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Chancen und Hemmnisse einer standortgerechten Landwirtschaft in den Tropen

Jürgen Pohlan | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

Das Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und Ökosystem führte auch in der Landwirtschaft des tropischen Klimabereiches zu drastischen Veränderungen in der Handhabung und Struktur von Nutzungssystemen. Besonders dramatisch verlief diese Entwicklung seit Beendigung des 1. Weltkrieges (1914-18).

Der Enwicklungsboom und erheblich verbesserte Transportmöglichkeiten steigerten die Gier nach tropischen land- und forstwirtschaftlichen Produkten in den industrialisierten Ländern und förderten die Neugier auf exotische Landschaften.

Die typischen, über Jahrhunderte stabil gehaltenen Landnutzungssysteme der einheimischen Völkerschaften hielten diesem äußeren Drang nicht stand. Aus der unbewußt umweltgerechten land- und forstwirtschaftlichen Nutzung der intakten tropischen Regionen wurde bewußt die moderne, intensive, auf Exportprodukte orientierte Landwirtschaft gemacht.

Die Karibik erlebte schon im 16. Jahrhundert mit der Etablierung der Zuckerrohrplantagen und im 19. Jahrhundert mit der Einführung des industriell kontrollierten Tabakanbaus schmerzliche Einschnitte in die gewachsene Natur. Die rasanten Vorgänge bei der Ausdehnung des Bananen-, Kaffee- oder Baumwollanbaus gepaart mit einem rigerosen umweltzerstörenden Herangehen stellten jedoch alles bisher Geschehene in den Schatten.

Nun regierten Motorsäge und Caterpillar, Staudammbau und Beregnungssysteme, Mineraldüngereinsatz und Pestizidausbringung. Der großflächige Anbau von Monokulturen wurde forciert und einheimische Nutztierrassen durch produktivere Importe ersetzt. Von standortgerechter landwirtschaftlicher Nutzung redete kaum noch jemand und das jahrhundertelang geltende Prinzip der Nachhaltigkeit, nämlich das langjährige Erhalten des Gleichgewichts von Zuwachs und Abnutzung (agricultura sostenible), schien vergessen.

Chancen – sie sind nutzbar

Jährlich werden 17 Millionen Hektar Tropenwald abgeholzt, und zusätzlich gehen durch Wind- und Wassererosion wenigstens 10 Millionen Hektar Ackerfläche dem tropischen Klimabereich verloren. Dieser alarmierende Zustand öffnete nicht nur engangierten naturverbundenen Menschen in den entwickelten Ländern der gemäßigten Breiten die Augen, sondern rüttelte mehr und mehr Einheimische auf, um für den Erhalt ihrer vertrauten, lebensspendenden Umwelt zu streiten. Hierin liegt vor allem die reale Chance, tatsächlich die ökologisch fragilen Standorte der Tropen auch auf einem höheren land- und forstwirtschaftlichen Produktionsniveau nachhaltig nutzen zu können.

Dies setzt voraus, daß die einheimischen Landwirte bewußt ihre traditionellen Nutzungssysteme durch neue Erkenntnisse aus Pflanzenbau und Tierhaltung bereichern können. Die vielgepriesene agrare Entwicklungshilfe von außen wäre deshalb in dieser Zielgruppe weitaus wirkungsvoller plaziert und würde nicht in generösen, durch energieintensive Lebensgewohnheiten geprägten Projekten versickern.

Erfreulich ist, daß in einigen Ländern Mittelamerikas die Agricultura sostenible nicht nur mehr ein Zauberwort oder theoretische Träumerei ist, sondern gemeinsam von Landwirten, einheimischen verarbeitenden Betrieben und Wissenschaftlern zu praktischem Sein geweckt wurde.

Die Palette möglicher Nutzungskombinationen in einem solchen System ist reich wie eine blühende Sommerwiese. Wesentlicher ist wohl, daß sich darauf besonnen wird, den Kreislauf Boden -Pflanze – Tier wieder zu schließen, Warum sollte ein Cafetalero nicht auch Ranchero sein, weshalb sind Obstbauern nicht gleichzeitig Imker und wie reichhaltig kann der Wasserreisanbau mit der Aquakultur verquickt werden. Räumliche Vielfalt bedeutet in diesem Sinne auch ganzjährige Bodenbedeckung durch sehr unterschiedliche einjährige und mehrjährige Nutzpflanzenarten und dies schlägt sich äußerst positiv auf den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, die Eindämmung der Erosion und die Akkumulation des Wassers nieder. Andererseits reizt ein vielgestaltiger Pflanzenbau auch zu artenreicher Tierhaltung, fördert das standortgerechte Nutzen des Bodens eine aufgelockerte Feld – Wald – Wiese -Struktur und damit kann tatsächlich Nachhaltigkeit umgesetzt werden.

