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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Frauen und Arbeit in Lateinamerika

María Cristina Dorado | | Artikel drucken
Lesedauer: 15 Minuten

Viele Studien über die Situation der Frau in Lateinamerika konzentrieren sich auf die Untersuchung, in welcher Form die Verdrängung der Frau gegenüber dem Mann sowohl in sozialen, ökonomischen als auch politischen Aspekten stattgefunden hat. Dabei wurden jedoch Probleme, die im Zusammenhang mit der Unterordnung der Frau in einem System mit deutlichen sozialen Unterschieden auftreten, außer acht gelassen. Als ein Beispiel dafür kann man aufzeigen, daß dieser Punkt im Programm der feministischen Bewegung, welche im allgemeinen aus Frauen der mittleren Schichten besteht, keine Beachtung findet. Die extremere Position würde von denen vertreten werden, die sich dieser Frauenbewegung entgegenstellen und sich auf die Analyse aller Aspekte konzentrieren würden; die Betonung läge dabei einzig auf Klassen- und Kulturunterschieden. Hier wird nun in sehr allgemeiner Form versucht, die Erfahrungen einiger armer Frauen in Lateinamerika in Hinsicht auf ihre Arbeitsmöglichkeiten zu veranschaulichen. Dafür wird der Fall der jungen Frauen in häuslichen Diensten und derjenigen, die sich am Drogenschmuggel beteiligen, dargestellt.

Beide Fälle sind, direkt oder indirekt, mit dem beschleunigtem Wachstum der Städte in der Region über Jahre hinweg verbunden. Besagter Prozeß ist, unter unterschiedlichen Umständen, sehr komplex und in jedem Land gleich. Zum Beispiel wuchsen die Städte in Kolumbien zwischen 1950 und 1970 sehr schnell, teilweise bedingt durch die Land-Stadt-Flucht als Folge der Gewalt in einigen ländlichen Gebieten Kolumbiens. Zur gleichen Zeit gab es auch in Chile und Brasilien große Land-Stadt-Bewegungen, obwohl es dort keine vergleichbare Gewalt gab. Guatemala hingegen verzeichnete in derselben Periode eine statische Proportion von Land-Stadt-Bevölkerung. Trotzdem gibt es einige Punkte, die der Mehrheit der Länder der Region gemeinsam sind. Hervorzuheben ist die Mechanisierung der Landwirtschaft und die Bevorzugung von Investitionen in Produkte kommerziellen Charakters, eine Maßnahme, die zur Verringerung des Anbaus von Produkten zur Lebenserhaltung führte und letztendlich zur Beschleunigung der Flucht der Bauern in die Städte beitrug. Die lateinamerikanischen Regierungen ihrerseits haben, zum Nachteil des ländlichen Sektors, viel Kraft in die Entwicklung der Städte fließen lassen. Stück für Stück wurden die Städte in den Fortschritt und die Modernisierung eingebunden; ländliche Regionen verfielen in wirtschaftliche Stagnation und Unterentwicklung.

Die Art und Weise der Bevölkerungsbewegung in den lateinamerikanischen Ländern ist nicht durch die industrielle Entwicklung der Region bedingt, denn diese erfolgte wesentlich langsamer als der Prozeß der Verstädterung. Die Industrialisierung fand hauptsächlich in der Zeit von 1944 bis 1948 statt und war auf Konsumartikel orientiert. Mit Ausnahme einiger Städte war die Industrie jedoch nicht in ausreichendem Maße fähig, den riesigen Zustrom an Arbeitskräften vom Lande aufzunehmen und diese sahen sich genötigt, sich im informellen Sektor der Ökonomie einzugliedern. Infolgedessen erlebte die Region einen wesentlichen Zuwachs an Arbeitskräften in der informellen Wirtschaft; in einigen Ländern beträgt dieser Anteil sogar etwas mehr als 50 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung.

