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Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied: Reise nach Brasilien in den Jahren 1815-1817

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 6 Minuten

Die Reise nach Brasilien
Die Forschungsreise des Prinzen zu Wied-Neuwied

Prinz zu Wied-Neuwied: Reise nach Brasilien, TitelWas hat ein Reisender nach Brasilien zu beachten? Wo kann er Maultiere und ihre Treiber (Tropeiros) für die beschwerliche Reise über Land und durch den Dschungel mieten? Und wie viele braucht er eigentlich für eine längere Reise? In welchen Orten sollte er sich mit den Kisten versorgen, ohne die der Transport seiner „Reisemitbringsel“ nicht zu bewerkstelligen ist? Ja, und was ist zu beachten, damit die Schätze in den Kisten in dem heißen und feuchten Klima keinen Schaden nehmen? Die Reisetipps von Maximilian Alexander Philippe Graf zu Wied-Neuwied wenden sich eben diesen praktischen Dingen zu, um so manchem, der nach ihm das Riesenland Brasilien bereist, Ärger und Verluste zu ersparen. Weshalb er auch ausdrücklich darauf verweist, dass es besser sei, die Ladung für die Rückreise auf mehrere Schiffe zu verteilen. So geht im Fall des Untergangs eines Schiffs nicht alles verloren. Zu des Prinzen Zeiten konnte man schließlich eine solche Reise nicht einfach im kommenden Jahr wiederholen. Die Reisen waren teuer – auch für Grafen – und dauerten ihre Zeit. Allein 72 Tage brauchte der wissbegierige Blaublüter für die Überquerung des Atlantiks.

Zwei Jahre lang durchreiste er Brasilien. Seine umfangreichen Beobachtungen erschienen 1820/21 erstmals als Buch und wurden im Laufe der Jahre weitgehend vergessen. Dabei kann der Prinz zu Neuwied-Wied als einer der bedeutendsten Naturforscher und Völkerkundler des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden, und der ehrende Beiname „Humboldt des Rheinlands“, den man ihm einst gab, ist wahrlich nicht übertrieben.

Wied zu Neuwied trat seine Reise an, um botanische und zoologische Forschungen zu betreiben. Er sammelte, ordnete, präparierte, zeichnete zahlreiche Tiere und Pflanzen. Allerdings wirken seine Zeichnungen ein wenig wie die künstlerischen Versuche eines nicht übermäßig begabten Schulkindes, wie die Darstellung des Geistlichen des Örtchens Mucuri unschwer erkennen lässt.

Villa de S. José do Port’Allegre, gewöhnlich de Mucuri genannt, ist am nördlichen Ufer des Flusses unweit seiner Mündung erbaut. (…) Der Geistliche des Orts, Herr Padre Vigario Mendes, ist der einzige Bewohner dieser Gegend, der eine etwas bedeutende Fazenda besitzt; er hat daselbst einiges Rindvieh, das ihn mit Milch versieht, eine wahre Seltenheit an dieser Küste! Herr Mendes, dem wir durch den Minister Conde da Barca besonders empfohlen waren, empfieng uns sehr zuvorkommend. (S. 178) Prinz zu Wied-Neuwied: Reise nach Brasilien, geistlicher

Doch er war ein sehr genauer Beobachter mit einem Blick für Details. Seine Zeichnungen und detaillierten Beschreibungen ermöglichten es den von ihm beauftragten Malern dann, sehr genaue Darstellungen der gesammelten Tiere und Pflanzen anzufertigen. Doch ebenso wie die Fauna und Flora Brasiliens interessierten ihn die dort lebenden Menschen. Im Laufe der Reise wuchs sein Interesse an den „Wilden“, sodass er seine zoologischen und botanischen Forschungen noch durch solche der Ethnologie erweiterte. Und auch hier erwies er sich als aufmerksamer und genauer Beobachter. Er beschrieb das Aussehen der verschiedenen indigenen Gruppen, denen er auf seiner Reise durch den Osten Brasiliens begegnete, ihre Jagdgewohnheiten, ihre Nahrung. Viele dieser kleinen herumstreifenden Gruppen sind heute verschwunden. Der Forscher konstatierte schon damals, dass die „Indier“ immer weiter in die Wälder zurückgedrängt werden.

