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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Amerika vor Kolumbus
Über Moche, Inka und Co.

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Die Interpretation der schriftlichen Quellen zusammen mit den archäologischen Befunden

verrät oft mehr über den Wissenschaftler als über die letzte Hochkultur Altperus.

Michael Zick

Das Geheimnis der tätowierten Mumie

Rezension -  Dame Cao - Foto: Jorge GobbiIm Jahr 2006 fanden Archäologen bei Ausgrabungen in der Pyramide von Cao Viejo auf der Grabungsstätte El Brujo im Norden Perus mehrere Gräber aus der Moche-Zeit. Nach dem spektakulären Fund des Herrschers von Sipán versprach diese Entdeckung ein weiterer Meilenstein in der Erforschung dieses untergegangenen Volkes zu werden. Der Fund scheint vor allem deshalb etwas Besonderes zu sein, weil das Hauptgrab in dieser Bestattungsanlage die Überreste einer Frau enthielt, einer bedeutenden Frau offensichtlich. Hatten die Moche auch Herrscherinnen? Muss die Geschichte des vorkolumbischen Peru umgeschrieben werden?

Der Autor der Dokumentation „Das Geheimnis der tätowierten Mumie“ bejaht diese Fragen uneingeschränkt. Schon Francisco Wiese, Direktor der Fundación Wiese, die die Grabungen finanzierte, meinte seinerzeit vorausschauend, dass bei den Arbeiten in Cao Viejo ein für die gesamte Archäologie Perus wichtiger Fund gemacht werden würde. Mit der Bedeutung des Fundes sollte Wiese Recht behalten, auch wenn er nicht ahnen konnte, was tatsächlich gefunden wurde. Der mit Zinnober eingeriebene, tätowierte Leichnam einer jungen Frau ist die erste Mumie, die in einem Moche-Grab gefunden wurde. Da das Grabbündel keinen Witterungseinflüssen ausgesetzt war, ist es erstaunlich gut erhalten. Anders als im Fall der Gräber von Sipán, wo man lediglich die reichen Grabbeigaben fand, ist es hier auch möglich, die sterblichen Überreste der Bestatteten zu untersuchen. Aufgrund ihrer Tätowierungen und der aufwendigen Bestattung mit kostbaren Beigaben schließt man nun darauf, dass es sich um eine Herrscherin handeln müsse. Zudem gebe es auch Hinweise, dass die Frau eine Priesterin gewesen sein könnte. Sicher weiß man aber vorerst nur, dass sie um die 20 war und offensichtlich im Kindbett starb.

Der Film von José Manuel Novoa bietet Informationen über die Moche, ihre Landwirtschaft, ihre Bestattungsriten, ihre Keramik, wenn auch zum Teil recht oberflächlich. Und selbst über El Niño werden die Zuschauer informiert, schließlich konnten auch die Unbilden dieses Wetterphänomens der Mumie nichts anhaben. Aber leider gibt es auch reichlich Spekulation über die unbekannte Dame, angereichert mit Spielszenen und dramatischer Musik à la Hollywood. Die Mochica hatten keine Schrift, alle Informationen über dieses Volk beruhen im Wesentlichen auf der Interpretation der Funde. Und deshalb gibt es im Film sehr viel „wahrscheinlich, vermutlich“ usw., allerdings verkauft als unumstößliche Wahrheit. War die Señora von Cao eine Herrscherin, eine Wahrsagerin und Heilerin? Oder war sie die Lieblingsfrau eines Herrschers, seine Lieblingstochter? Beantwortet werden die Fragen in der Dokumentation nicht. Vielmehr steht die Antwort von Anfang an fest, auch wenn man diese nicht belegen kann: Es handelt sich um eine Herrscherin und Wahrsagerin. Basta.

Machu Picchu. Neues aus der Inka-Stadt

Rezension - Pachacutec - Foto: Public Domain„In jedem Winkel weht ein Hauch von Mysteriösem.“ Nach einem solchen Beginn pflegt das Interesse bei mir schnell abzuflauen. Gut, man weiß immer noch nicht so recht, was Machu Picchu einmal war, welchem Zweck diese Stadt in den Bergen diente und warum sie verlassen wurde. Das lässt viel Raum für Spekulationen. Hiram Bingham vermutete dort Vilcabamba, die sagenhafte letzte Zufluchtstätte des Inkaherrschers. Aber Bingham hatte sich ja nicht nur in dieser Frage geirrt. Lange glaubte man auch, die Stadt sei der Rückzugsort für die Sonnenjungfrauen gewesen. An dieser Auffassung dürfte ebenfalls Bingham nicht ganz unschuldig gewesen sein, schließlich hatte er fälschlicherweise behauptet, die in Machu Picchu gefundenen Skelette seien hauptsächlich solche von Frauen gewesen. Oder war die Stadt ein Zentrum der Astronomie? Alfrego Valencia Zegarra, Archäologe in der Inkastadt, beschreibt diese als ein Provinzzentrum. Das ist eine sehr unaufgeregte und deswegen höchst sympathische Interpretation.

