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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Finding Fidel
Die Kubareisen von Erik dem Kriegsmann

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten
Rezension - Finding Fidel (250 Downloads )

Finding Fidel: Kriegsberichterstatter Erik Durschmied - Foto: SnapshotErik der Kriegsmann hat man ihn genannt, weil er das eben am besten kann – über Kriege berichten. Erik Durschmied, geboren 1930 in Wien und Anfang der 1950er Jahre nach Kanada ausgewandert, berichtete in den letzten 50 Jahren von fast jedem Krisen– und Kriegsschauplatz in der Welt; er war in Vietnam, Indonesien, Chile, im Irak. Ein Militär schätzte einmal ein, er hätte mehr Kriege gesehen als so mancher lebende General. Was nun wieder für den Zustand der Welt sprechen könnte.

Doch begonnen hat Durschmieds Ruhm als Kriegsberichterstatter im Jahre 1958. Damals wurde der junge Fernsehreporter, der bis dahin vor allem Unfälle u.ä. Spektakuläres filmte, nach Kuba geschickt, um dort von einer im Westen bis dato weitgehend unbekannten Gruppe von Guerilleros zu berichten. Die Reise trat er offensichtlich recht ahnungslos an, ohne allzuviel von den Bedingungen in Kuba zu wissen. Dass er trotzdem Kontakt zu den Rebellen bekam und sogar die Möglichkeit hatte, ins Lager von Fidel Castro zu gelangen, ist wirklich erstaunlich. Seine Schilderung der Kontaktaufnahme und seiner Odyssee ins Hauptquartier der Aufständischen lässt entweder auf deren Naivität und Sorglosigkeit schließen oder aber darauf, dass sie sich Ende 1958 ihres Sieges bereits so sicher waren, dass sie einen möglicherweise falschen Journalisten nicht fürchteten.

Erik Durschmied kommt das Verdienst zu, das erste Fernsehinterview für einen ausländischen Sender mit dem Rebellenführer Fidel Castro gemacht zu haben. Und dieses Interview war für beide der Beginn weltweiten Ruhms. Wobei Castro auch ohne dieses Interview bekannt geworden wäre, wohingegen nicht sicher ist, ob Erik Durschmied noch einmal eine solche, historisch einmalige Chance bekommen hätte. Und das ist diesem wohl auch bewusst. Dieses Interview machte ihn, der meint, Krieg sei nie eine Lösung, zum Kriegsberichterstatter, worüber er selbst nicht unbedingt glücklich war.

Finding Fidel: Kriegsberichterstatter Erik Durschmied mit Fidel Castro - Foto: SnapshotDas Interview mit Fidel Castro ist ein zeithistorisch einzigartiges Dokument. Der Reporter verweist in dem Film darauf, der charismatische Castro habe ihn manipuliert. Aber das ist wohl nur die halbe Wahrheit; die beiden Männer haben einander benutzt, darüber besteht kein Zweifel. Durschmied inszenierte ein Interview, wie man es in Kanada und den USA haben wollte – also englisch, und er lieferte entsprechende Bilder von den bewaffneten Revolutionären. Castro inszenierte das Ganze, weil er sich einen Propagandaeffekt erhoffte, er konnte die Ziele der Rebellen einem Publikum in der ganzen Welt vorstellen.

Beide hatten Erfolg mit ihrer Inszenierung. Und so kann man miterleben, wie Fidel Castro, obwohl des Englischen kaum mächtig, in eben dieser Sprache über die Ziele der Rebellen referiert. Ehrlicherweise sollte man sagen, er „radebrecht“. Die Antworten hatte er auswendig gelernt und regelrecht phonetisch einstudiert, das merkt man auch. Er lieferte dem Kanadier, was der erwartete, aber – das macht der Film deutlich – er behielt die Kontrolle über die Aufnahmen.

Durschmied bezeichnet den Máximo Líder dann auch als den ersten Lateinamerikaner, der wusste, wie wichtig die Medien für den eigenen Erfolg sind. Die Richtigkeit dieser Aussage sei dahingestellt, aber die kubanischen Rebellen wussten auf jeden Fall die Kommunikationsmittel ihrer Zeit zu nutzen. Das zeigen die historischen Aufnahmen, die westlichen Medien bildeten da nur eine Facette.

