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Señor Kaplan. Ein Rentner räumt auf

Laura Wägerle | | Artikel drucken
Lesedauer: 4 Minuten

Señor Kaplan - Bild: SnapshotSeñor Jacobo Kaplan geht auf die 80 zu. Wir befinden uns im Jahr 1997 in der uruguayischen Haupstadt Montevideo. Der Protagonist des Films „Señor Kaplan“ ist Vater zweier Söhne, Ehemann einer patenten Ehefrau und seit neustem nicht mehr Besitzer seines Führerscheins. Der wurde ihm weggenommen, weil seine Sehkraft auf einem Auge rapid gesunken ist.

Das kommt heraus, als er mit seiner Rebecca auf einem Fest ihrer gemeinsamen jüdischen Gemeinde das Auto eines Gastes zu Schrott fährt; beim selben Fest, auf welchem er vor lauter Frust und Drang, sich selbst und der Welt etwas zu beweisen, in den Swimming-Pool springt, obwohl er doch nicht schwimmen kann. Doch der abgeknöpfte Führerschein und die Verzweiflungstat am Pool scheinen nur die Spitze des Eisbergs: Was Jacobo in Wahrheit umtreibt, erfahren wir bei einigen Flashbacks in seine Vergangenheit. Der unscheinbare Mittsechziger polnischen Ursprungs wurde im Jungenalter von seinen Eltern während der Wirren der Nazizeit nach Uruguay geschickt, die ihm wohl versprachen, ihm hinterherzukommen, das Versprechen jedoch nie einlösen konnten. In seiner Kindheit wurde ihm vom Rabbi seiner Gemeinde aufgetragen, seinem Namen „Jakele“ alle Ehre zu machen und das jüdische Volk mit Stolz zu erfüllen. Nun spürt Jacobo also so langsam, dass es mit seinem Leben auf das Ende zugeht, und gleichzeitig beginnt in ihm das schlechte Gewissen zu gären, noch nichts für sein Volk getan zu haben. Die bohrende Frage, die er sich zu Beginn des Filmes stellt, lautet: „Was habe ich Denkwürdiges getan in meinem Leben?“

Die Gelegenheit, dieses Versprechen einzulösen, bietet sich offenbar, als seine Enkelin ihm von einem Deutschen erzählt, der am Strand von Montevideo eine kleine Bar betreibt. Gemeinsam mit seinem Fahrer Wilson, einem Ex-Polizisten, macht er sich auf Verbrecherjagd, vermutet er in dem blauäugigen Deutschen mit den vom Schwimmen gestählten Muskeln doch einen Ex-Nazi. Damit beginnt nun die eigentliche Handlung des Filmes, und wir bekommen einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Lebenswelt der beiden ungleichen Männer. Wilson ist Ex-Polizist, weil er sich von seinem Schwager hat übers Ohr hauen lassen; inzwischen trinkt er mehr, als ihm gut tut, und vermisst seine Frau und Kinder, die beim verhassten Schwager untergekommen sind. Er sieht in dem Auftrag, Jacobo Kaplan durch die Gegend zu kutschieren zunächst einen harmlosen Taxi-Job. Seine Skepsis gegenüber Kaplans wilde Mutmaßungen, warum dieser langärmelige Barbesitzer Nazi sein und nach Israel gebracht werden muss, weicht nur langsam auf. Er ist nahezu der prototypische Sancho Pansa neben dem greisen Don Quichote, welchem er mit Pragmatik und nach und nach auch mit immer mehr Überzeugung zur Seite steht.

Kaplan hingegen ist schnell am Kern seiner Leidenschaft angelangt. Nachts studiert er die Eichmann-Akten, tagsüber fährt er mit Wilson an den Strand, um den Deutschen zu beschatten. Aus schierem Protest beginnt er zu rauchen. Seine Enkelin ist ihm Verbündete, ist sie doch die einzige seiner Familie, die ein Gespür für den Tatendrang und die Sehnsucht nach Wirksamkeit ihres Großvaters hat, während dessen beiden Söhne zunehmend in Sorge über den geistigen Zustand ihres Vaters geraten. Als Kaplan dann auch noch einen Herzanfall erleidet, beschließt der Familienrat, ihn nicht mehr mit Wilson in Kontakt treten zu lassen. Doch da hilft die Enkelin aus.

Erwartungsgemäß ist die Mission der beiden jedoch schließlich und endlich zum Scheitern verurteilt. Bis sie den Deutschen betäuben, auf ein Boot schleppen und schließlich alle drei im Wasser landen (wohlgemerkt: weder Kaplan noch Wilson können schwimmen!), zeichnet „Senor Kaplan“ ein liebevolles Bild vom Älterwerden in einer behüteten Umgebung und von der Hoffnung, nochmal neu anfangen zu können. Dies tut er in den sanften Farben eines sommerlichen Montevideos, in dem eine optimistische Stimmung überwiegt. Die beiden Hauptfiguren erscheinen auf liebevolle Art so tollpatschig, dass der Zuschauer durchaus ins Mitfiebern gerät, als sie ihre Mission waghalsig und keineswegs friedliebend oder gar gewaltfrei zu Ende bringen wollen. Das Ende jedoch überrascht. Es bleibt der Eindruck einer sanften, liebevollen Hommage an das Älterwerden, die Wechselfälle des Lebens und den Mut, für seine eigenen Ideale einzustehen.

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Señor Kaplan. Ein Rentner räumt auf

Regie: Álvaro Brechner

Uruguay 2015

 

Bildquelle: [1] Pressebild aus www.senorkaplan.de

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