Der Machismus – eine Kultur und Verhaltensweise, die auf der Unterdrückung der Frau und den Überlegenheitgefühlen des Mannes basiert – wurde dazu benutzt, die natürliche Liebe zwischen den Menschen unter die Vorherrschaft des Mannes zu stellen. Aus dem lateinischen Wort masculus, männlich, entwickelte sich das Wort macho, stark. Oft dient der Begriff zur Beschreibung ausgeprägter Erscheinungen in den lateinamerikanischen Gesellschaften, obwohl der Machismus als soziales Phänomen in den verschiedensten Schattierungen überall zu finden ist.
Die Geschichte zeigt uns, daß dieser Despotismus Ausbeutung und Unterdrückung hervorbrachte und beide sich gegen das Glück der Menschen verschworen.
Als Ideologie und soziale Verhaltensweise, sowohl von Männer als auch von Frauen, stellt er nicht nur einen Übertragungsmechanismus dar, sondern ist Kernstück der zyklischen Reproduktion der moralischen Werte. Wie das Privateigentum vererbt wird, so vererbt sich auch der Machismus, mit dem Ergebnis, daß er sich vermehrt und seine Existenz sichert. Der Machismus ist in der Familie, der Vater-Mutter-Kind-Beziehung, in der Schule und der Kirche verankert.
Indem man die vermeintliche Überlegenheit des Machos verherrlicht, legitimiert man die Diskriminierung der Frauen, deren benachteiligte Stellung in der Gesellschaft. Weit verbreitet ist die Auffassung, daß die Frau für Küche, Kinder und Kirche geschaffen worden sei. Damit wird sie von kulturellen Aktivitäten und der Arbeit ausgeschlossen, und diese Bereiche werden als Männerangelegenheit betrachtet.
Mädchen einer Familie dürfen nur einen niedrigen Bildungsweg einschlagen. In der patriarchalischen Familie verwandeln sich Frauenarbeiten wie Kochen, Bügeln, Waschen und Saubermachen für Jungen in verbotene Dinge. Dadurch werden den Männern Privilegien und Rechte zuerkannt, die den Frauen vorenthalten sind. Erstaunlicherweise sind es gerade die Mütter, die den Männern solche Privilegien zugestehen. Sie achten – bewußt oder unbewußt – darauf, daß diese Privilegien nicht verletzt werden.
Der Machismus errichtete ein unveränderliches System, das Ergebnis eines Unterdrückungsregimes ist und auf unsere ganze Gesellschaft übetragen wurde. Die historische Entwicklung der verschiedenen Gesellschaften begünstigte die Entfaltung der machistischen Kultur und Lebensweise. Damit wurde die natürliche Liebe verstümmelt und in ein gemeines Instrument zur Verfolgung von bestimmten Zielen und Absichten umgewandelt, ohne daß man sich dabei der Preisgabe materieller und geistiger Werte bewußt wird. Und so blieb nur Raum für die Hoffnungslosigkeit.
Das Geltungsbedürfnis des Mannes, das die Frau in hohem Maße zu erdulden hat, der Machismus überhaupt, wurzelt in den patriarchalischen Familien, obwohl Patriarchat nicht gleich Machismus ist. Zur Verdeutlichung: Der Machismus in Lateinamerika ist die Folge des Bruchs mit der Kultur der Indios und der Übernahme der spanischen Kultur, die auch von der arabischen Kultur geprägt wurde. Er wurde von dem Kreuz, das die Monogamie verkündete und dem zivilisierenden Schwert der Eroberer, der Söhne männlicher und starker Götter, gesegnet. Der lateinamerikanische Machismus, wie wir ihn kennen und wie er praktiziert wird, ist somit vor allem eine Ausgeburt von Königen, Gouverneuren, senilen Junggesellen, sexuell Pervertierten, von Vergewaltigern, Händlern und Seelenlosen, die in unser Amerika, das Amerika von Montezuma, Quetzalcoatl, Nicarao und Viracocha, einfielen. Alles brachten sie in ihren Karavellen mit: von Spiegeln und Pferden bis hin zur Pest. Die Conquistadores brachten später ihre Frauen mit, aber für Abenteuer hatten sie die Indianerinnen, deren Körper den Samen zur Vermischung der Rassen (Mestizaje) aufnahm.
