum Panama-Kanal), Russland und in ALBA, ist aber etwas „isolationistischer“ als Venezuela oder Kuba. Doch im Handel sind die USA noch immer mit großem Abstand Vorreiter vor allen anderen. Beim Export stellen sie mehr als die Hälfte. Nikaraguas Homizidrate ist weiterhin vergleichsweise niedrig so wie auch Migration und Remittances-Empfang in die/aus den USA. Im Korruption-Index jedoch belegt das Land den zweitschlechtesten Rang in Lateinamerika, nur Venezuela ist da noch schlechter. Nikaraguas Aversion gegen die USA ist leicht geringer als die Venezuelas und Kubas, aber in Zentralamerika natürlich viel größer als in den Ländern des „nördlichen Dreiecks“. Das Abwägen zwischen aktiver und passiver Konfrontation ist schwierig, die Entscheidung fällt gleichwohl (noch) zugunsten der: Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Konfliktivität/Herausforderung |
Costa Rica |
Die „Schweiz Zentralamerikas“ besitzt traditionell ausgezeichnete Beziehungen zu den USA. Mit sehr großem Abstand, auch vor China, sind die USA ihr wichtigster Handelspartner. Doch hatte Präsident Carlos Alvarado Quesada einen Konflikt mit Trump den Klimaschutz betreffend, der für das Land zentral ist: In dessen letzter Amtszeit hat Alvarado nicht mehr mit Trump gesprochen. Umso enthusiastischer ist er jetzt gegenüber Biden. Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Kooperativität/Kuppelung |
Paraguay |
Regionalpolitisch im US-affinen PROSUR verankert (ansonsten aber desinteressiert), sind seine Handelsbeziehungen zu den USA vergleichsweise unbedeutend: beim Export geradezu nichtig, beim Import nur halb so relevant wie China. Bei aller Irrelevanz seiner Beziehung zu den USA hatte es unter Präsident Mario Abdo Benítez eine besondere Beziehung zu Trump. Tendenz der AP zu den USA Bidens: (höchst)passive Kooperativität/Anpassung |
Haïti |
Das Land ist das Sorgenkind der USA, ob wegen katastrophaler Erdbeben, Korruption oder Massenprotesten. Traditionell gibt es hier einen besonders hohen „record“ von Gewalt. Haïti wird vom korrupten Diktator Jovenel Moïse regiert, der seine verfassungsmäßige Amtszeit einmal mehr „überdehnt“ hat. Gerade hat es einen demokratisch inspirierten Putsch überstanden, doch dessen Anführer sind inzwischen verhaftet. Moïse fand insbesondere Trump „toll“, doch darf er erwarten, dass sich auch Biden ihm zuwendet, ob nun mit der Intention, das Land demokratisieren zu helfen oder auch nicht. Tendenz der AP zu den USA Bidens: passive Kooperativität/Anpassung |
Dominikanische Republik |
Das Land ist USA-treu: Etwa die Hälfte seines Handels wickelt es mit den USA ab. Es gehört zum USA-unterstützenden Regionalbündnis CAFTA-DR. Präsident Luis Rodolfo Abinader Corona, selbst ausgesprochen Business-treu, war großer Trump-Anhänger und durfte sogar Rudy Gulianis Anwaltsdienste in Anspruch nehmen. Erwartet wird im Allgemeinen, dass er auch Biden gegenüber positiv sein wird. Einzige Befürchtung der Republik ist, Biden könne den eigenen Umgang mit den haitianischen Immigranten kritisieren. Wähler mit dominikanischer Herkunft sind, zusammen mit zentralamerikanischen Einwanderern, die größten Anhänger von Biden innerhalb der Latinos in den USA. Abinader hat ihnen schon zusammen mit Biden zugewinkt. Tendenz der AP zu den USA Bidens: aktive Kooperativität/Kuppelung |
Eigene Darstellung
Fasst man diese Tabelle zusammen, stehen einander in Lateinamerika 12 zu den USA tendenziell eher kooperative (darunter sechs aktiv kooperative: Dominikanische Republik, Costa Rica, Chile, Uruguay, Ekuador, Kolumbien) Staaten acht eher konfrontativen Staaten gegenüber. Auch wenn man die beiden passiven Ausprägungen, sowohl von Kooperativität als auch von Konfliktivität, weil sie nicht „schlachtentscheidend“ sind, in ihrem Stellenwert geringer einschätzt als die aktiven, ergibt sich bei diesem Vergleich ein Verhältnis zugunsten von Kooperativität: Es beträgt 6 zu 4.
Unilaterale Außenpolitik der USA gegenüber Lateinamerika
Jetzt sollen auch für die USA die fünf Strategien von Russell und Tokatlian zur Anwendung gelangen, auch hier mit den bereits eingeführten „Substituten“. Ein methodisches Hindernis sei dabei eingeräumt: Die – in Lateinamerika häufigen – Regierungs-, Regime-, ja Systemwechsel, und ein nachfolgendes mögliches Switchen in der Außenpolitik können dabei nicht beachtet werden. Daher kann es auch in Bezug auf die reactiones der USA nur eine Momentaufnahme geben.