Finding Fidel: Kriegsberichterstatter Erik Durschmied mit seiner Kamera - Foto: SnapshotDer Film „Finding Fidel“ des Kanadiers Bay Weyman erzählt die Geschichte des Erik Durschmied und verbindet diese mit einer weiteren Reise seines Helden auf die Karibikinsel, 50 Jahre nach dem historischen Interview. Es wäre interessant gewesen, wenn diese zweite Kubareise einen engeren Bezug zur ersten gehabt hätte. Zu Beginn des Films erfährt der Zuschauer, die Crew hätte kein Journalistenvisum bekommen und sei deshalb gezwungen gewesen, mit einer kleinen Kamera heimlich zu drehen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Kubaner den Mann, durch dessen Aufnahmen die barbudos einst weltberühmt geworden sind, nicht noch einmal zu einem Dreh ins Land lassen. Aber selbst wenn, die Aufnahmen wirken häufig sichtlich inszeniert. Und als Durschmied im Camp in den Bergen, das heute ein Museum ist, seine einstmals zurückgelassene und nun dort ausgestellte Kamera auseinanderbaut, schreitet kein Kubaner ein, um das „Heiligtum“ zu schützen. Von heimlichen Filmaufnahmen kann bei diesen Szenen nicht die Rede sein.

Es bleibt unklar, welches Ziel der Film eigentlich hat. Wollte er nun die Geschichte der historischen Begegnung mit Fidel erzählen oder die Entwicklung Kubas nach der Revolution oder aber die Lebensgeschichte von Erik dem Kriegsmann? Irgendwie macht „Finding Fidel“ alles, und wirkt deshalb – verständlicherweise – recht unentschieden. Der Mühe, die Ideen des Rebellenführers von 1958 und das heutige Kuba in eine Beziehung zu setzen, den Entwicklungen auf den Grund zu gehen, was sich im Spannungsfeld der beiden Reisen angeboten hätte, unterzieht sich Bay Weyman nicht wirklich. Die Aufnahmen aus Kuba wirken oberflächlich, klischeehaft, und selbst Erik Durschmied scheint mitunter nur Staffage zu sein.

Der Film vermittelt den Eindruck, als sei der charismatische Fidel Castro irgendwann vom Himmel gefallen und hätte – voraussetzungslos – seine ihm ergebenen Leute zur Revolution geführt. Castro mag seinerzeit im Westen unbekannt gewesen sein, in Kuba war er es mitnichten. Die Sierra Maestra hat eine Vorgeschichte, aber darüber fällt im Film kein Wort. Ebensowenig über das, was danach passierte. Weyman scheint sich zudem am Gespenst des Marxismus abarbeiten zu müssen. Jedenfalls lässt er Durschmied immer wieder erzählen, dass Fidel Castro seinerzeit nie vom Marxismus sprach, keine Bücher von Marx und Lenin im Camp und außerdem auch keinerlei Verbindung zur linken Bewegung hatte. Und da der Film historische Fakten weitgehend ausspart, kann er die Widersprüche nicht erklären. Also wird eifrig spekuliert: Hat Castro bei seinem Interview in den Bergen an das geglaubt, was er sagte oder hat er vielleicht auch gelogen, als er von demokratischen Wahlen sprach und davon, dass er nicht die Absicht habe, Präsident zu werden?

Erik Durschmied kann man die Unentschlossenheit des Films am wenigsten anlasten. Er wirkt in der Dokumentation manchmal etwas verloren. So etwa, wenn der fast 80-Jährige im Museums-Rebellencamp einen Berg hochkraxeln muss, bis er kaum noch zu Atem kommt.

Was bleibt, ist die Begegnung mit Erik dem Kriegsmann, einem sympathischen Filmemacher, mit dem man beileibe nicht immer einer Meinung ist, aber von dessen interessanter Lebensgeschichte man gern mehr erfahren hätte.

Bildquelle: Snapshot

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