In diesem Zusammenhang ist die Frau stets besonders verletzlich gegenüber der Arbeitslosigkeit gewesen. Aus diesem Grunde sah sie sich gezwungen, verschiedene Überlebensstrategien zu entwickeln, und gleichzeitig hat sie so – bis zu einem gewissen Punkt – die in die Wirtschaftskrisen verwickelten sozialen Kosten vermindert. Ebenso wie die restlichen Migranten hat sich die Frau vor allem dem informellen Sektor angeschlossen, insbesondere den „Hausdiensten“. Dieser Zuwachs betrug in den vergangenen 30 Jahren ungefähr 120 Prozent; das entspricht ungefähr 47 Prozent des Zuwachses der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung. Der Fall von Frauen, die aus sehr dürftigen Verhältnissen stammen, ist noch gravierender. Sie stellen mehr als die Hälfte der gesamten im informellen Sektor tätigen Frauen dar; ca. 80 Prozent dieser Frauen sind in häuslichen Diensten beschäftigt. Sowohl die Art und Weise als auch die Bedingungen ihrer Entlohnung zählen zu den schlechtesten überhaupt innerhalb der verschiedenen Arbeitskategorien. Diese Position der Frau führte zur Einführung des Begriffes „Feminisierung der Armut“.

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, daß es in diesem Artikel um arme Frauen, um Frauen aus armen und sehr armen Verhältnissen geht. Dabei sind arme Familien diejenigen, deren Einkünfte nicht ausreichen, um ihren Bedarf an Lebensmitteln zu befriedigen (ausgehend von einem Lebensmittelkorb, der ausreicht, den Bedarf an Lebensmittel einer Person zu decken); als arme Familien werden diejenigen bezeichnet, deren Einkünfte unzureichend sind zur Befriedigung der Bedürfnisse ihrer Mitglieder sowohl die Ernährung betreffend als auch darüber hinaus, wie da sind Bildung, Gesundheit, Wohnung etc.

Der soziale Preis für die Frau vom Lande ist infolge der Land-Stadt-Flucht überaus wichtig. In jenen Fällen, wo der Mann/Vater in die Stadt geht, bedeutet das für die Frau, daß sie auf dem Land unter ziemlich erbärmlichen Bedingungen und mit der Verantwortung für die Familie zurückbleibt. In der Mehrheit der Fälle muß die Frau selbst fortgehen, um die begrenzten Möglichkeiten im informellen Sektor wahrzunehmen, natürlich mit einem Minimum an Entlohnung.

Die Migrationsdynamik der Frau erstreckt sich ebenso auf die innerstädtische Migration, welche durch Frauen in besseren wirtschaftlichen Verhältnissen und mit besserer Ausbildung bestimmt wird. Gleichzeitig beschleunigt diese Art von Bevölkerungsbewegung die Land-Stadt-Flucht der Frau. Für Frauen, die sich in einer günstigeren finanziellen Lage befinden, bedeutet diese Veränderung die Eingliederung in den entlohnten Arbeitsprozeß in Zweigen der Industrie, der Regierung, der Bildung und des Finanzwesens. In dem Maße, wie diese Frauen im formalen Sektor der Wirtschaft integriert sind, beginnen sie, auf andere, oft jüngere Frauen, zurückzugreifen, die ihnen dann bei der täglichen Hausarbeit und bei der Erziehung der Kinder helfen. Sie bekommen dafür Unterkunft, Verpflegung und einen geringen Lohn, und ermöglichen so, daß ihre Arbeitgeberinnen ihrer Arbeit außerhalb des Hauses nachgehen können. Das heißt, daß die Migration für bestimmte Frauen „soziale Mobilität“ bedeutet, für die arme Frau hingegen schlicht „Überleben“.

Die eben genannte Anpassung kann aber nicht nur als Teil der Arbeitsteilung nach Geschlecht verstanden werden, sondern ist eine Ergänzung zu den durch die strukturellen Veränderungen im Wirtschaftssystem entstandenen Problemen zu sehen.

