Brasilien: Das brasilianische Portugiesisch entfernt sich immer weiter vom europäischen
|Der Sprachwissenschaftler Marco Bagno (Universidad de Brasília) stellte in einem Interview mit dem online-Magazin „Jornal Opção“ (Ausgabe 2084) klar, dass aus seiner Sicht die Variation des Portugiesischen, die in seinem Land gesprochen wird, als neue, eigene Sprache behandelt werden kann. Die Gräben zwischen dem, was die Portugiesen sprächen und dem, was in Brasilien Alltagssprache sei, seien inzwischen unüberwindbar. Unterscheidende Faktoren seien dabei nicht allein der mit afrikanischen und indigenen Wörtern ausgestattete Wortschatz des brasilianischen oder die ungleich komplexere Aussprache des europäischen Portugiesisch. Besonders in der Morphosyntax, also hinsichtlich der Frage, an welcher Stelle des Satzes welche Worte stehen und wie diese geformt sind, tun sich den Forschern bei genauerer Untersuchung tiefgreifende Differenzen auf. Im brasilianischen Portugiesisch fällt zum Beispiel in gewissen Kontexten die Numerus-Übereinstimmung zwischen Verb und Subjekt weg, ein Phämomen, welches in keiner anderen vom Latein abstammenden Sprache zu beobachten ist. Das sei nicht nur eine Laune der Sprecher – diese Konstruktion hat es inzwischen in die Schriftsprache gebracht, i.e., sie ist weitgehend als „Standard“-Sprache anerkannt. Bagno sieht die brasilianischen Linguisten in der Pflicht, politische Stellung zu beziehen und über die Landesgrenzen hinaus aktive Sprachenpolitik zu betreiben, denn nur so könne Brasilien langfristig seine Interessen sichern, indem es z.B. lateinamerikanischen, spanischsprachigen Studenten die brasilianische Variante des Portugiesischen beibringt (Bildquelle: Jonatan Argento_)