Zwei Filme zu Ernährungssouveränität und Raubbau an der Natur in Lateinamerika
Das Projekt „Querbeet – Offene Gärten“ kümmert sich seit 2011 um die sinnvolle Nutzung von Brachflächen im Leipziger Osten. So kann in der Neustädter Str. 20 gemeinsam gegärtnert und geerntet werden. „Urban gardening“ heißt das ja auf Neudeutsch, in Leipzigs Osten ist das ein durchaus interessanter Versuch, die Bewohner des sehr heterogenen Viertels zusammenzubringen. Der Offene Garten wird im Sommer auch zum Flimmergarten, und vom 11. bis 19. Juli konnten die Besucher unter Bäumen bei fair gehandelten Speisen und Getränken interessante Dokumentarfilme zu nachhaltigem Konsum und ökologischer Landwirtschaft sehen. Am 18. Juli standen zwei Filme auf dem Programm, die sich mit Lateinamerika beschäftigten: „Growing Change“ über den Kampf um Ernährungssicherheit in Venezuela und „ALMA“ über die Folgen von Viehzucht und Sojaanbau für den brasilianischen Regenwald.
Der Australier Simon Cunich nimmt die Ernährungskrise von 2008 zum Ausgangspunkt, um der Frage nachzugehen, ob und wie Ernährungssouveränität zu erreichen ist. Für die Ernährungssituation in der Welt findet der Film ein anschauliches Bild: eine Eieruhr. Oben die Produzenten, unten die Konsumenten, und in der Mitte bilden die Konzerne das Nadelöhr, durch das die Verteilung erfolgt. Hunger ist weniger die Folge des Mangels an Lebensmitteln, sondern er entsteht vor allem dann, wenn Verbraucher nicht genug Geld haben, um sich Nahrungsmittel zu kaufen. Wenn die westliche Hightech-Landwirtschaft die Ernährungskrisen nicht verhindern kann, so Cunich, welche alternativen Wege gibt es, um Ernährungssicherheit und -souveränität zu erreichen?
Die Antwort der im Film interviewten Experten fällt eindeutig aus: Eine Änderung des Nahrungsmittelsystems ist notwendig. Eine solche Veränderung braucht 1. Zugang zu Land, 2. Zugang zu Ressourcen, 3. Zugang zu Märkten, 4. fairen Handel, 5. starke Gemeinschaften, 6. eine fairere Verteilung und 7. Agroökologie. Am Beispiel Venezuelas versucht Cunich zu demonstrieren, welche Möglichkeiten eine solche Entwicklung bieten kann. Zu den Veränderungen, die mit der Bolivarianischen Revolution in Venezuela in Angriff genommen wurden, gehören auch umfangreiche Bemühungen, um das Land unabhängig von Nahrungsmittelimporten zu machen. Cunich prüft die Umsetzung der sieben Voraussetzungen für Ernährungssouveränität in Venezuela. Er zeigt die Übergabe von Land an Bauern, landwirtschaftliche und Fischereigenossenschaften, nachhaltigen Fischfang, neue Verteilungswege für Nahrungsmittel, Fischzucht, städtische Landwirtschaft und Wurmfarmen in Caracas. Der Film vermittelt alles in allem ein optimistisches Bild von den Ergebnissen dieser Veränderungen, berichtet vom Produktionsanstieg bei einigen Lebensmitteln. Wohl deshalb hielten es die Veranstalter für wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Realität doch noch anders aussieht. Die Nahrungsmittelimporte Venezuelas steigen nach wie vor. Der Weg zur Nahrungsmittelsouveränität ist offensichtlich länger und steiniger als erwartet.
Der französische Film „ALMA“ thematisiert die Abholzung des Regenwaldes in Brasilien, um Flächen für die Rinderzucht und den Sojaanbau zu schaffen. In der Art von „Unser täglich Brot“ zeigt der Film Abholzung, Viehzucht, Tiertransporte, Schlachtungen, Sojaanbau, selbst die Volksfeste auf Viehmärkten – kommentarlos. Das alles ist in zugleich schönen und erschreckenden Bildern zu sehen. Doch die Dramaturgie des Films erschloss sich mir nicht ganz, mitunter wirkten die Bilder wie wahllos aneinandergereiht.
Growing Change (Australien/ Venezuela 2012), Regie: Simon Cunich
ALMA (Frankreich 2011), Regie: Patrick Rouxel
Bildquellen: [1] Agencia Brasil, [2] Agencia Brasil, Elza Fiuza.