Zuerst seien einige besonders typische historische Beispiele, hier nur für „einfache“ (statt „kombinierte“) reactiones der USA aufgeführt:
Abbildung 5: „Einfache“ reactiones der USA
Actio Lateinamerikas |
Reactio(nes) der USA |
Beispiele |
Isolation (I) |
I |
Paraguay unter Rodríguez de Francia y Velasco und USA unter Madison |
Aktive Kooperativität (aKoop) |
aKoop |
Brasilien unter Bolsonaro und USA unter Trump |
Aktive Kooperativität (aKoop) |
pKoop |
Chile in den letzten Pinochet-Jahren und USA unter G. H. Bush |
Passive Kooperativität (pKoop) |
aKoop |
Peru unter Alberto Fujimori und USA unter G. H. Bush |
Passive Kooperativität (pKoop) |
pKoop |
Argentinien unter Macri und USA unter Trump |
Aktive Konfliktvität (aKon) |
aKon |
Venezuela unter Maduro und USA unter Trump |
Passive Konfliktivität (pKon) |
pKon |
Argentinien unter Fernández und USA unter Trump |
Passive Konfliktivität (pKon) |
aKon |
Honduras unter Zelaya und USA unter Obama in dessen „Falken-Zeit“ |
Eigene Darstellung
Schon bei dieser „einfachen“ (also „nicht-kombinierten“) Variante ergeben sich für die reactiones der USA acht Möglichkeiten. Konzediert man, dass in der reactio auch „kombinierte“ Strategien denkbar sind, führt das zu vier weiteren Optionen.
Abbildung 6: „Kombinierte“ reactiones der USA
Actio Lateinamerikas |
Reactio(nes) der USA |
Beispiele |
aKoop |
aKoop kombiniert mit pKon |
Hernández in Honduras und USA unter Trump |
pKoop |
pKoop kombiniert mit pKon |
El Salvador unter Bukele und USA unter Trump |
aKon |
aKon kombiniert mit pKoop |
Bolivien unter Morales und USA unter Trump |
pKon |
pKon kombiniert mit pKoop |
Venezuela in den ersten Chávez-Jahren und USA unter Clinton |
Eigene Darstellung
Historisch sind also 12 verschiedene actio-reactio-Konstellationen feststellbar. Außer bei Isolation, die stets nur mit einer einzigen Variante beantwortet werden kann, auch mit Isolation, können auf jede einzelne actio logisch drei verschiedene reactiones erfolgen. Damit ist schon einmal klar, dass keine strategische actio-Variante eine größere reactio-Variabilität erwarten kann als eine andere. Praktisch-politisch heißt das auch für die Biden-Regierung, dass die USA gegenüber Lateinamerika bei jeder der vier actio-Varianten „nur“ zwischen jeweils drei außenpolitischen reactiones wählen können.
Unter Joe Biden steht, zunächst nur schlaglichtartig und den für ihn besonders relevanten lateinamerikanischen Staaten aufgeführt, Folgendes zu erwarten: Aller Wahrscheinlichkeit wird er den alle drei Jahre stattfinden Lateinamerika-Gipfel wiederbeleben. Doch dürfte es unter ihm wohl kein größeres wirtschaftliches Konjunkturprogramm für Lateinamerika geben. Allein COVID 19 wird mehr medizinische Kooperation (z.B. Impfstoffe) nahelegen, denn anderenfalls wären auch eine Pandemie-Immigration in die USA oder innere Instabilität in Lateinamerika zu befürchten. Beides würde den USA Kosten verursachen.
Kolumbien, für das Biden einst den Plan Colombia mitverantwortet und dessen Friedensprozess er unterstützt hatte, wird seinen herausgehobenen Stellenwert behalten, zumal der Direktor für Western Hemisphere Affairs Juan González kolumbianische Wurzeln hat. Er hatte sich bereits im Wahlkampf in der Richtung geäußert, dass für Kolumbien Biden der beste Verbündete sei (Semana 2021). Biden wird für Kolumbien die Folgen der massiven Einwanderung aus Venezuela abfedern helfen. In der Anti-Drogenpolitik dürfte er eine multidimensionale Strategie fahren und dabei das Sprühen von Pestiziden gegen Koka-Anbau weniger gutheißen.
Innerhalb seiner Lateinamerika-Strategie wird für Biden, neben Kolumbien, insbesondere Zentralamerika einen besonderen Stellenwert genießen: Abgesehen davon, dass die USA in der Region ohnehin der größte Investor sind, spricht dafür schon jetzt sein Plan, die „Alliance for Prosperity“ wiederaufzulegen und in diesem Kontext vier Milliarden $ nach Zentralamerika zu überweisen, eine Art „dollar diplomacy“, ohne jedwede Konditionalisierung. Finanzspritzen für Gewalt-Reduktions-Programme, die technische Unterstützung für den Justizsektor einschließen, sind wahrscheinlich. Durch diese Finanzspritzen sollen die Wurzeln überbordernder Migration aus Zentralamerika, aus dessen „nördlichem Dreieck“, gekappt werden. Die bereits in die USA migrierten Zentralamerikaner hingegen sollen bessere Chancen erhalten: So hat Biden schon jetzt die von Trump unterschriebenen Acuerdos de Cooperación de Asilo (ACA) mit El Salvador, Honduras und Guatemala gestoppt, die es erlaubten, Asylsuchende aus diesen Staaten strikt auszuweisen. Das Migrant Protection Protocols (MPP) wird zudem den Wartestand der (zentralamerikanischen) Asylsuchenden in den USA verkürzen.