Dieses Phänomen hat sowohl nationale als auch internationale Auswirkungen; viele der armen Frauen dehnen ihre Migrationserfahrungen auf andere Städte in anderen Ländern aus, insbesondere in anderen lateinamerikanischen Ländern und den USA. Diejenigen, die diesen Weg gehen, sind vor allem Frauen ohne Kinder – alleinstehend, verwitwet oder geschieden -, denn es ist gerade diese Gruppe, die für häusliche Dienste gewonnen wird. Frauen mit Kindern wenden sich eher Tätigkeiten wie dem Straßenverkauf o.a. zu.

Grundzüge der Frauen, die in „häuslichen Diensten“ beschäftigt sind

Es ist schwierig, das sozioökonomische Profil derjenigen zu beschreiben, die in „häusliche Dienste“ treten, da es sich um eine heterogene Gruppe handelt. In der Mehrzahl sind es sehr arme Frauen, für gewöhnlich vom Lande. Diese Gruppe repräsentiert zahlenmäßig die wichtigste weibliche Beschäftigungsgruppe in Lateinamerika, wobei deren Anteil zwischen 50 und 70 Prozent der wirtschaftlich aktiven weiblichen Bevölkerung schwankt. In einigen Fällen, wie in Peru und Bolivien, beträgt diese Zahl zwei Drittel aller weiblichen Arbeitskräfte.

Zur Vereinfachung könnte man diese Bevölkerung in zwei Gruppen unterteilen. Eine Gruppe, Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, setzt sich aus den (meist) familienältesten Töchtern zusammen, welche oft auch die ersten sind, die in die Stadt gehen. Eine andere Gruppe besteht aus wesentlich reiferen Frauen im Alter zwischen 25 und 40 Jahren, Witwen, Mütter, Unverheiratete oder Geschiedene, die dazu neigen, tageweise Arbeiten anzunehmen.

Beiden Gruppen sind gewisse Voraussetzungen gleich: die Väter dieser Frauen sind meistens Analphabeten, arbeiten auf kleinen Landbesitzen zur Selbstversorgung, sind Besitzer oder nur Tagelöhner auf diesem Land. Einige beschäftigen sich mit der Herstellung von handwerklichen Kunstgegenständen (artesanias) oder arbeiten auf eigene Rechnung in verschiedenen Dienstleistungsbereichen. Die Mütter kümmern sich um die Hausarbeit im eigenen Heim, um die Bestellung des Gartens oder arbeiten mit auf dem kleinen Stück Land.

Die Mädchen selbst kommen sehr oft aus ländlichen Regionen und sind noch sehr jung (zwischen 15 und 17 Jahren). Vor ihrer Flucht in die Stadt arbeiteten sie schon sehr lange und von frühester Kindheit an für ihre Familien, indem sie bei der Verrichtung der Arbeiten im Haus oder auf dem Land halfen.

Arbeitsbedingungen

Im allgemeinen sieht die Situation so aus, daß die älteste Tochter der Bauernfamilie zuerst in die Stadt geht. Später, und abhängig von den Erfahrungen der Tochter in der Stadt, folgt ihr der älteste Sohn der Familie. Das Mädchen ist häufig noch sehr jung, zwischen 17 und 20 Jahren. Für die Familie muß es sechs Tage in der Woche ganztägig arbeiten. Sein Arbeitstag beginnt 6.00 Uhr morgens mit der Zubereitung des Frühstückes für die einzelnen Mitglieder der neuen Familie, damit seine Brotgeber zur Arbeit gehen können und die Kinder in die Schule. Der Morgen vergeht mit den verschiedenen häuslichen Tätigkeiten, einschließlich der Vorbereitung des Mittagessens für die Kinder, die dafür aus der Schule kommen, und manchmal auch für die Mütter, die nicht arbeiten gehen. Am Nachmittag setzt es seine Hausarbeit fort; dazu kommt gelegentlich die Ausbesserung von Kleidungsstücken o.a. und das Vorbereiten des Abendessens. Nach dem Abendbrot muß es noch die Küche in Ordnung bringen; so daß es auf etwa 15 Stunden Arbeitszeit pro Tag kommt. Die freie Zeit besteht aus einem Tag in der Woche und sieben Tagen Urlaub im Jahr.