Man sagt, daß die Neue Welt im Zuge der „Entdeckung“ und „Eroberung“ Mittel- und Südamerikas geboren worden sei, doch das klingt so, als hätte es niemals die Mayas, Azteken und Inkas gegeben, die die Kultur dieses Kontinents geschaffen und entwickelt haben. Wahr ist aber auch, daß in dieser Kultur ebenfalls patriarchalische Verhaltensmuster praktiziert wurden.
Die Merkmale des Machismus sind fest in der lateinamerikanischen Tradition verankert, in der auch Aggressivität, Alkoholismus, Verbrechen und sexueller Mißbrauch einen Platz gefunden haben. In dieser Kultur spielt jeder einzelne die Rolle, die von der Gesellschaft bestimmt und bestätigt wird. Die Abhängigkeit der Frauen vom machistischen Verhalten, die Akzeptanz ihm gegenüber wird u.a. in allgemein üblichen Phrasen wie: „Paßt auf eure Hühner auf, denn meine Hähne laufen frei herum“ deutlich. Andererseits wird die Akzeptanz sichtbar, wenn Frauen gegen ihre „Konkurrentinnen“ kämpfen, anstelle den wahren Grund zu beseitigen – das Privileg, das sich der Macho zugesteht, sich nicht nur mit einer Frau zufrieden geben zu müssen.
Die Untreue des Mannes wird aus machistischer Sicht als Akt der Ehre betrachtet. Sie wird zwar nicht empfohlen, aber lautstark von Männern und Frauen gefeiert, die sie als Beweis der Männlichkeit betrachten. Demgegenüber wird die Frau, die sich gleiches erlaubt, mit dem Kreuz der Sünde und des Ehebruchs gebrandmarkt und damit von der Gesellschaft ausgeschlossen. Nach Meinung des Mannes trägt die Frau die Sünde des Vergnügens und der Mann hat das Vergnügen der Sünde.
Das Prinzip der Unterordnung rechtfertigt das Prinzip der Herrschaft, was sowohl die Unterdrückung durch den Mannes als auch die religiöse Unterordnung der Frau belegen. Die dem einen gegebene Herrschaft beruht auf der stillschweigenden Untergebenheit der anderen. Wie bereits erwähnt, hat das Drama des Machismus seinen Ursprung in der Familie. Es beginnt zu dem Zeitpunkt, da der Sohn im pubertären Alter seine Gefühle zu äußern und seinen sexuellen Drang zu befriedigen sucht. Er nimmt die Jungfrau und die Hure, (die er früher in einer Person fand), um seine Lust und Liebe bei ihnen zu stillen und sich danach als Mann bestätigt zu fühlen. Die Ehe läßt dann für den Mann weiterhin die Möglichkeit offen, jederzeit zwischen Bordell und heimischem Herd wählen zu können. Die Ehefrau dient als schmückendes Beiwerk. Die Lust aber wird bei der Hure gestillt. Sie wird nicht anders als ein sexuelles Objekt behandelt.
Die Ehefrau ist dazu verurteilt, sich wie eine Heilige, als Frau und Mutter lieben zu lassen. Doch es ist unwichtig, ob sie einen Orgasmus erlebt oder sie dabei körperliche und seelische Befriedigung findet. Der Mann wird sich noch mehr als Macho fühlen, wenn er mehrmals schien sexuellen Höhepunkt erreichen kann. Es wird deutlich, daß das soziale Phänomen der Prostitution nicht bedeutet, daß sich nur die Frau prostituiert, so wie es der Macho sieht, sondern es prostituiert sich auch der Mann. An diesem „Geschäft“ nehmen beide Seiten teil, die eine wird mit Geld bezahlt und die andere erhält dafür sexuelle Befriedigung. Es gibt Prostitution, die nach Geld riecht und eine andere, die auf Lust orientiert ist.