In Brasilien wird Biden von einem Bolsonaro sicherlich weniger hofiert werden als einst Trump. Dies wird auch spiegelbildlich so sein. Biden wird es darauf ankommen, das Land wieder in den MERCOSUR einzubinden. Die dort obwaltende Abholzung und Ausbeutung der Bodenschätze im Amazonas-Gebiet steht Bidens Klima-Plänen entgegen. Insgesamt wird Biden weniger geneigt sein, mit rechtsgerichteten Autokraten (wie Bolsonaro es ist) zu kooperieren als sein Vorgänger im Amt.
Was Kuba betrifft, sollte man eigene Kooperativitäts-Erwartungen nicht zu hoch schrauben, was auch damit zusammenhängt, dass Bidens Demokratische Partei ihm (und Venezuela) gegenüber gespalten ist. Allerdings dürfte auch Biden wissen, dass, wenn keine Liberalisierung des Embargos stattfindet, in Kuba ein (noch) höherer Einfluss von China und Russland zu erwarten stünde als bisher, was er sicher vermeiden will. Das US-Konsulat in Havanna soll wiedereröffnet werden. Eine völlige Rückkehr zu Obamas relativ offener Kuba-Politik ist eher nicht wahrscheinlich. Aber auch harte Sanktionen werden womöglich ausbleiben. Aufschlussreich ist auch hier die Position von Juan González (2020): „En Cuba, el compromiso no es un regalo para un régimen represivo. Es un acto subversivo para promover la causa de los derechos humanos y empoderar al pueblo cubano como protagonistas de su propio futuro.“
In Venezuela will Biden „Demokratie wiedererrichten“, hegt aber keinerlei Ambitionen, dabei überstürzt zu agieren. Ein neuer Guaidó wird von ihm nicht angestrebt. Er setzt hier vielmehr auf längere Perspektiven und eine auch diesbezügliche Kooperation mit Europa. Doch den Druck auf dieses Land wird er natürlich beibehalten, und Gespräche, gar Verhandlungen mit Maduro sind bislang nicht vorgesehen. Wie im Falle Kubas steht auch hier, möglicherweise jedoch etwas weniger als dort, „friedliche Koexistenz“ zu erwarten.
Schließlich werden nun, in der letzten Abbildung, tendenziell mögliche USA-reactiones unter Biden gegenüber den 20 lateinamerikanischen Staaten präsentiert:
Abbildung 7: Lateinamerikanische actiones und US-amerikanische reactiones (zu Beginn der Amtszeit von Biden)
Staat (in Lateinamerika) |
Unilaterale außenpolitische Strategie gegenüber den USA |
Unilaterale außenpolitische Strategie der USA |
|
Einfach |
Kombiniert |
||
Brasilien |
pKoop |
pKoop + zugleich (wegen Klima und Kritik an Demokratiedefizit) pKon |
|
Mexiko |
pKoop |
aKoop |
|
Kolumbien |
aKoop |
aKoop + zugleich (wegen Stagnation des Friedensprozesses und Art der Drogenbekämpfung) pKon |
|
Venezuela |
aKon |
aKon + zugleich (wegen gleichzeitiger Zuwendung zu Zivilgesellschaft und Handel) pKoop |
|
Chile |
aKoop |
aKoop |
|
Argentinien |
pKoop |
pKoop |
|
Uruguay |
aKoop |
aKoop |
|
Bolivien |
aKon |
pKon |
|
Kuba |
aKon |
pKon + zugleich (wegen Aufhebung einiger Sanktionen, Verwerfen als Terror-Sponsor und Ambivalenz von Remittances) pKoop |
|
Panama |
pKon |
aKoop |
|
Peru |
pKoop |
pKoop |
|
Ekuador |
aKoop |
aKoop |
|
El Salvador |
pKon |
aKoop + zugleich (wegen Kritik an Demokratiedefizit und Korruption sowie wegen Verbindung von Gewalt und Migration bei Ambivalenz von Remittances) pKon |
|
Guatemala |
pKon |
aKoop + zugleich (wegen Kritik an Demokratiedefizit und Korruption sowie wegen Verbindung von Gewalt und Migration bei Ambivalenz von Remittances) pKon |
|
Honduras |
pKon |
aKoop + zugleich (wegen Kritik an Demokratiedefizit und Korruption sowie wegen Verbindung von Gewalt und Migration bei Ambivalenz von Remittances) pKon |
|
Nikaragua |
aKon |
pKon |
|
Costa Rica |
aKoop |
aKoop |
|
Paraguay |
pKoop |
pKoop |
|
Haïti |
pKoop |
aKoop + zugleich (wegen Kritik an Demokratiedefizit) pKon |
|
Dominikanische Republik |
aKoop |
aKoop |
Eigene Darstellung
Der Blick auf diese Tabelle, und hier zunächst auf den Stellenwert von Kooperativität, offenbart: Anders als von Friedman (2021) erwartet, wird sich unter Biden Lateinamerika nicht nur der Ton ändern, auch der Inhalt wird nicht gleich „hart“ bleiben. In sechs (Chile, Uruguay, Chile, Costa Rica, Ekuador und Dominikanische Republik) von 20 Fällen wird Biden aller Wahrscheinlichkeit nach strategisch sogar aktive Kooperativität avisieren. Im Verhältnis zu fünf weiteren lateinamerikanischen Staaten zeichnet es sich bei ihm als Tendenz ab, aktive Kooperativität zumindest als einen von zwei Teilen in einer „kombinierten“ Strategie zu konzeptualisieren (die andere Komponente wäre dann kooperativ oder konfliktiv passiv). In der Summe wären das 11 Staaten, also 55 %, zu denen Kooperativität praktiziert würde. In Lateinamerika (zu den USA), hier ohne „kombinierte“ Strategien, sind es 12 eher kooperative Staaten, folglich 60 %. Zu keinem Staat in Lateinamerika ist abzusehen, dass von den USA nur aktive Konfliktivität ausgehen wird, und nur zu einem (Venezuela) wird eine solche (mit einer anderen Strategie kombiniert) überhaupt vorkommen.