Wenn die Töchter in die Stadt gehen, hat das zwei unmittelbare Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Familie. An erster Stelle verringern sich die Ausgaben der Familie zu Hause und an zweiter Stelle bedeutet dies auch eine Einnahmequelle, denn die meisten Töchter schicken Geld zur Unterstützung nach Hause, womit oft die wichtigsten Bedürfnisse zum Überleben der Familie gedeckt werden.

Obwohl in einigen Ländern die Rechte dieser Frauen gesetzlich geschützt sind, werden Lohn-und Arbeitsbedingungen nach Gutdünken der Arbeitgeber festgelegt. Die Stellung dieser Gruppe von Frauen ist daher ziemlich verwundbar und das wird von vielen Arbeitgebern ausgenutzt, um ihnen niedrige Löhne und Arbeitsbedingungen zu bieten, die weit unter dem Notwendigen liegen.

Trotz allem existiert z.B. in Kolumbien ein hohes Bewußtsein hinsichtlich der Verpflichtung der Arbeitgeber gegenüber den Hausangestellten was die Gesundheitsfürsorge betrifft. Die Angestellten erhalten deshalb eine Absicherung durch sie oder durch die Sozialversicherung des Landes. Die Herrschaft ist für die medizinische Betreuung des Personals verantwortlich und im Falle von Schwangerschaft kommt der Arbeitgeber finanziell dafür auf.

Unglücklicherweise werden die Mädchen dann aber nach der Geburt des Kindes aus zwei Gründen entlassen: einmal, weil der Arbeitgeber nicht die Kosten für die Ernährung und Erziehung eines Babys übernehmen will; zweitens, weil angenommen wird, daß die Frau dann zu viel Zeit mit dem Kind zubringt und sich nicht mehr mit der nötigen Hingabe den Hausdiensten widmet.

Eine andere Gruppe von Frauen, die in häusliche Dienste treten, besteht aus Personen, die schon genügend Erfahrung in der Stadt gesammelt und eine bestimmte Vertrautheit mit dem System und mit ihren Rechten gewonnen haben. Diese werden dann in der Regel die Arbeit tageweise annehmen. Sie sind in der Lage, etwas bessere Arbeitsbedingungen und bestimmte Konzessionen zu verlangen, insbesondere die Freizeit und die Anzahl der Urlaubstage betreffend. In den meisten Fällen sind diese „Erfolge“ jedoch von niedrigen Löhnen begleitet.

Es gibt in einigen Ländern, wie in Argentinien oder Kolumbien, Gewerkschaften. Dabei handelt es sich aber leider um sehr schwache Institutionen und die wenigen „Triumphe“ gehen an diejenigen Personen, die die besten Kenntnisse über die Mechanismen und Funktionsweisen des Systems errungen haben. Die gerade vom Lande gekommenen jungen Mädchen haben keine Chance und auch nicht die Mittel, sich über ihre Rechte zu informieren. Und aus dem religiösen Gebot heraus, ihren Anteil für das Wohl der Allgemeinheit zu erbringen, werden die jungen Mädchen zur unterwürfigen und duldenden Arbeit angehalten. Viele dieser Frauen fassen daher den Entschluß, in ein anderes lateinamerikanisches Land oder in die USA zu gehen.

