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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Mythische Geschichten aus Lateinamerika

Charlene Plänitz | | Artikel drucken
Lesedauer: 3 Minuten

rezensionen_mythische_geschichten_aus_lateinamerikaMythen und Legenden sind so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst. Viele von ihnen hat die Zeit verschlungen, und sie sind für immer verloren gegangen. Jene aber, die uns erhalten geblieben sind, besitzen einen unschätzbaren Wert, denn sie erinnern an schicksalhafte Ereignisse. Sie erzählen von Göttern, guten und bösen Geistern, machen Naturerscheinungen und Übernatürliches begreiflich und erklären den Ursprung der Dinge und des Seins. Folglich spiegeln sie ein Spektrum an Wissen vergangener Kulturen wider, welches häufig als Glaubensgerüst für Weltbild und Religion dient.

Mythen sind in der Regel mit der Lebenswelt jener Menschen verknüpft, die sie weitergeben, und so verwundert es kaum, dass der in Bolivien geborene Journalist Osvaldo Calle Quiñonez, eine kleine Sammlung von Mythen aus Lateinamerika in seinem Buch „Cuentos míticos latinoamericanos – Mythische Geschichten aus Lateinamerika“ zusammenträgt und diese neu erzählt.

Die Mehrzahl der Geschichten in dem Band stammt aus den Ländern Südamerikas und repräsentiert die Mythen von unterschiedlichen Kulturen. Einige der Erzählungen verarbeiten die Kolonialisierung und erinnern u. a. an das Leid, das die spanische Eroberung über das Land und die Menschen brachte, wie zum Beispiel Die Legende von der Kokapflanze:

El legado de los dioses puede ser bueno para unos y
malo para otros, según el uso que los seres humanos
le den a esos dones. Ese es el caso de la hoja de coca,
una planta que para los pueblos de la América morena
es un regalo de dios, pero que para otros se ha conver-
tido en un objeto de ambición y degeneración.

Das Vermächtnis der Götter kann den einen nützen und
den anderen schaden, je nachdem, wie die Menschen dieses
Erbe gebrauchen. So ist es im Fall der Kokapflanze,
die für die Völker des dunkelhäutigen Amerikas ein Ge-
schenk Gottes bedeutet, für andere jedoch einen Gegen-
stand der Gier und des sittlichen Verderbens darstellt.

Die ausgewählten Geschichten (insgesamt elf) wissen den Leser durchaus zu unterhalten und vermitteln einen ersten Einblick in die komplexe Mythenwelt Lateinamerikas. Die vollständige Seele des Landes lässt sich mit der geringen Auswahl wohl kaum erfassen und ist auch nicht Anspruch des Buches, sondern bietet dem Leser vielmehr einen leichten Einstieg in die Geschichten und Erkenntnisse vergangener großer Zivilisationen.

Die mythischen Geschichten aus Lateinamerika erschienen in der dtv-Reihe „zweisprachig“, als Texte für Einsteiger. Sie bieten eine reizvolle Möglichkeit, sich der spanischen Sprache anzunähern bzw. bereits erworbene Sprachkenntnisse zu vertiefen. Zumal Osvaldo Calle Quiñonez die Geschichten behutsam modernisiert hat, sodass sie auch sehr gut lesbar sind – in beiden Sprachen. Zusätzlich verfügt das Buch über ein Glossar und Quellenangaben, was in einer gängigen Märchensammlung üblicherweise fehlt.

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Osvaldo Calle Quiñonez:

Cuentos míticos latinoamericanos –

Mythische Geschichten aus Lateinamerika
Deutscher Taschenbuch Verlag 2014
ISBN 978-3423095235

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