Damit kann für die Dyade ausgesagt werden, dass sowohl die Strategie Lateinamerikas gegenüber den USA (mit 12 von 20) als auch die der USA zu Lateinamerika (mit 11 von 20) überwiegend kooperativ sein dürfte. Insofern betrüge der Kooperativitäts-Gesamtüberschuss (gesamten Dyade), ob aktiv oder passiv, in etwa 60 zu 40 %. Damit würde die Dyade insgesamt überwiegend kooperativ sein. Der unilaterale Kooperativitäts-Überschuss, nur in den USA gegeben, wäre mit nur einem Fall und nur 5 % winzig. In Lateinamerika, auch unilateral, stellte er immerhin 10 %. Praktisch schwierig wird, weil vorauszusehen ist, dass Kooperativität hier nur in „kombinierten“ Strategien vorkommt, die außenpolitische Strategie der USA zu acht Staaten sein: Brasilien, Kolumbien, Venezuela, Kuba, El Salvador, Honduras, Guatemala und Haïti.
Beim Engagement gibt es mit Blick auf die Dyade in ihrer Gegenseitigkeit (Bilateralität) mit Chile, Uruguay, Ekuador, Costa Rica und Dominikanischen Republik auf der einen Seite und den USA auf der anderen insgesamt Seite fünf Dyaden-Fälle, die beiderseits ausschließlich aktiv sind, in denen also beidseitig hohes Engagement herrscht. Hier ist kein (beidseitig) aktiver konfliktiver Fall dabei. Nur passiv, also nicht bzw. wenig engagiert, ist die Dyade, wiederum beiderseits, mit Argentinien, Peru und Paraguay in drei Fällen.
Unilateral hoch (aktiv) engagiert werden gegenüber der Biden-Administration, ob konfliktiv oder kooperativ, aller Voraussicht nach zehn lateinamerikanische Staaten sein, also 50 %. Die USA werden dasselbe unilateral gegenüber nur zwei lateinamerikanischen Staaten praktizieren: Mexiko und Panama. Dies wird insgesamt ein höheres aktives außenpolitisches Engagement aufseiten Lateinamerikas implizieren als in den USA, hier also einen Überschuss von 80 %. Ein mindestens teilweises (als „einfache“ Strategie sowie wenigstens als ein Bestandteil in einer „kombinierten“ Strategie) aktives Engagement, ob konfliktiv oder kooperativ, werden die USA wahrscheinlich zu 13 lateinamerikanischen Staaten an den Tag legen. Das sind 65 % der Fälle. Lateinamerika hat also mit seinem zu den USA aktiven Engagement – im Vergleich mit den USA zu Lateinamerika – einen Nachteil von 15 % aufzuweisen.
Bilateral, in der beidseitigen Gesamtdyade, ist damit sowohl bei aktivem Engagement als auch bei Kooperativität ein Überschuss von 60 % zu registrieren. Unilateral steht aufseiten der USA (zu und im Vergleich zu Lateinamerika) dem eigenen Kooperativitäts-Überschuss von 5 % ein eigener Engagement-Nachteil von 80 % gegenüber. In Lateinamerika gegenüber den USA ist das unilaterale Verhältnis genau umgekehrt. Aus dem Voraufgesagten ergibt sich: Lateinamerika wird in seiner unilateralen Außenpolitik (gegenüber den USA), strategisch aller Voraussicht nach sehr viel engagierter als kooperativ sein. Die USA (unter Biden) dagegen werden in ihrer unilateralen Außenpolitik-Strategie gegenüber Lateinamerika höchstwahrscheinlich sehr viel kooperativer als engagiert agieren.