Die Schwierigkeiten im Ausland dürfen aber nicht unterschätzt werden. Manchmal müssen die Frauen erst die wichtigsten Sätze in einer neuen Sprache lernen, die sie vielleicht nie ganz korrekt beherrschen werden. Andere Male, wie im Fall der Kolumbianerinnen und Frauen aus der Dominikanischen Republik, die in Venezuela arbeiten, besitzen sie keine legalen Papiere. Sie sind bekannt als die „ohne Ausweis“, völlig außerhalb des Gesetzes lebend und ohne jeglichen rechtlichen Schutz. Der Anreiz zur Auswanderung bestand in der wirtschaftlichen Verbesserung und dies wird erreicht, sofern es nicht durch eine Wirtschaftskrise im Zielland verhindert wird. Im Falle einer solchen Krise sind die Hausangestellten eine der am meisten bedrohten Gruppen. Die heutigen wirtschaftlichen Probleme Venezuelas führen dazu, daß viele der Kolumbianerinnen wieder in ihr Land zurückkehren möchten, aber ohne Erfolg, denn ihre Ersparnisse reichen nicht aus, um ihre Rückkehr zu bezahlen.

Es gibt Frauen, die ihr ganzes Leben lang in ein und demselben Haushalt beschäftigt sind und die so zu einem „Teil der Familie“ werden. Während auf emotionaler Ebene die Beziehung seitens der Familie von wirklicher Zuneigung zeugt, so ist doch die Beziehung im Arbeitsbereich eher einem patriarchalischem System untergeordnet. Obwohl sie ein „Teil der Familie“ sind, so bleiben sie doch sehr beengt in der Teilnahme an sozialen Aktivitäten der Familie.

Sie wohnen im selben Haus, sind aber in einem von den anderen Wohnräumen getrennten Bereich untergebracht. Auch ihre Mahlzeiten nehmen sie gesondert ein; fast immer essen sie in der Küche und erst, nachdem die anderen ihr Essen beendet haben.

Frauen und Drogenschmuggel

Andere Frauen wählen als Überlebensstrategie Tätigkeiten im illegalen Bereich, denn dies ermöglicht ihnen, unmittelbar an Geld in unvorstellbaren Mengen im Vergleich zu den legalen Alternativen heranzukommen. Diese Gruppe ist weniger zahlreich als die Gruppe der Hausmädchen, aber ebenfalls zusammengesetzt aus armen Frauen, die sich jedoch in einer etwas besseren Lage befinden als erstere. Die wahrscheinlich größten Aktivitäten liegen beim internationalen Drogenschmuggel. Die Frauen, die „Mula“ (Maultier) genannt werden, begeben sich dabei in große Gefahr und sind ohne jeden legalen Schutz.

Im Gegensatz zu den häuslichen Arbeiten, die fast ausschließlich von Frauen getätigt werden, sind in diesem Geschäft viele Männer beschäftigt, die auch den zahlenmäßig größeren Anteil stellen. Obwohl die Situation für beide Geschlechter sehr kompliziert ist, so ist es doch für die Familie von größerer Tragweite, wenn es sich um die Frau handelt.

Die Lage jeder dieser Frauen ist mehr oder weniger einzigartig, jedoch teilen sie das Ziel, schnell Geld zu bekommen, um die unmittelbaren Bedürfnisse der Familie zu befriedigen. Aus Mangel an Arbeitsmöglichkeiten setzen sie ihr Glück und das ihrer Familien aufs Spiel. Diese Gruppe ist besteht größtenteils aus Frauen, die mehrere Kinder versorgen müssen, entweder als alleinstehende Mütter oder als verheiratete Frauen.