Und noch an anderer Stelle treffen wir auf Machismus, nämlich dann, wenn von exotischen Vorstellungen wie „Märchenprinzen“ die Rede ist, vom „Traummann“, der das Weib aus dem Tal der Tränen retten soll. Stellt er jedoch fest, daß sie nicht die Erträumte und Angebetete ist, die er vor den Altar führen möchte, so wird sie lediglich zum Zeitvertrieb in der Mußestunde. Hat er sich dann seine Langeweile vertrieben, verschwindet er, und von der Liebe bleibt nicht die leiseste Spur. Zurück bleibt das Mädchen, die Frau, die in ihren Träumen alleingelassen wird.
Die Frauenbewegungen hat dem Machismus ernsthaft den Kampf angesagt. Im Kampf gegen den Machismus verwandeln sich weiblicher Stolz und Groll oft in den innigen Wunsch, sich am anderen Geschlecht zu rächen und es niederzuschmettern. Dieses „sich – weiblich – fühlen“ führt zu einem Machismus mit weiblichen Zügen, was ein verzerrtes Bild der Emanzipation entstehen läßt. Ein solcher Feminismus kann manchmal genau so schlimm sein wie der Machismus. Es ist offensichtlich, daß der Kampf gegen den Machismus von Männer und Frauen gegen Männer und Frauen geführt wird, die die machistische Struktur in sich tragen und weitergeben.
Doch bringt dieser „Sexkrieg“ kaum die gewünschten Ergebnisse im Kampf für eine Gleichberechtigung der Frauen und Männer auf allen Ebenen der Gesellschaft. Wenn es schon ein Kampf sein muß, dann einer für die Freude an der Liebe und für das Glücklichsein. Die beteiligten Parteien spielen dabei eine entscheindende Rolle. Doch geht es keinesfalls darum, daß sich beide Seiten große Zugeständnisse machen. Damit wäre gar nichts gewonnen, sondern beide würden gleichermaßen Opfer und Täter sein, was nicht heißt, daß die Aggressivität des Mannes und der Gehorsam der Frau dabei vertuscht werden sollen.
Der Kampf muß gegen machistische Äußerungen und Verhaltensweisen von Männer und Frauen geführt werden, weil beide mit unterschiedlicher Intensität betroffen sind. Da der Machismus die natürliche Liebe mißachtet, bereitet er den Weg für Vergewaltigung und ungewollte Schwangerschaft, was bei der betroffenen Frau zu Gefühlskälte, Gleichgültigkeit, Unfruchbarkeit bis hin zur Verachtung ihrer selbst führen kann. Man findet solche Argumente auch in der Literatur. Es geht um die Rebellion gegen die patriarchalische Unterdrückung, die in vielen Ländern Lateinamerikas existiert. Die nikaraguanische Schrifstellerin Gioconda Belli rebelliert in ihrem Roman „Die Tochter des Vulkans“ gegen Einschränkungen, Tabus und Konventionalismus; sie bringt auch die Vorurteile und Muster der machistischen Verhaltensweise zum Vorschein: „Und wenn sie seine Frau ist, dann wird niemals mehr nur irgend jemand ein Haar auf ihrem Kopf berühren. Jeden Sonntag wird er sie in die Kirche begleiten, und er wird dafür sorgen, daß sie pausenlos schwanger sein wird, wie eine gut geladene Schrotflinte hinter der Scheunentür, daß die schmale Taille runder wird und sanft und mütterlich die Augen, die dunkel funkelnd glänzen und für sie selbst gefährlich sind, weil sie nicht einmal merkt, wie diese Tölpel unter ihrem Blick dahinschmelzen“. Hier wird auch die Symbiose von Machoverhalten und Eifersucht deutlich. Eifersucht ist auch eine Manifestation des oben genannten Verhaltens und des menschlischen Gefühls, das oft, wenn es nicht unter Kontrolle gehalten wird, mit Gewalt, Tod, Rache, Ehebruch und Scheidung endet. Der sexuelle Mißbrauch verbindet sich manchmal mit Eifersucht. Und ist in der Gegenwart sogar eng mit Kastrationen verbunden, wie das Beispiel der US-Amerikanerin Lorena Bobbitt zeigt, die „das Ende der Männergesellschaft eingeleitet hat“. Aber „Schwanz ab!“ kann auf keinen Fall die Lösung sein. Gleichberechtigung darf weder Gewalt, sexuellen Mißbrauch und Prostitution noch Beschimpfung des Ehepartners und der Kinder bedeuten, so wie es manche Männer praktizieren.