Für eine Einschätzung der bilateralen außenpolitischen Dyade müssen nun noch bei Kooperativität wie Engagement Überlappungen ermittelt werden. Herausgefunden muss, in welchen Staaten-Paaren und dies beidseitig jeweils viel (oder wenigstens mehr als weniger) Kooperativität und hohes Engagement obwalten wird. Das demonstriert die folgende Tabelle:
Abbildung 8: Bilateraler Gesamtbefund für die Dyade, bei jeweils beiden Dyaden-Partnern
Beidseitig aKoop |
Chile, Uruguay, Ekuador, Costa Rica, Dominikanische Republik |
5 |
Beidseitig Koop, egal ob als pKoop oder pKoop |
Mexiko, Chile, Argentinien, Uruguay, Peru, Ekuador, Costa Rica, Paraguay, Dominikanische Republik |
9 |
Beidseitig aKoop, auf einer Seite als Teil kombinierter Strategie |
Kolumbien |
1 |
Beidseitig pKoop |
Argentinien, Peru |
2 |
Beidseitig pKoop, auf einer Seite als Teil kombinierter Strategie |
Brasilien |
1 |
Beidseitig aktives Engagement (a), egal ob kooperativ oder konfliktiv |
Chile, Uruguay, Ekuador, Costa Rica, Dominikanische Republik (siehe erste Zeile) |
5 |
Beidseitig aktives Engagement (a) als aKoop |
Chile, Uruguay, Ekuador, Costa Rica, Dominikanische Republik (siehe erste Zeile) |
5 |
Beidseitig aktives Engagement (a) als aKoop, auf einer Seite als Teil kombinierter Strategie |
Kolumbien (siehe dritte Zeile) |
1 |
Beidseitig aktives Engagement (a) als aKon |
————————————– |
0 |
Beidseitig aktives Engagement (a) als aKon, auf einer Seite als Teil kombinierter Strategie |
Venezuela |
1 |
Eigene Darstellung
Legende: Hellgrau: beidseitige Kooperativität; Dunkelgrau: beidseitiges aktives Engagement
Dass die Dyade nur (weil beidseitig) hoch kooperativ und aktiv engagiert ist – das trifft mit Chile, Uruguay, Ekuador, Costa Rica und Dominikanischer Republik und jeweils den USA auf fünf Länder-Paare zu. Dies sind knapp 25 % aller Staaten-Dyaden. Dass die Dyade (beidseitig) mindestens überwiegend kooperativ ist – das trifft, jeweils mit den USA, auf Chile, Uruguay, Ekuador, Costa Rica, Dominikanischer Republik, Kolumbien und Brasilien und damit auf sieben Staatenpaare zu. Das sind 35 %. Dass die Dyade (beidseitig) mindestens überwiegend aktiv engagiert ist – das trifft, jeweils mit den USA, auf Chile, Uruguay, Ekuador, Costa Rica, Dominikanische Republik und Kolumbien, also auf sechs Staatenpaare, zu. Dies sind 30 %. Das heißt, insgesamt und bilateral, ist mindestens überwiegende Kooperativität und zugleich mindestens überwiegendes hohes Engagement nur für ein knappes Drittel der Gesamtdyade zwischen Lateinamerika und den USA zu erwarten.
Insofern ist der Ausblick durchwachsen: Salopp gesagt: Lateinamerika wird für Joe Biden nur zu diesem einen Drittel ein vollkommen „sicheres Pflaster“ sein. Die Unsicherheit bezieht sich aber nicht so sehr auf ein Defizit an Kooperativität, sondern eher auf eines an aktivem Engagement.
Schlussfolgerungen
Inhaltliches Hauptergebnis
In den bisherigen Ausführungen ging es nur um Strategien, noch nicht um konkrete Außenpolitik. Ersten Aufschluss über letztere, ohne sie schon beurteilen zu wollen, gibt aber bereits die Gegenüberstellung der ermittelten Strategie-Tendenzen (in actio und reactio) zu den (im ersten Teil der Studie herausgearbeiteten) strukturellen Bewegungsräumen für Autonomie. (Der subjektive „Über-Überschuss“ an Autonomie der Administration Biden (und von dessen Team) sei im Weiteren „nur“ als „Joker“ einbezogen, denn er kann nicht das wettmachen, was die lateinamerikanischen Staaten mit ihren actiones als Spielraum vorgeben.) Auf der Strukturebene war für die USA ein Autonomie-Möglichkeiten-Überschuss von 12 % konstatiert worden. Für Lateinamerika betrug dieser ±0. Stellt man beidem nun den jeweiligen außenpolitischen Engagement- und Kooperativitäts-Überschuss gegenüber, dürfte die Wahrscheinlichkeit abzulesen sein, ob und inwieweit dieser in den der Strukturen „einrastet“:
In den USA steht ein (zu Lateinamerika) vergleichsweise hoher struktureller Autonomie-Möglichkeiten-Überschuss (von 12 zu 0 %) zu Buche. Sein (hier im Rahmen des niedrigeren Überschusses im Vergleich zu Lateinamerika) hohes außenpolitisches Engagement wenigstens im Mindestmaß (also sowohl als „einfache“ als auch als Komponente in „kombinierter“ Strategie) beträgt 65 %. Seine (wiederum im Vergleich zu Lateinamerika und im Rahmen des höheren Überschusses) gegebene außenpolitische Kooperativität, erneut wenigstens im Mindestmaß (sowohl als „einfache“ Strategie als auch als Komponente in „kombinierter“ Strategie), beläuft sich auf 55 %. Der Überschuss ist hierbei, also immer nur für die USA „in sich“, einmal 15 % und einmal 5 % hoch. Folglich ergibt sich: Bei den USA können in 12 % strukturellen Autonomie-Möglichkeiten-Überschuss durchschnittlich 10 % außenpolitischer Autonomie-Überschuss „einrasten“. Das Verhältnis ist also fast deckungsgleich und insofern optimal.
