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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Kommt ein Vogel geflogen

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Lesedauer: 8 Minuten

Wir gestehen es gleich am Anfang: Wir haben ein Problem. Die wechselnden Quetzal-Mannschaften haben zwar mehr oder weniger (un)regelmäßig eine Zeitschrift herausgegeben, sie haben jedoch nie ein Brigadetagebuch geführt. Oder eine Chronik, wie immer man das nennen mag. Womit wir vor der alles entscheidenden Frage stehen: Wann fing das eigentlich an?

In Grethen, in dieser Jugendherberge bei Grimma/ Sachsen? Oder schon einige Wochen vorher, als die ersten konkreten Pläne, auch für Grethen, geschmiedet wurden? Oder gar schon im Jahre 1991…

Wir haben nun nicht scheindemokratisch abgestimmt, wann die Geburtsstunde des Quetzal anzusetzen ist; was hätte das auch gebracht. Letztlich haben wir uns zusammen gesetzt und in Erinnerungen geschwelgt. Und so ist die Geschichte unseres Vogels ein Sammelsurium von sehr unterschiedlichen Erinnerungen und harten Fakten. Ja, ja – auch bei uns gibt es harte Fakten. Ganz so alternativ sind wir denn doch nicht; es gibt schon noch alte Pläne, Protokolle, Anträge, selbst Terminkalender. Alles in allem ist eins sicher: Im März 1993 kam das erste Heft des Quetzal. Magazin für Politik und Kultur in Lateinamerika unter die Leute. Damit kennen wir Geburtsmonat und Geburtsjahr unseres Vogels. Der Quetzal ist 10, sprich: zehn. Das ist noch kein besonderes Alter, möchte man meinen. Kennt man aber das Leben von deutschen Druckerzeugnissen, die nicht dem Mainstream verpflichtet sind, und vor allem, kennt man das des Quetzal, dann -ja dann ist das schon eine beachtliche Leistung.

Fangen wir am besten von vorne an…

Es war einmal…1991. Eigentlich waren das noch Wendezeiten, die Einheit war vollzogen, aber alles noch irgendwie im Fluss, in Bewegung. Nicht mehr so wie 1989/90, aber an die heutige bleierne Zeit war noch nicht zu denken. 1991 also taten sich ein paar Lateinamerikabegeisterte zusammen, um auf ihre Weise an den 500. Jahrestag der „Entdeckung“ Amerikas 1492 zu erinnern; die sogenannte 500-Jahre-Gruppe bildete sich. Die Gruppe bestand quasi aus Interessenten und Betroffenen – Deutschen und Lateinamerikanern, alle mehr oder weniger um das Dritte-Welt-Zentrum Leipzig e.V. (selig) gruppiert. Mit Veranstaltungen wollte man zeigen, was Kolumbus‘ Entdeckung tatsächlich bedeutete. Seinerzeit war es – zumal im Osten – noch relativ einfach, Fördergelder für derartige Vorhaben zu erschließen. Unter den Mitgliedern der Gruppe entstand sehr schnell der Gedanke, dass „500 Jahre Entdeckung Amerikas“ nicht alles gewesen sein kann. Irgendwer kam irgendwann auf die Idee, eine Lateinamerika-Zeitschrift herauszubringen.

Diese Idee musste wachsen, und als sie groß genug war, machte man sich an ihre Verwirklichung. Früher hätten wir gesagt: Die Quantität schlug in eine neue Qualität um. Aber diese Zeiten sind ja erst einmal vorbei. Weitere Interessierte wurden geworben; Studenten und Wissenschaftler haben ja genug Bekannte mit Veröffentlichungsdrang. Da hatten wir aber schon 1992. Nach ersten Treffen in Leipzig (in Eikes Wohnung) wurde es ernst und die neugegründete Redaktion ging zwei Nächte und zwei Tage in Klausur – nach Grethen. Die Nächte bestanden vorwiegend aus Wein, diversen Würfelspielen und ein wenig Schlaf. Die Tage waren der intensiven Arbeit vorbehalten.