Prinz zu Wied-Neuwied: Reise nach Brasilien, Schädel Ein zweytes Anliegen, welches mich hier noch einen Tag zu verweilen bewogen hatte, war die Hoffnung, eines Botocuden-Schädels habhaft zu werden. Am Quartel dos Arcos war ich an der zu diesem Zweck beschlossenen Ausgrabung eines Leichnams gehindert worden; hier war ich glücklicher. In geringer Entfernung von den Gebäuden hatte man in dem dichten Urwalde unter rankenden schön blühenden Gewächsen, einen jungen Botocuden von 20 bis 30 Jahren begraben, der einer der unruhigsten Krieger dieses Stammes gewesen war. Wir begaben uns, mit Hacken versehen, zu dem Grabe, und befreyten den merkwürdigen Schädel aus seiner Gefangenschaft. (S. 136)

Maximilian zu Wied-Neuwied betrieb Sprachstudien, auch wenn er selbst betont, dass er Sprachforschungen nur in ihren Anfängen betreiben könne. Besonderes Interesse zeigte er für die Botocudos, die sich selbst Kenak nennen. Die Botocudos traf er auf verschiedenen Etappen seiner Reise, er lebte bei ihnen und holte zu guter Letzt einen ihrer Vertreter nach Deutschland. Hierbei wie auch bei einer Grabschändung, begangen, um an einen Schädel zu kommen, zeigte Wied-Neuwied sich als ein Kind seiner Zeit. Aber er beklagte auch die nicht selten höchst fantasievollen und falschen Schilderungen vom Leben der Botocudos. Und er prangert den Umgang mit den Indigenen an, der offensichtlich auf die Vernichtung der Ureinwohner zielte. Nur zu wahr ist es, was der Verfasser von den Greuelthaten erzählt, die man gegen die hülflosen Indier ausübte; denn kein Mittel blieb unversucht ihnen zu schaden. Einzelne Unmenschen haben selbst den Versuch gemacht, durch Kleidungsstücke, die mit Blattermaterie bestrichen waren, diese schreckliche Krankheit unter ihnen zu verbreiten, und sie dadurch auszurotten (S. 326).

Wenn eine Horde von Botocuden im Walde angezogen kommt, und sich niederlassen will, so zünden die Weiber, nach der Weise der meisten rohen Völker, sogleich Feuer an. Sie nehmen nämlich ein länglichtes Stück Holz mit einigen kleinen Vertiefungen, in welche ein anderer Stock senkrecht gestellt wird (…) Die Wirkung dieses Feuerzeuges von den Botocuden Nom-Nan genannt, (…) ist sicher, kostet aber viel Zeit und Anstrengung … (S. 299) Prinz zu Wied-Neuwied: Reise nach Brasilien, botocudos

 

Die Andere Bibliothek, die sich schon seit langem mit bibliophilen Ausgaben vergessener Bücherschätze einen Namen macht, hat „Die Reise nach Brasilien“ von Maximilian Graf zu Wied-Neuwied neu aufgelegt und die Aufzeichnungen des Forschers wieder einem breiten Publikum zugänglich gemacht sowie durch ein informatives Nachwort von Matthias Glaubrecht ergänzt.

Was das Buch neben der schönen Aufmachung auszeichnet ist die Tatsache, dass diese 200 Jahre alten Aufzeichnungen nicht nur interessant, sondern auch gut lesbar sind. Auch wenn der Prinz nicht gerade ein großer Zeichner war, ein guter Schriftsteller war er auf jeden Fall.

Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied: Reise nach Brasilien in den Jahren 1815-1817.

Die Andere Bibliothek. Berlin 2015.

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