In Lateinamerika stehen einander auf der Akteursseite 10 % Überschuss bei Kooperativität und (-)15 % Nachteil bei Engagement gegenüber. Für das „Einrasten“ des außenpolitischen Autonomie-Möglichkeiten-Überschusses (hier – 5 %) in den Überschuss auf der strukturellen Seite (hier ± 0) impliziert das auch für Lateinamerika nahezu Deckungsgleichheit und insofern auch hier ein Optimum, allerdings, im Vergleich zu den USA, auf einem niedrigeren Niveau.
Interessanterweise dürften damit sowohl bei den USA als auch bei Lateinamerika eine nahezu vollständige Kongruenz und ein ebensolches „Einrasten“ von außenpolitscher Autonomie in Struktur-Autonomie erwartbar sein. Hier wird also wahrscheinlich keine Seite der Dyade im Vor- oder Nachteil sein, das alles natürlich nur, wenn auch jeweils künftige dyadische Außenpolitik den hier vermuteten Strategien entsprechen wird. Doch erstens kann man das jetzt noch nicht wissen und nur vermuten und zweitens sind alle dem zugrundeliegende Einschätzungen, wie sie im Text getroffen wurden, natürlich „nur“ qualitativ-subjektiv, wenn auch empirisch untermauert und daher zumindest nicht unplausibel.
Wenn aber nun dieses Ergebnis auch realiter zuträfe, würde es die These von der sich aus struktureller Asymmetrie notwendig ergebenden Subordination Lateinamerikas gegenüber den USA und entsprechenden Dependenz auf der außenpolitischen Ebene absolut ad absurdum führen.
Methodische Implikationen
Zu Beginn sei hier an die „andere Perspektive“ erinnert, die diese Studie anleitete: Anders als üblich, wurde in ihr nicht Lateinamerika auf die USA bezogen, sondern, umgekehrt, die USA wurden es auf Lateinamerika. Letztlich ist aber mehr als nur die Reihenfolge der Darstellung umgekehrt worden: Methodisch und, später, spieltheoretisch, befand sich Lateinamerika zudem in der Position der actio und die USA befanden sich in der der reactio.
Auch die weiteren methodischen Implikationen dieser Studie dürften nicht unerheblich sein und, über das hier erarbeitete Thema hinausgehend, allen unterkomplexen, dabei deterministischen und voluntaristischen und somit tendenziösen Einschätzungen einen „Dämpfer verpassen“:
In diesem Zusammenhang sei zunächst auf die Komplexität der Thematik des Themas und diesbezügliche methodische Implikationen verwiesen: Für die Bewertung der Dyade „Lateinamerika und USA“ wurden 5 (Konfigurationsebenen) x 2 (Grenzen und Möglichkeiten) x 2 (durchschnittliche Indikatorenanzahl) x 2 (für USA und Lateinamerika) untersucht. Schon das waren 40 Konstellationen. Bezöge man auch dies auf alle 20 lateinamerikanischen Staaten, müsste man die 40 mit 20 multiplizieren: Das ergäbe schon einmal die stolze Zahl 800. Hinzukamen 21 unilaterale außenpolitische Strategien. Das ergibt bereits insgesamt 821 Konstellationen. Zusätzlich wurde, für die Administration Biden (bei den 20 lateinamerikanischen Staatspräsidenten konnte das aus Platzgründen nicht erfolgen) die Akteursebene einbezogen, dies ebenfalls in ihren jeweiligen Möglichkeiten und Grenzen. Im Ganzen, also einschließlich der (hierzu nicht analysierten) 20 lateinamerikanischen Staaten, erbrächte das die Summe von 42. Diese müsste dann noch addiert werden. In der Gesamtsumme wären dies 843. Zählt man noch 20 dyadische Strategien-Paare dazu, würden es schließlich 863 Konstellationen. Eine derart komplexe Analyse übersteigt die Kapazität qualitativer Untersuchung (selbst bei QCA-Crispy-Sets) und wäre nur computer-gestützt quantitativ möglich. Darauf wurde hier verzichtet, und es wurden folglich auch „nur“ 83 Konstellationen untersucht.
Aus all dem soll aber ohnehin nur die eine – methodische – Schlussfolgerung abgeleitet werden: Die dyadischen Beziehungen zwischen Lateinamerika und den USA und umgekehrt sind hochkomplex und mindestens (bei Annahme einer noch immer recht begrenzten Indikatorenanzahl) 863 Mal komplexer als es allein die Beziehung von Suprematie (der USA) und entsprechender Subordination (Lateinamerikas) wäre. Mit aller Macht stellt sich in diesem Kontext dementsprechend schon rein methodisch die Frage: Kann man bei insgesamt mindestens 863 Untersuchungseinheiten noch behaupten, ein geopolitischer Antagonismus oder eine Monroe-Doktrin würde alles entscheiden? Wohl nicht.