Zurückblickend ist die Frage zu stellen, ob die Redaktion jemals wieder so intensiv und kreativ gearbeitet hat. Na ja, vielleicht noch in den jeweiligen Endphasen vor Herausgabe eines neuen Heftes, wenn man komischerweise immer gleichzeitig mit der Tücke der Zeitschrift und der Technik kämpfen muss. Computer nebst Zubehör machen ja bekanntlich erst dann Probleme, wenn man sie dringend braucht. Aber ich schweife ab …

Was gibt es eigentlich Wichtiges über eine Zeitschrift zu sagen? Eigentlich nicht so viel. Da wären der Inhalt, das Aussehen, die Mitarbeiter/innen, die Autor/innen, die Finanzierung. Wobei Letzteres sich häufig zum bestimmenden Problem auswächst; aber wir wollen nicht gleich mit dem Geld anfangen.

Zunächst also zum Inhalt:

In Grethen entstand das Gesicht der Zeitschrift, das sich bis heute immer wieder verändert hat, aber nach wie vor unschwer zu erkennen ist. Hauptziel von Anfang an, und das war ein Ergebnis der 500-Jahre-Gruppe, Quetzal sollte keine „Solidaritäts“zeitschrift werden. Davon gab es im Lande schon genug. Den Initiatoren schwebte ein Magazin vor, das quasi publizistische Informationen über die Region liefert – und zwar in des Lebens ganzer Breite. Meinungsvielfalt war von Anfang an ausdrücklich erwünscht. Eine scharfe Grenze wurde und wird allerdings bei Rechtsextremismus und Kriegsverherrlichung gezogen.

Jedes Heft hat ein Schwerpunktthema, und zwar von Anfang an. Wobei es hier thematisch keine Grenzen gibt, außer denen Lateinamerikas vielleicht. Daneben gibt es eine offene Rubrik, die sich (gewissermaßen schwerpunktmäßig) dem Thema Kultur widmet, mit Essays, Interviews, Lyrik etc. Ab Heft Nr. 2 trägt diese Rubrik den Namen Lebensart. Keine Ahnung, wie der Name entstanden ist, aber er passt eigentlich recht gut für dieses Sammelsurium aller Genres. Am Anfang wurde in der Redaktion noch viel herumexperimentiert, aber ab Heft 4 hatten sich die wichtigsten Rubriken relativ fest etabliert. Rezensionen, Nachrichten (noticias), dialogando, Dokumente, Informationen über Projekte und Initiativen gibt es bis heute, letztere allerdings höchst unregelmäßig. Den Platz für die Leserbriefe haben wir ganz schnell eingespart, weil er nicht benötigt wurde. Auch der Versuch autochthonen Bildschaffens verschwand schnell wieder aus der Zeitschrift, ebenso schnell wie der Karikaturist aus der Redaktion verschwand. Dem war Enthusiasmus wohl doch nicht genug. Oder war es unser gelegentliches Pochen auf Liefertermine?

Damit wären wir schon bei zwei weiteren wichtigen Punkten, dem Aussehen und den Autoren. Wie der Quetzal aussehen soll war relativ schnell klar – grün. Wie Pharomachus mocino, jener legendenumwobene Vogel aus Mittelamerika mit den wunderschönen langen Schwanzfedern.

Das Grün der Zeitschrift hat sich mehrmals verändert, nach einem Wechsel der Druckerei ebenso wie nach einem solchen des Druckverfahrens. Den Vogel, der seit Nummer l jedes Titelbild ziert, entwarf übrigens die Dresdner Grafikerin Karla Weckesser. Sie schuf einige Variationen des Vögelchens anhand der von uns gelieferten zahlreichen Abbildungen und wir entschieden uns schließlich für die wehrhafte Quetzal-Dame mit den kurzen Schwanzfedern. Zur allgemeinen Erinnerung: Diesen wunderschönen langen Schwanz haben nur die Herren …

Das Layout wird sich wohl weiterhin verändern. Layouter tun das ja auch. Unsere waren bzw. sind genaugenommen Autodidakten, Anhänger der „learning-by-doing-Methode“. Der Weggang von Eike, dem ersten Layouter, (ihn zog es vorübergehend gen Westen) löste dann auch die erste wirklich große Quetzal-Krise aus. Es gab derer noch mehrere, aber die Sache mit dem Layout war wirklich gravierend, weil ein Ersatz so schnell nicht gefunden werden konnte. Die Folge war eine lange Pause zwischen den Heften 16 und 17, die durch ein Provisorium gelöst wurde: Da sich kein neuer Layouter fand, musste jemand aus der Redaktion diese Aufgabe übernehmen. So einfach geht das bei uns. Quetzal-Mitarbeiter/innen müssen flexibel sein. Lesen, schreiben, übersetzen -das sollte jeder am besten bestens beherrschen. Und über viel Enthusiasmus verfügen.

