Guatemala: Putsch in Etappen
|Bernardo Arévalo wurde am 20. August 2023 in einer Stichwahl mit fast 61 Prozent der abgegebenen Stimmen zum neuen Präsidenten Guatemalas gewählt. Seitdem ist ein Putsch in Etappen gegen ihn und seine Partei Movimiento Semilla im Gange. Die alten Eliten, die sich zu einem „Pakt der Korrupten“ zusammengeschlossen haben, nutzen die von ihnen gekaperten staatlichen Institutionen, um die Regierungsübernahme des Wahlsiegers, die am 14. Januar 2024 erfolgen soll, zu verhindern. Eine Ironie der Geschichte besteht darin, dass es sich bei Bernardo Arévalo um den Sohn des ersten demokratischen Präsidenten Guatemalas, Juan José Arévalo, handelt, der von 1945 bis 1951 regiert hatte. Es ist bezeichnend für den institutionellen Verfall Guatemalas, dass ausgerechnet die Generalstaatsanwaltschaft die Speerspitze der Putschisten bildet. Nachdem der Versuch, die Wahlen für ungültig zu erklären gescheitert war, wurde Arévalos Partei Ende Oktober suspendiert. Damit müssen sich die 23 Abgeordneten, die auf der Liste des Movimento Semilla gewählt worden waren, mit dem Status von Unabhängigen zufriedengeben, was ihre politischen Möglichkeiten im Parlament (insgesamt 160 Sitzen) erheblich schmälert. Infolge dessen sah sich Arévalo sogar gezwungen, den Vorsitz und die Mitgliedschaft in seiner eigenen Partei aufzugeben. Diese war aus einer breiten Welle von Anti-Korruptionsprotesten hervorgegangen, die 2015 den Rücktritt des damaligen Präsidenten Otto Pérez Molina durchgesetzt hatte. Inzwischen hat sich die Situation soweit zugespitzt, dass Anfang der Woche führende Repräsentanten internationaler Organisationen nachdrücklich die Einhaltung rechtsstaatlicher Normen einforderten. Neben Volker Türk, UN-Hochkommissar für Menschenrechte, zeigte sich auch António Guterres, Generalsekretär der UNO, besorgt über die Ereignisse in Guatemala. Das Generalsekretariat der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verurteilte den Putschversuch der Oberstaatsanwaltschaft mit scharfen Worten: „Die Handlungen und Aussagen der Staatsanwälte Rafael Curruchiche und Leonor Morales stellen eine Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung des Landes dar.“ Thomas Peyker, der Botschafter Europas in Guatemala, kündigte Sanktionen der EU gegen Guatemala an. Selbst Josep Borrell verurteilte die Versuche, die Wahlen in Guatemala zu annullieren. Nach zahlreichen Protesten im ganzen Land riefen die traditionellen Autoritäten der Maya-Gemeinden am 7. Dezember erneut zu Protesten vor dem Obersten Gerichtshof, dem Verfassungsgericht und der Oberstaatsanwaltschaft in Guatemala-Stadt auf. Am 12. Dezember richteten die Vertreter von rund 30 lokalen Maya-Verwaltungen eine Petition an die OAS, in der sie forderten, die Demokratieklausel der OAS-Charta anzuwenden und Guatemala aus der Organisation auszuschließen. Es bleibt zu hoffen, dass der gebündelte Druck von außen und unten einen Erfolg der Putschisten vereiteln kann. Ansonsten droht eine neue Runde des Staatszerfalls und der Repression in einem Land, das seit 70 Jahren unter der Herrschaft einer verbrecherischen und machthungrigen Elite leidet, die einen blutigen Bürgerkrieg mit mehr als 200.000 Toten und eine gescheiterte Demokratisierung zu verantworten hat. (Bildquelle: Pixabay-codyvanscyoc, cc)