Schon aber erklingen von deterministisch-statischer Seite erste Einwände:
-
Der erste mögliche Einwand, dass nun gar eine einzige, etwa die geopolitische, Konfigurationsebene absolut gelten und alle anderen Ebenen „überstrahle“ – dies wäre ein solch‘ deterministisches Argument, dass es die in der Politik immer gegebene Multikausalität an sich in Frage stellte. Das würden auch nur die Orthodoxesten der Orthodoxen vorbringen.
-
Der zweite mögliche Einwand, das aufgrund differierender Trägheit unterschiedliche Gewicht von einzelnen Konfigurationen bzw. Faktoren sei unbeachtet geblieben, läuft, aufgrund des Kunstgriffes „Strafpunkte“ ins Leere.
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Ein dritter Einwand könnte sein, die auch voneinander (und nicht nur von der abhängigen Variable) unabhängig gesetzten Faktoren seien in Wirklichkeit ja, im Sinne einer Kettenreaktion, miteinander verknüpft und also untereinander nicht unabhängig. Aber auch dieser Einwand ist durch das sukzessive Wachsen der Strafpunkte „mattgesetzt“. Selbst das sogenannte Galton-Problem wäre dadurch zumindest minimiert, denn auch die „globaleren“ und besonders „diffundierenden“ AWÖK und AWPK wurden ja ihrerseits über „Strafpunkte“ relativiert.
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Schließlich ist ein dritter Einwand vorstellbar: Das hier vorgestellte Modell sei vollkommen überkomplex, und Unterkomplexität dürfe/könne man nicht durch das andere Extrem, der Überkomplexität, „heilen“. Außerdem müsse man am Ende ja die eine Message verkünden und nicht 863 Untersuchungseinheiten. Dieser Einwand klänge überzeugend, überzeugender zumindest als die beiden anderen. Doch so viele Untersuchungseinheiten sind in diesem Aufsatz ja gar nicht untersucht worden, sondern nur 83. Und das konnte, zumindest grosso modo, umgesetzt und am Ende auch zu klaren Ergebnissen „kondensiert“ werden, ganz ohne computer-gestützte Analyse. Gleichwohl: Vorschläge, welche der Ebenen und/oder Faktoren dennoch gestrichen werden könnten/sollten, ohne dass inhaltlicher Verlust entstünde, sind willkommen. Die hier überprüften wären aber nicht alle gewählt worden, wären sie oder einige von ihnen für irrelevant gehalten worden.
Alles in allem, selbst mit Blick auf die genannten möglichen Einwände kann das in diesem Artikel vorgetragene Endergebnis als robust bezeichnet werden. Natürlich bedeutet Robustheit nur Zuverlässigkeit und nicht völlig ungeschmälerte Geltungskraft.
Spätestens an dieser Stelle sei aber auf noch fünf weitere, methodisch auch ihrerseits nicht überschätzbare – heterodoxe – Herangehensweisen verwiesen:
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Historisieren von Struktur ist wichtig, bedeutet allerdings nicht Determinismus: Der Historiker ist ein rückwärtsgehender Prophet (Friedrich Wilhelm Schlegel).
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Nirgendwo in der Welt herrschen nur Grenzen oder nur Möglichkeiten. Die Überbewertung des Einen implizierte Determinismus, die des Anderen Voluntarismus. Dies gilt sowohl für die strukturellen Konfigurationen auf jeder der beiden Seiten in einer Dyade als auch für die Dyaden-Beziehung selbst. Autonomien sind, je nach Verhältnis von Grenzen und Möglichkeiten, immer möglich. Natürlich sind sie auch nicht zwangsläufig. Und: Akteure können sich „frei“ über Strukturen erheben, ja sind in sie, in je unterschiedlichem Maße, schon „vorher“ eingewoben. Auch in asymmetrischen strukturellen Beziehungen können alle außenpolitischen Akteure – mehr oder weniger – frei politisch entscheiden. Also: Kein Kaninchen vor der Schlange (Volksmund).
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Jede der genannten Konfigurationen und Konstellationen wandelte sich über die Zeit, war und ist also nicht statisch. An einigen Stellen in diesem Aufsatz konnte Wandel dargestellt werden, an anderen nicht. Im Ganzen aber dominierte in ihm die Momentaufnahme der Aktualität: zum Zeitpunkt des Amtsantritts von US-Präsident Joe Biden. Aber gezeigt werden konnte, etwa im Vergleich der Doktrinen oder Außenpolitiken von Obama, Trump und Biden: Nichts ist in Stein gemeißelt (Volksmund). Oder: Nichts ist so beständig wie der Wandel (Heraklit).