Typische pflanzliche oder tierische Nebenprodukte sind außerdem die Basis für autochthones Handwerk und hiermit kann auf attraktive Weise der Erholungswert der Region qualitativ bereichert werden. Auch wenn es vielfach noch nicht üblich und vielen Menschen in den Tropen auch nicht bewußt ist, auch sie brauchen ihre Erholung – ebenso wie wir.

Hemmnisse -das sind wir Menschen selbst

Sehr viel wurde schon philosophiert und gestritten und sicher eben so oft wird es noch geschehen. Trotzdem ist es höchste Zeit begreifen, daß auch in unserer heutigen Zeit eine Landwirtschaft in den Tropen möglich ist, die nicht nur als ressourcenschonend oder umweltverträglich der Öffentlichkeit feilgeboten wird, sondern tatsächlich umweltgerecht, da standortgerecht, betrieben wird. Nur müssen dafür die nötigen ökonomischen Garantien für den Landwirt geschaffen und dieser muß in seiner Eigenschaft als Ernährer und Naturbewahrer endlich auch in der Gesellschaft anerkannt werden.

Das Prinzip „standortgerecht anbauen, standortgerecht produzieren und standortgerecht verbrauchen“ ist dazu geeignet, mehr als nur die elementaren Bedürfnisse aller Menschen zu befriedigen und kann trotzdem der Energieverschwendung, der Bodendegradation, dem Wassermißbrauch und der CO2-Anreicherung in der Atmosphäre entgegenwirken.

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Der Matapalokäfer ist schlimm, aber der Maicero ist schlimmer.

Der Matapalo braucht Jahre, um einen Baum auszuhöhlen. Der Maicero, der Feuer legt, lichtet in wenigen Sekunden einen Wald.

Und welch einen Wald! Kostbarstes Edelholz, heilkräftige Pflanzen ohne Zahl! Wie der Bandenkrieg unter den Männern aufräumt, so räumt der Maicero unter den Bäumen auf. Rauch, schwelende Stümpfe und ein Aschenmeer.

Wäre es noch Hunger, was ihn triebe!

Doch nein, er will ein Geschäft machen. Und machte er es wenigstens auf eigene Rechnung! Aber der halbe Gewinn gehört dem Landherrn, der ihn oft genug auch noch um seinen Anteil betrügt. Mais macht den Boden arm und niemanden reich – weder den Herrn noch den Pächter. Ausgesät, um am Leben zu erhalten, ist er geheiligte Nahrung, denn der Mensch wurde aus dem Maiskorn erschaffen. Ausgesät, um Geld einzubringen, bedeutet er Hungersnot für den Menschen, der aus dem Maiskorn erschaffen wurde.

Der rote Stab, den man am Ort des Überflusses aufpflanzt, wo die Freien sich um ihren Kaziken sammeln, Frauen mit ihren Kindern, Männer mit ihren Frauen … er wird nie Wurzeln schlagen in solchen Maisäckern, mögen sie auch noch so geil wuchern.

Die Kraft des Bodens ist rasch erschöpft, der Maicero muß wandern mit seinem Mais, bis er selbst nur noch eine arme, bleiche Maisähre ist inmitten eines fetten Landes, das so gut wäre für andere Saaten.

Für Ernten, die ihn reich machen würden, ihn, den ewigen Habenichts, der die Erde tötet, wo immer sein Fuß ihn hinträgt, und schließlich die Lust an all den Dingen verliert, die er besitzen könnte: Zuckerrohr in den heißen Niederungen, wo der feuchte Dunst sich über Bananenfeldern verdickt, wo der Kakaobaum wie eine Rakete in die Luft steigt und hoch oben in einem himmlischen Mandelregen platzt. Ganz zu schweigen vom Kaffeestrauch der blutgesättigten, wunderbaren Landstriche oder den gleichsam von gelben Lampen beleuchteten Weizenfeldern.

aus:

Miguel Angel Asturias: Die Maismänner
Verlag Volk und Welt, Berlin 1977

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