Aber vielleicht war Machu Picchu ja das Sankt Moritz der Inkaherrscher. Das wird jedenfalls in dieser Dokumentation kolportiert. Inca Pachacuti, so vermutet man allgemein, ließ die Stadt erbauen. Und wie Filmemacher Peter Spry-Leverton weiß (vermutlich von Pachacuti persönlich) war sie der ganze Stolz des Herrschers. Deshalb erzählt er uns auch, dass und wie der Inka in den Bergen Urlaub machte und die Bewohner, quasi die Angestellten des Feriendorfs, ihn freudig erwarteten. Nun gut, man erfährt auch noch einiges über die Architektur im Inkareich, die Konstruktion von Machu Picchu und die religiösen Riten der Inka. Das ist alles sehr interessant, jedoch wahrlich nicht neu. Und die Geschichte mit dem Ferienort des Inka in Machu Picchu ist ja ganz reizvoll, aber halt auch nicht mehr. Auf jeden Fall ist sie nicht besonders überzeugend.

Amerika vor Kolumbus

Gelesen - Spektrum, Amerika vor KolumbusDieses Ausgabe von „Spektrum der Wissenschaft Spezial“ ist zwar kein Film, aber sie passt thematisch sehr gut zu den beiden Dokumentationen. Das Sonderheft über Azteken, Inka, Maya – die Hochkulturen der „Neuen Welt“ liefert neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das vorkolumbische Amerika, was nach den von keinerlei Zweifel getrübten Spekulationen in den Dokumentationen sehr wohltuend ist. Nein, nein – es ist wirklich nicht so, dass in den Beiträgen des Sonderheftes nicht spekuliert und vermutet wird. Aber die Autoren geben das zu, sie tun nicht so, als hätten sie der Weisheit letzten Schluss gefunden.

Michael J. Heckenberger (Tropenwälder – eine alte Kulturlandschaft?) vermutet im Amazonasurwald die Überreste großer Siedlungen, Heiko Prümers (Ich bin da eher skeptisch) kann dieser Interpretation allerdings nicht folgen. Nikolai Grube und Hanns J. Prem (Forschung auf dem Prüfstand) bezweifeln, dass eine Dürreperiode eine hinreichende Erklärung für den Untergang der Mayakultur ist. Die Untersuchungen von Larry C. Peterson und Gerald H. Haug (150 Jahre Trockenheit) legen einen solchen Schluss aber nahe, auch wenn die Autoren zurückhaltend argumentieren. Ähnliche Ergebnisse liefern Markus Reindel und Bernhard Eitel (Kultur als Überlebensstrategie) für den Andenraum. Es bleibt also spannend.

Weiterhin gibt es u.a. neue Informationen über die Besiedlung des Doppelkontinents (Die ersten Amerikaner), die Entwicklungen hin zu einem Schriftsystem (In vielen Schritten zur Schrift) und – dazu passend – „Die Quipus der Inka“ sowie über das Verschwinden der Anasazi (Exodus am Computer). Ein Interview mit dem französischen Historiker Gilles Harvard beschäftigt sich mit der Geschichte der nordamerikanischen Indianer (Mehr als nur Büffel und Nomaden).

Dem Titel des Beitrags von Grube/ Prem gemäß wird hier ganz offensichtlich diskutiert und nicht postuliert, obwohl Archäologen sich auch ganz gut bekriegen können und dabei nicht gerade zimperlich miteinander umgehen. Archäologie ist eben immer auch ein Stück Interpretation, und ein „neutrales Bild scheint nicht möglich“ (Michael Zick, Aufbruch ins Goldland).

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Das Geheimnis der tätowierten Mumie (D 2012); arte 5. Mai 2013

Machu Picchu. Neues aus der Inka-Stadt (USA 2009); arte 5. Mai 2013

Spektrum der Wissenschaft Spezial 1/ 2013: Amerika vor Kolumbus. Heidelberg 2013

Bildquellen: [1] Jorge Gobbi, [2] und [3] Public Domain.

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