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In jedem Zweierverhältnis gilt: Was der Eine (etwa die USA) besitzt bzw. gewinnt, entbehrt oder verliert nicht zwangsläufig der Andere (etwa Lateinamerika). Der Eine kann Autonomie gewinnen und der andere, gleichzeitig (!), auch. (Ebenso ist natürlich richtig: Der Eine kann Autonomie verlieren, der Andere, gleichfalls gleichzeitig, auch.) Jede außenpolitische Dyade kann aber von Positivsummenspielen geprägt sein, selbst wenn die betreffende strukturelle Beziehung asymmetrisch ist. Orthodoxe (auch Linke) neigen aber dazu, Nullsummenspiele zu verabsolutieren. Diesen Irrglauben haben sie methodisch von der (ebenso orthodoxen) Dependenztheorie eines André Gunder Frank übernommen, der aber immerhin die Revolution als mögliches Gegenbeispiel einbezog. Ignoriert man jedoch, wie das Linksorthodoxe oft tun, die Möglichkeit von win-win-Situationen, dann wird schon methodisch Kooperation unwahrscheinlicher und Konflikt wahrscheinlicher, gar prädominant. Auf der innerstaatlichen Beziehungsebene mögen Nullsummen, etwa zwischen Reichen und Armen oder Despoten und Volk, häufiger und für manche Entwicklungsländer gar dominant sein. Doch, anders als es orthodoxe Linke oft meinen, ist diese durchaus korrekte Beobachtung auf Außenpolitik (und Internationale Politik) keinesfalls übertragbar. Paradoxerweise optieren aber orthodoxe Linke gleichzeitig (dies nun zu Recht) für gerade in internationalen (und außenpolitischen) Beziehungen gleiche Rechte, also für Positivsummen. Methodisch ist das aber nicht stringent – etwas, zumal auf der gleichen Ebene, „da“ einzufordern, aber „hier“ zu ignorieren. Kurzum: Mit gleicher Elle messen! (Volksmund)
-
Da, wie hier demonstriert, außenpolitische Dyaden in der Strategie immer auf eine (iterierte) actio-reactio-Folge zurückgehen, sind sie auch deshalb keine Nullsummenspiele, sondern Positivsummenspiele. Hier gilt entweder Gebet, so wird Euch gegeben“ (Lukas 6:38) oder Auge um Auge, Zahn um Zahn (Exodus 21). Erst im zweiten „Turnier“, wenn der erste Spieler aus dieser vorherigen Logik aussteigt und das Spiel dann anders beginnt als im ersten, kann sich das ändern. Wenn dann aus der einmaligen Iteration von Konfliktivität ausgestiegen wird, ist das sogar eine Chance, weil nun, angesichts neuer Bedingungen, Kooperativität möglich und auch angestrebt wird, weil sie kostengünstiger ist als Konfliktivität. Wenn dagegen aus der einmaligen Iteration von Kooperativität ausgestiegen wird, ist es mindestens ein Risiko.
-
Im Text wurde metatheoretisch rational bzw. (neo)realistisch argumentiert. Weil nicht riskiert werden sollte, dass zutrifft: Jeder Mensch hält die Grenzen seines eigenen Gesichtsfeldes für die Grenzen der Welt (Arthur Schopenhauer). Der (demokratische) Liberalismus liegt der Autorin zwar näher als hard-core-Konstruktivismus, ist aber nicht nur schlechter operationalisierbar als (der hier defensive) Neorealismus, sondern, etwa bei außenpolitischem Demokratie-Export, erfahrungsgemäß damit verbunden, dass gelten kann: Auch des Guten wird man überdrüssig (Volksmund).
Eine von Determinismus, Unterkomplexität und Positivsummenspiel-Vorbehalt geprägte Herangehensweise schadet seriöser Wissenschaft. Auch überzeugungskräftiger Populärwissenschaft schadet sie. Dieser Aufsatz beanspruchte das Gegenteil. Voraussetzung dafür war die Anerkennung von Multifaktorialität bzw. -kausalität und Komplexität und von Positivsummen in der Außenpolitik. Erst das und nicht das Weglassen argumentativ unbequemer oder das künstliche Überhöhen bequemer Fakten, wie es von Orthodoxen, ob politisch links oder rechts, immer wieder einmal praktiziert wird, ermöglicht(e) wissenschaftliche Lauterkeit. Eine solche nun ist niemals „verfrüht“ und erst recht nie „übermütig“.
Politische Implikationen
Mindestens ebenso wichtig, vielleicht wichtiger noch als die genannten methodischen Implikationen, mag die politische Bedeutung der vorgelegten Studie sein. Als Maxime zusammengefasst, könnte sie lauten: Wollt ihr dem von euch angestrebten politischen Ziel näherkommen, hütet euch vor Vereinfachung! Anderenfalls droht analytische Fehleinschätzung und, daraus folgend, falsche politische Strategie! Also hat der hier vorgelegte Aufsatz dann ja doch noch die eine Message! Übersetzt in‘s Alltagsnarrativ lautet sie:
Das nikaraguanische Dorf und seine Bürger werden die Verantwortung für die kaputte Wasserleitung selbst übernehmen müssen. Besser gesagt, sie sind dazu in der Lage!
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Zitierte Literatur:
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Bildquellen: [1-5, 9-10, 12, 14] wiki_CC; [6] State_Government; [11] Quetzal-Redaktion_gc; [Abb.4-8] Eigene Darstellung (H.Z.)