Im Laufe der Jahre ist so mancher durch unsere Redaktion hindurch gegangen, der eine oder andere auch ohne Spuren zu hinterlassen. Die meisten von ihnen haben den Quetzal aber mitgeprägt und sollen deshalb auch hier gewürdigt werden. Unser Dank gilt allen Ehemaligen: Rene C., Victor C., Alexander M., Ismael M., Eike O., Daniela T., Patrice C., Henry K., Anke P, Gabi P, Anka Sch., Sonja R., Dirk A., Doritt H., Silvana K., Ilona M., Daniela V, Maren R., Grit J., Liane J., Jan M., Martina S., Tania A., Antonio M., Elena del P.

Redaktionsmitglieder sind in der Regel auch Autor/ innen. Aber die Liste der Veröffentlichten ist natürlich breiter und reicht von Wissenschaftlern (Kossok, Zeuske, Elsenhans, Müller-Plantenberg u.v.a.) bis zu Künstlern und Publizisten. Der Salvadoraner Roberto Romero hat vermutlich die Mehrzahl seiner Veröffentlichungen in Deutschland dem Quetzal zu verdanken. Bei uns konnte man William Ospina lesen, Jorge Sanjines und Roberto Sosa, in Lateinamerika bekannte Namen. Aber auch Raul Puma und Alfonso Jaramillo. Wir geben jungen Künstlern Raum.

Wie wohl jede Zeitschrift kennen wir das Problem, dass versprochene Beiträge nicht rechtzeitig, gar nicht oder – das passiert auch – in nicht veröffentlichbarer Form geliefert werden. Der Unterschied zu anderen Druckerzeugnissen besteht dabei vor allem darin, dass wir nicht einmal mit der Einbehaltung des Honorars drohen können. Wir können eh keins zahlen. Wer für den Quetzal schreibt, muss entweder ein guter Mensch oder großzügig, oder aber auch beides sein. Oder ein Selbstausbeutung praktizierendes Redaktionsmitglied.

Das immer wieder scheinbar Wichtigste zum Schluss: die Finanzen. Die fehlen ja meist mehr oder weniger. Dem Quetzal hatten verschiedene Organisationen und Einrichtungen zeitweise finanziell unter die Arme gegriffen. Ganz am Anfang war das die Heinrich-Böll-Stiftung. Weiterhin wären da noch zu nennen: der StuRa der Universität Leipzig, die Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung, der Solidaritätsfonds der Grünen, die Stiftung Nord-Süd-Brücken. Jemanden vergessen? Die Stadt Leipzig natürlich auch, die Veranstaltungen des Quetzal fördert. Jetzt scheint es mit der Förderung vorbei zu sein. Die Kassen werden leerer und die Decke kürzer. Und vermutlich haben wir einfach versäumt, in den richtigen Gremien zu sitzen. Na ja, jedenfalls suchen wir mal wieder nach Geldgebern. Kennt jemand vielleicht eine ganz sichere Quelle, hat einen todsicheren Plan? Wir sind für jeden legalen Tip dankbar.

Was gibt es noch zu berichten, in aller Kürze?

  • Unser Theater-Heft war ein wahrer Bestseller und sehr schnell ausverkauft.
  • 1999 führte der Quetzal eine neue Zeitrechnung ein, um wieder in einen normalen Erscheinungsrhythmus zu kommen. Wenigstens haben wir’s versucht.
  • www.quetzal-leipzig.de; Da sind wir wirklich Stolz drauf. Danke Torsten.
  • Seit 2001 gibt es einen Quetzal-Verein, der sich um die Veranstaltungen zu Politik und Kultur in Lateinamerika kümmert.
  • Und, und, und …

Gabi T., mit Unterstützung von Peter G., Nora P. und Anibal R.

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