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Politik und Kultur in Lateinamerika

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Der Mais und einige seiner kulinarischen Verwendungsmöglichkeiten

Luis Rodríguez | | Artikel drucken
Lesedauer: 5 Minuten

In einigen Wörterbüchern wird der Mais als Graspflanze mit dickem Stengel bezeichnet, die Kolben mit rotgelben, sehr nahrhaften Körnern hervorbringt. Er war schon Symbol, Sinnbild, Kunstobjekt im präkolumbianischen Amerika, und er ist noch heute präsent, trotz Moderne und Postmoderne, zwar nicht als Symbol oder Sinnbild, aber dafür als essentieller Bestandteil der Nahrung in einigen lateinamerikanischen Ländern.

Der Mais war Legende, Mythos, Religion, Schöpfung. Nach dem Popol Vuh, dem Buch der Quiche, wurde der Mensch aus Mais erschaffen; „Aus gelbem Mais und aus weißen Mais entstand sein Fleisch; aus Maismasse wurden seine Arme und Beine geformt. Nur Maismasse ging in das Fleisch unserer Väter ein, der vier Menschen, die geschaffen wurden.“

Der Mais (Zea mays) hat seinerseits Geschichte, eine vieldebattierte, soweit es um seiner Verbreitung geht. Das einzige, worin die Historiker sich einig sind, ist der mesoamerikanische Ursprung des Maises und seine Ausbreitung nach Norden hin und in die Andenregion nach Südamerika, wobei noch nicht geklärt ist, wie seine Ausdehnung sich vollzogen hat. Der Mais erscheint bereits in peruanischen präkeramischen Figuren um 2000 v.u.Z. Paul Mangelsdorf hat festgestellt, daß der moderne Mais von einer Wildpflanze abstammt, die vor vielen Jahren ausgestorben ist. W. C. Galinat und George Badle nennen den teosinte (zea mexicana), ein Wildgras, als Herkunft der Kulturpflanze. Über die Ursprünge gibt es weiterhin Zweifel; auf jeden Fall hat man bereits in der Höhle Guila Naquiz de Oxaca Spuren der Verwendung von teosinte gefunden, in geologischen Schichten von 7000 v.u.Z.; Samen der Pflanze fand man in Tlapacoyam, im Valle de Mexico, die von 5000 v.u.Z. stammen.

Ungeachtet der Hypthesen und Thesen, die im Verlauf der Zeit von den Historikern entwickelt worden sind, wuchs und gedieh der Mais. Seine Weggefahrten waren die Bohne und der Kürbis. Diese drei stellten die Grundlage der Landwirtschaft in der Formationsperiode dar (in Mesoamerika zwischen 2500 v.u.Z. und dem Beginn unserer Zeitrechnung, in Peru erst zwischen 1200 v.u.Z. und dem ersten Jahrhundert u.Z.).

In der Kolonialzeit wurde der Mais nicht durch den Weizen verdrängt, er hat bis heute einen privilegierten Platz in verschiedenen lateinamerikanischen Gerichten behalten.

Die bekannteste Zubereitungsform von Mais, besonders in Mexico und Mittelamerika, ist die Tortilla (Maisfladen). Vielleicht ist die Tortilla, wie Jose Coronel Urtecho behauptet, wirklich die „Erstgeborene“ des Maises; „Ihre Form selbst ist ein Wunder der funktionalen Vollkommenheit, erschaffen von einer Rasse von Bildnern, die oft allen Ballast an Behältnissen zurücklassen mußten, wenn sie auf dem Feld oder unterwegs aßen. Die Tortilla ist selbst Teller, Nahrung und Löffel zugleich. Man kann sie einzeln essen, und man ißt mit ihr alles andere. „(Prosa reunida, S. 110, Editorial Nueva Nicaragua, 1985) Es ist ganz einfach, eine Tortilla zu backen, wenn man einmal den Teig vorbereitet hat. Der Teig jedoch macht Arbeit. Bevor die Tortilla ein Produkt der modernen Massenfertigung wurde, bei der sie stapelweise vom Band läuft, mußte man den Mais selbst kochen. Der gekochte Mais wurde dann zermahlen, und so erhielt man die Masse, aus der der Tortillateig besteht. Aus Tortilla bereitet man die bekannten und schmackhaften Tacos, ja, sie sind geradezu seine Essenz. Ohne Tortillas kein Taco. Und wie köstlich ist ein Taco mit Rind- oder Schweinefleisch gefüllt, und dazu ein Weißkohlsalat mit saurer Sahne und ein bißchen Cayennepfeffer! Aus Tortilla macht man auch die Enchilada, die Cousine des Tacos. Der Taco kann schlank oder auch wohlbeleibt sein, die Enchilada aber ist dick und ein wenig unförmig, sie hat nicht die Feinheit des Tacos. Meistens wird sie mit fein zerkleinertem Schweine- oder Rindfleisch gefüllt. Eine Variante davon ist, das Fleisch mit Reis zu mischen; die Enchilada wird dabei sehr „gewichtig“ und reicht für eine ganze Mahlzeit.

Die Tortilla serviert man mit Reis, gekochten oder gebratenen Bohnen und mit Fleisch. Sie nimmt beim Mittag- und Abendessen eine ebenso wichtige Stelle ein wie das Brot. Eine schöne heiße Tortilla mit körnigem oder festem Weißkäse ist eine Delikatesse  -aber sie schmeckt auch vorzüglich mit Chicharron (kross gebratene  Schweineschwarte)  oder mit verschiedenen gekochtenen oder gebratenen Fleischsorten.

Eine nahe Verwandte der Tortilla ist die Guirila -sie ähnelt ihr, ist aber dicker und wird aus jungem Mais aus der ersten Ernte hergestellt.  Die Guirila schmeckt deshalb ein wenig süß, wird aber genauso zubereitet wie die Tortilla. Gekochte Maiskolben ißt man als Vorspeise oder als Zwischenmahlzeit. Sie  sind  sehr  schmackhaft.   Manche kochen sie auch mit Salz oder verwenden sie als Zutat für Hühnersuppe, Rinderbrühe oder für die berühmte „sopa de mondongo“ (Kutteln). Dazu nimmt man dann kleine Maiskolben (chilotes), die auch als Schmorgemüse dienen und zusammen   mit   dicker   Sahne   eine Spezialität sind.

Aus Mais werden auch Empanadas gemacht -mit Geflügelfleisch und Kartoffeln oder mit Süßem gefüllte Teigtaschen, die im Ofen gebacken werden. Sie sind eine kreolische Variante, eine Mischung aus spanischer und indigener Tradition. Gebäck und Kekse und zahllose Süßigkeiten werden ebenfalls aus Mais zubereitet. Aus Mais kann man außerdem verschiedene Erfrischungen bereiten. Gerösteter Mais wird zusammen mit Kakaobohnen und Nelken fein zermahlen und dann mit Wasser zu einem Getränk vermischt, das sehr typisch für einige mittelamerikanische Länder ist und „pinol“ oder „pinolillo“ genannt wird. Auch „Chicha“, ein aus vergorenem Mais bereitetes alkoholisches Getränk, ist in vielen lateinamerikanischen Ländern verbreitet. Im präkolumbinischen Amerika war es das am meisten getrunkene alkoholische Getränk.

aus „La Prensa“, Managua, 1992.

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