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Lateinamerika: Reich und stark? Lateinamerikanische Ökonomien im globalen Ranking

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Lesedauer: 3 Minuten

Das GDP (Gross Domestic Product) spielt bei der Bewertung der ökonomischen Stärke von Ländern immer noch eine zentrale Rolle. Je nachdem, ob man die absoluten Werte, die sich wiederum auf nomineller Grundlage bzw. Kaufkraftparität (PPP) angeben lassen, oder die Pro-Kopf-Angaben heranzieht, kann man unterschiedliche Schlüsse ziehen. Derartige Rankings liefern zwar eine erste Orientierung, bedürfen aber einer Einordnung und tiefergehenden Analyse, wenn man zu belastbaren Aussagen gelangen will. Ein Beispiel dafür liefert der Überblick über die „reichsten Länder der Welt“. Unter den Top 10 (Stand 5. Mai 2025) findet sich neben den üblichen Verdächtigen wie Singapur (1. Platz), Katar (4. Platz) und Norwegen (5. Platz) auch ein lateinamerikanisches Land. Wer die ökonomischen Schwergewichte Brasilien, Mexiko oder Chile unter den zehn reichsten Ländern vermutet, liegt jedoch falsch. Noch vor den USA und Dänemark liegt Guyana mit 94.258 US-Dollar GDP/ Kopf (berechnet nach PPP) auf dem achten Platz. Die Schweiz (6. Platz) liegt mit 97.581 US-Dollar nur knapp darüber. Nach den leicht abweichenden Angaben der Weltbank würde das Ranking ab dem 8. Platz etwas anders aussehen. Guyana bliebe aber auch in diesem Fall unter den Top 10. Wie kann ein Land, das 2020 noch bei 19.740 US-Dollar lag, das Pro-Kopf-Einkommen innerhalb so kurzer Zeit vervierfachen? Dafür gibt es eine simple Erklärung: Der nach 2020 einsetzende Erdöl-Boom. So steigerte sich das Volumen des Erdölexports von 2,98 Mrd. US-Dollar (2021) auf 29,4 Mrd. US-Dollar (2025). Der einsame Spitzenplatz Guyanas innerhalb Lateinamerikas und der Karibik (LAC) wird daran deutlich, dass der Zweitplatzierte – Panama mit 43.839 US-Dollar im globalen Ranking 2025 lediglich Platz auf Platz 50 kommt. Mit Ausnahme der USA handelt es sich bei den 10 reichsten Ländern, die ein oder mehrere der folgenden Merkmale aufweise: meist kleine Länder mit geringer Bevölkerung (z.B. Guyana mit 826.353 Einwohnern 2023), die sich als Steueroase bzw. als logistischer Knotenpunkt im Rahmen der neoliberalen Globalisierung profiliert haben. Katar, Norwegen und Brunei gehören wie Guyana zu den erdöl- und erdgasexportierenden Ländern. Dieses strukturelle Profil besitzt jedoch einen gewaltigen Nachteil: Solche Länder sind in hohem Maße einseitig abhängig und damit verwundbar. Fragt man statt nach dem Reichtum eines Landes nach dessen Wirtschaftskraft und legt das nach der Kaufkraftparität berechnete Bruttoinlandsprodukt (BIP-PPP) zugrunde (Schätzungen des IWF laut statista), dann ergibt sich ein völlig anderes Bild. Die ersten zehn Plätze teilen sich zwei Gruppen mit je fünf Ländern: zum einen die G7-Mitglieder USA (Platz 2), Japan (Platz 5), Deutschland (Platz 6), Frankreich (Platz 9) und Großbritannien (Platz 10); zum anderen die BRICS-Staaten China (Platz 1), Indien (Platz 3), Russland (Platz 4), Indonesien (Platz 7) und Brasilien (Platz 8). Der Gruppenvergleich fällt mit 75.522 Mrd. US-Dollar zu 52.204 Mrd. US-Dollar deutlich zugunsten der BRICS aus. Die „kleinen Reichen“ tauchen hier gar nicht auf. Lediglich die USA taucht in beiden Rankings auf. Sie gehört sowohl zu den reichsten als auch zu wirtschaftlich stärksten Ländern der Erde. Lateinamerika ist mit jeweils einem Land vertreten – mit Guyana bei den „Reichen“ und mit Brasilien bei den „Starken“. Beide rangieren jedoch ihrem achten Platz am hinteren Ende der Top 10. Hätte es den unverhofften Erdölboom in Guyana nicht gegeben, sähe die Bilanz noch schlechter aus. Soviel zur Rolle des Zufalls in der Statistik. (Bild: Quetzal-Redaktion, mceniza)

 

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