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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Ein langsames Gift

Gabriele Töpferwein | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Er ist ein Gift, aber ein sehr langsames. Ich trinke es schon 70 Jahre.
Voltaire

Er ist ein echter Migrant. Geboren irgendwann, irgendwo in Afrika. So meint man zu wissen. Inzwischen hat sich eingebürgert, seinen Geburtsort mit Äthiopien anzugeben, ganz genau weiß das nach so langer Zeit jedoch niemand mehr. Leider braucht aber heutzutage ein jeder ordentliche Papiere: Also – geboren in Abessinien. Sein Auftritt in der Weltgeschichte, zumindest in der von uns registrierten, begann im 16. Jahrhundert, und damit setzen auch seine Wanderungen rund um den Erdball ein; er ist wahrlich ein echter Globetrotter. Irgendwann im 17. Jahrhundert kam er dann auch nach Amerika; und obwohl er nicht ganz freiwillig kam, so gehört er doch zu den ältesten Einwanderern und hat damit alle Rechte, inzwischen als Einheimischer bezeichnet zu werden.

Die Rede ist von Coffea aus der Familie Ritbiaceae. Über achtzig Arten soll es geben, wovon nur drei wirklich von Bedeutung sind. Hierzulande genießt man bevorzugt eine – Coffea arabica. Die kommt übrigens mitnichten aus Arabien, sondern meist aus Amerika und schmeckt uns einfach am besten. Im Süden liebt man dagegen Coffea canephora. Andere Länder, andere Sitten. Nebenbei bemerkt: In der Familie Rubiaceae scheint man sich allgemein sehr gern dem Genuß zu widmen, denn Coffea ist verwandt mit dem Waldmeister. Aber, was soll uns Waldmeister, wenn wir Kaffee haben …

Kaffee, cafe, coffee, Kixpe – man kennt ihn wohl überall; und man trinkt ihn (fast) überall. Nach Erdöl – so heißt es – ist der Kaffee das wichtigste Handelsprodukt der Welt. Und dabei ist Kaffee nun wirklich kein Nahrungsmittel in dem Sinne, aber lebenswichtig scheint er auf seine Art auf jeden Fall zu sein. Das hatten schon die Araber erkannt, lange bevor die Europäer das edle Getränk für sich entdeckten. Zunächst nutzte man ihn vor allem in der Medizin, seine anregende Wirkung war bereits bekannt. Erst später wurde er quasi zum Volksgetränk, zunächst in Arabien, dann in der Türkei und schließlich auch in Europa. Dort kam er um 1600 an und sehr schnell in Mode. Kaffeehäuserschossen gewissermaßen wie Pilze aus dem Boden: Das erste gab es in Venedig (bereits 1645), solche in England, Frankreich, Holland folgten. Des ersten deutschen Kaffeehauses kann sich Hamburg rühmen, wo 1679 ein derartiges Etablissement eingerichtet wurde. Aber Leipzig folgte 1694 auf dem Fuße (Berlin kam dreißig Jahre zu spät). Der Ruf als Kaffeesachsen ist also ehrlich verdient.

Das aufstrebende Bürgertum entdeckte das orientalische Getränk schnell für sich, galt es doch als nüchtern und – ganz im Gegensatz zu Wein und Bier – die Arbeitsleistung fördernd. Darüber hinaus konnte man den Kaffee in jener Zeit geradezu als revolutionär bezeichnen. Das Volk traf sich nämlich sehr bald in den Kaffeehäusern und führte gar aufrührerische Reden. Die Obrigkeit sorgte sich daher auch über die Schädlichkeit des Kaffeetrinkens, d.h. über das unbotmäßige Debattieren in den Kaffeehäusern. In Deutschland war das selbstverständlich alles eine Nummer kleiner, hier wurde wohl auch das Kaffeekränzchen erfunden. Zwar debattierte Robert Schumann im Leipziger Kaffeehaus Zum Coffebaum noch eifrig über die Revolution, aber es folgte dann 1848 doch nur eine halbe Sache. Deutsche Revolutionen finden sowieso nicht im Kaffeehaus statt, sondern im Saale. Wie schon Tucholsky bemerkte.

Und überhaupt – Deutschland und der Kaffee. Da es den Deutschen an Kolonien mangelte, mußte der Kaffee für teueres Geld importiert werden. Weshalb er flugs zum undeutschen Getränk erklärt wurde. Ein guter Deutscher trank Zichorie, das Geld für Bohnenkaffee hatte er oft genug sowieso nicht. Ging es ihm nicht ganz so schlecht, dann wurde gemischt. Diese Sitte des Mischens mit Kaffee-Ersatz war lange üblich und kam vor nicht allzu langer Zeit noch einmal zu Ehren, abermals der Devisen wegen. Aber vermutlich fehlte es Erich H. am nötigen Charisma: Der Kaffee-Mix fiel beim ostdeutschen Volk kläglich durch und verschwand sehr schnell wieder von der Bildfläche.

Aber zurück nach Amerika. Ein Portugiese brachte die Kaffeepflanze 1727 heimlich nach Brasilien, er hatte die Setzlinge gestohlen. Der Diebstahl lohnte sich: Zwei Drittel der Kaffeeproduktion der Welt stammen aus Amerika. Brasilien und Kolumbien sind die größten Produzenten. Als Konsumenten rangieren sie aber unter „ferner liefen“. Kaffee ist in den Erzeugerländern teuer und außerdem gehen alle Produkte hoher Qualität in den Export. Was im Lande bleibt, schmeckt häufig entsprechend. In Kolumbien, woher ca. zwei Fünftel des deutschen Kaffees kommen, ist mir wirklich nie ein wohlschmeckender Kaffee serviert worden. So gesehen kann einem das Lieblingsgetränk der Deutschen schon bitter aufstoßen.

Bleibt noch eine Frage: Ist Kaffee nun schädlich oder nicht? Nach neueren Meldungen eher nicht. Aber die Meinungen änderten sich wie die Zeiten. Ist nicht das Leben als solches auch nicht gerade gesund? Ich gönne mir jetzt jedenfalls einen cafecito, aus Chiapas, fair gehandelt. Der bezeichnenderweise Lächeln heißt.

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