Selbst m diesem Jahrhundert müssen die Frauen noch leiden, wenn sie nicht mehr Jungfrau sind. Es gibt überall veraltete Normen, die die Frauen zwingen, die Jungfräulichkeit zu bewahren, bis sie zum Altar geführt werden. Keiner wird einen Mann fragen, ob er schon eine Frau berührt hat, es wird implizit akzeptiert.
Auch das bürgerliche Recht begünstigt die Reproduktion der Männergesellschaft. Nicht selten verstoßen die verabschiedeten Gesetze gegen Menschenrechte. So wird die von der Gesellschaft akzeptierte Männerherrschaft über die Frau durch psychiche und physische Gewalt verstärkt und institutionalisiert. Weiterhin erscheinen Gesetze und Veröffentlichungen, die homosexuelle und lesbische Beziehungen verbieten und sogar bestrafen. Nach Macho-Ansicht hat die Homosexualität keinen Platz in der Wirklichkeit und wird hart diskriminiert. Und das schlimmste, was einem Vater geschehen könnte, wäre „ein Kind mit Hose, aber mit schwachem Geschlecht“. In dieser Beziehungen ist der Machismus voll von Vorurteilen und infolgedessen starr und intolerant.
Aber der Machismus ist in Lateinamerika und überall ein komplexes Phänomen. Es ist nicht selten, daß sich hinter dem Machismusein authentisches Matriarchat verbirgt, das durch die formelle Familienordnung verschleiert wird. Nach außen wird das machistische Etikett gewahrt, aber innen herrscht die Ordnung der Mutter. Sie bekommt das Einkommen, wenn sie nicht allein gelassen ist, und organisiert in der Regel mit gutem Instinkt die Hauswirtschaft, kauft die Lebensmittel, legalisiert den Status den Kinder, pflegt die kranken Familienmitglieder und sorgt dafür, daß die Kinder zur Schule oder zur Arbeit gehen. Wenn sie der einzige „Macho“ des Hauses ist, muß sie sich um alle und alles kümmern. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß sich teilweise ein starker „Ödipus-Komplex“ bei den Kindern entwickelt; bei jedem Konflikt würden sie sich auf die Seite der Mutter stellen. Sie fühlen eine starke Liebe zur Mutter. Die Kinder entwickeln einen Instinkt, um die Mutter vor Ungerechtigkeit und Gewalt zu schützen. Es sind Gefühle, die auch in der Natur ausgeprägt sind. Nicht zufällig wird die dominante machistische Ideologie von einer Präferenz gegenüber den Söhnen charakterisiert, da man davon ausgeht, daß ein Sohn die Begabung des Vater erben muß, oder im Hintergrund versteckt die Angst besteht, daß Mädchen zu Opfern machistischen Verhaltens gemacht werden, weil sie zum „schwachen Geschlecht“ gehören.
Ich hoffe, daß ich wegen dieser Sätze nicht zum Gericht der „Macho- und Weiberinquisition“ gehen muß und wenn ja, daß ich nicht zum Scheiterhaufen verurteilt werde.