Das größte Risiko für die Frauen besteht darin, daß sie auf einem der internationalen Flughäfen gefaßt werden und Haftstrafen in den Gefängnissen des jeweiligen Landes absitzen müssen. Wenn sie einmal dort sind, besteht eines der ersten Probleme darin, sich mit niemandem verständigen zu können und nicht zu wissen, was sie in Zukunft erwartet. Selten können sie auf die Hilfe von Dolmetschern zählen oder sie müssen mit schlechten Dolmetschern zurecht kommen, die ihnen nicht einmal die zu befolgenden Regeln klar erklären. Sie erkennen die Regeln erst im selben Moment, in welchem sie dagegen verstoßen.

Die Zukunftsaussichten hängen vor allem von dem Land, in dem sie verhaftet worden sind, und den dortigen Gesetzen ab. Häufig, wie in England, werden diese Frauen zu 10 oder 12 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Oft bekommen sie keinen Kontakt mehr zu ihren Familien, außer in äußersten Notsituationen.In England haben sie auch kein Recht auf internationale Telefongespräche oder nur dann, wenn sie bereit sind, diese mit ihrem Lohn zu bezahlen. Der Lohn, den sie in der Haftanstalt erhalten, reicht allerdings nicht einmal aus, um die Kosten zu decken, und das, obwohl bei der Festnahme all ihr Hab und Gut konfisziert wurde, einschließlich des Geldes, das sie mit sich führten. Die Zahl der Briefe, die sie schreiben und die sie erhalten dürfen, ist begrenzt. Die Post wird kontrolliert; Besuch dürfen sie nicht empfangen.

Währenddessen erfahren die Kinder, die häufig bei Nachbarn oder bei der Familie untergebracht sind, nichts von ihren Müttern und sind ihren neuen Behütern ausgeliefert. Die Familienväter verlassen dann oft das Haus, welches durch eine kriminelle Frau „gezeichnet“ ist.

Kommt die Frau dann wieder in ihr Land, stößt sie auf die Ablehnung der Gesellschaft, hat kein Heim und wird als kriminell eingestuft. Aus diesem Grunde sind auch ihre Arbeitsmöglichkeiten und ihre Chance auf Wiederaufnahme in die Gesellschaft sehr begrenzt. (…)

Die feministischen Bewegungen Lateinamerikas haben in ihren Programmen die Probleme der armen Frauen, mit nur wenigen Ausnahmen, ausgeschlossen und als Hauptthema die Dimension „‚Geschlecht‘ auf der Suche nach seinen Rechten“ gewählt. Sie haben sich also auf die Analyse von Problemen konzentriert, die sich mit Konzepten wie „Machismus“ oder „Marianismus „[1] inmitten einer komplexen Realität von Ungleichheit der Klassen befassen, verbunden mit einem starken „Patriarchalismus“ sowohl auf sozialer als auch auf beruflicher Ebene.

Man muß sich fragen, ob die als „feministisch“ bekannten Theorien vielleicht an einer Art Identitätskrise leiden, insbesondere in Lateinamerika. Wie anders könnte man sonst erklären, daß ein Kampf, aufbauend auf universellen Konzepten, guten Prinzipien und guten Gründen, bestimmte grundlegende Komponenten – wie den sozialen Klassenkampf – ignoriert.

Trotzdem muß gesagt werden, daß es innerhalb der feministischen Bewegung Frauen gibt, die die Notwendigkeit von Variablen wie soziale Klasse, Religion, Rassismus etc. erkennen. Dabei handelt es sich aber leider um eine Minderheit. Trotz des Triumphes einiger demokratischer Formen, die sich in das politische System der Region besonders in den letzten Jahrzehnten einfügten, ist die arme Frau nach wie vor die Verliererin.

leicht gekürzt

Übers, aus dem Spanischen: Daniela Trujillo
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[1] Dieses Wort beinhaltet ein Respektverhalten gegenüber der Frau in ihrer Rolle als Mutter. Manchmal wird es verwendet, um eine matriarchale Verhaltensweise, die entweder weibliche Macht oder das Äquivalent zum weiblichen Machismus darstellt, zu bezeichnen. Es ist am verbreitetsten in der Region der Südhalbkugel.

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